Was versteht man unter Obliegenheitsverletzung im Versicherungsrecht?
Wer im Schadensfall eine Leistung von seiner Versicherung erhalten will, muss sich an sogenannte Obliegenheiten halten. Dabei handelt es sich um bestimmte Verhaltenspflichten, deren Einhaltung als Bedingung für die Wirksamkeit des Versicherungsschutzes gilt. Dies bedeutet, dass die Versicherung in einem Schadensfall nur zahlt, wenn der Versicherte die Verhaltensregeln beachtet hat. Die Folgen einer Obliegenheitsverletzung können für den Versicherungsnehmer sehr unterschiedlich sein, zumeist sind sie jedoch äußerst unerfreulich.
Die verschiedenen Obliegenheiten
Obliegenheiten können sowohl gesetzlich vorgeschrieben als auch vertraglich vereinbart werden. Wichtige gesetzliche Obliegenheiten, die allesamt im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) geregelt sind, stellen zum Beispiel die vorvertragliche Anzeigepflicht, die Obliegenheit zur Anzeige eines Versicherungsfalls oder die Auskunfts- und Belegpflicht dar. Die vertraglichen Obliegenheiten ergeben sich hingegen aus dem Versicherungsvertrag und den zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen. Darüber hinaus wird noch zwischen den vorvertraglichen Obliegenheiten und den Obliegenheiten während des bestehenden Versicherungsvertrages unterschieden. Somit muss der Versicherte bereits bestimmte Verhaltenspflichten beachten, bevor es überhaupt zu einem Schaden gekommen ist. Solche Obliegenheiten dienen häufig der Minderung bestimmter Gefahren oder zu einer Gefahrminimierung im Falle eines Schadenseintrittes.
Die immense Bedeutung für den Versicherungsnehmer
Den Obliegenheiten kommt im Versicherungsrecht somit eine enorme Bedeutung zu. Tritt der Versicherungsfall ein, ist aufgrund dieser Verhaltensregeln längst nicht gewährleistet, dass der entstandene Schaden tatsächlich vom Versicherungsunternehmen übernommen wird. Obwohl die Obliegenheiten weder einklagbar noch zu einem Anspruch auf Schadensersatz führen können, sind die Folgen einer Verletzung für den Versicherten dennoch oft folgenschwer. Je nach Sachlage kann es sogar passieren, dass der Versicherungsnehmer komplett auf Leistungen aus dem Versicherungsvertrag verzichten muss. Aus diesem Grund sollte man sich bereits vor dem möglichen Abschluss eines Versicherungsvertrages umfassend über die entstehenden Obliegenheiten informieren und diese gewissenhaft befolgen. Ob und in welchem Maße der Versicherungsgeber von seinen Leistungspflichten befreit wird, hängt in erster Linie von der Schwere der Verletzung ab.
Rechtsfolgen der Obliegenheitsverletzungen
Sollte der Versicherte eine seiner Obliegenheiten missachtet haben, besteht für das Versicherungsunternehmen die Möglichkeit, den bestehenden Vertrag vor Eintritt des Versicherungsfalls zu kündigen. Dazu muss der Versicherungsnehmer die zu erfüllende Obliegenheit allerdings vorsätzlich oder grob fahrlässig haben, einfache Fahrlässigkeit reicht hier nicht aus. Grundsätzlich gilt, dass eine leichte Fahrlässigkeit keine negativen Konsequenzen für den Versicherten haben darf. Eine gänzliche oder teilweise Leistungsfreiheit des Versicherungsgebers kann nur eintreten, falls der Betroffene die Obliegenheitsverletzung grob fahrlässig oder vorsätzlich begangen hat. Im Falle einer grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung kann die Versicherung die Versicherungsleistung in einem der schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis kürzen. Um die Höhe der Kürzung zu ermitteln muss letztlich aus objektiven und subjektiven Faktoren eine Quote gebildet werden. Zudem muss die Obliegenheitsverletzung kausal für den Schaden gewesen sein. Demnach muss der Versicherer zahlen, wenn der Schaden auch ohne die Verletzung der Obliegenheit eingetreten wäre. Wurde die Obliegenheitsverletzung vorsätzlich begangen und war dies ursächlich für den Schaden, ist der Versicherer vollständig leistungsfrei. Auf Kausalität kommt es bei einer arglistigen Obliegenheitsverletzung nicht an. Hier ist der Versicherungsgeber auf jeden Fall vollständig von seiner Leistungspflicht befreit.