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Personenassistanceversicherung – Organisation eines Krankentransports im Ausland

Versäumte Hilfe: Versicherung verweigert Schadensersatz für Blinddarmdurchbruch in Ägypten.

Eine Frau, die während einer Reise nach Ägypten im Juli 2014 einen Blinddarmdurchbruch erlitt, fordert Schadensersatz und Schmerzensgeld von ihrer Versicherung. Sie warf der Versicherung vor, ihre Verlegung in ein anderes Krankenhaus für die notwendige Operation zu spät veranlasst und damit ihre Pflichten aus dem Versicherungsvertrag verletzt zu haben.

Die Klägerin hatte massive Bauchbeschwerden, Krämpfe, Übelkeit und Erbrechen, bevor sie in das nächstgelegene Krankenhaus eingeliefert wurde. Dort wurde jedoch keine klare Diagnose gestellt. Erst nach ihrer Verlegung in ein anderes Krankenhaus wurde der Blinddarmdurchbruch diagnostiziert und behandelt.

Die Versicherung argumentierte, dass eine schnellere Verlegung der Klägerin aufgrund der unklaren Diagnose und des Transportrisikos nicht angezeigt gewesen sei. Das Landgericht Bremen wies die Klage der Frau ohne Beweisaufnahme ab und stellte fest, dass die Versicherung ihre vertraglichen Pflichten ordnungsgemäß erfüllt habe.

Die Klägerin legte gegen das Urteil Berufung ein, jedoch stellte der zuständige Senat fest, dass die Berufung offensichtlich unbegründet sei und keine Aussicht auf Erfolg habe. Die Klägerin hat daher keinen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gegen die Versicherung.


Oberlandesgericht Bremen – Az.: 3 U 16/21 – Beschluss vom 13.05.2022

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Bremen – 6. Zivilkammer – vom 22. April 2021 durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Klägerin erhält Gelegenheit, hierzu bis zum 31. Mai 2022 schriftsätzlich Stellung zu nehmen (§ 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

2. Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Personenassistanceversicherung - Organisation eines Krankentransports im Ausland
(Symbolfoto: Gorodenkoff/Shutterstock.com)

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld für gesundheitliche Beeinträchtigungen und Folgekosten nach einem in Ägypten im Juli 2014 erlittenen Blinddarmdurchbruch.

Die Klägerin war im Jahr 2014 über die „[…]“ (Im Folgenden „X“) bei der Beklagten versichert.

Zu den Leistungspflichten der Beklagten im Versicherungsfall gehörten danach u.a. ein „weltweit professionelles Notfallmanagement“.

Die X umfasste zudem eine Auslandskrankenversicherung, wobei die Leistungen der Beklagten insoweit auf „Assistance-Leistungen“ (Teil 1 Ziffer 4.2 der Versicherungsbedingungen) beschränkt waren. Ausweislich Teil 2 Ziffer 2.1.2.1.8 der Versicherungsbedingungen unterfiel der Transport zum für die Behandlung geeigneten nächst erreichbaren Krankenhaus den versicherten Leistungen, gemäß Teil 2 Ziff. 2.1.2.3 war auch die Organisation von Krankentransporten geschuldet.

Am 01.07.2014 traten bei der Klägerin, die sich zu diesem Zeitpunkt in Ägypten befand, massive Oberbauchbeschwerden, Krämpfe, anhaltende Übelkeit und Erbrechen auf. Sie wurde ohne vorherige Beteiligung der Beklagten in das nächstgelegene Krankenhaus in R. eingeliefert, wo zwar verschiedene Untersuchungen durchgeführt wurden, eine klare Diagnose jedoch nicht erfolgte.

Am 03.07.2014 wurde die Klägerin in das S.-Hospital in H. verlegt, wo ein Blinddarmdurchbruch der Klägerin festgestellt und operativ behandelt wurde.

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe ihre Verlegung in das Krankenhaus nach H. zu spät veranlasst und habe hierdurch ihre Pflichten aus dem Versicherungsvertrag verletzt. Sie hat u.a. behauptet, dass der Beklagten bereits am 01.07.2014 durch den Zeugen Dr. Z. mitgeteilt worden sei, dass das Krankenhaus R. für eine Behandlung ungeeignet sei. Am Morgen des 02.07.2014 habe dieser zudem darauf hingewiesen, dass bei der Klägerin offensichtlich eine Blinddarmentzündung vorliege. Die für die Beklagte handelnde Ärztin Dr. F., die frühere Beklagte zu 2., habe der Klägerin mitgeteilt, dass diese ihren Versicherungsschutz verliere, wenn sie das Krankenhaus verlasse (Bl. 98, 214 d.A.).

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zur Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz zu verurteilen und festzustellen, dass diese auch für künftige Schäden einstandspflichtig sei.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, dass eine schnellere Verlegung der Klägerin nach H. aufgrund der unklaren Diagnose und des Transportrisikos nicht angezeigt gewesen sei. Das Krankenhaus in R. habe über adäquate Gerätschaften zur Diagnosefindung verfügt, wobei Krankenhäuser in Ägypten jedoch generell „schlechte Bedingungen“ aufwiesen. Sie habe den Transport zu keinem Zeitpunkt verhindert, die Transportentscheidung habe allein bei den Ärzten gelegen. Eine medizinische Indikation für einen Transport habe auch gar nicht bestanden.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Das Landgericht Bremen, 6. Zivilkammer, hat die Klage ohne Beweisaufnahme abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte die von ihr geschuldeten Assistance-Leistungen ordnungsgemäß erbracht habe. Insbesondere könne eine schuldhafte Verzögerung bei der Organisation der Verlegung der Klägerin nach H. nicht festgestellt werden. Die Verlegungsentscheidung sei Teil der Heilbehandlung oder persönliche Entscheidung des Patienten. Weder könne hier festgestellt werden, dass eine Versorgung der Klägerin in R. schlechthin nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst und entsprechend den Erfordernissen der Situation möglich gewesen wäre, noch sei ersichtlich, dass die Krankenhäuser in R. und H. zum fraglichen Zeitpunkt objektive Unterschiede aufgewiesen hätten. Ein Sachverständigengutachten hierzu sei nicht einzuholen gewesen, da es bereits an den erforderlichen Anknüpfungstatsachen fehle. Die Schilderung subjektiver Wahrnehmungen und Eindrücke reiche insoweit nicht aus. Auf die Diagnose des (ihr unbekannten) Zeugen Dr. Z. habe die Beklagte sich nicht verlassen und dessen Einschätzung mithin nicht zur Grundlage der Verlegungsentscheidung machen müssen. Auch habe die Beklagte dem Verlegungswunsch der Klägerin selbst nicht sofort nachkommen müssen. Vielmehr habe sie zu Recht zunächst die Transportfähigkeit der Klägerin und die Sicherheit einer Kostenübernahme durch die Krankenversicherung geprüft.

Auf die Entscheidungsgründe wird ergänzend verwiesen.

Mit ihrer gegen dieses Urteil gerichteten Berufung, mit der sie ihre ursprünglichen Klageanträge weiterverfolgt, wendet sich die Klägerin gegen die Auffassung des Landgerichts, es liege keine von der Beklagten schuldhaft verursachte vertragliche Pflichtverletzung vor. Die Beklagte habe ihre vertragliche Verpflichtung eines professionellen Notfallmanagements nicht erfüllt. So ergebe sich aus Ziffer 2.1.2.1.8. der Versicherungsbedingungen ausdrücklich die Pflicht, Transporte zum für die Behandlung geeigneten nächsterreichbaren Krankenhaus bzw. Arzt und zurück zu organisieren. Dieser Pflicht sei die Beklagte nicht hinreichend nachgekommen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

II.

Der Senat ist nach eingehender Beratung der Sache einstimmig zu der Überzeugung gelangt, dass die Berufung offensichtlich unbegründet ist und daher keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Eine Entscheidung durch Urteil unter Zulassung der Revision ist auch nicht gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung oder zur Fortbildung des Rechts bzw. zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Schließlich ist auch eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).

Die zulässige Berufung hat nach der Überzeugung des Senats keine Aussicht auf Erfolg. Das Gericht folgt den Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet werden. Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zu Grunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beides ist hier nicht der Fall. Das Landgericht hat die Klage mit zutreffender Begründung, auf die ergänzend verwiesen wird, abgewiesen. Das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt keine andere Beurteilung.

So folgt der Senat der Einschätzung des Landgerichts, wonach eine schuldhafte vertragliche Pflichtverletzung der Beklagten nicht vorliegt.

Daher hat die Klägerin keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen einer behaupteten verzögerten Durchführung eines Krankentransports gem. §§ 280, 286 BGB (1.). Auch hat die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld nach § 280 BGB i.V.m. dem Versicherungsvertrag (2.).

1.

Die Voraussetzungen für einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Schadensersatz gemäß § 280 i. V. m. § 286 BGB wegen einer Verzögerung des Krankenrücktransportes von R. nach H. sind nicht gegeben.

Insbesondere befand sich die Beklagte mit der Erbringung der Versicherungsleistungen nicht in Verzug.

Ein Schuldnerverzug kann nicht vor Fälligkeit der versprochenen Leistung eintreten (§ 286 Abs. 1 Satz 1 BGB). Wann Fälligkeit eintritt, hängt vom Inhalt der geschuldeten Leistung ab. Hat der Versicherer keine Geldzahlung zu erbringen, so bestimmt sich die Fälligkeit der Versicherungsleistung nicht nach § 14 VVG, sondern – sofern keine vorrangige Regelung existiert – nach § 271 BGB (vgl. Prölss/Martin/Armbrüster, 31. Aufl. 2021, VVG § 14 Rn. 1; BT-Drs. 16/3945, 63), d.h. die Versicherung hat die geschuldeten Leistungen sofort bei Eintritt des Versicherungsfalls zu bewirken.

Wann wiederum der Versicherungsfall eintritt und welche Versicherungsleistungen dann konkret geschuldet sind, ergibt sich aus dem Versicherungsvertrag, in der Regel – wie auch hier – aus den allgemeinen Versicherungsbedingungen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGHZ 123, 83 [85] = NJW 1993, 2369 und ständig, zuletzt BGH, Urteil vom 26. Januar 2022 – IV ZR 144/21 – Rn. 10, juris).

Der Versicherungsfall ist nach Ziffer 4.1 der Versicherungsbedingungen (Bl. 15 d.A.) das Ereignis, das einen unter die Versicherung fallenden Schaden verursacht. Aus den ausdrücklich vorrangigen speziellen Versicherungsbedingungen, hier Teil 2, Ziffer 2.1.1.1 der Versicherungsbedingungen (Bl. 18 d.A.) ergibt sich, dass Versicherungsleistungen zu erbringen sind bei Eintritt eines medizinischen Notfalls, d.h. einer erlittenen körperlichen Verletzung oder einer plötzlich und unvorhergesehenen Erkrankung der versicherten Person während der Auslandsreise, die eine sofortige stationäre oder ambulante Behandlung durch einen anerkannten Arzt erforderlich macht und die nicht bis zu ihrer Rückreise in ihr Heimatland aufgeschoben werden kann. (vgl. Köther, in: Bach/Moser, Private Krankenversicherung, 5. Auflage 2015, Teil G. Auslandsreise-Krankenversicherung, Rn. 6 mwN).

Unstreitig lag ein medizinischer Notfall bei der Klägerin vor. Sie war bereits vor der ersten Kontaktaufnahme mit der Beklagten mit massiven Beschwerden im Bereich des Abdomens in das Krankenhaus in R. gebracht worden.

Geschuldet war nach den von der Klägerin eingereichten Unterlagen (Anlage K 1 zur Klageschrift: Schreiben vom 23.2.2014 und Allgemeine sowie spezielle Versicherungsbedingungen) in diesem Fall u.a. „24 h medizinische Notrufhotline“, „weltweit professionelles Notfallmanagement“ und „Auslandsreisekrankenversicherung weltweit“.

Dass die Notrufhotline nicht erreichbar gewesen wäre, behauptet die Klägerin nicht.

Die weiteren in dem Schreiben erwähnten Leistungen, „weltweit professionelles Notfallmanagement“ und Auslandskrankenversicherung sind unter Berücksichtigung der allgemeinen (und speziellen) Versicherungsbedingungen der Beklagten zu bestimmen.

Gemäß Teil 2, Ziff. 2.1.2.3.1 hatte die Beklagte die unter der Ziff. 2.1.2.3.2 genannten Krankentransporte zu organisieren. Das waren (gem. der genannten Ziff.) „medizinisch sinnvolle Transporte der versicherten Person mit einem medizinisch geeigneten Transportmittel….Versichert sind Transporte zum für die Behandlungen geeigneten nächst-erreichbaren Arzt, Krankenhaus, Spezialklinik, Behandlungszentrum …und zurück; ….“

Betreffend die Organisation des Krankentransportes folgt schon aus diesen Regelungen („medizinisch sinnvolle Transporte“), aber auch aus der Natur der Sache, dass die versicherte Person jedenfalls transportfähig sein muss. Solange es daran fehlt, ist eine Verlegung bereits nicht medizinisch sinnvoll bzw. vertretbar.

Dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Anrufs des Zeugen Dr. Z unter objektiven medizinischen Gesichtspunkten transportfähig war und von einem Krankenhaus in ein anderes verlegt werden konnte, war unsicher und für die Beklagte aus der Entfernung nicht ohne weiteres aus objektiven Umständen zu erkennen. Nur dann wäre – ebenso wie bei einer Anordnung der Verlegung durch den behandelnden Arzt – diese konkrete Versicherungsleistung (Organisation des Krankentransports) ebenfalls fällig gewesen.

Allein auf die subjektive Einschätzung des ihr unbekannten Zeugen Dr. Z, der zudem offensichtlich auch die Weiterfahrt der restlichen Reisegruppe im Blick hatte, durfte die Beklagte sich nicht verlassen. Sie hatte zunächst die Transportfähigkeit der Klägerin anhand objektiver Kriterien bzw. anhand der Mitteilung der behandelnden Ärzte zu prüfen bzw. deren Entscheidung abzuwarten. Diese Prüfung hat sie sofort eingeleitet und nicht verzögert.

2.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Schadensersatzanspruch und keinen Anspruch auf Schmerzensgeld aus § 280 BGB wegen anderweitig schuldhafter Verletzung von Vertragspflichten aus dem Versicherungsvertrag.

Es fehlt bereits an einer Verletzung vertraglicher Pflichten durch die Beklagte.

Neben den aus Teil 2 Ziff. 2 der speziellen Versicherungsbedingungen ersichtlichen Leistungen schuldete die Beklagte gem. Ziff. 4.2. der allgemeinen Versicherungsbedingungen sog. „Assistanceleistungen“. Darunter ist ein spezielles Beratungsangebot der Versicherung für eine fachgerechte medizinische Versorgung im Rahmen der vor Ort gegebenen Möglichkeiten zu verstehen (vgl. Staudinger, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Auflage 2015, § 41. Reisegepäck-, Reiserücktrittskosten- und Reisekrankenversicherung Rn. 207; Richter, in: van Bühren/Richter/van Bühren, Reiseversicherung, 4. Aufl. 2021, Teil 10, Rn. 5).

Zu dieser Beratungspflicht hinzu tritt die Pflicht, die Klägerin bei der Bewältigung des medizinischen Notfalls in bestimmten Fällen auch organisatorisch zu unterstützen (s.o. für den Krankentransport).

Keinesfalls trifft die Beklagte die Pflicht zur Durchführung bzw. Organisation einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung bzw. hat sie für den Erfolg bzw. die Schlechtleistung im Rahmen einer medizinischen Heilbehandlung durch Dritte einzustehen (dazu: Richter, in: van Bühren/Richter/van Bühren, Reiseversicherung, 4. Aufl. 2021, Teil 10, Rn. 5).

Auch ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer kann nicht davon ausgehen, dass mit Abschluss eines Assistanceversicherungsvertrages zugleich die Entscheidungsverantwortung für den medizinisch gebotenen Behandlungsweg auf die Versicherung übertragen wird (vgl. Richter, in: van Bühren/Richter/van Bühren, Reiseversicherung, 4. Aufl. 2021, Teil 10, Rn. 32). Dies wäre bereits medizinethisch bedenklich.

Im Rahmen der sog. Assistanceleistungen schuldete die Beklagte (nur) die Erbringung besonderer – durch die Erkrankung im Ausland bzw. auf der Reise verursachter – Unterstützungs- und Beratungsleistungen, also etwa Übersetzungshilfen, Vermittlung zu bzw. zwischen den Ärzten vor Ort. Selbst wenn sogar noch Beratung über die Notwendigkeit einer Heilbehandlung bzw. einer Verlegung geschuldet sein sollte (obwohl eine solche nicht unmittelbar durch die Reise bzw. den Aufenthalt im Ausland erforderlich wäre), so kann die Beklagte diese erst nach Abstimmung mit den ausländischen Ärzten bzw. Kenntnis von Untersuchungsergebnissen erbringen, weil ihr ansonsten jede medizinische Grundlage fehlt. Die Entscheidung über die Durchführung einer Heilbehandlung bzw. eines Krankentransports trifft aber in jedem Fall die/der Reisende im Rahmen des Behandlungsvertrages mit dem Krankenhaus bzw. dem Arzt vor Ort.

Die so zu verstehenden Assistanceleistungen hat die Beklagte ordnungsgemäß erbracht.

Eine Schlechtleistung ist insbesondere auch nicht in der von der Klägerin behaupteten, bestrittenen, Äußerung der Mitarbeiterin der Beklagten zu einem möglichen Verlust des Versicherungsschutzes bei Verlassen des Krankenhauses in R. zu sehen, weshalb auch diese nicht zu einem Schadensersatzanspruch der Klägerin führt und zwar selbst dann nicht, wenn sie als Weisung gemäß Ziff. 4.4.6 der allgemeinen Versicherungsbedingungen anzusehen wäre.

Zwar können schuldhaft fehlerhafte Weisungen des Versicherers einen Schadensersatzanspruch des Versicherungsnehmers nach § 280 BGB auslösen, wenn der dadurch entstandene Schaden die sonst geschuldete Versicherungsleistung übersteigt (Langheid/Rixecker/Langheid, 6. Aufl. 2019, VVG § 82 Rn. 14). Eine fehlerhafte Auskunft/Weisung und damit eine Schlechtleistung im Rahmen der Assistance lag jedoch mit dieser – bestrittenen – Äußerung nicht vor.

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die bestrittene Äußerung getätigt worden sein soll, nachdem der dafür benannte Zeuge Dr. Z erklärt hatte, die Klägerin wolle mit einem privat organisierten Bus ins Krankenhaus nach H. fahren (Klageschrift S. 7, Bl. 98 d.A.), weil offensichtlich die gesamte Reisegruppe sich nach H. begab.

Ob ein solcher privater Transport medizinisch sinnvoll war, konnte die Beklagte noch weniger beurteilen als für einen medizinisch begleiteten professionellen Transport. Die Beklagte war darüber hinaus gehalten, die Klägerin auf etwaige versicherungsrechtliche Risiken hinzuweisen. Bei Vornahme eines Krankentransports mit einem „privat organisierten Bus“ bzw. „auf eigene Faust“ bestand in der Tat die Gefahr, dass diese von der Klägerin gewünschte Art und Weise der Verlegung eine Obliegenheitsverletzung begründete und es deswegen zu Einschränkungen oder gar zur Aufhebung des (Kranken-) Versicherungsschutzes kommen konnte. Zum Zeitpunkt dieser Äußerung lagen weder der Klägerin noch der Beklagten medizinisch verlässliche Informationen zur Transportfähigkeit der Klägerin vor. Auch heute noch ist nicht auszuschließen, dass es zum Blinddarmdurchbruch gerade wegen des durchgeführten Transports gekommen sein könnte.

Der Fehler, der zu dem – für die Klägerin nachvollziehbar tragischen – Geschehen führte, könnte in einem ärztlichen Behandlungsfehler in Ägypten gelegen haben (Übersehen einer Blinddarmentzündung). Dieser wäre nach dem oben Gesagten allerdings ohnehin nicht von der Beklagten zu vertreten.

Insgesamt ist eine schuldhafte Verletzung von Vertragspflichten durch die Beklagte und somit ein Anspruch der Klägerin aus § 280 BGB auf Schadensersatz und Schmerzensgeld nicht gegeben.

Die Berufung hat nach allem keine Aussicht auf Erfolg, weshalb die Klägerin für sich prüfen möge, das Rechtsmittel innerhalb der im Tenor genannten Frist zurückzunehmen. Es wird darauf hingewiesen, dass bei Rücknahme der Berufung Gerichtsgebühren gespart werden können (Nr. 1222 KV GKG, Ermäßigung der Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0).

III.

Soweit die Klägerin ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 05.04.2022 erneut gestellt hat, so ist dieser vor Abschluss der Berufungsinstanz gestellte Antrag zulässig (vgl. Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 117 ZPO, Rn. 5). Insbesondere ist der wiederholte Antrag nicht rechtsmissbräuchlich.

Der Antrag war jedoch als unbegründet zurückzuweisen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Gem. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist dies jedoch Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Hinsichtlich der fehlenden Erfolgsaussichten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen unter II. verwiesen.

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