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Private Krankenversicherung – : Kostenerstattung für refraktiven laser-chirurgischen Eingriff

LG Hamburg – Az.: 332 S 74/09 – Urteil vom 28.09.2012

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 29.04.2009, Az. 6 C 459/08, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Dem streitgegenständliche Versicherungsverhältnis liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) der Beklagten zu Grunde (Anlage B 1). Die Klägerin leidet an einer starken Kurzsichtigkeit auf beiden Augen. Sie begehrt die Erstattung der Kosten für einen refraktiven Laser-Chrirurgischen Eingriff (LASIK) gemäß augenärztlichem Attest vom 14. Januar 2008 (Anlage K 1).

Die Klägerin behauptet, sie leide an einer Kontaktlinsenunverträglichkeit sowie einer Druckekzembildung auf dem Nasenrücken bei Verwenden einer Brille.

Ergänzend wird auf die Ausführungen in dem Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat die Klage mit Urteil vom 29. April 2009, dem Klägervertreter zugestellt am 10. Juni 2009, abgewiesen. Am 02. Juli 2009 ist die Berufung eingegangen und mit Schriftsatz vom 16. Juli 2009, eingegangen am 20. Juli 2009, begründet worden.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die Kosten für die LASIK-Operation zur Korrektur ihrer Kurzsichtigkeit auf beiden Augen zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. S.. vom 27.01.2012, die schriftliche Stellungnahme des Sachverständigen vom 27.03.2012 sowie die Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 31.08.2012 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Private Krankenversicherung - : Kostenerstattung für refraktiven laser-chirurgischen Eingriff
Symbolfoto: Von MichaelVaulin /Shutterstock.com

Das Amtsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Zwar konnte das Amtsgericht die Frage der medizinischen Notwendigkeit der streitgegenständlichen Maßnahmen nicht ohne die Einholung eines Sachverständigengutachtens beurteilen. Insoweit fehlte dem Amtsgericht die erforderliche Sachkunde. Diese konnte auch nicht durch den Verweis auf ein Urteil des Landgerichts Mannheim ersetzt werden. So wäre selbst der Hinweis auf medizinische Fachliteratur grundsätzlich nicht geeignet, die erforderliche Sachkunde des Gerichts zu begründen, da das Studium derartiger Literatur infolge der notwendigerweise generalisierenden Betrachtungsweise dem medizinischen Laien nur bruchstückhafte Kenntnisse vermitteln kann (BGH, Urteil vom 10. Mai 1994, VI ZR 192/93). Zudem ist hier ein solcher Verweis durch das Amtsgericht nicht erfolgt.

Durch das von der Kammer eingeholte Gutachten konnte jedoch von der Klägerin der Nachweis nicht erbracht werden, dass es sich bei der von der Klägerin begehrten LASIK-Operation um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung im Sinne der Versicherungsbedingungen handelt. Zwar ist ein sicher vorhersehbarer Erfolg keine unabdingbare Voraussetzung der Annahme der medizinischen Notwendigkeit einer Heilbehandlung (Prölss/Martin, VVG, 28. Auflage, § 192 VVG, Rn. 72). Eine Heilbehandlungsmaßnahme ist vielmehr dann medizinisch notwendig, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen im Zeitpunkt der Behandlung vertretbar war, sie als medizinisch notwendig anzusehen. Das ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode zur Verfügung steht, die geeignet ist, die Krankheit zu heilen, zu bessern oder zu lindern. Es reicht die Möglichkeit der Linderung, wobei der Versicherte grundsätzlich zwischen verschiedenen möglichen Behandlungsmethoden frei wählen kann, sofern im Hinblick auf Behandlungserfolg und Risiken eine Vergleichbarkeit gegeben ist. Mit dem Begriff der medizinischen Notwendigkeit einer Heilbehandlung wird ein objektiver, vom Vertrag zwischen Arzt und Patient unabhängiger Maßstab eingeführt. Insoweit hängt die Beurteilung nicht allein von der Auffassung des Versicherungsnehmers oder des ihn behandelnden Arztes ab, sondern von den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung. Steht danach die Eignung einer Behandlung, eine Krankheit zu heilen oder zu lindern, nach medizinischen Erkenntnissen fest, folgt daraus grundsätzlich die Eintrittspflicht des Versicherers. Es genügt, wenn die medizinischen Befunde und Erkenntnisse es im Zeitpunkt der Behandlung vertretbar erscheinen lassen, die Behandlung als notwendig anzusehen. Ob dies der Fall ist, kann nur anhand der im Einzelfall maßgeblichen objektiven Gesichtspunkte mit Rücksicht auf die Besonderheiten der jeweiligen Erkrankung und der auf sie bezogenen Heilbehandlung bestimmt werden. Liegt keine lebensbedrohende Krankheit vor, so lässt erst ein höherer Grad der Erfolgswahrscheinlichkeit es als vertretbar erscheinen, die Maßnahme als bedingungsgemäß notwendig anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 21. September 2005, IV ZR 113/04). Zu berücksichtigen sind dabei auch die Risiken und Nebenwirkungen der zu beurteilenden Behandlungsmaßnahme.

Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend unter Berücksichtigung der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten und in seiner mündlichen Erläuterung in der begehrten LASIK-Operation keine medizinisch notwendige Heilbehandlung gesehen werden. Zwar hat der Sachverständige ausgeführt, dass es sich bei der dieser Operation um ein wissenschaftlich anerkanntes Verfahren zur Korrektur bis ca. 10 Dioptrien handele, wobei dieser Wert auf einem Auge der Klägerin schon fast erreicht werde. Es werde jedoch kam zu erreichen sein, dass man zu einer Refraktion von null komme und die Klägerin werde auch nach der Operation, ungeachtet einer zusätzlich etwaig einsetzenden Alterssichtigkeit, schon wegen des hohen Grades der Kurzsichtigkeit weiterhin eine Brille oder Kontaktlinsen benötigen. Dies allein führt zwar noch nicht zu einem Ausschluss der Annahme der medizinischen Notwendigkeit, da auch die Linderung eines Leidens insoweit ausreichen kann und der Sachverständige ausgeführt hat, dass es nach der Operation wahrscheinlich so sein werde, dass die Klägerin eine sehr viel schwächere Brille benötige. Zu berücksichtigen ist diesbezüglich jedoch, dass der Sachverständige eine Einschränkung der Erfolgsaussichten damit begründet, dass eigentlich zu fordern wäre, dass es zumindest zwei Jahre vor der Operation nicht mehr zu einem Wachstum des Auges und damit einer Verstärkung der Kurzsichtigkeit gekommen sein sollte. Das sei jedoch bei der Klägerin nicht feststellbar, so dass davon auszugehen sei, dass das Wachstum des Auges noch nicht abgeschlossen sei, so dass auch nach einer LASIK-Operation mit weiteren Beeinträchtigungen zu rechnen sei.

Ferner sind etwaige Nebenwirkungen und der Operationsweg von Bedeutung. So führt der Sachverständige aus, dass oftmals nach LASIK-Operation in der Dunkelheit sog. „Halos“ um Lichtquellen aufträten. Ferner führe die Durchtrennung von Nerven dazu, dass sich die Trockenheit der Augen durch die Operation eher verschlechtere, was sich auf das weiterhin notwendige Tragen von Kontaktlinsen als Alternative zu einer Brille beeinträchtigend auswirken würde.

Von erheblicher Relevanz ist ferner, dass nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen auch durch eine LASIK-Operation die eigentlich Ursache der Kurzsichtigkeit nicht beseitigt oder eingedämmt werde. Diese liege darin, dass das Auge bei Kurzsichtigkeit länger als in einem Normalfall sei. Das werde auch durch die Operation nicht geändert. Es werde vielmehr durch die Operation in die intakte Hornhaut eingegriffen, um zu einer anderen Lichtbrechung zu gelangen. Dies bringe sogar den Verlust des Augenlichts mit sich.

Schließlich konnte der Sachverständige ein Nasenrückenekzem nicht feststellen, so dass der Klägerin das Tragen einer Brille möglich ist. Auch gäbe es heute Kontaktlinsen und Nachbenetzungsmittel in ausreichender Qualität, so dass die Klägerin ihre Kurzsichtigkeit vollständig durch das Tragen von Kontaktlinsen ausgleichen könne. Das sei der Klägerin so jedoch nicht bekannt gewesen. Es besteht damit eine sichere und risikolose Alternative zu der beabsichtigten LASIK-Operation mit einem vollen Ausgleich der Kurzsichtigkeit.

Die Notwendigkeit der risikoträchtigen und von dem Behandlungserfolg her eher unsicheren LASIK-Operation ist damit nicht mehr gegeben.

Dem steht auch nicht die Auffassung entgegen, dass ein Verweis auf eine Brille oder Kontaktlinsen nicht zulässig sei, da es sich dabei lediglich um Hilfsmittel handele, welche einen regelwidrigen Körperzustand ausglichen, während die LASIK-Operation eine Heilbehandlung darstelle (vgl. Kessal-Wulf, r + s 2010, S. 359/360). Dieser Auffassung widerspricht der Sachverständige mit dem Hinweis, dass die Kurzsichtigkeit keinen regelwidrigen Körperzustand darstelle, sondern schlicht auf ein größeres Auge zurückzuführen sei. Zwar ist fraglich, ob diese Ansicht überzeugend ist, da zumindest die Kurzsichtigkeit als Folge regelwidrig ist. Maßgeblich ist jedoch, dass auch durch die LASIK-Operation die eigentliche körperliche Ursache der Kursichtigkeit – die Länge und das Längenwachstum des Auges – nicht verbessert wird, sondern durch den Eingriff in ein gesunden Bereich des Auges versucht wird, die Auswirkungen des vergrößerten Auges auszugleichen. Dies führt dazu, dass diesem Vorgehen kein Vorzug vor der Verwendung von Brillen und Kontaktlinsen zu geben ist und diese unter Berücksichtigung der vorgenannten Erwägungen in diesem Fall vorrangig sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, da die Frage, ob die Möglichkeit des Tragens einer Brille oder der Verwendung von Kontaktlinsen bei der Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit einer LASIK-Operation von grundsätzlicher Bedeutung und höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.

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