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Private Krankenversicherung – Mahnpflicht bei Betragsrückstand

OLG Köln – Az.: I-9 U 137/18 – Beschluss vom 19.02.2019

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

Dem Kläger wird Gelegenheit gegeben, innerhalb von 3 Wochen nach Zugang dieses Beschlusses zu den Hinweisen Stellung zu nehmen.

Gründe

Die zulässige Berufung hat nach der einstimmigen Überzeugung des Senats aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet werden, offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die Klage auf Prämienzahlungen über den zugesprochenen Betrag von 4.943,60 EUR nebst Zinsen und Mahnkosten hinaus zu Recht und mit in jeder Hinsicht zutreffender Begründung abgewiesen. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren auf Zahlung von Versicherungsprämien für den Basistarif in Höhe von 665,00 EUR für den Monat Dezember 2016 und in Höhe von monatlich 682,95 EUR für die Monate Januar 2017 bis einschließlich Mai 2017 weiter. Für diese Zeiträume ab Dezember 2016 ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger nur noch die Zahlung des Notlagentarifs i.H.v. 73,22 EUR pro Monat verlangen kann. Der Senat schließt sich den Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil an. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere rechtliche Würdigung, die Berufung ist unbegründet.

Das Landgericht hat die Regelungen in § 193 Abs. 3, 6 und 7 VVG rechtsfehlerfrei angewandt. Der Vertragsbeginn datiert auf den 01. Juni 2016. Nach dem klägerischen Vortrag leistete der Beklagte seit Juni 2016 keinerlei Zahlung. Daher hätte die erste Mahnung gemäß § 193 Abs. 6 S. 1 VVG spätestens im August 2016 erfolgen müssen. Denn zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte schon mit den Prämienanteilen für Juni und Juli, mithin für zwei Monate in Rückstand. Gemäß den Anforderungen des § 193 Abs. 6 S. 3 VVG hätte zwei Monate später, das heißt im Oktober 2016, erneut gemahnt werden müssen. Denn der Beklagte leistete auch weiterhin nicht, so dass der Prämienrückstand einschließlich der Säumniszuschläge zu diesem Zeitpunkt höher als der Prämienanteil für einen Monat war. Auch einen Monat nach dieser erforderlichen zweiten Mahnung, d.h. im November 2016, war der Zahlungsrückstand höher als der Prämienanteil für einen Monat. Folglich ruhte gemäß § 193 Abs. 6 S. 4 VVG der Vertrag ab dem ersten Tag des nachfolgenden Monats, mithin ab dem 01. Dezember 2016. Dies hatte gemäß § 193 Abs. 7 S. 1 VVG zur Folge, dass der Versicherungsnehmer ab diesem Zeitpunkt als im Notlagentarif nach § 153 VAG n.F. versichert gilt. Ab Dezember 2016 stand dem Kläger allein der vom Landgericht zugesprochene Prämienanteil für den Notlagentarif in Höhe von 73,22 EUR pro Monat zu und nicht mehr in Höhe der Vollprämie.

Etwas anderes folgt nicht daraus, dass der Versicherungsvertrag unstreitig erst mit dem Antragsformular vom 25.08.2016 beantragt und erst am 21.10.2016 rückwirkend auf den 01.06.2016 policiert wurde. Dass die nach dem Gesetz erforderlichen Mahnungen nicht erfolgten und faktisch zu den oben genannten Zeitpunkten (August und Oktober 2016) auch nicht erfolgen konnten, da der Vertragsschluss auf den 21.10.2016 datiert, rechtfertigt keine andere rechtliche Bewertung. Denn der Kläger kann sich gemäß § 242 BGB nicht darauf berufen, dass ihm aufgrund der von ihm selbst vorgenommenen rückwirkenden Policierung eine Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Fristen zur Mahnung gemäß § 193 Abs. 6 VVG nicht möglich gewesen sei. Die rückwirkende Policierung steht einer Umstellung in den Notlagentarif ab Dezember 2016 nicht entgegen.

Der Wechsel in den Notlagentarif tritt kraft Gesetzes und nicht aufgrund einer Erklärung des Versicherers ein (OLG Karlsruhe, Urt. v. 30.06.2016 – 12 U 78/16, Rn. 34, juris). Wenn die in § 193 Abs. 6 VVG festgelegten Prämienrückstände aufgelaufen sind, darf es nicht dem Ermessen des Versicherers überlassen werden, ob es zu einem Ruhen des Vertrages und damit zu einer Versicherung im Notlagentarif kommt (OLG Oldenburg, Urt. v. 08.02.2017 – 5 U 91/16, Rn. 10, juris; LG Nürnberg-Fürth, Hinweis v. 19.10.2015 – 8 O 6702/15, Rn. 3, juris; LG Frankfurt a.M., Urt. v. 17.04.2018 – 23 O 36/18, Rn. 27 f., juris; zur a.A., welcher der Senat nicht folgt: Voit, in: Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl. 2018, § 193 VVG Rn. 41). Bei Vorliegen der Voraussetzungen ist der Versicherer vielmehr gesetzlich zur Mahnung verpflichtet. Kommt der Versicherer dem entgegen dem Gesetz nicht (unverzüglich) nach, kann er sich nach § 242 BGB auch nicht auf die dadurch hervorgerufene Verzögerung berufen bzw. es ist ihm im Unterlassensfall versagt, für die betreffende Zeit Prämien aus der Vollversicherung zu fordern (OLG Köln noch zu § 193 Abs. 6 S. 1 und 2 a.F., Urt. v. 06.03.2015 – 20 U 131/14, Rn. 48, juris; LG Frankfurt a.M., Urt. v. 17.04.2018 – 23 O 36/18, Rn. 29, juris; LG Nürnberg-Fürth, Beschluss v. 19.10.2015 – 8 O 6702/15, Rn. 4 f., juris, unter Bezugnahme auf das vorgenannte Urteil des OLG Köln; Muschner, in: Langheid/Rixecker, Versicherungsvertragsgesetz, 6. Aufl. 2019, § 193 VVG Rn. 84b).

Diese rechtliche Verpflichtung des Versicherers zur Mahnung ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Regelung des § 193 Abs. 6 S. 1 VVG („hat […] zu mahnen“). Sie entspricht ferner dem Sinn und Zweck der Regelung in § 193 Abs. 6 S. 4, Abs. 7 VVG. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte die Einführung des Notlagentarifs vor allem den säumigen Versicherungsnehmer „vor weiterer Überschuldung“ schützen (BT-Drs. 17/13947, S. 31; Muschner, in: Langheid/Rixecker, a.a.O., § 193 VVG Rn. 80). Die Einstufung in den Notlagentarif sollte wegen der damit verbundenen niedrigeren Prämien die inzwischen aufgebauten Beitragsschulden verringern und die Zahlungsfähigkeit des säumigen Versicherungsnehmers schneller wiederherstellen. Ziel war auch, die Versichertengemeinschaft zu entlasten, denn diese ist solidarisch für die von anderen, säumigen Versicherungsnehmern aufgebauten Rückstände eintrittspflichtig (BT-Drs. 17/13947, S. 31; Muschner, in: Langheid/Rixecker, VVG, a.a.O., § 193 VVG Rn. 80).

Diesem Sinn und Zweck widerspräche es, wenn der Versicherer sich bei einer Krankheitskostenpflichtversicherung im Sinne des § 193 Abs. 3 VVG darauf berufen könnte, dass ihm eine Erfüllung seiner gesetzlichen Pflicht zur rechtzeitigen Mahnung von Beitragsrückständen infolge einer von ihm selbst vorgenommenen rückwirkenden Policierung unmöglich gewesen sei, die Umstellung in den Notlagentarif daher erst zu einem späteren Zeitpunkt eingreife. Hierdurch würde das gesetzgeberische Ziel einer Entschärfung des Problems von Beitragsrückständen unterlaufen. Eine Berufung des Klägers auf die rückwirkende Policierung stellt sich insoweit als treuwidrig dar. Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte selbst auf der Grundlage seines Antrages vom 25.08.2016 den Abschluss eines Vertrages für eine private Krankenversicherung rückwirkend ab dem 01.06.2016 beantragt hatte. Einem privaten Krankenversicherer – wie dem Kläger – müssen die gesetzliche Pflicht zur rechtzeitigen Mahnung von Beitragsrückständen und die Rechtsfolge einer Umstellung in den Notlagentarif mit einer deutlichen Verringerung der Prämienlast bekannt sein. Bei der Vornahme einer rückwirkenden Policierung kann er erkennen, dass die Schutzfunktion des gesetzlich vorgeschriebenen Mahnverfahrens zur Vermeidung von Überschuldungen unterlaufen werden kann. Diese Kenntnis kann hingegen bei einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer – wie dem Beklagten – nicht erwartet werden.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine Umstellung in den Notlagentarif bereits sechs Wochen nach Vertragsabschluss auch für keine der Vertragsparteien untragbar. Vertragspartner des Klägers war hier ein Versicherungsnehmer und Schuldner, der schon im ersten Monat des rückdatierten Versicherungsbeginns (Juni 2016) und damit von Anfang an die Prämie nicht entrichtete. Der schon kurz nach Vertragsabschluss zu Tage tretende erhebliche Prämienrückstand hätte sich – wie dann auch geschehen – fortgesetzt bzw. erhöht. Die Umstellung schon nach kurzer Vertragslaufzeit in einen nicht vereinbarten Tarif kommt dem Beklagten insoweit zugute. Nur so wird entsprechend dem gesetzgeberischen Ziel verhindert, dass Prämienrückstände und damit eine Verschuldung in erheblicher Höhe entstehen. Für den Kläger ist ein kraft Gesetzes eintretender Wechsel in den Notlagentarif ab Dezember 2016 hinzunehmen. Als Korrelat schuldet er nur noch Leistungen nach dem Notlagentarif.

Entgegen der Auffassung des Klägers werden die Parteien damit nicht unzulässig in ihrer Vertragsfreiheit beschränkt. Ein Vertragsschluss mit einem rückwirkend vereinbarten Versicherungsbeginn wird nicht faktisch ausgeschlossen. Für alle Fälle, in denen der Versicherungsnehmer ab dem vereinbarten rückwirkenden Versicherungsbeginn vertragsgemäß die dem Versicherer zustehenden Prämienanteile erbringt, ergeben sich keinerlei Besonderheiten. Ebenso ist es, wenn Beitragsrückstände erstmals für Zeiten auftreten, die nach dem Ausstellungsdatum der Versicherungspolice liegen. Nur für den – hier vorliegenden – Ausnahmefall, dass zwischen dem rückdatierten Versicherungsbeginn und dem Ausstellungsdatum der Versicherungspolice die geschuldeten Versicherungsprämien nicht ordnungsgemäß gezahlt werden, kann es im Einzelfall treuwidrig sein, wenn der Versicherer sich darauf beruft, dass er wegen der von ihm selbst vorgenommenen Rückdatierung das gesetzlich vorgeschriebene Mahnverfahren gemäß § 193 Abs. 6 VVG faktisch nicht einhalten konnte. Doch auch in diesem besonderen Fall sind für beide Vertragsparteien die gesetzlich vorgeschriebenen Fristen für eine Umstellung in den Notlagentarif zu beachten. Dementsprechend konnte der Kläger von dem rückwirkenden Versicherungsbeginn im Juni 2016 bis zum Ablauf der Mahnfristen im November 2016 die vollen vertraglich vereinbarten Versicherungsprämien von dem Beklagten verlangen, wie das Landgericht zu Recht in dem angefochtenen Urteil festgestellt hat.

Die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO liegen vor. Die Sache hat keine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats auf Grund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO). Die Bedeutung der Sache geht nicht über den Einzelfall mit seinen besonderen Ausprägungen hinaus.

Für den Kläger besteht Gelegenheit, binnen 3 Wochen zu den Hinweisen des Senats Stellung zu nehmen. Auf die gemäß Nr. 1222 KV zum GKG bestehende Möglichkeit zur Kostenersparnis im Fall einer Berufungsrücknahme wird vorsorglich hingewiesen.

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