AG Dortmund – Az.: 414 C 7073/18 – Urteil vom 24.10.2019
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 723,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.10.2018 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung abzuwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Der Kläger ist bei der Beklagten privat krankenvollversichert. Am 24.04.2018 unterzog sich der Kläger einer chirurgischen Behandlung einer Katarakt-Erkrankung am linken Auge. Die Operation erfolgte unter Einsatz eines sogenannten Femtosekundenlasers.
Die Leistungen wurden mit Rechnung vom 14.05.2018 mit einem Betrag von 2.717,57 € abgerechnet. Die Beklagte glich die Rechnung bis auf eine Teilforderung in Höhe von 723,93 € aus. Dieser Betrag entfällt auf die Position 5855 A Femtosekundenlaseranwendung mit dem Steigerungsfaktor 1,8. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Einsatz des Lasers medizinisch notwendig war.
Der Kläger beantragt, die Beklagte wie tenoriert zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, der Einsatz des Femtosekundenlasers sei nicht gesondert über die Gebührennummer 5855 GOÄ analog abrechenbar. Die Durchführung der Operation sei durch die Abrechnung der Ziffer 1375 GOÄ vollständig abgegolten. Die zusätzliche Abrechnung des Lasereinsatzes verstoße gegen das Zielleistungsprinzip. Es dürfe nur die Zielleistung, hier die Durchführung der Kataraktoperation abgerechnet werden. Der Einsatz des Femtosekundenlasers stelle keine eigenständige Leistung dar, sondern ersetze lediglich die bei der herkömmlichen Methode mit der Hand durchgeführten Schnitte zur Eröffnung des Operationsgebietes im Auge. Dem zusätzlichen Aufwand für die Verwendung des Lasers werde angemessen durch die abgerechnete Zuschlagsziffer 441 GOÄ Rechnung getragen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Herrn Dr. med. …. Für den Inhalt des Gutachtens vom 18.07.2019 wird auf Bl. 209 ff. der Akte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat aus dem Versicherungsvertrag in Verbindung mit § 192 Abs. 1 VVG einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der Kosten für den Einsatz des Femtosekundenlasers in Höhe von 723,93 €.
Der Einsatz des Femtosekundenlasers stellt eine eigenständige abzurechnende Leistung dar. Die Abrechnung der Leistung gemäß der Gebührennummer 5855 GOÄ analog ist nicht zu beanstanden.
Bei dem Einsatz des Femtosekundenlasers handelt es sich um eine eigenständige Leistung im gebührenrechtlichen Sinn, die ordnungsgemäß mit der Gebührennummer 5855 GOÄ analog abgerechnet wurde. Ein Verstoß gegen das Zielleistungsprinzip liegt nicht vor, da der Einsatz des Lasers nicht lediglich die bei der herkömmlichen Kataraktoperation manuell ausgeführten Schnitte zur Eröffnung der Linse ersetzt. Vielmehr wird durch den Laser eine eigene Diagnostik und Vorbehandlung ermöglicht, die zuvor nicht existent war. Hiervon ist das Gericht nach Durchführung der Beweisaufnahme überzeugt.
Das Gericht folgt den Ausführungen des Sachverständigen Herrn …, die verständlich und plausibel sind und im Einklang mit den Gesetzen der Logik und allgemeinen Erfahrungssätzen stehen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dem Sachverständigen bei seinen Wertungen ein fachlicher Fehler unterlaufen sein könnte. Der Sachverständige verfügt über hohe eigene Erfahrungswerte und besitzt sowohl für den Einsatz des Lasers als auch für die Abrechnungsmöglichkeiten nach der GOÄ umfassende fachliche Kenntnisse.
Der Sachverständige hat nachvollziehbar und in sich schlüssig dargelegt, dass die Operation unter Zuhilfenahme des Lasers über den Umfang der Leistungsdefinition der Ziffer 1375 GOÄ hinausgeht. Ziffer 1375 beschreibt die extrakapsuläre Operation des grauen Stars oder Linsenkernverflüssigung mit Implantation einer intraokularen Linse. Der Sachverständige legt dar, dass eine Vielzahl von Einzelschritten bereits von dieser Gebührenziffer abgedeckt ist. Hierunter fallen das manuelle Anlegen der Zugänge, die Eröffnung der vorderen Linsenkapsel, die Entfernung des Linsenkerns mittels Phakoemulsifikation (Linsenkernverflüssigung mit anschließendem Saug-/Spülverfahren), die Entfernung der Rindenreste, das Einsetzen, Entfalten und Positionieren des Implantats sowie das Absaugen des Puffermittels und der Verschluss der Zugänge. Der Sachverständige erläutert, dass das Legen der Zugänge und die Eröffnung der vorderen Linsenkapsel durch Einsatz des Lasers automatisiert und potentiell verbessert werden. Schnitte können exakter gesetzt werden. Darüber hinaus kann die Eröffnung der Linsenkapsel sicherer kreisförmig und damit stabiler ausgeführt werden. Ein weiterer Vorteil des Lasereinsatzes sei, dass das Implantat leichter zu zentrieren ist und dadurch die Einstellung der Refraktion sicherer möglich wird und zu weniger Bildfehlern für den Patienten führt.
Über diese Arbeitsschritte hinaus ist bei Einsatz des Lasers eine Vorbehandlung möglich. Die Verflüssigung des Linsenkerns kann erleichtert werden durch eine Vorzerkleinerung des Linsenkerns mittels Laserschnitten. Diese Vorarbeit führt nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen zu einem deutlichen Vorteil für den Patienten. Denn sie führt zu einer Verringerung des Einsatzes von Ultraschallenergie und auf Grund dessen zu einer merklich verringerten Belastung des Augengewebes. Diese Vorbereitungsarbeit erfolgt bereits vor Eröffnung des Augapfels, ist ohne Lasereinsatz nicht möglich und daher im Gebührentatbestand der Ziffer 1375 nicht enthalten. Dies ist bereits deshalb nachvollziehbar, als die GOA aus dem Jahr 1965 stammt und der Femtosekundenlaser erst seit dem Jahr 2009 bei Augenoperationen zum Einsatz kommt.
Die Abrechnung erfolgte ordnungsgemäß nach der Gebührennummer 5855 GOÄ analog. Eine Gebührennummer, die den Einsatz des Femtosekundenlasers als neuwertige Technik zum Inhalt hat, existiert nicht. Eine analoge Anwendung der 5855 GOÄ ist geeignet, diese Lücke zu schließen.
Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass die Abrechnungsziffer von ihrem Gehalt her den technischen, zeitlichen und wirtschaftlichen Aufwand des Lasereinsatzes abbildet. Die daraus resultierende Vergütung stehe auch nicht außer Verhältnis zu der Leistung, insbesondere wenn sie, wie hier, nur mit dem 1,8-fachen Steigerungssatz abgerechnet wird. Nachvollziehbar erläutert der Sachverständige auch, dass die Abrechnung über die Zuschlagsziffer 441 GOÄ dem Einsatz des Femtosekundenlasers nicht gerecht wird. Dies erläutert er zum einen mit den hohen Kosten für Anschaffung und Betrieb des Lasers, die nicht vergleichbar sind mit den günstigeren Lasern, für deren Einsatz die Ziffer 441 konzipiert wurde. Zum anderen handele es sich bei der Ziffer 441 um eine Zuschlagsziffer, so dass deren Anwendung auf eine eigenständige medizinische Leistung der Systematik der GOÄ logisch widerspräche. Denn, wie bereits dargelegt, wird bei der Operation mittels Femtosekundenlaser nicht nur ein unterschiedliches Werkzeug verwendet, sondern es werden auch Tätigkeiten ausgeführt, die über den eigentlichen Gebührenrahmen hinausgehen.
Der Anspruch auf Zinsen ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Der Streitwert wird auf 723,93 EUR festgesetzt.