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PKV – Kostenerstattung für Implantat-Behandlung

LG Memmingen – Az.: 23 O 143/19 – Urteil vom 17.07.2020

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss: Der Streitwert wird auf 8.177,73 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Leistungen aus einer privaten Krankenversicherung.

Der Kläger unterhält bei der Beklagten seit 01.09.2008 eine private Krankenversicherung, die bei medizinisch notwendigen zahnärztlichen Behandlungen die Kosten für Einlagefüllungen, Zahnkronen, Zahnersatz (z. B. Brücken, Prothesen) einschließlich Suprakostruktionen, implantologische Leistungen sowie Wiederherstellungen von Zahnkronen und Zahnersatz erstattet. Bei implantologischen Leistungen ist die Erstattung auf 1.000,00 € pro Implantat sowie sechs Implantate je Kiefer einschließlich etwaiger bei Beginn des Versicherungsschutzes vorhandener Implantate begrenzt (Anlage K2). Sofern wie im Fall des Klägers für mehrere Kalenderjahre keine professionelle Zahnreinigung nachgewiesen wird, verringert sich der Erstattungsprozentsatz auf bis zu 35 %, sodass der Höchstbetrag pro Implantat dann bei 350,00 € liegt. Nach § 4 Nr. 6 AVB (Anlage K1) leistet die Beklagte für Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden und Arzneimittel, die von der Schulmedizin überwiegend anerkannt sind.

Der Kläger nahm im Zeitraum vom 20.07.2017 bis 09.03.2018 zahnärztliche Leistungen in der … in Anspruch. Gemäß Heil- und Kostenplan … wurden im Oberkiefer sechs und im Unterkiefer acht Bicortikalschreiben, also BCS-Implantate, eingebracht. Bei Versicherungsbeginn waren im Oberkiefer drei Implantate bereits vorhanden. Vor Beginn der streitgegenständlichen Behandlung waren auch im Unterkiefer bereits zwei im Jahr 2010 eingebrachte Implantate vorhanden, für die die Beklagte keine Leistungen erbracht hatte. Die behandelnde Klinik stellte unter dem 17.05.2018 insgesamt 25.498,46 € in Rechnung (Anlage K4). Die Beklagte verweigerte mit Schreiben vom 01.02.2018 (Anlage K5) die Leistung. Mit Schriftsatz vom 14.08.2018 (Anlage K6) forderten die späteren Klägervertreter die Beklagte zur Leistung auf unter Fristsetzung auf den 31.08.2018. Die Rechtsschutzversicherung des Klägers ermächtigte diesen unter dem 23.04.2019 (Anlage K7) zur Geltendmachung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung.

Der Kläger behauptet, dass die Einbringung von BCS-Implantaten medizinisch notwendig gewesen sei, da die Verwendung klassischer Implantate aufgrund eines beim Kläger bestehenden zunehmenden Knochenschwundes erst nach einem mit einem erheblichen Zeit- und Kostenaufwand verbundenen Knochenaufbau möglich gewesen wäre. Die BCS-Implantate seien wissenschaftlich mit Langzeitstudien dokumentiert, bewährt und von der Schulmedizin überwiegend anerkannt. Der Kläger ist der Auffassung, dass er für drei Implantate im Oberkiefer und sechs Implantate im Unterkiefer zuzüglich Kronen, Eingliederung und Laborarbeiten Anspruch auf eine Versicherungsleistung in Höhe von 8.177,73 € habe.

Der Kläger beantragt daher zuletzt:

1.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 8.177,72 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz daraus seit 01.09.2018 zu bezahlen.

2.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 415,96 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt zuletzt, die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass bei der Bestimmung des maximal erstattungsfähigen Betrages auf die Zahl der bei Behandlungsbeginn bereits vorhandenen Implantate abzustellen sei, sodass maximal sieben Implantate erstattungsfähig seien. Weiter seien einige in der Rechnung enthaltenen Positionen ausgeschlossen bzw. nicht nach dem Preis- und Leistungsverzeichnis des Tarifs berechnet, sodass sich selbst bei unterstellter Eintrittspflicht ein maximaler Erstattungsbetrag in Höhe von 4.420,45 € errechne. Die Eintrittspflicht beschränke sich allerdings auf eine allgemein anerkannte und geeignete Behandlungsmethode bzw. in Ermangelung einer solchen auf eine wahrscheinlich zu Verhinderung der Verschlimmerung der Erkrankung oder zumindest zur Verlangsamung geeignete Methode.

Die am 04.02.2019 beim Landgericht Memmingen eingegangene Klageschrift vom 30.01.2019 (Bl. 1/8 d. A.) wurde der Beklagten ausweislich der vorliegenden Postzustellungsurkunde am 14.02.2019 zugestellt. Mit Beschluss vom 09.04.2019 (Bl. 27/28 d. A.) wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Das Gericht erholte mit Beweisbeschluss vom 02.07.2019 (Bl. 55/57 d. A.), geändert mit Beschluss vom 02.09.2019 (Bl. 66/67 d. A.), ein mund-, kiefer- und gesichtschirurgisches Fachgutachten, das der … unter dem 20.01.2020 (Bl. 83/110 d. A.) erstattete und in der mündlichen Verhandlung vom 26.06.2020 erläuterte. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Niederschriften über die mündlichen Verhandlungen vom 11.06.2019 (Bl. 49/50 d. A.) und 26.06.2020 (Bl. 131/134 d. A.) sowie den sonstigen Akteninhalt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

I. Zulässigkeit

Das Landgericht Memmingen ist gemäß §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich sowie gemäß § 215 Abs. 1 VVG örtlich zuständig. Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor.

II. Begründetheit

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Versicherungsleistungen für die durchgeführte Implantatbehandlung, da diese Behandlung nicht medizinisch notwendig im Sinne der §§ 1 Abs. 2, 4 Abs. 6 AVB war. Eine Heilbehandlung ist medizinisch notwendig, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen ex ante vertretbar war, sie als notwendig anzusehen. Ist die im konkreten Fall angewandte Behandlungsmethode allgemein anerkannt und geeignet, die Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihrer Verschlimmerung entgegenzuwirken, so ist der Versicherer eintrittspflichtig. Beurteilungsgrundlage bildet insoweit die Schulmedizin (vgl. OLG Köln vom 30.10.1996, 5 U 88/96). Dies gilt nicht für Krankheiten, für die es keine allgemein anerkannte und geeignete Behandlungsmethode gibt (aaO.).

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die BCS-Implantate nicht die Methode der Schulmedizin sind, da der Kläger lediglich behauptet, dass BCS-Implantate von der Schulmedizin überwiegend anerkannt wären. Weiter sind sich die Parteien einig, dass jedenfalls nach Durchführung eines Knochenaufbaus – unter Inkaufnahme der damit verbundenen zeitlichen Verzögerung – die Verwendung herkömmlicher Implantate möglich gewesen wäre. Der Kläger konnte letztlich jedoch nicht beweisen, dass die durchgeführte Behandlung aus ex ante-Sicht ebenso erfolgversprechend bewährt hätte wie eine von der Schulmedizin anerkannte Behandlung und dass keine schulmedizinisch anerkannten Methoden zur Verfügung gestanden hätten. Nach den Ausführungen des Sachverständigen, die sich das Gericht nach Prüfung zu Eigen macht, steht fest, dass bei dem Kläger unabhängig von einem etwaigen Knochenschwund ein sofortiger Zahnersatz bei Anwendung der All on 4-Technik möglich gewesen wäre (S. 2 des Protokolls vom 26.06.2020 / Bl. 132 d. A.). Selbst wenn man also den Therapiewunsch des Klägers nach einer möglichst raschen Versorgung für rechtlich maßgeblich erachten würde, wäre dies einer Versorgung mit herkömmlichen Implantaten nicht entgegengestanden. Sowohl im Oberkiefer als auch im Unterkiefer hätte unter Rückgriff auf die bei Behandlungsbeginn bereits vorhandenen Implantate eine sofortige Versorgung mit herkömmlichen Implantaten erreicht werden können (S. 3 des Protokolls vom 26.06.2020 / Bl. 133 d. A.).

Aus der klägerseits zitierten Entscheidung des Landgerichts Köln vom 07.02.2007 (23 O 458/04) folgt nichts anderes. In dem dortigen Fall konnte der Sachverständige feststellen, dass für die dort verwendeten Implantate zwar keine Langzeitstudien vorlägen, aber die dort verwendeten Implantate hätten sich in der Praxis durchgesetzt und seien bei Zugrundelegung der Richtlinien der zuständigen Konsensuskonferenzen zur Schulmedizin zu zählen (juris-Orientierungssatz 2 und juris-Rn. 19). Derartige Feststellungen konnte der in dem vorliegenden Verfahren tätige Sachverständige gerade nicht treffen, sondern hat ausgeführt, dass zu BCS-Implantaten nur Studien mit einer geringen Evidenz vorliegen (S. 17 des Gutachtens / Bl. 99 d. A.). Randomisierte, kontrollierte Studien liegen nicht vor, sodass die Beurteilung des klinischen Erfolges nur sehr eingeschränkt möglich ist (S. 17/18 des Gutachtens / Bl. 99/100 d. A.). Die vorliegenden Berichte sind mehrheitlich lediglich case reports, die eine Zeitspanne von maximal vier bis sechs Jahren umfassen (S. 3 des Protokolls vom 26.06.2020 / Bl. 133 d. A.), sodass insbesondere die Langzeithaltbarkeit – anders als bei herkömmlichen Implantaten – nicht hinreichend sicher beurteilt werden kann. Darauf, ob die Versorgung im konkreten Fall des Klägers (bislang) erfolgreich war oder nicht, kommt es nicht an.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass die Versorgung mit BCS-Implantaten nicht medizinisch notwendig war und nicht die Methode der Schulmedizin ist. Vielmehr handelte es sich um eine Wunschleistung des Klägers zur Vermeidung eines (allerdings nach Feststellungen des Sachverständigen ohnehin nicht zwingend erforderlichen) zeitintensiven Knochenaufbaus.

Die Beklagte ist gemäß § 4 Abs. 6 AVB nicht zur Leistung verpflichtet. Die Klage war nach alledem abzuweisen.

Mangels eines Leistungsanspruches konnte sich die Beklagte nicht mit der Leistung in Verzug befinden, sodass Zinsen sowie die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht als Verzugsschaden zu erstatten sind. Andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.

III. Nebenentscheidungen

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.

Der Streitwert war gemäß § 3 ZPO auf den in der Hauptsache geltend gemachten Betrag festzusetzen. Die vorgerichtlichen Anwaltskosten bleiben bei der Streitwertfestsetzung außer Betracht (§ 4 Abs. 1 ZPO).

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