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PKV – Übernahme Behandlungskosten – gemischte Anstalt

LG Frankfurt – Az.: 2-30 O 105/18 – Urteil vom 11.01.2019

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Erstattung von Behandlungskosten in Anspruch.

Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Versicherungsunternehmen, unter der Versicherungsnummer ….. privat krankenversichert.

Seit dem Jahr 2007 leidet der Kläger an rezidivierenden depressiven Episoden. Er befand sich von 2007 bis 2008 in ambulanter Langzeittherapie. Zusätzlich leidet er seit 2007 an ausgeprägten Ein- und Durchschlafstörungen. Obwohl er eine C-PAP-Maske trug und das Medikament Zopiclon einnahm, stellte sich keine Besserung ein. Daneben leidet der Kläger an einer multiplen chronischen Schmerzstörung.

Im Jahr 2017 wandte sich der Kläger an die Beklagte und bat um Kostenzusage für einen beabsichtigten Aufenthalt in der Klinik ….. in …… Mit Schreiben vom 03.08.2017 lehnte die Beklagte die gewünschte Kostenübernahme ab.

Mit Attest vom 14.08.2017 empfahl die behandelnde Ärztin ….., eine „intensive stationäre Behandlung in einer TCM-Klinik mit ganzheitlicher Medizin durchzuführen“, wobei die Abkürzung „TCM“ für traditionelle chinesische Medizin steht. Ebenfalls mit Schreiben vom 14.08.2017 regte die behandelnde Internistin ….. an, die Entscheidung, die Kostenübernahme zu verweigern, zu überdenken und zu revidieren.

Am 21.08.2017 begab sich der Kläger zur stationären Behandlung in die Klinik …… Die Behandlung dauerte bis zum 08.09.2017. Mit Rechnungen vom 12.10.2017 und 14.11.2017 stellte die Klinik ….. dem Kläger für den Aufenthalt insgesamt 9292,19 € in Rechnung. Die Beklagte weigerte sich, diese Kosten zu übernehmen.

Der Kläger behauptet, bei der Aufnahme am 21.08.2017 in der Klinik ….. habe es sich um eine Akutaufnahme gehandelt, da eine akute depressive Episode vorgelegen habe. Aufgrund der in der Klinik durchgeführten Behandlung hätten die niedergedrückte Grundstimmung sowie die Durchschlafstörungen des Klägers deutlich und die Schmerzen im linken Knie und der rechten Schulter leicht gebessert werden können. Der Erschöpfungszustand habe deutlich gebessert werden können. Im Hinblick auf seine Schlafstörungen könne er nun auf die Maske und das schwer abhängig machende Medikament Zopiclon verzichten. Die Behandlung in der Klinik ….. sei medizinisch notwendig gewesen. Bei der Klinik handele es sich um eine reine Krankenanstalt.

Der Kläger beantragt: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9292,19 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 19.01.2018 sowie vorgerichtliche Kosten i.H.v. 887,03 € zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, bei der Klinik ….. handele es sich um eine so genannte gemischte Anstalt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Übernahme der Behandlungskosten, die für die Behandlung des Klägers in der Klinik ….. vom 21.08.2017 bis zum 08.09.2017 entstanden sind.

Übernahme Behandlungskosten - gemischte Anstalt
(Symbolfoto: Von ArtmannWitte/Shutterstock.com)

Zwar ist die Beklagte als Krankenversicherung des Klägers aus dem Versicherungsvertrag grundsätzlich verpflichtet, die Kosten einer medizinisch notwendigen Behandlung zu übernehmen. Vorliegend greift jedoch der Ausschlussgrund in § 4 Abs. 5 der Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (MB/KK), die auch für das Versicherungsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten gelten. Nach S. 1 dieser Vorschrift werden für medizinisch notwendige stationäre Heilbehandlung in Krankenanstalten, die auch Kuren bzw. Sanatoriumsbehandlung durchführen oder Rekonvaleszenten aufnehmen, im Übrigen aber die Voraussetzungen von Abs. 4 der Vorschrift erfüllen, die tariflichen Leistungen nur dann gewährt, wenn der Versicherer diese vor Beginn der Behandlung schriftlich zugesagt hat. Eine solche Zusage hat die Beklagte nicht gegeben. Im Gegenteil hat sie mit Schreiben vom 03.08.2017 die vom Kläger gewünschte Übernahme der Kosten für einen beabsichtigten stationären Krankenhausaufenthalt in der Klinik ….. ausdrücklich abgelehnt.

Die Beklagte kann sich auf den Ausschlussgrund in § 4 Abs. 5 MB/KK berufen, da es sich bei der Klinik ….. um eine so genannte „gemischte Anstalt“ im Sinne dieser Vorschrift handelt. Hintergrund dieser Regelung ist, dass der Krankenversicherer – auch im Interesse einer möglichst niedrigen Prämie – grundsätzlich keine Kur- und Sanatoriumsbehandlungen finanziert (§ 5 Abs. 1 Buchst. d MB/KK). Indem die Kostenübernahme für Behandlungen in Krankenanstalten, die auch Kuren bzw. Sanatoriumsbehandlung durchführen, von einer vorherigen schriftlichen Zusage des Versicherungsunternehmens abhängig gemacht wird, wird der bei solchen Anstalten schwierigen Abgrenzung zwischen einem versicherten Krankenhausaufenthalt und einem nicht versicherten Kur- oder Sanatoriumsaufenthalt Rechnung getragen. Dem erhöhten Risiko der Inanspruchnahme solcher Behandlungen soll von vornherein entgegengetreten werden. Zugleich soll der Versicherer von der nachträglichen Überprüfung befreit werden, ob während des Aufenthalts in einer gemischten Anstalt eine notwendige Heilbehandlung oder – wenn auch nur teilweise – eine Kur- oder Sanatoriumsbehandlung stattgefunden hat. (Voit in Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl. 2018, § 4 MB/KK Rn. 49 ff., m.w.N.).

Maßgeblich für die Einordnung als gemischte Anstalt und damit den Ausschluss nach § 4 Abs. 5 MB/KK ist die tatsächliche Ausgestaltung der Anstalt, so wie sie sich aus ihrem Leistungsangebot ergibt (vgl. BGH VersR 1971, 949 ; OLG Koblenz VersR 2008, 108; Voit, a.a.O., Rn. 53). Es genügt, dass die Anstalt auch Kuren oder Sanatoriumsbehandlungen durchführt, auch wenn das Schwergewicht nicht auf diesen Behandlungen liegt (Voit, a.a.O.). Kennzeichnend ist, dass die gemischte Anstalt nach ihrer Ausstattung und ihre medizinischen Konzept sowohl reine Krankenhausleistungen als auch die Behandlungen und Leistungen eines Sanatoriumsbetriebs erbringen kann (OLG Koblenz VersR 2008, 108; Kalis in Bach/Moser, Private Krankenversicherung, 5. Aufl. 2015, § 4 MB/KK Rn. 167).

Die Einstufung eines Hauses als gemischte Anstalt ist rein rechtlich vorzunehmen. Es bedarf hierzu keiner Einholung eines Sachverständigengutachtens (OLG Koblenz VersR 2011, 1382 ). Entscheidend für die Qualifikation als gemischte Anstalt ist der objektive Auftritt der Einrichtung nach außen, also die tatsächliche Ausgestaltung des gesamten Leistungsangebots, wie sie sich etwa anhand eines Internetauftritts darstellt (Rogler in Rüffer/Halbach, Schimikowski, Versicherungsvertragsgesetz, 3. Aufl. 2015, § 4 MB/KK 2009, Rn. 14). Ein Sanatorium ist eine unter (fach-)ärztlicher Leitung stehende, klimatisch günstig gelegene, meist einer speziellen Zielrichtung gemäß ausgestattete stationäre Einrichtung zur Behandlung und Betreuung Genesender und/oder chronisch Kranker, bei denen kein Krankenhausaufenthalt (mehr) erforderlich ist. Die Patienten werden dort auch durch spezielle Heilanwendungen, z.B. ernährungs- und physikalische Therapie, behandelt, wobei ihre Herauslösung aus der gewohnten Umwelt als wichtiger Heilfaktor hinzukommt (BGH NJW 1983, 2088 ; Kalis, a.a.O., § 5 Rn. 71 ff.).

Die Selbstdarstellung der Klinik ….. lässt hierbei den Charakter einer gemischten Anstalt erkennen. Das Gericht berücksichtigt hierbei durchaus, dass es sich bei der Klinik ….. um eine Einrichtung handelt, deren Konzeption die „Traditionelle Chinesische Medizin“ zugrunde liegt und die bereits aus diesem Grund über eine andere Ausrichtung und – damit einhergehend – auch einen anderen Außenauftritt haben kann als das „klassische“ deutsche, auf Schulmedizin ausgerichtete Krankenhaus. Aber auch unter Berücksichtigung des besonderen Fokus der Klinik ….. ergibt sich eine Ausrichtung, die mindestens ebenso der eines Sanatoriums entspricht wie der eines Krankenhauses im klassischen Sinne.

In dem von der Beklagten vorgelegten Prospekt der Klinik wird unter der Überschrift „Pflege und Zeit“ ein Behandlungskonzept vorgestellt, welches auch Elemente einer Kur- bzw. Sanatoriumsbehandlung beinhaltet. So wird etwa hervorgehoben, dass sich die Schwester und Pfleger neben der Behandlungspflege um das alltägliche Wohlbefinden der Patienten kümmerten, wobei das Spektrum auch „viele kleine Alltagshilfen – wie Gehübungen, Gespräche und begleitete Spaziergänge“ umfasse. Das Raumangebot umfasst neben den Einzel- und Doppelzimmern unter anderem auch Räume für Bewegungsübungen, Seminare und Freizeitgestaltung, ein Panoramazimmer, ein japanisches Bad, einen Barfußweg und einen Schwingstein. Auf eine ruhige, familiäre Atmosphäre werde großen Wert gelegt. Beim Plaudern im Panoramazimmer, beim Musizieren, in Gruppentherapien oder bei Gestaltungsabenden bildeten sich rasch Gemeinschaften. Das Essen werde – sofern es die gesundheitliche Verfassung erlaubt – im Speisesaal gemeinsam eingenommen. Entspannungsübungen, Meditation und Autogenes Training würden angeboten.

Auch die Internetseite vermittelt das Bild einer Einrichtung, in der neben dem typischen Behandlungspektrum eines Krankenhauses auch Kur- und Sanatoriumsbehandlung angeboten werden kann. In räumlicher Hinsicht werden neben den oben bereits genannten Räumen auch eine Anlage für therapeutisches Bogenschießen und das Vorhandensein von Teeküchen auf den einzelnen Stationen erwähnt. Fotos von einem Patientenzimmer zeigen ein helles, freundliches Zimmer mit einem offensichtlich nicht höhenverstellbaren Bett mit einem festen Rahmen aus hellem Holz, das keine Ähnlichkeit mit einem typischen Krankenhausbett hat. Im Zimmer befinden sich außerdem neben einem kleinen Tisch und einem Stuhl ein bequem erscheinender Korbsessel und eine Couch, Einrichtungsgegenstände, die man in einem typischen Krankenhauszimmer eher nicht findet.

Eine Kostentragungspflicht der Beklagten ergibt sich auch nicht ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt, dass es sich bei der Behandlung des Klägers um eine Akutaufnahme in der Klinik ….. gehandelt hat. Dagegen sprechen bereits die räumlichen und zeitlichen Umstände des Behandlungsbeginnes. Die Aufnahme erfolgte keine 3 Wochen, nachdem die Beklagte die Übernahme der Behandlungskosten abgelehnt hatte, und genau eine Woche, nachdem zwei behandelnde Ärztinnen des Klägers die Aufnahme des Klägers in der Klinik ….. empfohlen hatten. Die Klinik liegt etwa 200 km und etwa 2 Stunden Fahrzeit mit dem Auto vom Wohnort des Klägers in ….. entfernt.

Da es sich bei der Klinik ….. um eine gemischte Anstalt handelt und die nach § 4 Abs. 5 S. 1 MB/KK erforderliche schriftliche Zusage der Kostenübernahme vor Beginn der Behandlung durch die Beklagte nicht erfolgt ist, kommt es auf die Frage, ob die stationäre Heilbehandlung des Klägers medizinisch notwendig war, nicht an. Ebenso wenig ist es für den Rechtsstreit von Relevanz, ob bei dem Kläger (was ihm zu wünschen wäre) durch die Behandlung eine Besserung seines Gesundheitszustands eingetreten ist.

Mangels Anspruchs in der Hauptsache besteht auch kein Anspruch auf die Zahlung der begehrten Zinsen sowie der Übernahme vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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