Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- OLG Karlsruhe: Prämienanpassungen im Beitragsentlastungstarif wegen intransparenter Klausel gekippt – Urteil zu § 203 VVG und § 143 SGB XI
- Ausgangssituation: Streit um Beitragserhöhungen in der privaten Kranken- und Pflegeversicherung
- Berufung des Versicherungsnehmers: Weiterhin Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Prämienanpassungen
- Entscheidung des OLG Karlsruhe: Teilerfolg für den Versicherungsnehmer – BEAE-Anpassungen unwirksam
- Begründung des Gerichts: Differenzierte Bewertung der Prämienanpassungen nach Tarifart
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet „intransparente Vertragsklausel“ im Zusammenhang mit Prämienanpassungen?
- Welche Rolle spielt das Zweite Pflegestärkungsgesetz (PSG II) bei Prämienanpassungen in Pflegezusatzversicherungen?
- Was ist ein Beitragsentlastungstarif und wie unterscheidet er sich von anderen Tarifen in der privaten Kranken- und Pflegeversicherung?
- Welche formellen und materiellen Anforderungen müssen bei Prämienanpassungen beachtet werden, damit sie wirksam sind?
- Was bedeutet „Verjährung“ im Zusammenhang mit Ansprüchen aus unwirksamen Prämienanpassungen und welche Fristen sind zu beachten?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 12 U 304/21 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: OLG Karlsruhe
- Datum: 17.01.2023
- Aktenzeichen: 12 U 304/21
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Der Versicherungsnehmer, der die Unwirksamkeit von Prämienanpassungen feststellen lassen wollte und Rückzahlungen forderte.
- Beklagte: Die Versicherungsgesellschaft, die die Prämienanpassungen vorgenommen hatte und deren Wirksamkeit verteidigte.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Ein Versicherungsnehmer klagte gegen seine private Kranken- und Pflegeversicherung wegen der Unwirksamkeit von Prämienanpassungen, die zwischen 2012 und 2020 in verschiedenen Tarifen vorgenommen wurden. Das erstinstanzliche Gericht hatte einige Anpassungen als unwirksam angesehen, andere für wirksam erklärt und die Klage teilweise abgewiesen.
- Kern des Rechtsstreits: Zentraler Streitpunkt war die Wirksamkeit von Prämienanpassungen in Pflegezusatz- und Beitragsentlastungstarifen. Dabei ging es sowohl um die formellen Anforderungen an die Mitteilung der Anpassungen als auch um deren inhaltliche Zulässigkeit.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht erklärte einige Prämienanpassungen in einem Beitragsentlastungstarif für unwirksam und verurteilte die Versicherungsgesellschaft zur Rückzahlung überzahlter Beiträge nebst Nutzungen. Anpassungen in den Pflegezusatztarifen wurden dagegen als wirksam bestätigt. Die weitergehende Klage wurde abgewiesen.
- Begründung: Die Anpassungen in den Pflegezusatztarifen waren wirksam, da die Mitteilungen den gesetzlichen Anforderungen entsprachen und die Anpassungen materiell zulässig waren. Die Anpassungen in dem Beitragsentlastungstarif waren unwirksam, weil die vertragliche Klausel, auf der sie basierten, intransparent war und eine klare Rechtsgrundlage fehlte. Die Rückzahlung und Herausgabe von Nutzungen ergab sich aus den festgestellten unwirksamen Anpassungen.
- Folgen: Die Versicherungsgesellschaft musste überzahlte Prämien für unwirksame Anpassungen in einem Tarif an den Versicherungsnehmer zurückzahlen. Die Revision gegen das Urteil wurde zugelassen, was eine weitere Klärung der Rechtsfragen durch den Bundesgerichtshof ermöglichen könnte.
Der Fall vor Gericht
OLG Karlsruhe: Prämienanpassungen im Beitragsentlastungstarif wegen intransparenter Klausel gekippt – Urteil zu § 203 VVG und § 143 SGB XI
Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat in einem Berufungsverfahren (Az.: 12 U 304/21) am 17. Januar 2023 entschieden, dass bestimmte Prämienanpassungen einer privaten Krankenversicherung in einem sogenannten Beitragsentlastungstarif unwirksam sind.

Grund hierfür ist eine Intransparente Vertragsklausel, die die Voraussetzungen für Beitragserhöhungen regelte. Andere Anpassungen, insbesondere in Pflegezusatztarifen, die im Zuge des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes (PSG II) erfolgten, wurden hingegen als wirksam erachtet. Dieses Urteil beleuchtet wichtige Aspekte der formellen und materiellen Anforderungen an Prämienanpassungen in der privaten Kranken- und Pflegeversicherung.
Ausgangssituation: Streit um Beitragserhöhungen in der privaten Kranken- und Pflegeversicherung
Ein Versicherungsnehmer zog gegen seine private Krankenversicherung vor Gericht, da er eine Vielzahl von Beitragserhöhungen, die der Versicherer im Zeitraum von 2012 bis 2020 vorgenommen hatte, für unwirksam hielt. Betroffen waren verschiedene Tarife seiner privaten Kranken- und Pflegeversicherung (Versicherungsnummer …). Im Zentrum der Auseinandersetzung standen insbesondere Zusatztarife zur Pflegeversicherung für ergänzende häusliche Leistungen (Tarifbezeichnung beginnend mit EH…) und ergänzende stationäre Leistungen (Tarifbezeichnung beginnend mit ES…). Ein weiterer wichtiger Streitpunkt betraf einen Beitragsentlastungstarif (Tarifbezeichnung beginnend mit BEAE …). Solche Tarife dienen dazu, die Versicherungsbeiträge der Hauptversicherung im Alter zu reduzieren, indem in jungen Jahren ein zusätzlicher Sparanteil angesammelt wird.
Das Landgericht Baden-Baden hatte in der ersten Instanz bereits einige Beitragsanpassungen für den Zeitraum bis Ende 2016 als formell unwirksam eingestuft. Die daraus resultierenden Ansprüche des Versicherungsnehmers wurden jedoch wegen Verjährung abgewiesen. Für den Zeitraum ab 2017 sah das Landgericht die meisten Anpassungen als wirksam an. Es verurteilte die Krankenversicherung daher nur zur Zahlung eines geringen Betrags von 344,16 Euro und stellte fest, dass der Versicherer für bestimmte unwirksame Anpassungen in den Tarifen Z… und BEAE … für den Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis Ende 2018 die daraus gezogenen Nutzungen herausgeben müsse.
Berufung des Versicherungsnehmers: Weiterhin Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Prämienanpassungen
Mit dieser Entscheidung gab sich der Versicherungsnehmer nicht zufrieden und legte Berufung beim OLG Karlsruhe ein. Er verfolgte weiterhin das Ziel, die formelle und materielle Unwirksamkeit der Prämienanpassungen in den Tarifen EH…, ES… und BEAE … für weitere Zeiträume und zu verschiedenen Anpassungsstichtagen (EH…: 01.01.2012, 01.01.2013, 01.01.2017, 01.01.2018; ES…: 01.01.2012, 01.01.2016, 01.01.2017) feststellen zu lassen. Besonders im Fokus standen die Anpassungen im Beitragsentlastungstarif BEAE … zum 1. Januar 2019 und 1. Januar 2020. Der Versicherungsnehmer forderte eine deutlich höhere Rückerstattung der seiner Meinung nach zu Unrecht gezahlten Beiträge sowie die Herausgabe der Nutzungen, die die Versicherung aus allen als unwirksam erachteten Erhöhungen gezogen hatte.
Die private Krankenversicherung verteidigte das erstinstanzliche Urteil. Sie argumentierte, dass alle angegriffenen Anpassungen wirksam seien. Insbesondere betonte sie, dass die Anpassungen in den Pflegetarifen EH… und ES… ab 2017 rechtmäßig auf Grundlage des § 143 SGB XI im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes (PSG II) erfolgt seien. Für den Beitragsentlastungstarif BEAE … stützte sich der Versicherer auf eine Klausel in Ziffer 4 der Besonderen Bedingungen dieses Tarifs, die er als zulässige Preisanpassungsklausel ansah.
Entscheidung des OLG Karlsruhe: Teilerfolg für den Versicherungsnehmer – BEAE-Anpassungen unwirksam
Das OLG Karlsruhe gab der Berufung des Versicherungsnehmers teilweise statt und änderte das Urteil des Landgerichts ab.
Erstens stellte das Gericht fest, dass die Neufestsetzungen der Prämien im Beitragsentlastungstarif BEAE … zum 1. Januar 2019 (eine Erhöhung um 21,14 Euro) und zum 1. Januar 2020 (eine Erhöhung um 0,42 Euro) unwirksam waren. Folglich war der Versicherungsnehmer nicht verpflichtet, diese Erhöhungsbeträge zu zahlen.
Zweitens wurde die private Krankenversicherung verurteilt, an den Versicherungsnehmer 1.039,92 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Dieser Betrag ergab sich aus der Rückerstattung von Prämienanteilen, die der Versicherungsnehmer aufgrund der vom Gericht als unwirksam beurteilten Anpassungen im Tarif BEAE … (zu den Stichtagen 01.04.2012, 01.04.2013, 01.01.2015, 01.01.2019 und 01.01.2020) im Zeitraum ab dem 1. Januar 2017 gezahlt hatte.
Drittens stellte das OLG fest, dass die Krankenversicherung dem Versicherungsnehmer die Nutzungen herausgeben muss, die sie aus den auf bestimmte unwirksame Erhöhungen (im Tarif Z… zum 01.01.2011; im Tarif BEAE … zu den oben genannten Daten) geleisteten Prämienanteilen für festgelegte Zeiträume gezogen hat.
Im Übrigen wurde die Klage und die weitergehende Berufung jedoch abgewiesen. Insbesondere die angegriffenen Beitragsanpassungen in den Pflegezusatztarifen EH… und ES… bewertete das Gericht als wirksam.
Die Kosten des Verfahrens wurden entsprechend dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen aufgeteilt: In der Berufungsinstanz trug der Versicherungsnehmer 77 % und die Krankenversicherung 23 % der Kosten. Für die erste Instanz lautete die Quote 88 % zu Lasten des Versicherungsnehmers und 12 % zu Lasten der Versicherung.
Das OLG Karlsruhe ließ die Revision gegen sein Urteil zum Bundesgerichtshof zu, was auf die grundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfragen hindeutet.
Begründung des Gerichts: Differenzierte Bewertung der Prämienanpassungen nach Tarifart
Das OLG Karlsruhe begründete seine Entscheidung detailliert und unterschied dabei zwischen den verschiedenen Tarifarten und den jeweiligen rechtlichen Grundlagen für die Prämienanpassungen.
Pflegezusatztarife EH… und ES…: Anpassungen nach PSG II und § 143 SGB XI wirksam
Hinsichtlich der Pflegezusatztarife EH… und ES… kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass die angegriffenen Beitragsanpassungen, insbesondere die zum 1. Januar 2017, wirksam waren. Die Anpassung zum 1. Januar 2017 basierte nicht auf der allgemeinen Regelung des § 203 Abs. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG), sondern auf der spezielleren Vorschrift des § 143 Abs. 2 SGB XI. Diese Regelung wurde im Zuge des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes (PSG II) eingeführt und ermöglichte es den Versicherern, ihre Tarife an die geänderten Leistungsdefinitionen und Pflegegrade anzupassen.
Die Frage, ob für Streitigkeiten über Anpassungen nach § 143 SGB XI überhaupt die ordentlichen Gerichte zuständig sind, ließ der Senat offen, da dies im Berufungsverfahren gemäß § 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) nicht mehr überprüft werden kann.
Entscheidend war jedoch die Auslegung der formellen Anforderungen an die Mitteilung einer solchen Prämienanpassung. Gemäß § 143 Abs. 3 SGB XI sind diese Anforderungen denen des § 203 Abs. 5 VVG entsprechend auszulegen. Das bedeutet, der Versicherer muss dem Versicherungsnehmer die maßgeblichen Gründe für die Anpassung mitteilen. Es ist jedoch nicht erforderlich, detaillierte Berechnungsgrundlagen offenzulegen. Ziel der Mitteilungspflicht ist es nicht, dem Versicherungsnehmer eine vollständige Plausibilitätskontrolle der Kalkulation zu ermöglichen.
Das OLG befand, dass die Mitteilung der Krankenversicherung vom November 2016 für die Anpassung zum 1. Januar 2017 diesen Anforderungen genügte. Sie erläuterte nachvollziehbar den Zusammenhang zwischen dem PSG II, den daraus resultierenden Leistungs- und Bedingungsänderungen gemäß § 143 Abs. 1 SGB XI und der Notwendigkeit, diese geänderten Leistungen bei der Beitragskalkulation gemäß § 143 Abs. 2 SGB XI zu berücksichtigen. Auch der erforderliche Tarifbezug sei hergestellt worden. Die Argumentation des Versicherungsnehmers, die Mitteilung müsse explizit eine drohende Unterfinanzierung des Tarifs oder die Abweichung der kalkulierten von den tatsächlichen Leistungen verdeutlichen, wies das Gericht zurück. Solche Forderungen würden die Anforderungen an § 143 Abs. 3 SGB XI überspannen. Auch die Formulierung in der Mitteilung, die Anpassung sei „notwendig“, suggeriere keine irreführende gesetzliche Pflicht zur Anpassung, sondern beschreibe die unternehmerische Konsequenz aus den Gesetzesänderungen.
Ein wichtiger Punkt in der Urteilsbegründung ist, dass die wirksame Festsetzung der Prämien zum 1. Januar 2017 nach § 143 SGB XI ab diesem Zeitpunkt die neue Rechtsgrundlage für die Beiträge bildet. Das hat zur Folge, dass etwaige frühere unwirksame Anpassungen (wie die vom Versicherungsnehmer angegriffenen Erhöhungen in den Jahren 2012, 2013 und 2016) sich in der unverjährten Zeit (beginnend ab dem 01.01.2017) nicht mehr auswirken.
Auch die Beitragsanpassung in diesen Tarifen zum 1. Januar 2018, die nach der allgemeinen Vorschrift des § 203 Abs. 2 VVG vorgenommen wurde, hielt das Gericht für formell und materiell wirksam. Die Mitteilung erfüllte die Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG. Den materiellen Einwänden des Versicherungsnehmers, wonach Prämien nicht erhöht werden dürften, wenn die Leistungsausgaben gesunken sind, erteilte das Gericht unter Verweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Absage. Eine Anpassung ist demnach zulässig, wenn einer der beiden gesetzlichen Auslösefaktoren (Veränderung der Leistungsausgaben oder der Sterbewahrscheinlichkeit gemäß § 155 Versicherungsaufsichtsgesetz – VAG) den vertraglich vereinbarten Schwellenwert überschreitet. Die Anpassung muss dann durch die Änderung der technischen Berechnungsgrundlagen objektiv gerechtfertigt sein, selbst wenn der andere Faktor den Schwellenwert unterschreitet oder die Gesamtausgaben nur geringfügig gestiegen sind.
Beitragsentlastungstarif BEAE…: Vertragsklausel zur Prämienanpassung intransparent und unwirksam nach § 307 BGB
Anders fiel die Bewertung des Gerichts für den Beitragsentlastungstarif BEAE … aus. Alle vom Versicherungsnehmer angegriffenen Beitragsanpassungen in diesem Tarif (zu den Stichtagen 01.04.2012, 01.04.2013, 01.01.2015, 01.01.2019 und 01.01.2020) wurden von der Krankenversicherung ausschließlich auf Ziffer 4 der Besonderen Bedingungen für den Tarif BEA PLUS gestützt. Diese Klausel sah eine Beitragsanpassung im BEA PLUS Tarif vor, wenn in der Pflegepflichtversicherung eine neue Sterbetafel eingeführt wird.
Genau diese Klausel (Ziff. 4) stufte das OLG Karlsruhe als unwirksame Preisanpassungsklausel gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog ein, da sie intransparent sei. Das Transparenzgebot verlangt, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), zu denen auch die Versicherungsbedingungen zählen, die Rechte und Pflichten des Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darstellen. Die beanstandete Klausel knüpfte die Anpassung des Beitragsentlastungstarifs an die Einführung einer neuen Sterbetafel in einem anderen, davon unabhängigen Versicherungszweig – der Pflegepflichtversicherung. Der Zweck des Beitragsentlastungstarifs ist jedoch die Minderung der Beiträge der Hauptversicherung im Alter; er verfügt über eigene Rechnungsgrundlagen (wie einen Rechnungszins). Der Zusammenhang zwischen einer neuen Sterbetafel in der Pflegepflichtversicherung und den Berechnungsgrundlagen des Beitragsentlastungstarifs war für den Versicherungsnehmer laut Gericht nicht klar oder nachvollziehbar. Die Klausel mache die Anpassung von einem äußeren, für den Versicherten nicht ohne Weiteres einsichtigen Umstand abhängig und stelle nicht transparent dar, welche Rechnungsgrundlagen für den BEAE … Tarif selbst maßgeblich sind und wie sich deren Veränderung auf den Beitrag auswirkt.
Da die Krankenversicherung die Prämienanpassungen im Tarif BEAE … ausschließlich auf diese unwirksame Klausel gestützt und keine anderen Rechtfertigungsgründe für die Anpassungen vorgetragen hatte, fehlte es nach Ansicht des Gerichts an einer materiellen Grundlage für die Beitragserhöhungen. Sie waren daher allesamt unwirksam.
Folgen der Unwirksamkeit: Rückzahlung von Beiträgen und Herausgabe von Nutzungen
Aus der Unwirksamkeit der Prämienanpassungen im Tarif BEAE … leitete das Gericht einen Anspruch des Versicherungsnehmers auf Rückzahlung der hierauf geleisteten Prämienanteile ab. Das Gericht berechnete den Gesamtbetrag der überzahlten Beiträge für die unwirksamen Erhöhungen im BEAE … Tarif ab dem 1. Januar 2017 (dem Beginn des nicht verjährten Zeitraums) bis zu den vom Versicherungsnehmer geltend gemachten Zeiträumen. Hieraus ergab sich der zugesprochene Betrag von 1.039,92 Euro.
Darüber hinaus wurde der Anspruch des Versicherungsnehmers auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen aus den überzahlten Prämienanteilen gemäß § 818 Abs. 1 BGB bejaht. Dieser Anspruch wurde jedoch auf die in der Entscheidung konkret benannten Zeiträume und die als unwirksam erkannten Anpassungen begrenzt. Die Zinsansprüche auf die Rückforderungssumme ergaben sich aus § 291 BGB (Prozesszinsen).
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das OLG Karlsruhe die formellen Anforderungen an die Mitteilungen für die durch das PSG II bedingten Anpassungen in den Pflegetarifen (§ 143 SGB XI) als erfüllt ansah und diese Anpassungen auch materiell für wirksam hielt. Im Gegensatz dazu scheiterten die Prämienerhöhungen im Beitragsentlastungstarif BEAE … an der Intransparenz und damit Unwirksamkeit der zugrundeliegenden vertraglichen Anpassungsklausel. Die Zulassung der Revision signalisiert, dass zentrale Fragen zur Wirksamkeit von Prämienanpassungsklauseln und den Mitteilungspflichten möglicherweise noch einer höchstrichterlichen Klärung durch den Bundesgerichtshof bedürfen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass Prämienanpassungen in Beitragsentlastungstarifen unwirksam sind, wenn sie auf intransparenten Vertragsklauseln basieren, die keinen klaren Zusammenhang zwischen der Anpassung und deren Grundlage herstellen. Im Gegensatz dazu wurden Anpassungen in Pflegezusatztarifen nach Einführung des Pflegestärkungsgesetzes II als rechtmäßig angesehen, da sie auf einer klaren gesetzlichen Grundlage (§ 143 SGB XI) basierten und die Versicherung die Gründe ausreichend kommuniziert hatte. Verbraucher können bei unwirksamen Beitragserhöhungen Rückzahlungen und sogar die Herausgabe von Nutzungen (im Sinne entgangener Zinsen) beanspruchen, müssen jedoch beachten, dass ihre Ansprüche der Verjährung unterliegen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet „intransparente Vertragsklausel“ im Zusammenhang mit Prämienanpassungen?
Eine „intransparente Vertragsklausel“ bedeutet, dass eine Regelung in einem Vertrag – in diesem Fall in Ihren Versicherungsbedingungen – nicht klar und verständlich formuliert ist. Stellen Sie sich vor, ein wichtiger Teil der „Gebrauchsanweisung“ für Ihren Vertrag fehlt oder ist so kompliziert geschrieben, dass man nicht richtig verstehen kann, was gemeint ist.
Für Sie als Versicherungsnehmer ist es wichtig, die Bedingungen Ihres Vertrags zu verstehen. Juristisch bedeutet Transparenz, dass Sie vernünftigerweise erkennen können, welche Rechte und Pflichten Sie haben und welche wirtschaftlichen Folgen eine Regelung für Sie haben kann. Dies gilt besonders für allgemeine Geschäftsbedingungen, also das „Kleingedruckte“, das vom Versicherer vorformuliert wurde.
Warum ist Klarheit bei Prämienanpassungen so wichtig?
Prämienanpassungen können die Kosten für Ihre Versicherung erheblich beeinflussen. Eine Klausel, die regelt, wann und wie Ihre Prämie angepasst werden darf, muss daher besonders klar sein. Sie müssen verstehen können, unter welchen grundsätzlichen Voraussetzungen eine Anpassung überhaupt stattfinden kann. Auch wenn die genaue Berechnung komplex sein mag, müssen die wesentlichen Faktoren und Auslöser der Anpassung für Sie als Laie nachvollziehbar sein.
Wann gilt eine Klausel als intransparent?
Eine Klausel zur Prämienanpassung kann als intransparent angesehen werden, wenn sie zum Beispiel:
- Vage oder widersprüchliche Formulierungen enthält.
- Wichtige Begriffe nicht erklärt, die für das Verständnis der Anpassung nötig sind.
- Den Auslöser für eine Prämienanpassung nicht klar benennt oder beschreibt.
- Den Mechanismus der Anpassung so darstellt, dass selbst bei aufmerksamem Lesen nicht ersichtlich wird, unter welchen Umständen eine Anpassung erfolgen kann.
Es geht also darum, dass die Klausel Ihnen nicht ermöglicht, sich ein klares Bild von der Möglichkeit und den grundlegenden Abläufen einer zukünftigen Prämienanpassung zu machen.
Was bedeutet Intransparenz für die Klausel?
Eine Vertragsklausel, die intransparent ist, kann rechtlich unwirksam sein. Dies ergibt sich aus den gesetzlichen Vorgaben, die den Schutz von Vertragspartnern bei der Verwendung von vorformulierten Vertragsbedingungen (dem „Kleingedruckten“) bezwecken. Ist eine solche Klausel unwirksam, darf der Versicherer sich nicht auf diese Klausel stützen. Dies kann dann die Rechtsgrundlage für eine Prämienanpassung entfallen lassen.
Welche Rolle spielt das Zweite Pflegestärkungsgesetz (PSG II) bei Prämienanpassungen in Pflegezusatzversicherungen?
Das Zweite Pflegestärkungsgesetz (PSG II) hat die gesetzliche Pflegeversicherung in Deutschland grundlegend verändert. Eine der wichtigsten Neuerungen war die Umstellung von den bisherigen Pflegestufen auf Pflegegrade.
Früher wurde der Pflegebedarf hauptsächlich danach bemessen, wie viel Zeit für die Pflege benötigt wurde (Pflegestufen). Mit dem PSG II und den neuen Pflegegraden (von 1 bis 5) steht nun der individuelle Grad der Selbstständigkeit und die tatsächlichen Bedürfnisse des Menschen im Vordergrund. Dies wird mit einem neuen Begutachtungssystem ermittelt.
Diese Umstellung führte für viele Versicherte zu veränderten Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung. Je nach Pflegegrad können die Beträge, die von der gesetzlichen Pflegekasse gezahlt werden, höher oder niedriger sein als zuvor in den alten Pflegestufen.
Eine Pflegezusatzversicherung ist in der Regel so konzipiert, dass sie die Kosten deckt, die auch nach den Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung noch verbleiben. Wenn sich nun durch die Gesetzesänderung (PSG II) die Höhe der gesetzlichen Leistungen ändert, hat dies Auswirkungen auf die voraussichtlichen Leistungen, die eine private Pflegezusatzversicherung erbringen muss.
Daher kann eine solche grundlegende Gesetzesänderung, die die Basis der Pflegeleistungen verändert, im Prinzip eine Anpassung der Prämien für bestehende Pflegezusatzversicherungen nach sich ziehen. Die Versicherer kalkulieren ihre Prämien auf Basis der erwarteten Leistungsauszahlungen. Wenn sich diese Erwartungen durch eine gesetzliche Neuregelung wie das PSG II ändern, kann dies eine Anpassung notwendig machen.
Ob und unter welchen Voraussetzungen eine solche Prämienanpassung im Einzelfall zulässig ist, hängt von den konkreten Regelungen im jeweiligen Versicherungsvertrag und den geltenden gesetzlichen Bestimmungen ab. Eine Anpassung muss sich an den durch das PSG II veränderten Verhältnissen orientieren und bestimmten rechtlichen Vorgaben folgen.
Was ist ein Beitragsentlastungstarif und wie unterscheidet er sich von anderen Tarifen in der privaten Kranken- und Pflegeversicherung?
Ein Beitragsentlastungstarif ist ein zusätzlicher Bestandteil zu Ihrer eigentlichen privaten Kranken- oder Pflegeversicherung. Stellen Sie sich Ihre grundlegende Versicherung als den Teil vor, der Ihre aktuellen Krankheitskosten abdeckt. Der Beitragsentlastungstarif ist wie ein separates Sparprogramm, das parallel dazu läuft.
Wie funktioniert ein Beitragsentlastungstarif?
Die Idee ist einfach: Sie zahlen während Ihrer aktiven Berufszeit oder in jüngeren Jahren zusätzliche Beiträge in diesen speziellen Tarif ein. Diese zusätzlichen Zahlungen werden von der Versicherungsgesellschaft angelegt. Das angesammelte Kapital und die daraus erzielten Erträge dienen dazu, Ihre Versicherungsbeiträge im Alter zu reduzieren.
Man spricht hier oft von zwei Phasen:
- Der Ansparphase, in der Sie die zusätzlichen Beiträge zahlen und Kapital aufgebaut wird.
- Der Entlastungsphase, die typischerweise ab einem bestimmten Alter (z.B. 60 oder 65 Jahre) beginnt und in der Ihre monatlichen Beiträge dank des angesammelten Kapitals niedriger ausfallen.
Der Beitragsentlastungstarif ist also darauf ausgerichtet, die oft höheren Beiträge im Rentenalter abzufedern.
Der Unterschied zu klassischen Tarifen
Klassische Tarife in der privaten Kranken- oder Pflegeversicherung (wie reine Leistungstarife oder Kostenerstattungstarife) konzentrieren sich primär auf die Deckung der aktuellen Gesundheitskosten oder die Erstattung von Ausgaben im Pflegefall. Sie bündeln die Risiken der Versicherten und finanzieren die Leistungsfälle aus den laufenden Beiträgen – ähnlich dem Umlageverfahren.
Diese klassischen Tarife beinhalten keinen automatischen Mechanismus, um gezielt Kapital für eine spätere Beitragsreduzierung im Alter aufzubauen, über die gesetzlich vorgeschriebenen Altersrückstellungen hinaus. Beitragserhöhungen in diesen Tarifen ergeben sich oft aus steigenden Gesundheitskosten und der alternden Versichertengemeinschaft.
Der Beitragsentlastungstarif ist hingegen ein spezielles Finanzierungsinstrument, das über die reine Risikoabsicherung hinausgeht. Er baut explizit ein Kapitalpolster auf, um künftige Beitragssteigerungen zu dämpfen oder die Beiträge im Alter zu senken.
Chancen und worauf man achten sollte
Die Chance eines Beitragsentlastungstarifs liegt darin, dass Sie im Alter potenziell deutlich niedrigere Beiträge zahlen. Dies kann finanziell entlastend sein, insbesondere wenn das Einkommen im Ruhestand sinkt. Für viele ist dies eine Form der vorausschauenden Finanzplanung.
Man sollte sich jedoch auch der Risiken bewusst sein. Dazu gehören:
- Anfänglich höhere Belastung: Sie zahlen in den ersten Jahren mehr Beitrag.
- Anlagerisiko: Die Höhe der späteren Entlastung hängt von der Wertentwicklung des angelegten Kapitals ab. Bei schlechterer Entwicklung fällt die Entlastung geringer aus als erhofft.
- Inflation: Die spätere Beitragsentlastung könnte durch Inflation real weniger wert sein als heute erwartet.
- Bindung des Kapitals: Das im Beitragsentlastungstarif angesparte Kapital ist in der Regel zweckgebunden und steht Ihnen nicht für andere Zwecke zur Verfügung.
Für Sie bedeutet das: Ein Beitragsentlastungstarif kann eine sinnvolle Ergänzung sein, um die finanzielle Belastung im Alter zu mindern. Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass es sich um ein langfristiges Sparinstrument mit den genannten Merkmalen und möglichen Risiken handelt.
Welche formellen und materiellen Anforderungen müssen bei Prämienanpassungen beachtet werden, damit sie wirksam sind?
Wenn ein Versicherer Ihre Versicherungsprämie anpassen möchte, müssen bestimmte Regeln eingehalten werden, damit diese Anpassung auch wirklich gültig ist. Man unterscheidet dabei in zwei Bereiche: Die „formellen“ Anforderungen, die sich auf die Art und Weise der Mitteilung beziehen, und die „materiellen“ Anforderungen, die den Inhalt und die Berechnung der Anpassung betreffen. Wenn eine dieser Anforderungen nicht erfüllt ist, kann die Prämienanpassung unwirksam sein.
Formelle Anforderungen: Wie muss die Mitteilung aussehen?
Die formellen Anforderungen legen fest, wie und wann der Versicherer Sie über eine geplante Prämienanpassung informieren muss. Das ist wichtig, damit Sie als Versicherungsnehmer überhaupt von der Anpassung erfahren und verstehen können, warum sie erfolgt.
- Rechtzeitige Information: Sie müssen rechtzeitig über die Anpassung informiert werden, bevor die neue Prämie fällig wird. Meist ist dies im Versicherungsvertrag geregelt.
- Klarheit der Mitteilung: Die Mitteilung über die Prämienanpassung muss klar und verständlich sein. Sie muss deutlich machen, dass sich Ihre Prämie ändert.
- Begründung der Anpassung: Der Versicherer muss transparent darlegen, warum die Prämie angepasst wird. Eine einfache Information über die neue Prämie reicht nicht aus. Es muss erkennbar sein, auf welcher Grundlage die Anpassung vorgenommen wird. Dies kann sich beispielsweise auf steigende Gesundheitskosten oder geänderte statistische Daten (wie Lebenserwartung oder Krankheitswahrscheinlichkeit) beziehen. Die Mitteilung muss die maßgeblichen Gründe nennen, die zur Anpassung geführt haben.
- Information über das neue Angebot: Sie müssen über die Höhe der neuen Prämie informiert werden.
Wird die Prämienanpassung nicht ordentlich und ausreichend begründet oder die Mitteilung enthält nicht die notwendigen Informationen, kann die gesamte Anpassung unwirksam sein.
Materielle Anforderungen: Was sind die inhaltlichen Voraussetzungen?
Die materiellen Anforderungen betreffen den Grund und die Berechnung der Prämienanpassung selbst. Die Anpassung darf nicht willkürlich erfolgen, sondern muss auf nachvollziehbaren und notwendigen Gründen beruhen.
- Grundlage der Anpassung: Eine Prämienanpassung ist nur zulässig, wenn bestimmte, im Versicherungsvertrag oder Gesetz vorgesehene Voraussetzungen vorliegen. In der privaten Krankenversicherung beispielsweise muss ein bestimmter Schwellenwert überschritten werden, weil sich die tatsächlich benötigten Leistungen oder die Sterblichkeit verändert haben. Erst wenn diese Grenze überschritten ist, darf der Versicherer überhaupt prüfen, ob eine Anpassung notwendig ist.
- Notwendigkeit der Anpassung: Die Erhöhung der Prämie muss notwendig sein, um die dauerhafte Erfüllbarkeit der Versicherungsleistungen zu gewährleisten. Es geht darum, dass die Prämien die Kosten der Versichertengemeinschaft decken können.
- Korrekte Berechnung: Die Anpassung muss auf korrekten versicherungsmathematischen Berechnungen basieren. Es muss nachvollziehbar sein, wie die neue Prämie ermittelt wurde, auch wenn die genauen Details für Laien komplex sein können. Die Berechnung muss den vertraglichen und gesetzlichen Vorgaben entsprechen.
- Keine verdeckte Beitragserhöhung: Die Anpassung darf nicht dazu dienen, einfach den Gewinn des Versicherers zu erhöhen, sondern muss durch tatsächlich veränderte Kosten oder Risiken begründet sein.
Wenn die materiellen Voraussetzungen nicht erfüllt sind – zum Beispiel, weil der notwendige Schwellenwert nicht erreicht wurde oder die Berechnung fehlerhaft ist –, dann ist die Prämienanpassung ebenfalls nicht wirksam.
Folgen unwirksamer Prämienanpassungen
Wenn eine Prämienanpassung formell oder materiell nicht wirksam ist, bedeutet das, dass die Prämienerhöhung rechtlich unwirksam ist.
- Der Versicherer hätte die Prämie nicht erhöhen dürfen.
- Sie sind grundsätzlich nicht verpflichtet, die erhöhte Prämie zu zahlen.
- Sollten Sie die erhöhten Prämien bereits gezahlt haben, haben Sie unter bestimmten Umständen einen Anspruch darauf, die überzahlten Beträge vom Versicherer zurückzufordern.
Es ist daher wichtig, die Mitteilung über eine Prämienanpassung genau zu prüfen und zu verstehen, auf welcher Grundlage sie erfolgt. Eine unwirksame Anpassung kann erhebliche finanzielle Auswirkungen haben.
Was bedeutet „Verjährung“ im Zusammenhang mit Ansprüchen aus unwirksamen Prämienanpassungen und welche Fristen sind zu beachten?
Verjährung bedeutet, dass ein Anspruch nach einer bestimmten Zeit nicht mehr rechtlich durchgesetzt werden kann. Stellen Sie sich das wie ein „Ablaufdatum“ für rechtliche Forderungen vor. Der Grundgedanke dahinter ist, nach einer gewissen Zeit Rechtssicherheit zu schaffen.
Ansprüche, die sich aus möglicherweise unwirksamen Prämienanpassungen ergeben können – zum Beispiel auf Rückzahlung zu viel gezahlter Beiträge – unterliegen ebenfalls der Verjährung.
Die regelmäßige Verjährungsfrist
Für solche Ansprüche gilt grundsätzlich die regelmäßige Verjährungsfrist. Diese beträgt drei Jahre.
Wann beginnt die Frist zu laufen?
Die dreijährige Frist beginnt grundsätzlich am Ende des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist und man von den anspruchsbegründenden Umständen sowie der Person des Schuldners (hier: dem Versicherer) Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Entscheidend ist also oft das Ende des Jahres, in dem Sie vom Anspruch erfahren haben oder hätten erfahren müssen.
Was kann die Verjährung beeinflussen?
Die Verjährung kann unter bestimmten Voraussetzungen angehalten werden (dies nennt man Hemmung) oder von vorne beginnen (dies nennt man Neubeginn). Bestimmte Handlungen können solche Effekte auslösen.
Beispiele für solche Handlungen sind:
- Die Geltendmachung des Anspruchs gegenüber dem Versicherer in Textform (zum Beispiel schriftlich).
- Die Erhebung einer Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs.
Solche Schritte können dazu führen, dass die Verjährungsfrist für die Dauer der Hemmung stoppt oder nach Abschluss der Handlung neu zu laufen beginnt.
Es ist wichtig zu wissen, dass die genauen Umstände, wann ein Anspruch entstanden ist und wann die Kenntnis vorlag, im Einzelfall entscheidend sein können.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Intransparente Vertragsklausel
Eine intransparente Vertragsklausel ist eine Regelung in einem Vertrag, die für den Vertragsgegner nicht klar, verständlich oder nachvollziehbar formuliert ist. Im Versicherungsrecht verlangt das Transparenzgebot, dass Klauseln so gestaltet sein müssen, dass der Versicherungsnehmer die wesentlichen Auswirkungen und Bedingungen erkennen kann, ohne juristischen Sachverstand zu benötigen. Ist eine Klausel intransparent, kann sie gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam sein, was bedeutet, dass der Versicherer sich nicht auf diese Klausel berufen kann. Im vorliegenden Fall belegte das Gericht, dass die Klausel zur Prämienanpassung im Beitragsentlastungstarif BEAE … durch fehlende Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit unwirksam ist.
Beispiel: Wenn eine Klausel zur Beitragserhöhung sich auf ungeklärte oder fremde Berechnungsgrundlagen stützt, ohne zu erklären, wie diese den Beitrag konkret beeinflussen, ist sie für den Laien schwer verständlich und damit intransparent.
Beitragsentlastungstarif
Ein Beitragsentlastungstarif ist ein zusätzlicher Tarif in der privaten Kranken- oder Pflegeversicherung, der darauf abzielt, die Beiträge im Alter zu reduzieren. Hierbei zahlt der Versicherte während einer Ansparphase meist höhere Beiträge, die von der Versicherung angelegt werden. In der späteren Entlastungsphase verringern sich die Beiträge, da die angesparte Leistung zur Minderung der regulären Versicherungsprämien eingesetzt wird. Dieser Tarif ist daher eine Art Sparmechanismus, der zur finanziellen Entlastung im Alter dient. Im Unterschied zu klassischen Tarifen, die reine Risikoabsicherung bieten, baut der Beitragsentlastungstarif Kapital auf.
Beispiel: Ähnlich wie ein Bausparvertrag zahlt man in jungen Jahren mehr ein, um später von niedrigeren Beiträgen zu profitieren, wodurch die finanzielle Belastung im Ruhestand vermindert wird.
Formelle und materielle Anforderungen an Prämienanpassungen
Formelle Anforderungen bestimmen, wie der Versicherer dem Versicherten die Beitragserhöhung mitteilen muss. Dazu gehört, dass die Information rechtzeitig, klar, verständlich und mit einer nachvollziehbaren Begründung erfolgen muss (§ 203 Abs. 5 VVG bzw. § 143 Abs. 3 SGB XI). Materielle Anforderungen betreffen den Inhalt der Anpassung, die nur bei Vorliegen objektiver und notwendiger Gründe zulässig ist, etwa wenn bestimmte Schwellenwerte bei Leistungsausgaben oder Sterblichkeit überschritten werden (§ 203 Abs. 2 VVG). Zudem muss die Berechnung der Erhöhung korrekt und nachvollziehbar sein. Werden diese Anforderungen nicht erfüllt, ist die Prämienanpassung unwirksam.
Beispiel: Eine Versicherung will die Beiträge erhöhen, muss aber rechtzeitig und verständlich erklären, warum das passiert, etwa weil die Behandlungskosten steigen; ohne diese Erklärung darf sie die Erhöhung nicht verlangen.
§ 143 SGB XI – Beiträge bei Pflegezusatzversicherungen
§ 143 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) regelt die Anpassung von Beiträgen in privaten Pflegezusatzversicherungen infolge gesetzlicher Änderungen in der Pflegeversicherung. Diese Vorschrift ermöglicht es Versicherern, Tarife an neue gesetzliche Pflegegrade oder geänderte Leistungsdefinitionen anzupassen, zum Beispiel nach dem Zweiten Pflegestärkungsgesetz (PSG II). Dabei gelten besondere formelle Mitteilungspflichten, die denen aus § 203 VVG entsprechen, allerdings ohne eine vollständige Offenlegung aller Kalkulationsdetails zu verlangen. Das Gesetz soll sicherstellen, dass die Beiträge den tatsächlichen Kosten und Leistungen angepasst werden, um die Deckung der Pflegerisiken zu gewährleisten.
Beispiel: Wenn ein Gesetz neue Pflegegrade einführt und dadurch private Zusatzversicherungen anders leisten müssen, kann der Versicherer die Beiträge entsprechend anpassen, muss dies aber nachvollziehbar mitteilen.
Verjährung
Verjährung bedeutet, dass Ansprüche nach Ablauf einer festgelegten Frist nicht mehr gerichtlich geltend gemacht werden können, um Rechtssicherheit zu schaffen. Für Rückforderungsansprüche aus unwirksamen Prämienanpassungen beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre (§ 195, § 199 BGB). Diese Frist beginnt jeweils am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Versicherte Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Wird ein Anspruch geltend gemacht oder eine Klage eingereicht, kann die Verjährung gehemmt oder neu begonnen werden. Die Verjährung ist entscheidend, weil alte Forderungen nach Fristablauf nicht mehr durchsetzbar sind.
Beispiel: Hat jemand im Jahr 2018 den Anspruch auf Rückzahlung aus einer fehlerhaften Beitragserhöhung entdeckt, läuft die Verjährungsfrist bis Ende 2021; danach kann dieser Anspruch nicht mehr verlangt werden.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 203 Versicherungsvertragsgesetz (VVG): Reguliert die Voraussetzungen und die Mitteilungspflichten bei Beitragsanpassungen in privaten Krankenversicherungen, insbesondere in Abs. 2 und Abs. 5. Die Vorschrift verlangt transparente und nachvollziehbare Information über die Gründe und Berechnungen der Beitragserhöhungen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Voraussetzungen und Mitteilungspflichten dieser Norm sind maßgeblich zur Beurteilung der Wirksamkeit von Prämienanpassungen in den Haupt-Krankenversicherungstarifen, während das Gericht im Pflegetarif die speziellere Norm des § 143 SGB XI anwendete.
- § 143 Sozialgesetzbuch XI (SGB XI): Spezielle Regelung für Beitragsanpassungen in Pflegeversicherungszusatztarifen nach dem Zweiten Pflegestärkungsgesetz (PSG II), die Anpassungen an die neuen Pflegegrade erlauben. Die Vorschrift verlangt eine Mitteilung der Gründe analog zu § 203 Abs. 5 VVG, ohne jedoch detaillierte Berechnungen offenlegen zu müssen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG Karlsruhe bewertete die Prämienanpassungen in den Pflegezusatztarifen EH… und ES… als wirksam, weil die Mitteilung und Anpassung den Anforderungen des § 143 SGB XI entsprach.
- § 307 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Regelt die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und verlangt Transparenz, d.h. klare und verständliche Regelungen, die für den Vertragspartner nachvollziehbar sind. Eine intransparente Klausel ist unwirksam. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Klausel zur Beitragsanpassung im Beitragsentlastungstarif BEAE … wurde wegen fehlender Transparenz gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB analog für unwirksam erklärt, was die gesamten Prämienerhöhungen in diesem Tarif entfallen ließ.
- § 818 Abs. 1 BGB: Grundlage für den Herausgabeanspruch von Nutzungen, die aus einem ungerechtfertigten Vermögensvorteil gezogen wurden. Wer ungerechtfertigt Leistungen erhält oder daraus Gewinne zieht, muss diese an den Berechtigten zurückgeben. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht verpflichtete die Krankenversicherung, die aus den zu Unrecht gezahlten höheren Beiträgen im Tarif BEAE … gezogenen Nutzungen an den Versicherungsnehmer herauszugeben.
- § 291 BGB: Bestimmt die Entstehung von Zinsansprüchen bei gerichtlichen Forderungen, so genannte Prozesszinsen, die ab Rechtshängigkeit zu zahlen sind. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Rückerstattungsansprüche des Versicherungsnehmers über die zu viel gezahlten Prämien wurden verzinst, wodurch der Versicherer neben der Hauptforderung auch Zinsen zu zahlen hat.
- Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG), § 155: Regelt in der privaten Krankenversicherung die technischen Grundlagen für Beitragsanpassungen, etwa die Änderung der Sterbewahrscheinlichkeit als Faktor für Beitragserhöhungen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stützte die Rechtmäßigkeit von Prämienanpassungen in den Pflegetarifen auch auf den Schwellenwert der Sterbewahrscheinlichkeit, was die Tarifänderungen rechtlich absicherte.
Das vorliegende Urteil
OLG Karlsruhe – Az.: 12 U 304/21 – Urteil vom 17.01.2023
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