Private Krankenversicherung – Umfang der Kostenerstattung von physiotherapeutischen Behandlungen
AG Dortmund, Az.: 425 C 2687/17, Urteil vom 18.07.2017
Der Anspruch des Versicherungsnehmers gegen die private Krankenversicherung wird nicht durch die Sätze der gesetzlichen Krankenversicherung oder die Beihilfesätze beschränkt. Insofern handelt es sich um einen anderen Markt.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 120,40 EUR (in Worten: einhundertzwanzig Euro und vierzig Cent) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.05.2017 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 40,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.05.2017 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Ohne Tatbestand (gemäß § 313a Abs. 1 ZPO).
Entscheidungsgründe

Die Parteien streiten über Leistungen aus einer privaten Krankenversicherung. Dem Kläger wurden vom Facharzt manuelle Therapien verschrieben, die der Kläger bei den Physiotherapeuten X/Y hat durchführen lassen. Die Rechnungen erstattet die Beklagte mit Ausnahme des titulierten Betrages.
Die Beklagte meint, dass das ortsübliche Honorar niedriger sei, da die Ortsüblichkeit vor allem durch die Gebühren für gesetzlich Versicherte im Übrigen durch die Beihilfevorschriften vorgegeben sei.
Die Klage ist begründet. Der Kläger kann von der Beklagten die Zahlung der restlichen Behandlungskosten aus dem abgeschlossenen Behandlungsvertrag iVm § 192 I VVG verlangen.
Die Leistungspflicht der Beklagten ist hinsichtlich der physiotherapeutischen Leistungen nicht auf die Sätze der GOÄ beschränkt. Es kann dahinstehen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Beklagte eine Regelung dieses Inhalts in Allgemeinen Geschäftsbedingungen hätte treffen können (vgl. für den dortigen Fall verneinend LG Coburg NJW-RR 2015, 658). Vorliegend hat sie eine solche Regelung jedenfalls nicht getroffen. Die Klausel in Teil II (TB/KK) zu § 4 (1) MB/KK, lit. c) kann nicht so verstanden werden, dass die Sätze der GOÄ auch Anwendung finden sollen. Der Verweis auf die „jeweiligen Gebührenordnung“ bezieht sich nicht auf die GOÄ. Eine andere Gebührenordnung gibt es nicht. Der Verweis auf die „jeweils gültigen … Gebührenordnungen“ impliziert, dass auch der Verweis nur innerhalb des jeweiligen Anwendungsbereichs gelten soll (so im Ergebnis auch LG Köln v. 17.06.2009 – 23 O 380/08, Juris; LG Frankfurt Urt. v. 17.11.2016 – 2 – 23 O 71/16).
Unerheblich ist, ob die Behandlungssätze des Physiotherapeuten ortsüblich sind. Die Leistungspflicht der Beklagten beschränkt sich nicht auf die Erstattung ortsüblicher Kosten. Gemäß § 192 Abs. 2 VVG, entsprechend § 5 Teil I (MB/KK) Abs. 2 Satz 2, entfällt die Leistungspflicht der Beklagten erst bei Aufwendungen, die in einem auffälligen Missverhältnis zu den erbrachten Leistungen stehen. Dazu trägt die Beklagte nichts vor, der Vortrag, die Kosten seien „unangemessen“ überhöht, ist gänzlich substanzlos. Es geht hier um ganz wenige Euro. Für die Angemessenheit spricht bereits eine tatsächliche Vermutung, weil die Behandler die Kosten in dieser Höhe geltend machen (LG Frankfurt VersR 2003, 232).
Im Übrigen ist für die Ermittlung der ortsüblichen Preise für physiotherapeutische Leistungen allein auf die Gruppe der privat Versicherten abzustellen. Das System der gesetzlichen Krankenversicherung kennt gar keine ortsüblichen Preise, weil diese verordnet bzw. einseitig festgelegt werden (ähnlich auch LG Frankfurt VersR 2003, 232).
Auch eine Begrenzung der Leistungspflicht auf beihilfefähige Höchstsätze ist den Vertragsbedingungen nicht zu entnehmen. Auch die Beihilfesätze werden einseitig festgelegt und unterliegen keinen Marktmechanismen. Die erstattungsfähigen Beträge betreffen ausschließlich das Verhältnis des Beihilfeberechtigten zu seinem Dienstherren und hat keinerlei Einfluss auf das Vertragsverhältnis zwischen Behandler und Patienten.
Insofern ist die Klage in der Hauptsache in vollem Umfang begründet. Der Zinsanspruch beruht auf § 288 Abs. 1, § 288, § 291 BGB.
Zu den zu erstattenden Verzugskosten gehören auch die Kosten für die vorgerichtliche Beratung des Klägers. Auch diese sind ausschließlich wegen der Weigerung der Beklagten, die vertraglich geschuldeten Zahlungen zu erbringen, entstanden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 713 ZPO.