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Pflichtteilsergänzungsanspruch – Zuwendung der Todesfallleistung aus Lebensversicherungsvertrag

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 W 48/22 – Beschluss vom 05.08.2022

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 8. Juli 2022 gegen den Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 30. Juni 2022 – 16 O 158/21 – wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin beabsichtigt, gegenüber der Antragsgegnerin klagweise Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend zu machen. Sie ist das einzige Kind des am 1. Dezember 1957 geborenen und am 13. Mai 2017 verstorbenen V. W. B. (im Folgenden: Erblasser), die Antragsgegnerin ist dessen zweite Ehefrau, sie wurde durch letztwillige Verfügung vom 12. März 2017 zur alleinigen Erbin eingesetzt. Nach dem Tode forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin zunächst unter Fristsetzung auf den 15. April 2019 zur Erstellung eines Nachlassverzeichnisses und zur Auszahlung des Pflichtteiles auf (Bl. 12 GA). In der Folge wurde ein notarielles Nachlassverzeichnis (UR Nr. 817/2020B des Notars Dr. J. W. B., V., Bl. 25 ff. GA) angefertigt, das als Aktiva u.a. Bankguthaben in Höhe von insgesamt 4.907,97 Euro und ein fremdfinanziertes Fahrzeug ausweist, die Passiva mit 9.048,59 Euro beziffert und unter dem Oberbegriff „Forderungen“ den Hinweis auf eine „Risiko-Lebensversicherung Nr. 10110711405884“ bei der E. V. Lebensversicherung AG enthält, aus der die Beklagte auf die Todesfallsumme in Höhe von 50.000,- Euro bezugsberechtigt gewesen sei. Der Versicherungsschein zu diesem Vertrag wurde nicht vorgelegt, statt dessen der vom Erblasser unter dem 25. Mai 2010 unterzeichnete Antrag zur vorgenannten Versicherungsnummer im Tarif RISIKO-LEBEN – Tarif M6 (Bl. 97 ff. GA), die Versicherungsbedingungen dieses Tarifs (Bl. 73 ff. GA) sowie zwei Schreiben des Versicherers, aus denen hervorgeht, dass es sich bei dem Vertrag um eine „reine Risikoversicherung“ gehandelt habe und ein Rückkaufswert zum Zeitpunkt des Todes nicht vorhanden gewesen sei (Bl. 71, 72 GA).

Die Antragstellerin, die sich Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche in Höhe von ¼ aus der Summe von 53.569,29 Euro errechnet, meint, es müsse neben einem Aktivnachlass in Höhe von 5.824,49 Euro und Passiva in Höhe von 8.048,59 Euro (Bl. 8 GA) auch ein fiktiver weiterer Nachlass in Höhe von 55.793,39 Euro berücksichtigt werden, der sich aus der als Schenkung zugunsten der Antragsgegnerin anzusehenden Lebensversicherungssumme über 50.000,- Euro sowie weiteren, in Ziffer B. II. des Nachlassverzeichnisses aufgeführten unentgeltlichen Verfügungen über insgesamt 5.793,39 Euro zusammensetze. Die Lebensversicherung müsse mit ihrer Versicherungssumme bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruches Berücksichtigung finden (Bl. 8, 44 G). Selbst für den Fall, dass es sich um eine reine Risikoversicherung gehandelt habe, worauf trotz unterlassener Vorlage des Versicherungsscheines durch die Antragsgegnerin „einiges“ hindeute (Bl. 110 GA), habe die Antragsgegnerin von der Versicherung erheblich profitiert und hätten zumindest die monatlichen Raten den Nachlass geschmälert. Die Antragsgegnerin ist dem Begehren unter Hinweis auf die von der neueren Rechtsprechung vertretenen Grundsätze zur Bewertung von Lebensversicherungen im Pflichtteilsrecht entgegengetreten: der Erblasser habe die „reine Risikoversicherung“ abgeschlossen, um ihr eine gewisse Absicherung im Falle seines Vorversterbens zu gewähren, diese habe bis zum Eintritt des Leistungsfalles keinen Liquidationswert aufgewiesen (Bl. 38 GA). Der Versicherungsschein, der im Leistungsfall vorgelegt werden müsse, sei nicht mehr vorhanden, der Versicherer habe ihr diesen Sachverhalt aber wiederholt schriftlich bestätigt (Bl. 71, 72 GA). Auch den anderen Zuwendungen hätten Gegenleistungen ihrerseits gegenübergestanden.

Mit dem angefochtenen Beschluss (Beiheft) hat das Landgericht der Antragstellerin ratenfreie Prozesskostenhilfe zur Geltendmachung eines Betrages in Höhe von 521,76 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. April 2019 sowie außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,3 Gebühr aus einem Wert von 521,76 Euro zuzüglich Auslagen und Mehrwertsteuer gewährt; den weitergehenden Antrag hat es zurückgewiesen. Ausgehend von Nachlassaktiva in Höhe von 4.907,97 Euro und Passiva in Höhe von 9.048,52 Euro hat es die Notwendigkeit gesehen, über vermeintliche Zuwendungen in Höhe von 6.227,65 Euro Beweis zu erheben, so dass ein fiktiver Nachlasswert von 2.087,03 Euro und ein Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 521,76 Euro denkbar sei. Dagegen habe die von der Antragstellerin angesetzte Versicherungssumme unberücksichtigt zu bleiben, nachdem ausweislich der vorgelegten Korrespondenz eine Risikolebensversicherung vorgelegen habe, aus der bis zum Tode des Erblassers kein Rückkaufswert zu realisieren gewesen wäre, der als Zuwendung das Nachlassvermögen vermindert habe.

Gegen diese Teilabweisung ihres Antrages richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, die den Vortrag der Antragsgegnerin mangels Vorlage des Versicherungsscheins weiterhin für nicht hinreichend glaubhaft gemacht erachtet und im Übrigen die Auffassung vertritt, es müssten jedenfalls die vom Erblasser geleisteten Versicherungsbeiträge berücksichtigt werden, um die dieser entreichert worden sei, nachdem die Antragsgegnerin aufgrund des Todes die Versicherungssumme erlangt habe.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 15. Juli 2022 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung über das Rechtsmittel vorgelegt.

II.

Die gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 ff. ZPO zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Antragstellerin wendet sich nach teilweiser Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit ihrer sofortigen Beschwerde vergeblich gegen die Zurückweisung ihres weitergehenden Antrages. Für die von ihr beabsichtigte Klage besteht im Übrigen, richtigerweise aber auch insgesamt, keine hinreichende Erfolgsaussicht (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

1.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO in sachlicher Hinsicht grundsätzlich voraus, dass die Klage zulässig und schlüssig ist. In der Sache muss das Tatsachenvorbringen des Klägers – seine Richtigkeit unterstellt – das daraus hergeleitete Klagebegehren rechtfertigen. Zudem sind die Verteidigungsmöglichkeiten des Beklagten mit zu berücksichtigen. Dabei muss die Möglichkeit bestehen, dass der Kläger streitige Behauptungen beweisen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Dezember 1993 – VI ZR 235/92, VersR 1994, 367; SaarlOLG, Beschluss vom 7. Mai 2015 – 4 W 9/15, NZI 2015, 712; Schultzky in: Zöller, ZPO 34. Aufl., § 114 Rn. 22). An die Voraussetzung der hinreichenden Erfolgsaussicht sind keine überspannten Anforderungen zu stellen (BGH, Beschluss vom 27. August 2019 – VI ZB 32/18, NJW 2019, 3727; vgl. BVerfG, NJW-RR 1993, 1090; Rpfleger 2004, 227). Sie ist schon dann erfüllt, wenn der von einem Kläger vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit einer Beweisführung besteht (BGH, Beschluss vom 14. Dezember 1993 – VI ZR 235/92, NJW 1994, 1160). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofes hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung in aller Regel bereits dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung von der Beantwortung schwieriger Rechts- oder Tatfragen abhängt; das ist insbesondere der Fall, wenn der Sache wegen klärungsbedürftiger Fragen des materiellen Rechts grundsätzliche Bedeutung zukommt (BGH, Beschluss vom 7. März 2007 – IV ZB 37/06, NJW-RR 2007, 908; SaarlOLG, a.a.O.; Schultzky in: Zöller, a.a.O., § 114 Rn. 25; vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 2003 – III ZB 7/03, NJW-RR 2003, 1438; BVerfG, NJW 2004, 1789).

2.

Danach kann der beabsichtigten Klage der Antragstellerin, soweit diese zur Berechnung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs (§ 2325 Abs. 1 BGB) auch das der Antragsgegnerin zugewandte Bezugsrecht heranziehen und daraus einen den Betrag von 521,76 Euro übersteigenden Anspruch errechnen will, keine hinreichende Erfolgsaussicht im vorgenannten Sinne beigemessen werden. Sofern hier überhaupt eine pflichtteilsrelevante Schenkung i.S. des § 516 Abs. 1 BGB (auch: ehebedingte Zuwendung, vgl. BGH, Urteil vom 27. November 1991 – IV ZR 164/90, BGHZ 116, 167, 169) vorlag, was angesichts des von der Antragsgegnerin hervorgehobenen Versorgungscharakters der Versicherung schon gewissen Zweifeln begegnet, die die Antragstellerin ggf. ausräumen müsste (zur Behandlung von Zuwendungen unter Ehegatten auch Weidlich, in: Palandt, BGB 80. Aufl., § 2325 Rn. 10, m.w.N.), könnte dafür jedenfalls nach Lage der Dinge kein gesonderter Wert angesetzt und insbesondere, entgegen der Beschwerde, weder auf die ausgezahlte Todesfallsumme noch auf die vom Erblasser entrichteten Beiträge abgestellt werden.

a)

Ausweislich der vorgelegten Unterlagen (Versicherungsantrag vom 25. September 2010, Versicherungsbedingungen zum Tarif M6 – AVB, Bl. 97 ff., 73 ff. GA) hat die Antragsgegnerin die Todesfallsumme aufgrund eines nach Maßgabe von Ziff. 3.1 AVB i.V.m. § 159 Abs. 1 VVG widerruflichen Bezugsrechts aus dem vom Erblasser unterhaltenen Lebensversicherungsvertrag erlangt. Die Grundsätze, nach denen sich der Wert einer solchen Zuwendung beurteilt, sind in der Rechtsprechung geklärt und vom Landgericht rechtsfehlerfrei zur Anwendung gebracht worden. Wendet der Erblasser die Todesfallleistung aus einem von ihm auf sein eigenes Leben abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag einem Dritten über ein widerrufliches Bezugsrecht schenkweise zu, so berechnet sich ein Pflichtteilsergänzungsanspruch weder nach der Versicherungsleistung noch nach der Summe der vom Erblasser gezahlten Prämien. Es kommt vielmehr allein auf den Wert an, den der Erblasser aus den Rechten seiner Lebensversicherung in der letzten – juristischen – Sekunde seines Lebens nach objektiven Kriterien für sein Vermögen hätte umsetzen können. In aller Regel ist dabei auf den Rückkaufswert abzustellen. Je nach Lage des Einzelfalls kann gegebenenfalls auch ein – objektiv belegter – höherer Veräußerungswert heranzuziehen sein (zum Ganzen: BGH, Urteil vom 28. April 2010 – IV ZR 73/08, BGHZ 185, 252; ebenso etwa: Senat, Urteil vom 12. Februar 2020 – 5 U 59/19, ZEV 2020, 767). Der Grund dafür ist, dass der Bezugsberechtigte hier vor dem Eintritt des Todes noch keinen Anspruch auf die Versicherungsleistung, nicht einmal eine Anwartschaft erwirbt, sondern lediglich eine Erwerbshoffnung, die der Erblasser jederzeit durch eine Änderung der Bezugsberechtigung vernichten kann (BGH, a.a.O., BGHZ 185, 252, 257; Beschluss vom 20.12.2018 – IX ZB 8/17, VersR 2019, 571; Schneider, in: Prölss/Martin, VVG 31. Aufl., § 159 Rn. 15). Die Todesfallsumme, um die das Vermögen des Bezugsberechtigten vermehrt wird (Bereicherungsgegenstand), gelangt folglich erst mit Eintritt des Todes und damit zu einem Zeitpunkt zur Entstehung, in dem das Vermögen des Erblassers und dieser selbst nicht mehr existieren; sie wird dem Empfänger also nicht unmittelbar aus dem Erblasservermögen zugewandt, wie es § 2325 Abs. 1 BGB voraussetzt (BGH, Urteil vom 28. April 2010 – IV ZR 73/08, BGHZ 185, 252, 257; Winter in: Bruck/Möller, VVG 9. Aufl., § 159 Rn. 545). Ebenso steht erst, wenn die Zuwendung des Bezugsrechts mit dem Eintritt des Todes unwiderruflich wird, erstmalig fest, dass die vom Erblasser geleisteten Prämien das Vermögen seinerzeit entreichert haben (BGH, Urteil vom 28. April 2010 – IV ZR 73/08, BGHZ 185, 252, 267). Daher sind diese keine „Vermögensopfer“ des Erblassers und können ebenfalls nicht zur Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs herangezogen werden (BGH, a.a.O. unter ausdrücklicher Aufgabe der anders lautenden früheren Rechtsprechung, dazu etwa: RG, Urteil vom 25. März 1930 – VII 440/29, RGZ 128, 187; BGH, Urteil vom 14. Juli 1952 – IV ZR 74/52, BGHZ 7, 134).

b)

Das Landgericht ist zutreffend von diesen gefestigten Grundsätzen ausgegangen, die auch im Streitfall zur Anwendung gelangen; danach hat es die von der Antragstellerin vorrangig unter Heranziehung der Todesfallsumme von 50.000,- Euro vorgenommene Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs zu Recht für unschlüssig erachtet, weil auf diesen Betrag schon aus Rechtsgründen mangels lebzeitiger Zuwendung nicht abgestellt werden darf. Entsprechendes gilt aber auch für die vom Erblasser gezahlten – bis zuletzt auch nicht einmal konkret bezifferten – Versicherungsbeiträge, um die dieser zu Lebzeiten nicht entreichert wurde; die abweichende Auffassung der Beschwerde ist seit der dargestellten Rechtsprechungsänderung im Jahre 2010 (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 2010 – IV ZR 73/08, BGHZ 185, 252, 267) überholt. Dass der Erblasser in der Lage gewesen wäre, den streitgegenständliche Vertrag in der letzten juristischen Sekunde seines Lebens zu verwerten, ist nicht erkennbar und wird von der Antragstellerin auch nicht behauptet. Nach sämtlichen vorliegenden Unterlagen, insbes. den beiden Schreiben des Versicherers vom 4. November 2019 und vom 2. November 2021 (Bl. 71, 72 GA), deren inhaltliche Richtigkeit sie nicht in Zweifel zieht, wies der Vertrag – als „reine Risikoversicherung“ – keinen Rückkaufswert auf, den der Verstorbene zuletzt durch Kündigung hätte realisieren können und der dann den Wert einer etwaigen Zuwendung an die Antragsgegnerin wiederspiegeln würde. Objektiv belegte Anhaltspunkte dafür, dass eine andere werthaltige Veräußerung möglich gewesen wäre, sind nicht ersichtlich, nachdem für Verträge ohne Rückkaufswert bekanntermaßen kein Zweitmarkt existiert (vgl. Lange, in: MünchKomm-BGB 8. Aufl., § 2325 Rn. 45), und werden von Antragstellerin auch mit der Beschwerde nicht vorgetragen. Ihr bloßer erneuter Verweis auf die unterbliebene Vorlage des Versicherungsscheins, die von der Antragsgegnerin wiederholt – nachvollziehbar – mit der Verpflichtung zur Rückgabe bei Auszahlung der Versicherungsleistung erläutert worden ist, die sich aus der besonderen Funktion des Versicherungsscheins als „qualifiziertes Legitimationspapier“ ergibt (Ziff. 3.4 AVB; § 4 VVG; § 808 Abs. 2 BGB; vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2009 – IV ZR 16/08, VersR 2009, 1061; Senat, Urteil vom 30. Juli 2014 – 5 U 73/13, VersR 2015, 306), ist dazu nicht geeignet.

c)

Entgegen von der Antragstellerin wiederholt geäußerter Zweifel macht es für die Bewertung des Bezugsrechts im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs aus § 2325 Abs. 1 BGB auch keinen Unterschied, ob es sich bei dem Versicherungsvertrag – wie hier zuletzt unstreitig – um eine Risiko-Lebensversicherung handelt, die nur im Todesfall Leistungen an den Bezugsberechtigten erbringt, oder ob im Vertrag auch eine Erlebensfalleistung vorgesehen war. Wie in der bereits mehrfach erwähnten Leitentscheidung des Bundesgerichtshofs im Einzelnen dargestellt wird, hätte Letzteres (nur) zur Folge, dass dann nicht lediglich ein, sondern zwei unterschiedliche Versicherungsfälle – Todesfall während der versicherten Zeit sowie Erleben eines vereinbarten Endalters – vereinbart worden wären; dies führte zu zwei Ansprüchen auf die für den jeweiligen Versicherungsfall versprochene Leistung, die jeweils durch den Eintritt des entsprechenden Versicherungsfalls (Todes- oder Erlebensfall) aufschiebend bedingt sind (BGH, Urteil vom 28. April 2010 – IV ZR 73/08, BGHZ 185, 252, 265; Winter in: Bruck/Möller, a.a.O., § 159 Rn. 546). Im Gegensatz zur reinen Risikoversicherung wird bei Lebensversicherungen, die auch eine Leistung im Erlebensfall vorsehen (Kapital-, Rentenversicherung), ein Rückkaufswert gebildet, dessen Höhe freilich von unterschiedlichen Parametern, insbesondere der Vertragslaufzeit abhängt (§ 169 Abs. 1; zum Ganzen Reiff, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 169 Rn. 20 ff.); infolgedessen besteht für den Versicherungsnehmer hier u.U. die Möglichkeit einer – freilich immer mit finanziellen Nachteilen verbundenen – lebzeitigen Verwertung seiner Rechte (BGH, Urteil vom 28. April 2010 – IV ZR 73/08, BGHZ 185, 252, 268). Für das Bezugsrecht eines widerruflich begünstigten Dritten ändert sich bei all dem aber nichts; denn im einen wie im anderen Fall entsteht sein Anspruch auf die Todesfalleistung unter denselben rechtlichen Voraussetzungen mit dem Eintritt des Todes originär in der Person des Bezugsberechtigten (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 2010 – IV ZR 73/08, BGHZ 185, 252, 266; zur uneingeschränkten Geltung der §§ 159, 160 VVG für alle Arten von Lebensversicherungsverträgen auch Schneider, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 159 Rn. 2; BT-Drucks. 16/3945, S. 98). Dementsprechend unterliegt dieser Anspruch auch im einen wie im anderen Fall denselben Modalitäten für die Berechnung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen (vgl. auch Lange, in: MünchKomm-BGB a.a.O., § 2325 Rn. 45).

3.

Soweit das Landgericht im Übrigen, ausgehend von weiteren vermeintlichen Zuwendungen in Höhe von 6.227,65 Euro und einem daraus errechneten fiktiven Nachlasswert von 2.087,03 Euro, Pflichtteilsergänzungsansprüche aus § 2325 Abs. 1 BGB in Höhe von 521,76 Euro für möglich gehalten und die beabsichtigte Klage in dieser Höhe zzgl. anteiliger außergerichtlicher Kosten für hinreichend erfolgversprechend erachtet hat, bewendet es bei dieser Entscheidung, die die Antragstellerin nicht angreift und die sie auch nicht benachteiligt (zum Verschlechterungsverbot in diesen Fällen Schultzky, in: Zöller, a.a.O., § 127 Rn. 40, m.w.N.). Freilich lagen auch insoweit die gesetzlichen Voraussetzungen des § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO für die teilweise Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht vor, nachdem die von der Erstrichterin in Höhe von 521,76 Euro für erfolgversprechend erachtete Klage nicht zulässigerweise zum Landgericht erhoben werden könnte und die Antragstellerin auch deutlich gemacht hat, den Rechtsstreit im Übrigen nicht auf eigene Kosten führen zu wollen (Schriftsatz vom 8. Juni 2022, Bl. 118 GA). Fehlen nämlich – wie hier – Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller die beabsichtigte Klage ungeachtet der Rechtsauffassung des Landgerichts in einem für dessen Zuständigkeit ausreichenden Umfang auf eigene Kosten betreiben wird, und ist eine Verweisung des Prozesskostenhilfeverfahrens an das zuständige Amtsgericht nicht beantragt oder nicht möglich, ist an sich die Prozesskostenhilfe mangels sachlicher Zuständigkeit insgesamt zu verweigern (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 2004 – VI ZB 12/04, NJW-RR 2004, 1437; Senat, Beschluss vom 1. August 2006 – 5 W 189/06-58; Schultzky in: Zöller, a.a.O., § 114 Rn. 28).

4.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO); die Verpflichtung der Antragstellerin, die Gerichtskosten ihrer erfolglosen Beschwerde zu tragen, folgt schon aus dem Gesetz. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

 

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