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Private Krankenversicherung – Beitragserhöhungsschreiben – Schwellenwertangabe

OLG Dresden – Az.: 4 U 1999/21 – Urteil vom 08.03.2022

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 27.07.2021 – 3 O 2536/20 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen in Ziffern 2. und 3. aufgehoben und in Ziffer 1. wie folgt abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrages in der zwischen dem Kläger und der Beklagten geschlossenen Kranken-/Pflegeversicherung, Versicherungsscheinnummer 0000000000, nicht wirksam geworden sind:

Im Tarif E… die Erhöhung zum 01.01.2014 bis zum 31.12.2016 um 44,51 € und zum 01.01.2015 bis zum 31.12.2016 um 16,27 €.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreites beider Instanzen trägt der Kläger.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss: Der Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf bis zu 8.500,00 € festgesetzt und der Streitwert des Berufungsverfahrens auf bis zu 3.500,00 €.

Gründe

I. Von der Aufnahme des Tatbestandes wird gemäß §§ 540, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat zum überwiegenden Teil Erfolg.

A

Die Feststellungsklage ist zulässig. Der Bundesgerichtshof hat die Zulässigkeit einer Klage für den auf die Unwirksamkeit der Beitragsanpassung gerichteten Feststellungsantrags bejaht (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2020 – V ZR 294/19 – juris). Denn allein mit dem vom Kläger erstrebten Leistungsurteil auf Rückzahlung überbezahlter Beiträge wird nicht rechtskräftig festgestellt, dass er zukünftig nicht zur Zahlung des sich aus den streitgegenständlichen Beitragsanpassungen ergebenden Erhöhungsbetrages verpflichtet ist (so BGH, a.a.O.). Ein schutzwürdiges Interesse kann auch an der Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses bestehen, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart und Zukunft ergeben können (so BGH a.a.O., Rn. 19).

Da die Beklagte in der Berufung die Beitragserhöhungen zum 01.01.2014 und 01.01.2015 nicht angegriffen hat, kann dahinstehen, ob auch insoweit ein Feststellungsinteresse vorliegt, obwohl die Zahlungsansprüche, die bis zum 31.12.2016 fällig geworden sind, verjährt sind und auch für die Zukunft wegen der unstreitigen Wirksamkeit der Beitragsanpassung zum 01.01.2017 sich keine Rechtsfolgen für die Zukunft ergeben.

B

1.

Dem Kläger stehen keine Zahlungsansprüche gegen die Beklagte zu.

a)

Die Ansprüche auf Rückzahlung der Beiträge, die bis zum 31.12.2016 fällig geworden sind, sind verjährt, §§ 195, 199 BGB und die unstreitig wirksame Erhöhung zum 01.01.2017 bildet ab diesem Zeitpunkt die Rechtsgrundlage für den künftigen Prämienanspruch.

Nach § 199 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Der Rückzahlungsanspruch entsteht mit der monatlichen Prämienzahlung, weil mit der Zahlung einer überhöhten Prämie der Rückforderungsanspruch fällig wird (vgl. OLG Köln, Urteil vom 07.09.2021 – 9 U 199/20 – juris). Die Verjährungsfrist begann am Ende des Jahres 2016 und war zum 31.12.2019 abgelaufen. Die am 18.09.2020 erhobene Klage konnte den Lauf der Verjährungsfrist nicht hemmen.

Die erforderliche Kenntnis des Klägers lag mit Erhalt der jeweiligen Anpassungsschreiben aus November der Vorjahre hinsichtlich der formellen Voraussetzungen der Mitteilung über die Beitragserhebung vor (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2021 – IV ZR 113/20, Rz. 42 – juris; Senat, Urteil vom 17.12.2021 – 4 U 1693/91 – juris; OLG Dresden, Urteil vom 12.10.2021 – 6 U 751/21; OLG Köln, Urteil vom 22.09.2020 – 9 U 237/19). Ab diesem Zeitpunkt, d. h. jeweils im November 2013 und 2014 hatte der Kläger eine ausreichende Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen, die für die Erhöhung der Folgejahre maßgeblich waren. Aus den Anpassungsschreiben konnte er entnehmen, in welchem Umfang die Beklagte ihre jeweiligen Beitragserhöhungen begründet hatte und auf welche Umstände sie die Beitragserhöhung stützte. Die erforderliche Kenntnis setzt auch bei einem Bereicherungsanspruch grundsätzlich keine zutreffende rechtliche Würdigung voraus (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2021 – IV ZR 113/20 – juris). Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Billigkeit genügt vielmehr Kenntnis der den Anspruch begründenden tatsächlichen Umstände, bei einem Bereicherungsanspruch demnach die Kenntnis von der Leistung und den Tatsachen, aus denen sich das Fehlen eines Rechtsgrundes ergibt (so BGH, a.a.O.).

Ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn aber hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. In diesen Fällen fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifende Voraussetzung für den Verjährungsbeginn (so BGH, Urteil vom 17.11.2021 – IV ZR 113/20 – juris; Senat, Urteil vom 14.12.2021 – 4 U 1693/21 – juris). Die Erhebung einer Klage, mit der die formelle Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen aufgrund einer unzureichenden Begründung geltend gemacht wird, war jedenfalls wegen einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage nicht unzumutbar (so BGH, Urteil vom 17.11.2021 – IV ZR 113/20 – juris). Für die Unzumutbarkeit der Klageerhebung genügt es nicht, dass es zu den Anforderungen an die nach § 203 Abs. 5 VVG mitzuteilenden Gründe einer Prämienanpassung einen Meinungsstreit gab, der höchstrichterlich noch nicht geklärt war. Eine Rechtslage ist nicht schon dann im Sinne der genannten Rechtsprechung unsicher und zweifelhaft, wenn die Rechtsfrage umstritten und noch nicht höchstrichterlich entschieden ist (vgl. BGH, a.a.O., vgl. Senat, a.a.O.).

Unabhängig davon hat der Kläger durch seine Klageerhebung am 28.10.2020, bevor der Bundesgerichtshof seine Grundsatzentscheidung vom 16.12.2020 getroffen hat, zu erkennen gegeben, dass er vom Bestehen des Anspruchs ausgeht.

b)

Der Kläger kann auch die ab dem 01.01.2017 fällig gewordenen Prämien nicht erstattet verlangen, weil die Prämienanpassung zu diesem Stichtag unstreitig wirksam war.

Die wirksame Prämienanpassung zum 01.01.2017 bildet ungeachtet vorheriger unwirksamer Anpassungserklärungen ab dem Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens die Rechtsgrundlage für den Prämienanspruch in seiner gesamten Höhe und umfasst auch Prämienanteile aus vorherigen unwirksamen Prämienanpassungen (BGH, Urteil vom 10.03.2021 – IV ZR 353/19 – juris). Ab der Prämienanpassung zum 01.01.2017 bestand ein Anspruch der Beklagten auf Zahlung der Prämie in der durch diese letzte Anpassung festgesetzten neuen Gesamthöhe (so BGH, Urteil vom 10.03.2021 – IV ZR 353/19 – juris).

2.

Die Beitragsanpassung zum 01.01.2018 genügt den formellen Anforderungen, die in § 203 Abs. 5 VVG zum Ausdruck kommen.

Mit Schreiben vom November 2017 teilte die Beklagte dem Kläger unter anderem Folgendes mit:

„Zum 01.01.2018 ist eine Beitragsanpassung in Ihrem Vertrag erforderlich. Die maßgeblichen Gründe für die Beitragsanpassung entsprechenden Anforderungen aus § 203 (5) Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und weitere Hinweise finden Sie in den beiliegenden „Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2018“ …“

Im Nachgang zum Versicherungsschein für den Tarif E… ist der Änderungsgrund „1“ aufgeführt. Auf dem folgenden fünfseitigen Schriftstück, dass mit „Änderungsgründe“ überschrieben ist, befindet sich unter der Ziffer „1“ ein Hinweis auf die beiliegenden „Informationen zur Beitragsanpassung“, die die Gründe für die Beitragsanpassung enthalten. In den „Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2018“ wird hierzu ausgeführt:

„Maßgebliche Gründe im Sinne von § 203 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) für eine Beitragsanpassung können veränderte Versicherungsleistungen und/oder eine veränderte Lebenserwartung (Sterbewahrscheinlichkeit) sein.

Im VVG und der Krankenversicherungsaufsichtsverordnung ist genau geregelt, wann und wie eine Beitragsanpassung erfolgen muss …

Ergibt dieser Vergleich eine Abweichung um mehr als den in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen festgelegten Prozentsatz, müssen alle Rechnungsgrundlagen eines Tarifs überprüft und in der Folge in der Regel die Beiträge angepasst werden … Der vorgenannte Prozentsatz beträgt grundsätzlich 10 % bei …

Für die Beitragsanpassung zum 01.01.2018 kommen je nach versichertem Tarif die folgenden maßgeblichen Gründe zum Tragen: Steigende Leistungsausgaben

Bei allen Tarifen – mit Ausnahme der unter den Punkten ‚Steigende Lebenserwartung‘ sowie ‚Steigende Leistungsausgaben und Steigende Lebenserwartung‘ genannten Tarife – wurde bei der gesetzlich vorgeschriebenen mathematischen Überprüfung eine entsprechende Abweichung bei den Leistungen festgestellt. Die Gründe für diese Abweichung sind in hohem Maße auf die steigenden Kosten im Gesundheitswesen und medizinischen Fortschritt zurückzuführen. Bereits aus den Angaben des Statistischen Bundesamtes ergibt sich … Wird diese in den letzten Jahren beobachtete allgemein festgestellte Kostensteigerung, die im Durchschnitt im Wesentlichen auf den Beobachtungen unseres Unternehmens entspricht, auf die nächsten Jahre hochgerechnet, ergibt sich eine Abweichung oberhalb des jeweils maßgeblichen Prozentsatzes, die eine Anpassung wie oben beschrieben erforderlich macht. …

Bei allen Tarifen – mit Ausnahme der unter den Punkten ‚Steigende Lebenserwartung‘ sowie ‚Steigende Leistungsausgaben und Steigende Lebenserwartung‘ genannten Tarife – sind die maßgeblichen Gründe für die Beitragsanpassung also eine insbesondere auf steigende Kosten im Gesundheitswesen und medizinischen Fortschritt zurückzuführende Veränderung bei den Versicherungsleistungen.

Steigende Lebenserwartung

Für die folgenden Tarife ergab der Vergleich der zukünftig erforderlichen mit den kalkulierten Sterbewahrscheinlichkeiten eine Abweichung von mehr als den gesetzlich festgelegten 5 %:

B…, B… …

Für die oben genannten Tarife sind die Veränderungen der Lebenserwartung also die maßgeblichen Gründe für die Beitragsanpassung.

Steigende Leistungsausgaben und Steigende Lebenserwartung

Für folgende Tarife sind sowohl die Kostenentwicklung bei den versicherten Leistungen als auch die Entwicklung der Sterblichkeit die maßgeblichen Gründe für die Beitragsanpassung: Frauen in Tarif PB und Männer im Tarif PS.“

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteile vom 16.12.2020 – IV ZR 294/19 – und IV ZR 314/19 – juris) erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Der Gesetzeswortlaut sieht die Angabe der „hierfür maßgeblichen Gründe“ vor und macht damit deutlich, dass sich diese auf die konkret in Rede stehende Prämienanpassung beziehen müssen; eine allgemeine Mitteilung, die nur die gesetzlichen Voraussetzungen der Beitragserhöhung wiedergibt, genügt danach nicht (so BGH, Urteil vom 16.12.2020 – IV ZR 294/16 – Rdnr. 26 ff.). Zugleich folgt aus dem Wortlaut „maßgeblich“, dass nicht alle Gründe genannt werden müssen, sondern nur die für die Prämienanpassung entscheidenden Umstände. In diesem Sinne entscheidend ist nur, ob eine Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in §§ 155 Abs. 3 und 4 VAG oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwerte besteht. Dagegen ist die konkrete Höhe der Veränderung dieser Rechnungsgrundlagen daneben nicht mehr entscheidend (so BGH, a.a.O., Rn 35). Die Überprüfung der Prämie wird ausgelöst, sobald der Schwellenwert überschritten wird; dabei kommt es nicht darauf an, in welchem Umfang er überschritten wird.

Die Mitteilung erfüllt so den Zweck, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles Verhalten noch eine freie Entscheidung des Versicherers Grund für die Beitragserhöhung war, sondern dass eine bestimmte Veränderung der Umstände dies aufgrund gesetzlicher Regelungen veranlasst hat (so BGH, a.a.O.). Das wird durch die Angabe der Rechnungsgrundlage, die die Prämienanpassung ausgelöst hat, erreicht. Dagegen ist es für diesen Zweck nicht erforderlich, dem Versicherungsnehmer die Rechtsgrundlage des geltenden Schwellenwertes oder die genaue Höhe der Veränderung der Rechtsgrundlage mitzuteilen (so BGH, a.a.O.). Die Mitteilungspflicht hat auch nicht den Zweck, dem Versicherungsnehmer eine Plausibilitätskontrolle der Prämienanpassung zu ermöglichen (BGH, a.a.O.).

Der Senat hat die Wirksamkeit der Anpassung der Beklagten zum 01.01.2018 bereits mit Urteil vom 14.12.2021 (4 U 1693/21 – juris) bejaht und folgendes ausgeführt:

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2018 zunächst eine allgemeine Erläuterung zu den Gründen, die zu einer Erhöhung der Prämien berechtigen. Weiter führt die Beklagte aus, dass je nach dem versicherten Tarif die „folgenden maßgeblichen Gründe“ für die Beitragsanpassung zum 01.01.2018 zum Tragen kommen. Im Folgenden definiert die Beklagte die „Steigenden Leistungsausgaben“ und erklärt im Anschluss an diese allgemeinen Erläuterungen in Fettdruck, dass bei allen Tarifen, mit Ausnahme der unter den folgenden zwei Punkten genannten Tarife die maßgeblichen Gründe für die Beitragsanpassung eine insbesondere auf steigende Kosten im Gesundheitswesen und medizinischem Fortschritt zurückzuführende Veränderung bei den Versicherungsleistungen ist. Damit wird klargestellt, dass ausschließlich die „Steigenden Leistungsausgaben“ bei allen Tarifen – außer den in den unteren zwei Abschnitten ausdrücklich aufgeführten – zur Beitragserhöhung geführt haben. Unter den folgenden zwei Abschnitten „Steigende Lebenserwartung“ und „Steigende Leistungsausgaben und Steigende Lebenserwartung“ werden die Tarife, die aus diesen Gründen erhöht worden sind, ausdrücklich sodann genannt. Der Tarif E… ist in den letzten zwei Kategorien nicht genannt, weshalb für diesen nur die steigenden Leistungsausgaben maßgeblich sind.

Die Erläuterungen unter Rubrik „1. Was sind die maßgeblichen Gründe für die Beitragsanpassung?“ weisen damit eine für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne weiteres nachvollziehbare Systematik auf, die nach der die von Beitragsanpassungen betroffenen Tarife in drei Gruppen eingeteilt werden, in denen entweder nur steigende Leistungsausgaben oder nur die steigende Lebenserwartung oder kumulativ steigende Leistungsausgaben und die steigende Lebenserwartung als maßgebliche Gründe zum Tragen kommen (ebenso: OLG Dresden, Urteil vom 12.10.2021 – 6 U 751/21 – juris). Dem Versicherungsnehmer ist es ohne Schwierigkeiten möglich, den in seinem Versicherungsschein genannten Tarif, zu dessen Erhöhung hinsichtlich der Gründe auf die Informationen verwiesen ist, einer der drei vorgenannten Gruppen von Erhöhungsgründen zuzuordnen (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 12.10.2021 – 6 U 751/21 – juris).

Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Angaben auch nicht irreführend oder verwirrend. Insbesondere erschließt sich bei verständiger Würdigung ohne weiteres, dass die in den Erläuterungen vorgefundene Bezugnahme auf Daten des statistischen Bundesamtes zu den Ausgabensteigerungen im Gesundheitswesen lediglich der Verdeutlichung des Kostenanstiegs dient und es sich dabei keineswegs um die Veränderung der Berechnungsgrundlage des Tarifs handelt, zumal in den Erläuterungen auch ausdrücklich darauf hingewiesen ist, dass bei den verschiedenen Tarifen die Entwicklung der Leistungsausgaben höher oder niedriger als die genannten statistischen Werte zu den Leistungsausgaben sein kann (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 12.10.2021 – 6 U 751/21 – juris).

Der Wirksamkeit der Anpassung steht auch nicht entgegen, dass es an der Angabe, die Leistungsausgaben seien nicht nur vorübergehender Natur, fehlt. Der Wortlaut des § 203 Abs. 5 VVG erfordert eine solche Mitteilung nicht.

Daran hält der Senat fest.

In der Information zur Beitragsanpassung wird auch klargestellt, dass gesetzlich geregelt ist, wann eine Beitragsanpassung erfolgen muss und dass diese die Überschreitung eines bestimmten Schwellenwertes voraussetzt.

3.

Ein Anspruch auf Zinsen und Nutzungen aus den zuviel gezahlten Prämien für die Zeit vom 01.01.2014 bis 31.12.2016 steht dem Kläger nicht zu, denn auch diese sind verjährt, § 217 BGB. Der Anspruch auf Nebenleistungen wie Zinsen verjährt unabhängig vom Hauptanspruch, nach § 217 BGB allerdings spätestens mit dem Hauptanspruch (vgl. BGH, Urteil vom 16.06.2015 – II ZR 384/13 – juris).

4.

Dem Kläger steht kein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten zu.

Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch ist grundsätzlich, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist und die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war (vgl. BGH, Urteil vom 22.06.2021 – VI ZR 353/20 – juris). Ob eine vorprozessuale anwaltliche Zahlungsaufforderung eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auslöst oder als Vorbereitung der Klage dienende Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug gehört und daher mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten ist, ist eine Frage des Innenverhältnisses, nämlich der Art und des Umfangs des im Einzelfall erteilten Mandats. Erteilt der Mandant den unbedingten Auftrag, im gerichtlichen Verfahren tätig zu werden, lösen bereits Vorbereitungshandlungen die Gebühren für das gerichtliche Verfahren aus und zwar auch dann, wenn der Anwalt zunächst nur außergerichtlich tätig war. Für das Entstehen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ist dann kein Raum mehr (so BGH, a.a.O.). Anders liegt es, wenn sich der Auftrag nur auf die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts beschränkt oder der Prozessauftrag jedenfalls unter der aufschiebenden Bedingung erteilt wird, dass zunächst vorzunehmende außergerichtliche Einigungsversuche erfolglos bleiben. Der Kläger hat darzulegen und im Streitfall zu beweisen, dass er seinen Prozessbevollmächtigten zunächst lediglich mit seiner außergerichtlichen Vertretung beauftragt oder ihm einen nur bedingten Prozessauftrag erteilt hat (so BGH, Urteil vom 22.06.2021 – VI ZR 353/20 – juris). Dazu liegt kein Vortrag vor. Es kann in diesem Zusammenhang offen bleiben, ob die weitere Voraussetzung des Erstattungsanspruches gegeben ist, dass die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis aus Sicht des Klägers mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war, woran es auch deshalb fehlen könnte, weil die Beklagte bekanntermaßen nicht auf außergerichtliche Aufforderungsschreiben hin zahlt.

C

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, denn die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Die Streitwertfestsetzung folgt §§ 3, 9 ZPO.

Der Streitwert erster Instanz setzt sich zusammen aus dem Zahlungsantrag in Höhe von 7.884,06 € und dem Feststellungsantrag in Höhe von 209,76 € sowie dem Wert des Feststellungsantrages für die Nutzungen von 80,93 € (1 % der übrigen Anträge) und beträgt damit 8.174,75 €. Für den Feststellungsantrag der künftigen Nichtleistungspflicht ist grundsätzlich nach § 9 ZPO analog der Zeitraum von 3,5 Jahren anzusetzen, es sei denn, der Zeitraum der bestimmten Dauer des Bezugsrechtes ist geringer. Der Feststellungsantrag ist aber nicht streitwerterhöhend, soweit er mit dem Zahlungsantrag wirtschaftlich identisch ist. Der wirtschaftlich identische Feststellungsantrag erhöht den Streitwert nicht, soweit er sich auf denselben Zeitraum wie der Zahlungsantrag bezieht (vgl. BGH, Urteil vom 10.03.2021 – IV ZR 353/19 – juris). Für den Feststellungsantrag der Beitragsanpassungen bis zum 01.01.2017 war kein Wert anzusetzen, da bereits mit der Klage für mehr als 42 Monate Zahlung begehrt wird. Für die Erhöhungen zum 01.01.2018 wurden 34 Monate an monatlichen Zahlungen bereits geltend gemacht, weshalb für die Feststellung nur acht Monate je 26,22 € verbleiben, mithin 209,76 €. Im Berufungsverfahren steht die ausgeurteilte Zahlung in Höhe von 2.938,94 € im Streit. Des Weiteren bleibt es beim Feststellungsantrag in Höhe von 209,76 € und 1 % für den Feststellungsantrag hinsichtlich der Nutzungen. Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren beträgt daher 3.148,70 €.

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