Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Medikamentenkosten im Notlagentarif: Wer zahlt, wenn das Rezept zu spät eingelöst wird?
- Der Streitfall: Ein teures Krebsmedikament und eine abgelehnte Rechnung
- Die Argumente der Beteiligten: Notwendigkeit gegen Vertragsregeln
- Die Kernfragen für das Gericht: Tarifwechsel, Vertragsbedingungen und Fristen
- Die Entscheidung des Gerichts: Keine Kostenerstattung für Herrn K.
- Die Gründe der Richter: Warum die Versicherung nicht zahlen muss
- Keine weiteren Ansprüche und die Kosten des Verfahrens
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was genau ist der Notlagentarif in der privaten Krankenversicherung und welche Leistungen sind darin überhaupt enthalten?
- Unter welchen Voraussetzungen kann ich in den Notlagentarif meiner privaten Krankenversicherung umgestuft werden und wie kann ich dies gegebenenfalls verhindern?
- Welche besonderen Regeln gelten im Notlagentarif für die Erstattung von Medikamenten und warum sind diese so streng?
- Gelten die Bedingungen des Notlagentarifs, auch wenn ich sie nicht ausdrücklich erhalten oder gelesen habe?
- Was kann ich tun, wenn meine private Krankenversicherung die Kostenübernahme für eine Behandlung im Notlagentarif ablehnt?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 095 O 1366/20 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: LG Augsburg
- Datum: 10.04.2024
- Aktenzeichen: 095 O 1366/20
- Verfahrensart: Endurteil
- Rechtsbereiche: Privates Krankenversicherungsrecht, Versicherungsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Ein privat Krankenversicherter, der die Erstattung von Medikamentenkosten forderte und die Wirksamkeit seiner Umstellung in einen Notlagentarif sowie bestimmte Versicherungsbedingungen anzweifelte.
- Beklagte: Eine private Krankenversicherung, die die Übernahme der Medikamentenkosten ablehnte, da der Versicherte zum Zeitpunkt der Behandlung im Notlagentarif versichert war und die Medikamente nicht fristgerecht bezogen wurden.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Ein Versicherter war ab 2014 im Notlagentarif einer privaten Krankenversicherung, wogegen er sich später wehrte. Anfang 2019 wurde bei ihm eine Krebserkrankung diagnostiziert. Er erhielt ein Rezept für ein teures Medikament, bezog dieses jedoch erst sechs Wochen später aus der Apotheke. Die private Krankenversicherung lehnte die Kostenübernahme ab.
- Kern des Rechtsstreits: Die zentralen Streitpunkte waren die Wirksamkeit der Umstellung des Versicherten in den Notlagentarif und die Anwendbarkeit einer 10-Tages-Frist für den Medikamentenbezug im Notlagentarif auf die Leistungspflicht der Versicherung.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht wies die Klage des Versicherten vollständig ab.
- Begründung: Die private Krankenversicherung war nicht zur Erstattung der Kosten verpflichtet, da der Versicherte die in den Notlagentarif-Bedingungen vorgesehene 10-Tages-Frist für den Medikamentenbezug überschritten hatte. Diese Bedingungen wurden entweder kraft Gesetzes Vertragsbestandteil oder mussten im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung angewendet werden. Auch die Umstellung des Klägers in den Notlagentarif war wirksam, da er sich im Beitragsrückstand befand und ordnungsgemäß gemahnt wurde.
- Folgen: Der Kläger muss die Kosten für das Medikament selbst tragen und zudem die gesamten Kosten des Rechtsstreits.
Der Fall vor Gericht
Medikamentenkosten im Notlagentarif: Wer zahlt, wenn das Rezept zu spät eingelöst wird?
Viele Menschen mit einer privaten Krankenversicherung gehen davon aus, dass die Kosten für ärztlich verordnete Medikamente übernommen werden. Doch was passiert, wenn man mit den Beitragszahlungen in Rückstand gerät und die Versicherung einen deshalb in einen sogenannten Notlagentarif (NLT) umstuft? Dieser spezielle Tarif bietet nur einen sehr grundlegenden Versicherungsschutz. Bedeutet das, dass man teure, aber notwendige Medikamente, beispielsweise zur Krebsbehandlung, plötzlich selbst bezahlen muss? Und welche Rolle spielt es, wie schnell man ein Rezept in der Apotheke einlöst? Mit genau diesen Fragen musste sich das Landgericht Augsburg auseinandersetzen.
Der Streitfall: Ein teures Krebsmedikament und eine abgelehnte Rechnung

Ein Mann, nennen wir ihn Herr K., war seit vielen Jahren bei einer privaten Krankenversicherung versichert. Über einen Zeitraum von etwa fünfeinhalb Jahren, von Anfang 2014 bis Mitte 2019, wurde sein Versicherungsvertrag jedoch im Notlagentarif geführt. Die Versicherung hatte Herrn K. schriftlich darüber informiert, dass sein ursprünglicher Versicherungsschutz ruhen würde, und ihm einen neuen Versicherungsschein (das ist das offizielle Dokument, das den Versicherungsschutz bestätigt) für den Notlagentarif zugeschickt. Grund für diese Umtarifierung (also die Änderung des Versicherungstarifs) waren nicht bezahlte Beiträge. Die Versicherung hatte Herrn K. mehrfach gemahnt, darunter auch mit einer sogenannten qualifizierten Mahnung. Das ist eine besonders förmliche Mahnung, die bestimmte rechtliche Hinweise enthalten muss, hier zum Beispiel den Hinweis auf die drohende Umstufung in den Notlagentarif, wie es das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) – das Hauptgesetz für Versicherungsverträge – vorschreibt.
Im Januar 2019 erhielt Herr K. eine ernste Diagnose: chronisch lymphatische Leukämie, eine Form von Blutkrebs. Sein behandelnder Arzt verschrieb ihm daraufhin im Februar 2019 ein Medikament namens Imbruvica, ein spezielles Arzneimittel zur Krebsbehandlung. Erst sechs Wochen später, am 25. März 2019, besorgte sich Herr K. dieses Medikament in der Apotheke. Die Kosten dafür waren erheblich: 8.516,41 Euro.
Herr K. reichte die Rechnung bei seiner Versicherung ein und bat um Erstattung. Doch die Versicherung lehnte ab. Ihre Begründung: Im Notlagentarif seien die Leistungen stark eingeschränkt und würden sich auf eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung beschränken. Außerdem würden die Kosten für Behandlungen chronischer Krankheiten im Notlagentarif generell nicht übernommen. Später fügte die Versicherung noch ein weiteres Argument hinzu: Laut den Versicherungsbedingungen des Notlagentarifs müssten Arzneimittel innerhalb von zehn Tagen nach Ausstellung des Rezepts bezogen werden. Herr K. habe diese Frist aber deutlich überschritten.
Die Argumente der Beteiligten: Notwendigkeit gegen Vertragsregeln
Herr K. sah das ganz anders. Er betonte, das Medikament sei medizinisch absolut notwendig gewesen. Ohne diese Behandlung hätte sich sein Gesundheitszustand rapide verschlechtert, was zu einer akuten Erkrankung geführt hätte. Es habe sich um eine anerkannte Standardtherapie gehandelt, und andere Behandlungen seien nicht erfolgversprechend gewesen. Er war außerdem der Meinung, dass die Umstufung in den Notlagentarif von vornherein unwirksam gewesen sei, da er zum Zeitpunkt der Umstellung gar keine Beitragsschulden gehabt habe. Zudem argumentierte er, dass er die Versicherungs- und Tarifbedingungen für den Notlagentarif nie erhalten habe. Eine Klausel wie die 10-Tages-Frist sei so ungewöhnlich, dass man als Versicherter damit nicht rechnen müsse und sie daher unwirksam sei. Deshalb, so Herr K., müsse die Versicherung die Kosten erstatten.
Die Krankenversicherung hielt dagegen. Sie behauptete, Herr K. habe die Bedingungen für den Notlagentarif sehr wohl mit dem Umstufungsschreiben erhalten; das sei systembedingt immer so. Aber selbst wenn nicht, sei das unerheblich. Denn wenn Vertragsbedingungen nicht wirksam einbezogen wurden, müsse man hilfsweise die branchenüblichen Musterbedingungen des PKV-Verbandes (das ist der Verband der privaten Krankenversicherungen, der Standardbedingungen entwickelt) heranziehen. Und die entscheidende Regelung – die 10-Tages-Frist für den Medikamentenbezug – sei darin enthalten. Die Versicherung berief sich zudem hilfsweise auf die Einrede der Verjährung (das bedeutet, ein Anspruch kann nicht mehr durchgesetzt werden, weil zu viel Zeit vergangen ist), falls die Umstellung in den Notlagentarif tatsächlich unwirksam gewesen sein sollte. Schließlich sei es ein Verstoß gegen Treu und Glauben (ein Rechtsgrundsatz, der faires und redliches Verhalten fordert), wenn Herr K. jahrelang den Notlagentarif akzeptiert und erst jetzt dessen Wirksamkeit in Frage stelle. Vor Gericht wurden auch Zeugen zu den Abläufen bei der Versicherung befragt.
Die Kernfragen für das Gericht: Tarifwechsel, Vertragsbedingungen und Fristen
Das Gericht musste nun mehrere komplexe Fragen klären:
War die Umstufung von Herrn K. in den Notlagentarif überhaupt rechtmäßig erfolgt? Wenn ja, welche Vertragsbedingungen galten dann für ihn? Insbesondere: War die 10-Tages-Frist für den Bezug von Medikamenten wirksam vereinbart oder aus anderen Gründen für Herrn K. bindend? Und hatte Herr K. diese Frist tatsächlich versäumt? Von diesen Antworten hing ab, ob die Versicherung zahlen musste oder nicht.
Die Entscheidung des Gerichts: Keine Kostenerstattung für Herrn K.
Das Landgericht Augsburg wies die Klage (also das rechtliche Vorgehen von Herrn K. gegen die Versicherung) vollständig ab. Das bedeutet, Herr K. bekommt kein Geld von der Versicherung für das Medikament. Er muss zudem die gesamten Kosten des Rechtsstreits tragen, also sowohl seine eigenen Anwaltskosten als auch die der Versicherung und die Gerichtskosten. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen eine Sicherheitsleistung. Das heißt, die Versicherung könnte von Herrn K. die Prozesskosten verlangen, auch wenn er gegen das Urteil Berufung einlegen würde, müsste dafür aber selbst eine Sicherheit hinterlegen. Der Streitwert (der Geldbetrag, um den es im Kern ging) wurde auf die Medikamentenkosten von 8.516,41 € festgesetzt.
Die Gründe der Richter: Warum die Versicherung nicht zahlen muss
Das Gericht erklärte ausführlich, warum es zu dieser Entscheidung kam. Zwar war die Klage formal zulässig – das Gericht in Augsburg war zuständig, da Herr K. dort wohnt, wie es das Versicherungsvertragsgesetz in § 215 Abs. 1 S. 1 VVG vorsieht. Aber in der Sache selbst hatte Herr K. keinen Erfolg.
Die Umstufung in den Notlagentarif war rechtens
Zunächst prüfte das Gericht, ob Herr K. überhaupt wirksam im Notlagentarif versichert war. Die Richter kamen zu dem Schluss: Ja, das war er. Entgegen der Behauptung von Herrn K. befand er sich zum Zeitpunkt der Umstufung tatsächlich mit seinen Beitragszahlungen im Rückstand. Dies war ihm von der Versicherung mehrfach mitgeteilt worden, unter anderem in der bereits erwähnten qualifizierten Mahnung vom November 2013. Diese Mahnung war klar als „Letzte aussergerichtliche Mahnung – Krankheitskostenversicherung“ überschrieben und enthielt den gesetzlich vorgeschriebenen Hinweis auf die Folgen des Zahlungsverzugs, nämlich die mögliche Umstufung in den Notlagentarif gemäß § 193 Abs. 6 S. 4 VVG. Herr K. hatte den Erhalt dieser Mahnungen nicht bestritten und auch nicht ausreichend dargelegt, warum er trotz der Mahnungen nicht im Zahlungsrückstand gewesen sein sollte. Stellen Sie sich vor, Sie erhalten von Ihrem Stromanbieter eine letzte Mahnung mit dem Hinweis, dass bei Nichtzahlung der Strom abgestellt wird. Wenn Sie dann nicht zahlen und auch nicht nachweisen können, dass Sie bereits gezahlt haben, ist die Konsequenz – hier die Umstufung – in der Regel rechtmäßig.
Die strengen Regeln des Notlagentarifs galten für Herrn K.
Da Herr K. also korrekt im Notlagentarif versichert war, richtete sich der Leistungsanspruch nach dessen Bedingungen. Der Notlagentarif, geregelt im Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) in § 153 Abs. 1 S. 1 VAG, sieht stark eingeschränkte Leistungen vor. Grundsätzlich werden nur Kosten für die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft erstattet. Die genauen Details, was genau versichert ist, stehen in den brancheneinheitlichen Allgemeinen Versicherungsbedingungen für den Notlagentarif (AVB/NLT) und den dazugehörigen Tarifbedingungen NLT. Diese Bedingungen werden vom Verband der privaten Krankenversicherung auf Basis einer gesetzlichen Ermächtigung (§ 158 Abs. 2 S. 1 VAG) festgelegt und sind für alle Versicherungen verbindlich, um eine einheitliche Notversorgung sicherzustellen.
Der entscheidende Punkt war nun die Regelung in § 4 Abs. 1 der AVB/NLT 2013 in Verbindung mit Abschnitt A. 2. Abs. 1 des Tarifs NLT. Dort steht, dass Aufwendungen für verschreibungspflichtige Arzneimittel nur dann erstattungsfähig sind, wenn sie innerhalb von zehn Tagen nach Ausstellung der ärztlichen Verordnung aus der Apotheke bezogen wurden. Herr K. hatte das Rezept am 11. Februar 2019 erhalten, das Medikament aber erst am 25. März 2019 abgeholt – also erst nach sechs Wochen und damit deutlich zu spät.
Aber warum galten diese Bedingungen für Herrn K., selbst wenn er, wie er behauptete, kein Exemplar davon erhalten hatte? Das Gericht nannte hierfür zwei alternative Begründungen:
- Die Bedingungen gelten quasi von Gesetzes wegen: Das Gericht führte aus, dass die vom PKV-Verband festgelegten Bedingungen für den Notlagentarif aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung im Versicherungsaufsichtsgesetz eine Art Gesetzesvertretende atypische Rechtsverordnung darstellen. Das ist ein komplizierter Begriff, bedeutet aber vereinfacht: Diese Regeln haben eine ähnliche Verbindlichkeit wie ein Gesetz. Sie gelten für jeden, der im Notlagentarif versichert ist, unabhängig davon, ob er die Bedingungen im Detail kennt oder ein Exemplar erhalten hat. Es ist vergleichbar mit Verkehrsvorschriften: Auch wer das Schild „Tempo 30“ nicht persönlich ausgehändigt bekommen hat, muss sich daran halten. Die 10-Tages-Frist ist dabei eine Regelung zum „Umfang“ der Leistungspflicht und soll sicherstellen, dass nur Medikamente für tatsächlich akute Behandlungen erstattet werden, was dem Sinn des Notlagentarifs als Minimalversorgung entspricht.
- Selbst wenn nicht automatisch, dann durch Ergänzende Vertragsauslegung: Falls die Bedingungen nicht schon von Gesetzes wegen gelten würden, kämen sie laut Gericht über eine sogenannte ergänzende Vertragsauslegung zur Anwendung. Das ist ein juristisches Werkzeug, das Gerichte nutzen, wenn ein Vertrag Lücken hat oder einzelne Klauseln unwirksam sind. Nach § 306 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wird dann geschaut, was die Parteien vernünftigerweise vereinbart hätten oder was üblich ist.
Das Gericht argumentierte, dass es im Gesetz keine detaillierten Vorschriften zur Leistungspflicht im Notlagentarif gibt, die eine solche Lücke füllen könnten. Die allgemeinen Regelungen im Versicherungsaufsichtsgesetz (§ 153 Abs. 1 S. 2 VAG) sind zu vage. Würde man die Bedingungen einfach weglassen, bliebe nur ein Vertragstorso (ein unvollständiger Vertrag) ohne klare Regeln übrig. Das wäre nicht im Sinne der Vertragsparteien.
Daher sei es sachgerecht, den Vertrag durch die branchenüblichen Musterbedingungen für den Notlagentarif zu ergänzen. Gerade weil der Notlagentarif eine Zwangssituation für Versicherte darstellt, die ihre Beiträge nicht zahlen können, und der Gesetzgeber eine einheitliche Minimalversorgung wollte, musste Herr K. mit der Geltung dieser Standardbedingungen rechnen. Es ist kein Tarif, den man sich aussucht oder dessen Bedingungen man verhandeln kann.
Die 10-Tages-Frist war entscheidend
Da die 10-Tages-Frist für den Medikamentenbezug somit für Herrn K. galt und er diese Frist unstreitig nicht eingehalten hatte, war die Versicherung nicht zur Leistung verpflichtet. Das Gericht musste daher auch nicht mehr klären, ob die Krebserkrankung von Herrn K. überhaupt als „akute Erkrankung“ im Sinne des Notlagentarifs anzusehen gewesen wäre oder ob das Medikament medizinisch notwendig war. Die Nichteinhaltung der Frist war bereits ein ausreichender Grund für die Leistungsablehnung. Man kann es vergleichen mit einem Gutschein, der nur bis zu einem bestimmten Datum gültig ist: Löst man ihn später ein, ist er in der Regel wertlos, auch wenn das Produkt selbst noch verfügbar wäre.
Keine weiteren Ansprüche und die Kosten des Verfahrens
Da der Hauptanspruch auf Erstattung der Medikamentenkosten nicht bestand, hatte Herr K. auch keinen Anspruch auf Zinsen oder den Ersatz seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten. Die Entscheidung über die Prozesskosten (wer was zahlen muss) stützt sich auf § 91 Abs. 1 S. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) – die Regel besagt vereinfacht: Wer verliert, zahlt.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt klar, dass im Notlagentarif der privaten Krankenversicherung extrem strenge Regeln gelten, die auch bei lebensnotwendigen Medikamenten wie Krebstherapien unnachgiebig angewendet werden. Wer ein Rezept nicht innerhalb von zehn Tagen in der Apotheke einlöst, verliert den Erstattungsanspruch vollständig – selbst wenn das Medikament über 8.500 Euro kostet und medizinisch zwingend erforderlich ist. Diese harten Bedingungen gelten automatisch für alle Betroffenen im Notlagentarif, auch wenn sie die entsprechenden Vertragsbedingungen nie erhalten oder gelesen haben. Das Urteil verdeutlicht, wie wichtig es ist, Versicherungsbeiträge rechtzeitig zu zahlen, da der Notlagentarif nur eine absolute Minimalversorgung bietet und bereits kleinste Formfehler zum kompletten Verlust des Versicherungsschutzes führen können.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was genau ist der Notlagentarif in der privaten Krankenversicherung und welche Leistungen sind darin überhaupt enthalten?
Der Notlagentarif ist ein gesetzlich vorgeschriebener Basisschutz in der privaten Krankenversicherung (PKV), der dazu dient, Personen vor dem kompletten Verlust des Versicherungsschutzes zu bewahren, wenn sie ihre Beiträge nicht mehr bezahlen können. Er wird in der Regel dann wirksam, wenn qualifizierte Beitragsrückstände bestehen, meist nach sechs Monaten unbezahlter Prämien und nach einer schriftlichen Mahnung mit Fristsetzung durch den Versicherer. Der Zweck dieses Tarifs ist es, eine Minimalversorgung sicherzustellen und zu verhindern, dass Menschen ohne jeglichen Schutz bei akuten medizinischen Notfällen dastehen.
Der Notlagentarif: Eine Sicherung bei Beitragsrückständen
Wenn die Beiträge für Ihre private Krankenversicherung über einen bestimmten Zeitraum nicht bezahlt werden, ist der Versicherer gesetzlich verpflichtet, Sie in den Notlagentarif zu überführen. Dies ist keine Kündigung Ihrer Versicherung, sondern eine Umstellung auf einen Tarif mit stark reduzierten Leistungen und einem deutlich niedrigeren Monatsbeitrag. Für Sie als Versicherte Person bedeutet das, dass Sie weiterhin einen Versicherungsschutz haben, dieser aber auf das absolut Notwendigste beschränkt ist. Ziel ist es, Ihnen die Möglichkeit zu geben, Ihre Schulden zu begleichen und in Ihren ursprünglichen oder einen anderen Tarif zurückzukehren.
Leistungen im Notlagentarif: Eine stark eingeschränkte Versorgung
Die Leistungen im Notlagentarif sind im Vergleich zu einem regulären PKV-Tarif extrem eingeschränkt. Sie decken ausschließlich die Behandlung von akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen ab. Alles, was nicht dringend und unmittelbar notwendig ist, wird in der Regel nicht bezahlt. Dies dient dazu, die Kosten so gering wie möglich zu halten und gleichzeitig eine medizinische Basisversorgung in Notfällen zu gewährleisten.
Im Detail sind meist folgende Leistungen enthalten:
- Akutbehandlung von Krankheiten und Unfallfolgen: Dies umfasst die medizinische Versorgung, die zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leben oder Gesundheit notwendig ist. Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Unfall oder erleiden eine plötzlich auftretende schwere Krankheit – hier greift der Schutz.
- Behandlung von Schmerzzuständen: Maßnahmen, die notwendig sind, um akute Schmerzen zu lindern, werden übernommen. Das kann zum Beispiel eine zahnärztliche Behandlung bei starken Zahnschmerzen sein, jedoch keine umfassende Sanierung.
- Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft: Die medizinische Versorgung während der Schwangerschaft und bei der Geburt ist ebenfalls abgedeckt.
- Vorsorgeleistungen für Kinder und Jugendliche: Bestimmte gesetzlich vorgesehene Vorsorgeuntersuchungen für Kinder und Jugendliche bleiben erhalten, um deren Entwicklung und Gesundheit zu überwachen.
Nicht enthalten sind in der Regel Leistungen wie:
- Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen für Erwachsene
- Geplante Operationen
- Umfassende Zahnbehandlungen (außer bei akuten Schmerzen)
- Heilmittel wie Massagen oder Physiotherapie (außer in Notfällen)
- Hilfsmittel wie Brillen, Hörgeräte oder Rollstühle (außer in Notfällen zur Schmerzlinderung oder Lebensrettung)
Der Notlagentarif ist somit ein Netz zur absoluten medizinischen Grundversorgung, das vor allem bei finanziellen Schwierigkeiten zum Tragen kommt. Er ist nicht dazu gedacht, eine umfassende Gesundheitsversorgung zu ersetzen, sondern soll lediglich die schlimmsten Folgen eines fehlenden Schutzes abfangen.
Unter welchen Voraussetzungen kann ich in den Notlagentarif meiner privaten Krankenversicherung umgestuft werden und wie kann ich dies gegebenenfalls verhindern?
Der Notlagentarif in der privaten Krankenversicherung (PKV) ist eine besondere Form der Absicherung, die sicherstellen soll, dass Versicherte auch bei erheblichen Zahlungsrückständen nicht ohne Versicherungsschutz dastehen. Er bietet jedoch nur einen sehr begrenzten Leistungsumfang, der auf die Abdeckung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände beschränkt ist, sowie auf Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft.
Was ist der Notlagentarif und wann erfolgt eine Umstufung?
Die Umstufung in den Notlagentarif erfolgt, wenn Versicherte ihre Beiträge über einen längeren Zeitraum nicht bezahlen. Der Gesetzgeber hat diese Regelung in § 193 Absatz 6 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) festgelegt. Eine Umstufung tritt in Kraft, wenn Sie mit Beitragszahlungen für zwei Monatsbeiträge oder mehr in Verzug geraten sind und die private Krankenversicherung Ihnen eine Qualifizierte Mahnung zugesandt hat. Das bedeutet, es muss nicht nur eine Zahlungsaufforderung erfolgen, sondern eine spezielle Mahnung, die bestimmte rechtliche Anforderungen erfüllt.
Die Bedeutung der „qualifizierten Mahnung“
Eine qualifizierte Mahnung ist nicht mit einer einfachen Zahlungserinnerung zu verwechseln. Damit eine Mahnung als „qualifiziert“ gilt und die Grundlage für eine Umstufung in den Notlagentarif bilden kann, muss sie folgende wichtige Hinweise enthalten:
- Sie muss den genauen Betrag der ausstehenden Beiträge nennen.
- Sie muss eine Frist zur Zahlung setzen, in der Regel zwei Wochen ab Zugang der Mahnung.
- Sie muss ausdrücklich auf die drohende Umstufung in den Notlagentarif hinweisen, wenn die ausstehenden Beiträge nicht innerhalb der Frist beglichen werden.
- Sie muss auf die Möglichkeit hinweisen, in den Basistarif zu wechseln, der einen umfassenderen Schutz bietet als der Notlagentarif und oft niedrigere Beiträge hat, insbesondere für Personen mit geringem Einkommen. Auch die Voraussetzungen für den Wechsel in den Basistarif müssen erläutert werden.
Nur wenn diese Punkte in der Mahnung klar und verständlich aufgeführt sind, kann sie die rechtliche Grundlage für eine Umstufung in den Notlagentarif sein. Ohne eine solche qualifizierte Mahnung kann keine Umstufung erfolgen.
Wie kann eine Umstufung in den Notlagentarif verhindert oder rückgängig gemacht werden?
Um eine Umstufung in den Notlagentarif zu verhindern, ist es entscheidend, Beitragsrückstände so schnell wie möglich zu begleichen. Für Versicherte bedeutet das:
- Rechtzeitige Zahlung: Achten Sie darauf, Ihre Beiträge pünktlich zu überweisen.
- Reaktion auf Mahnungen: Wenn Sie eine Mahnung erhalten, insbesondere eine qualifizierte Mahnung, ist es wichtig, den geforderten Betrag innerhalb der gesetzten Frist vollständig zu zahlen. Damit wird die Umstufung in den Notlagentarif unmittelbar abgewendet.
- Aktive Kontaktaufnahme: Bei finanziellen Schwierigkeiten kann es hilfreich sein, frühzeitig mit Ihrer privaten Krankenversicherung in Kontakt zu treten. Manchmal lassen sich Regelungen, wie zum Beispiel Ratenzahlungsvereinbarungen, treffen, um die Situation zu entschärfen, bevor es zu größeren Rückständen kommt.
Ist die Umstufung in den Notlagentarif bereits erfolgt, kann diese rückgängig gemacht werden, indem alle ausstehenden Beitragsrückstände inklusive eventueller Säumniszuschläge und Inkassokosten vollständig bezahlt werden. Sobald die Begleichung erfolgt ist, kehren Sie automatisch in den Tarif zurück, in dem Sie vor der Umstufung versichert waren. Es gibt in diesem Fall keine Wartezeit für die erneute Inanspruchnahme der vollen Leistungen. Die privaten Krankenversicherungen sind gesetzlich verpflichtet, Versicherte wieder in ihren ursprünglichen Tarif zurückzustufen, sobald die Schulden beglichen sind.
Welche besonderen Regeln gelten im Notlagentarif für die Erstattung von Medikamenten und warum sind diese so streng?
Im Notlagentarif der privaten Krankenversicherung gelten für die Erstattung von Medikamenten besonders strenge Regeln, die sich deutlich von denen eines normalen Versicherungstarifs unterscheiden. Der Notlagentarif dient der Sicherung einer minimalen medizinischen Versorgung und ist nicht mit einer umfassenden Absicherung vergleichbar.
Besondere Regeln bei Medikamenten im Notlagentarif
Wenn Sie sich im Notlagentarif befinden, werden Medikamentenkosten nur unter sehr engen Voraussetzungen übernommen:
- Zwingende Notwendigkeit: Erstattet werden in der Regel nur Medikamente, die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände zwingend notwendig sind oder zur Lebenserhaltung unerlässlich sind. Das bedeutet, dass zum Beispiel Medikamente für chronische, aber nicht akut lebensbedrohliche Erkrankungen oder auch nicht verschreibungspflichtige Medikamente meist nicht erstattet werden. Es muss eine akute medizinische Indikation vorliegen, also eine konkrete, dringende Notwendigkeit aus ärztlicher Sicht.
- Kurze Fristen für Rezepte: Ein ganz entscheidender Punkt sind die oft sehr kurzen Fristen für das Einlösen von Rezepten. Dies bedeutet, dass ein Arzt ein Medikament verschreibt und Sie dieses Rezept innerhalb von nur wenigen Tagen (manchmal sogar nur 24 oder 48 Stunden, je nach Notwendigkeit und Medikament) in der Apotheke einlösen müssen, damit die Kosten überhaupt erstattungsfähig sind. Verpassen Sie diese Frist, kann die Krankenkasse die Erstattung ablehnen, selbst wenn das Medikament lebensnotwendig ist. Dies unterscheidet sich erheblich von den längeren Fristen in den Normaltarifen.
- Keine Wahlfreiheit: Es gibt in der Regel keine Wahlfreiheit bei Medikamenten. Die Versicherung kann darauf bestehen, dass nur der günstigste verfügbare Wirkstoff erstattet wird (Generika-Pflicht), sofern medizinisch vertretbar.
Warum sind diese Regeln so streng?
Die Strenge dieser Regeln hat mehrere Gründe, die im Wesen des Notlagentarifs begründet liegen:
- Minimalversorgung als Zweck: Der Notlagentarif wurde gesetzlich eingeführt, um Personen, die ihre Prämien in der privaten Krankenversicherung nicht mehr zahlen können und hohe Beitragsschulden haben, eine absolute Grundsicherung im Krankheitsfall zu ermöglichen. Er soll verhindern, dass jemand ohne jeglichen Versicherungsschutz bleibt, aber gleichzeitig die Kosten für die Versicherer und damit indirekt für alle Versicherten minimieren. Er ist nicht dafür gedacht, eine umfassende medizinische Versorgung zu bieten, sondern lediglich das Allernotwendigste abzudecken.
- Vermeidung von Missbrauch: Die strengen Regeln sollen auch sicherstellen, dass der Notlagentarif nicht von Personen genutzt wird, die eigentlich in der Lage wären, höhere Beiträge zu zahlen, aber den Tarif als günstigere Alternative missbrauchen wollen. Er soll unattraktiv für einen langfristigen Verbleib sein und als Anreiz dienen, die Beitragsschulden zu begleichen und in einen regulären Tarif zurückzukehren.
- Kostenkontrolle: Durch die starke Begrenzung der Leistungen werden die Kosten für die Versicherung und das Solidarsystem kontrolliert. Medikamentenkosten können einen erheblichen Teil der Gesundheitsausgaben ausmachen.
Die Nichtbeachtung dieser strengen Regeln oder der kurzen Fristen kann für Sie als betroffene Person weitreichende finanzielle Folgen haben. Selbst für dringend benötigte Medikamente müssen die Kosten dann vollständig selbst getragen werden.
Gelten die Bedingungen des Notlagentarifs, auch wenn ich sie nicht ausdrücklich erhalten oder gelesen habe?
Ja, die Bedingungen des Notlagentarifs gelten für Sie, selbst wenn Sie diese nicht ausdrücklich erhalten oder gelesen haben.
Das liegt daran, dass die Regelungen für den Notlagentarif eine besondere Rechtsnatur besitzen. Sie sind nicht mit den Bedingungen eines normalen Vertrags zu vergleichen, den Sie persönlich unterschreiben oder dem Sie aktiv zustimmen müssen. Vielmehr sind die sogenannten Allgemeinen Versicherungsbedingungen für den Notlagentarif (AVB/NLT) branchenweit gültig und durch das Gesetz verankert.
Stellen Sie sich vor, Sie fahren auf der Autobahn. Die Verkehrsregeln gelten für jeden Fahrer, unabhängig davon, ob er die Straßenverkehrsordnung persönlich durchgelesen oder ein Exemplar davon erhalten hat. Allein durch die Teilnahme am Straßenverkehr unterliegen Sie diesen Regeln. Ähnlich verhält es sich mit dem Notlagentarif: Sobald Sie in diesen Tarif wechseln oder automatisch hineinfallen, sind Sie an seine gesetzlich verankerten Bedingungen gebunden.
Für Sie bedeutet das: Wenn Ihr Versicherungsverhältnis den Notlagentarif betrifft, sind die AVB/NLT automatisch Bestandteil dieses Verhältnisses. Auch wenn Ihr Versicherungsunternehmen verpflichtet ist, Sie über den Notlagentarif und seine wesentlichen Merkmale zu informieren, hängt die Gültigkeit der Bedingungen nicht davon ab, dass Sie diese Information aktiv erhalten oder im Detail gelesen haben.
Die rechtliche Grundlage für den Notlagentarif und die AVB/NLT findet sich im Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Dieses Gesetz schreibt vor, dass es einen solchen Tarif gibt und wie er ausgestaltet sein muss. Die AVB/NLT konkretisieren diese gesetzlichen Vorgaben branchenweit. Diese gesetzliche Verankerung soll sicherstellen, dass die Gesundheitsversorgung auch bei Zahlungsschwierigkeiten in einem bestimmten Rahmen weiterbesteht und die damit verbundenen Bedingungen für alle Beteiligten einheitlich und klar sind.
Was kann ich tun, wenn meine private Krankenversicherung die Kostenübernahme für eine Behandlung im Notlagentarif ablehnt?
Der Notlagentarif der privaten Krankenversicherung ist für Personen gedacht, die mit ihren Beitragszahlungen in Verzug geraten sind. Er stellt eine gesetzlich vorgeschriebene Minimalabsicherung dar, um eine grundlegende medizinische Versorgung zu gewährleisten. Die Leistungen im Notlagentarif sind im Vergleich zu regulären Tarifen stark eingeschränkt. Sie umfassen in der Regel nur Behandlungen, die zur Abwendung einer akuten Gefahr für Leben oder Gesundheit notwendig sind oder zur Linderung akuter Schmerzen dienen. Routinemäßige Untersuchungen, Vorsorge oder Behandlungen chronischer Leiden, die keine akute Gefährdung darstellen, sind normalerweise nicht abgedeckt.
Lehnt Ihre private Krankenversicherung die Kostenübernahme für eine Behandlung im Notlagentarif ab, bedeutet dies, dass die Versicherung die geltend gemachte Leistung nicht als zum Leistungsumfang des Notlagentarifs gehörig ansieht. Dies kann daran liegen, dass die Behandlung aus Sicht der Versicherung nicht die Kriterien einer akuten Notwendigkeit erfüllt oder die medizinische Dokumentation nicht ausreicht.
Prüfung der Ablehnung und des Leistungsanspruchs
Nach Erhalt einer Ablehnung ist es wichtig, die Begründung Ihrer privaten Krankenversicherung genau zu lesen und zu verstehen. Die Ablehnung sollte darlegen, warum die Kostenübernahme verweigert wird. Parallel dazu sollten Sie Ihre eigenen Unterlagen zum Notlagentarif prüfen. Hierzu gehören die vertraglichen Bedingungen und die genaue Leistungsbeschreibung. Es ist entscheidend zu wissen, welche Behandlungen und unter welchen Umständen diese im Notlagentarif grundsätzlich versichert sind.
Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Prüfung Ihrer medizinischen Unterlagen. Für die Kostenübernahme muss klar ersichtlich sein, dass die Behandlung medizinisch notwendig war, um eine akute Gefahr abzuwenden oder Schmerzen zu lindern. Achten Sie darauf, dass alle ärztlichen Befunde, Diagnosen und die Notwendigkeit der Behandlung eindeutig dokumentiert sind. Dies ist essenziell für die Bewertung Ihres Anspruchs.
Einlegen eines Widerspruchs
Wenn Sie die Ablehnung der privaten Krankenversicherung für nicht gerechtfertigt halten, steht Ihnen die Möglichkeit offen, Widerspruch gegen die Entscheidung einzulegen. Ein Widerspruch ist ein formaler Schritt, mit dem Sie die Ablehnung anfechten.
Im Widerspruchsschreiben sollten Sie detailliert darlegen, warum Sie die Behandlung für im Notlagentarif versichert halten. Fügen Sie alle relevanten medizinischen Unterlagen bei, die die medizinische Notwendigkeit der Behandlung im Sinne der Notfallversorgung belegen. Dies können zusätzliche ärztliche Stellungnahmen, ausführliche Befunde oder Berichte über den akutzustand sein.
Der Widerspruch sollte schriftlich erfolgen und die in der Ablehnung genannte Frist einhalten. Es ist ratsam, eine Kopie des Widerspruchs und aller beigefügten Dokumente für Ihre eigenen Unterlagen aufzubewahren und den Versand nachweisbar zu machen, beispielsweise durch ein Einschreiben mit Rückschein.
Auch wenn der Notlagentarif nur einen begrenzten Schutz bietet, haben Versicherte grundlegende Rechte auf eine medizinische Versorgung in akuten Notfällen. Eine Ablehnung ist daher nicht immer endgültig. Der Erfolg eines Widerspruchs hängt maßgeblich davon ab, wie gut die medizinische Notwendigkeit der Behandlung und die Erfüllung der Bedingungen des Notlagentarifs nachgewiesen werden können.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Notlagentarif
Der Notlagentarif ist ein gesetzlich vorgeschriebener Basistarif in der privaten Krankenversicherung (PKV) für Versicherte, die mit ihren Beitragszahlungen erheblich im Verzug sind. Er bietet nur eine stark eingeschränkte medizinische Minimalversorgung, meist nur für akute Erkrankungen, Schmerzzustände, Schwangerschaft und Mutterschaft. Der Zweck dieses Tarifs ist es, einen vollständigen Verlust des Versicherungsschutzes zu verhindern, ohne jedoch die volle Leistung eines normalen Tarifs zu gewährleisten. Die rechtlichen Grundlagen finden sich unter anderem im Versicherungsvertragsgesetz (§ 193 Abs. 6 VVG) und im Versicherungsaufsichtsgesetz (§ 153 VAG).
Beispiel: Wenn jemand seine privaten Krankenversicherungsbeiträge über Monate nicht zahlt, wird er meist automatisch in den Notlagentarif umgestellt und erhält nur noch einen sehr eingeschränkten Schutz, der beispielsweise geplante Krebsbehandlungen nicht abdeckt.
Qualifizierte Mahnung
Eine qualifizierte Mahnung ist eine rechtlich besonders wirksame Zahlungsaufforderung des Versicherers an den Versicherten bei Beitragsrückstand. Sie muss genau den ausstehenden Betrag nennen, eine Zahlungsfrist setzen und ausdrücklich darauf hinweisen, welche Folgen ein Nichtzahlen (z. B. die Umstufung in den Notlagentarif) haben kann. Nach § 193 Abs. 6 VVG ist eine qualifizierte Mahnung Voraussetzung für die rechtmäßige Umstufung in den Notlagentarif. Sie schützt Versicherte, indem sie ihnen klar und verbindlich ihre Rechte und Pflichten erklärt.
Beispiel: Eine letzte Mahnung, die mitteilt, dass bei Nichtzahlung innerhalb von 14 Tagen die Versicherung auf den Notlagentarif umgestellt wird, ist eine qualifizierte Mahnung.
Gesetzesvertretende atypische Rechtsverordnung
Diese besondere Rechtsnatur bedeutet, dass die vom PKV-Verband für den Notlagentarif erlassenen Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB/NLT) eine gesetzesähnliche Verbindlichkeit haben, obwohl sie keine Gesetze im formellen Sinn sind. Sie basieren auf einer gesetzlichen Ermächtigung (§ 158 Abs. 2 VAG) und gelten verbindlich für alle Versicherer und Versicherten im Notlagentarif, auch wenn diese die Bedingungen nicht explizit erhalten oder gelesen haben. Dadurch wird eine einheitliche und verbindliche Minimalversorgung sichergestellt und Rechtsunsicherheit vermieden.
Beispiel: Ähnlich wie Verkehrsregeln verbindlich sind, auch wenn man die Straßenverkehrsordnung nicht zuhause hat, gelten diese Tarifbedingungen automatisch für alle Versicherten im Notlagentarif.
Ergänzende Vertragsauslegung
Dies ist ein juristisches Mittel, um Lücken oder Unklarheiten in einem Vertrag zu schließen, wenn bestimmte Vertragsbedingungen fehlen oder unwirksam sind. Nach § 306 Abs. 2 BGB schauen Gerichte, was die Parteien vernünftigerweise vereinbart hätten oder was branchenüblich ist, um die Vertragspflichten zu ergänzen. Im vorliegenden Fall hat das Gericht die branchenüblichen Musterbedingungen des PKV-Verbandes für den Notlagentarif zur Vertragsergänzung herangezogen, um den Leistungsumfang und Kriterien (z. B. die 10-Tage-Frist für Medikamentenbezug) verbindlich festzulegen.
Beispiel: Wenn im Vertrag nicht geregelt ist, wie schnell ein Rezept eingelöst werden muss, entscheidet das Gericht aufgrund üblicher Praxis und Musterverträgen, was angemessen ist.
Einrede der Verjährung
Die Einrede der Verjährung bedeutet, dass ein Gläubiger (hier der Versicherte) einen Anspruch gegen den Schuldner (die Versicherung) nicht mehr durchsetzen kann, weil eine gesetzlich geregelte Frist abgelaufen ist. Das dient der Rechtssicherheit und verhindert ewige Haftungen. Im vorliegenden Fall bezieht sich die Einrede darauf, dass Herr K. möglicherweise nicht mehr gegen die Umstufung in den Notlagentarif vorgehen kann, wenn die Zeit für eine Anfechtung bereits verstrichen ist.
Beispiel: Ähnlich wie man eine Rechnung nicht mehr bezahlen muss, wenn drei Jahre vergangen sind und die Verjährung eingetreten ist, kann hier der Versicherte eine Rücknahme der Umstufung nicht mehr verlangen, wenn die Frist abgelaufen ist.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 193 Abs. 6 S. 4 Versicherungsvertragsgesetz (VVG): Diese Vorschrift regelt die Möglichkeit der privaten Krankenversicherung, einen Versicherten bei Beitragsrückstand in einen Notlagentarif umzustufen, nachdem eine qualifizierte Mahnung erfolgt ist. Wichtig ist, dass diese Mahnung den Kunden über die drohende Umstufung informiert und eine rechtzeitige Reaktion ermöglicht. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stellte fest, dass Herr K. berechtigt in den Notlagentarif eingestuft wurde, da er die qualifizierte Mahnung erhalten und auf die Beitragsschulden keine ausreichende Gegenbeweise erbracht hatte.
- § 153 Abs. 1 S. 1 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG): Dieser Paragraph definiert den Notlagentarif als minimalen Basisschutz für privat Krankenversicherte mit Zahlungsrückständen, der nur die grundlegendsten medizinischen Leistungen abdeckt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Versicherungsschutz von Herrn K. richtete sich nach den gesetzlichen Vorgaben des Notlagentarifs, wodurch Ansprüche auf umfangreichere Leistungen, wie die Kostenübernahme für das Krebsmedikament, eingeschränkt waren.
- § 158 Abs. 2 S. 1 VAG; Allgemeine Versicherungsbedingungen für den Notlagentarif (AVB/NLT) und Tarifbedingungen NLT: Aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung erlässt der PKV-Verband verbindliche allgemeine Bedingungen für den Notlagentarif, die als gesetzesvertretende Rechtsverordnung gelten. Diese regeln unter anderem Fristen und den Umfang der Erstattungsleistungen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die 10-Tages-Frist für die Einlösung von Rezepten ist Bestandteil dieser verbindlichen Bedingungen und somit für Herrn K. auch ohne ausdrückliche Kenntnis wirksam und bindend.
- § 4 Abs. 1 AVB/NLT 2013 i.V.m. Abschnitt A.2 Abs. 1 des Tarifs NLT: Diese Regel legt fest, dass Kosten für verschreibungspflichtige Arzneimittel nur erstattet werden, wenn das Medikament innerhalb von zehn Tagen nach Ausstellung des Rezepts bezogen wird. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Herr K. hatte die Frist um mehrere Wochen überschritten, sodass kein Erstattungsanspruch für das teure Krebsmedikament bestand.
- § 306 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Diese Vorschrift ermöglicht Gerichten, eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen, wenn Vertragsbedingungen fehlen oder unklar sind, indem sie ermitteln, was die Parteien vernünftigerweise vereinbart hätten. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Sollte die Wirksamkeit der Notlagetarifbedingungen strittig sein, so hat das Gericht die branchenüblichen Bedingungen dennoch als ergänzend angewandt, um den Vertrag nicht inhaltsleer zu lassen.
- § 91 Abs. 1 S. 1 Zivilprozessordnung (ZPO): Diese Regel bestimmt, dass die Kosten des Rechtsstreits grundsätzlich der unterlegenen Partei auferlegt werden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Da Herr K. vor Gericht unterlag, wurde er zur Kostentragung für das gesamte Verfahren einschließlich der gegnerischen Anwalts- und Gerichtskosten verpflichtet.
Das vorliegende Urteil
LG Augsburg – Az.: 095 O 1366/20 – Endurteil vom 10.04.2024
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