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Private Krankenversicherung – medizinische Notwendigkeit einer Heilbehandlung

OLG Frankfurt – Az.: 3 U 56/17 – Beschluss vom 21.02.2018

In dem Rechtsstreit wird darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 01.02.2017 (1 O 63/15) durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Nach Vornahme der gebotenen Prüfungen ist der Senat einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Die Sache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats durch Urteil.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Leistungen aus einer Krankheitskostenversicherung in Anspruch.

Zwischen den Parteien besteht auf der Grundlage der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskostenversicherung (AVB/V, Anlage B 2, Anlagenband) eine Krankheitskostenversicherung, hinsichtlich deren Einzelheiten auf den Versicherungsschein (Anlage K 1, Anlagenband) verwiesen wird. Die Klägerin unterzog sich zunächst bei A einer B-Behandlung. Wegen einer bestehenden Schilddrüsenunterfunktion wurde sie mit L.-Thyroxin substituiert. Im Jahr 2011 befand sich die Klägerin bei C in Stadt1 in Behandlung mit substitutiven Nahrungsergänzungsmitteln. Dieser stellte der Klägerin insgesamt € 7.330,63 in Rechnung (Anlagenkonvolut K 3, Anlagenband) und erstellte am 15.09.2011 einen Behandlungsbericht (Anlage K 7, Anlagenband). Die Beklagte lehnte eine Kostenerstattung ab.

Die Klägerin hat behauptet, dass die Behandlung durch C medizinisch notwendig gewesen sei. Aufgrund der Höherdosierung des L.-Thyroxin durch A sei es ihr schlechter gegangen. Die Behandlung durch C habe eine Senkung der Dosierung herbeiführen können.

Nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens von D vom 18.04.2016 (Bl. 86f. d. A.) hat das Landgericht die Klage mit Urteil vom 01.02.2017, auf dessen tatsächliche Feststellungen im Übrigen verwiesen wird, abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin für die medizinische Notwendigkeit der Heilbehandlung beweisfällig geblieben sei. Der Sachverständige habe überzeugend ausgeführt, dass die medizinische Erforderlichkeit der Substitutionsbehandlung mit Nahrungsergänzungsmitteln nach internistischer Gesamtschau der Befunde nicht nachvollziehbar sei. Objektive Befunde habe ihm die Klägerin trotz Anforderung nicht übersandt. Die Anforderung von Behandlungsunterlagen von A sei zur weiteren Aufklärung nicht geeignet. Das Zeugnis des Behandlers sei kein geeignetes Beweismittel.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vortrags ihre erstinstanzlichen Anträge weiter verfolgt. Das Landgericht habe den Fall unzureichend geprüft. Es hätte C zu den Befunden vernehmen müssen, was die Klägerin beantragt gehabt habe. Erstmals in der Berufungsinstanz beruft sich die Klägerin hinsichtlich der Beschwerden nach der Höherdosierung auf das Zeugnis des A.

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Landgerichts Wiesbaden AZ 1 O 63/15 vom 07.12.2016 aufzuheben,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 7.330,63 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit abzgl. der tariflich vereinbarten Selbstbeteiligung in Höhe von … zu zahlen,

3. die Beklagte ferner zu verurteilen, sie von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 761,60 Euro freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil. C habe nicht als Zeuge gehört werden müssen. Es komme allein auf dessen Dokumentation an. Die Benennung des A erstmals in der Berufungsinstanz sei verspätet.

II.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

1. In der Sache hat sie jedoch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

a) Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Klägerin gegen die Beklagte aus der streitgegenständlichen Krankheitskostenversicherung keinen Anspruch auf Zahlung von € 7.330,63 hat. Denn die Klägerin konnte nach den zutreffenden Feststellungen des Landgerichts, an die der Senat nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden ist, nicht beweisen, dass die streitgegenständliche Behandlung durch C medizinisch notwendig im Sinne des § 1 Abs. 2 der AVB/V war.

Die medizinische Notwendigkeit bestimmt sich nach objektiven Kriterien (vgl. BGHZ 133, 208; BGHZ 184, 61), so dass die ärztliche Verordnung einer Methode noch nicht ihre Notwendigkeit bestätigt. Diese ist vielmehr erst gegeben, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar war, sie als notwendig anzusehen (vgl. BGHZ 133, 208). Im Streitfall ist die medizinische Notwendigkeit durch ein Sachverständigengutachten zu klären. Das sachverständige Zeugnis des behandelnden Arztes kommt als Beweismittel für die Notwendigkeit der Behandlung nicht in Betracht (vgl. OLG Koblenz NJW-RR 2010, 41 ), sein Gutachten kann aber als qualifizierter Parteivortrag eingeführt werden.

Private Krankenversicherung - medizinische Notwendigkeit einer Heilbehandlung
(Symbolfoto: Von aquatti/Shutterstock.com)

Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Feststellung des Landgerichts, dass die Klägerin die medizinische Notwendigkeit nicht bewiesen hat, zutreffend. Entgegen der Auffassung der Klägerin war der behandelnde Arzt C nicht als Zeuge zu vernehmen. Dieser kann, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, die medizinische Notwendigkeit nicht bestätigen. Seine Vernehmung war auch nicht zur Klärung der von ihm erhobenen Befunde notwendig. Denn der Sachverständige D hat in seinem Gutachten vom 18.04.2016 unter Unterstellung der von C getroffenen Diagnosen als zutreffend überzeugend ausgeführt, dass die Gesamtschau der Befunde keinen Schluss auf die Erforderlichkeit der Behandlung zulässt (Bl. 87 d. A.), und zwar unabhängig davon, ob die Befunde durch Originalergebnisse gestützt werden. Es hätten ggf. auch Kontrolluntersuchungen des TSH-Wertes ausgereicht. Gerade diese Feststellung hat die Klägerin nicht angegriffen, indem sie darauf abstellte, dass Kontrolluntersuchungen regelmäßig durchgeführt worden seien, ohne jeden deren Ergebnisse durch Vorlage der entsprechenden Laborbefunde mitzuteilen. Diese Laborbefunde bei A anzufordern, ist nicht Aufgabe des Gerichts, sondern hätte der darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin oblegen. Hinzu kommt, dass die Dosierung von L.-Thyroxin allgemein bekannt Schwankungen unterliegt, worauf der Sachverständige mit der Alternative der Kontrolluntersuchung offensichtlich anspielt, so dass die später erfolgte geringere Dosierung nicht zwingend auf die Behandlung durch C zurückzuführen ist. Da es auf die Befunde im Zeitpunkt des Beginns der Behandlung durch C ankommt, die der Sachverständige D unterstellt hat, waren die früheren Befunde aus der B-Behandlung ebenso wenig beizuziehen wie der erstmals in der Berufungsinstanz benannte Zeuge A zu vernehmen. Mit letzterem Beweismittel ist die Klägerin ohnehin nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen, da die Klägerin nicht dargelegt hat, dass sie diesen Zeugen nicht aus Nachlässigkeit nicht schon in erster Instanz benannt hat.

b) Mangels Hauptforderung hat die Klägerin gegen die Beklagte auch keine Ansprüche auf Zahlung von Prozesszinsen aus § 291 BGB und Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 761,60 aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB.

2. Angesichts dessen ist eine mündliche Verhandlung, von der kein weiterer Erkenntnisgewinn zu erwarten ist, nicht geboten. Die Sache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats durch Urteil.

3. Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Senat der Beklagten zur Vermeidung einer Zurückweisung der Berufung durch einen Beschluss, dessen Begründung sich in einer Bezugnahme auf diesen Hinweisbeschluss erschöpfen könnte, eine Rücknahme der Berufung in Erwägung zu ziehen. Eventuellem neuen Sachvortrags setzt die Zivilprozessordnung enge Grenzen. Eine Zurücknahme der Berufung hätte – abgesehen von den ohnehin anfallenden Anwaltskosten – eine deutliche Reduzierung der Gerichtskosten zur Folge, da sich die Verfahrensgebühren für das Berufungsverfahren im allgemeinen von vier auf zwei Gerichtsgebühren halbieren würden.

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