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Mindestrückkaufwert nach Kündigung einer fondgebundenen Lebensversicherung

LG Köln – Az.: 26 O 126/10 – Urteil vom 24.01.2011

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien schlossen unter dem 21.02.2004 eine fondsgebundene Lebensversicherung ab.

Dem Versicherungsvertrag liegen die „Bedingungen FSV-Fondspolice Fondsgebundene Lebensversicherung“ zugrunde. § 14 der darin enthaltenen Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten (im Folgenden: AVB) lautet:

„§ 14 Können Sie die Versicherung kündigen?

( … )

(3) Wir werden Ihnen dann – soweit in § 176 VVG oder den Tarifbestimmungen vorgesehen und bereits vorhanden – den Rückkaufswert zu Ihrer Versicherung erstatten.

Zur Berechnung des Rückkaufswertes nach den allgemein anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik ermitteln wir zunächst den Zeitwert zum Kündigungstermin unter Berücksichtigung des Zillmerverfahrens. Eine Beschreibung des Zillmerverfahrens und seiner wirtschaftlichen Auswirkungen enthält § 15.

( … )

Die Kündigung Ihrer Versicherung ist mit Nachteilen verbunden. In der Anfangszeit Ihrer Versicherung kann aufgrund der vorstehend geschilderten Berechnungsmethode nur in Ausnahmefällen ein Rückkaufswert gezahlt werden. Der Rückkaufswert erreicht außerdem – ggf. bis zum Ablauf der Versicherung – nicht die Summe der eingezahlten Prämien.“

In den Folgejahren leistete der Kläger Prämienzahlungen in Höhe von insgesamt 17.150,00 EUR.

Der Kläger kündigte den Versicherungsvertrag zum 01.06.2008, woraufhin seitens der Beklagten der Rückkaufswert mit 5.830,16 EUR berechnet und in dieser Höhe zur Auszahlung an den Kläger gebracht wurde.

Der Kläger ist der Ansicht, § 14 Abs. 3 AVB sei insbesondere im Hinblick auf die wirtschaftlichen Nachteile einer Kündigung und die Unterrichtung über den Zeitwert nicht hinreichend transparent und verstoße daher gegen das Transparenzgebot. Die Höhe der von der Beklagten vereinnahmten Abschlusskosten sei zudem sittenwidrig und daher insoweit Nichtigkeit nach § 138 BGB gegeben.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.151,61 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 25.03.09 zzgl. vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 239,70 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liege nicht vor, da in den Versicherungsbedingungen entsprechend den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf die wirtschaftlichen Folgen einer Kündigung hingewiesen werde. Auf die Frage der Intransparenz komme es letztlich nicht an, da der von der Rechtsprechung gebildete Mindestrückkaufswert nicht beansprucht werden könne, wenn dieser – wie hier – höher als der vertragliche Rückkaufswert sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zur Akte gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Auszahlung des geltend gemachten Betrags zu.

Zwar besteht ein vertraglicher Anspruch des Versicherungsnehmers auf Zahlung des Mindestrückkaufwerts nach Kündigung der Versicherung grundsätzlich dann, wenn die Klauseln über den Rückkaufswert und die Verrechnung der Abschlusskosten wegen Intransparenz unwirksam sind (vgl. BGH Urt. v. 12.10.2005 – IV ZR 177/03; 26.09.2007 – IV ZR 321/05).

§ 14 Abs. 3 AVB verstößt jedoch nicht gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Nach den höchstrichterlich aufgestellten Grundsätzen muss der Versicherungsnehmer in die Lage versetzt werden, die mit einer Kündigung des Vertrags verbundenen Nachteile und Belastungen so weit zu erkennen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann; sein Interesse ist darauf gerichtet, möglichst schnell und übersichtlich über den Zeitwert unterrichtet zu werden (BGH, Urt. v. 09.05.2001 – IV ZR 121/00; 12.10.2005 – IV ZR 177/03). Diese für kapitalbildende Lebensversicherungen aufgestellten Grundsätze sind grundsätzlich auch auf fondsgebundene Versicherungen anwendbar (BGH Urt. v. 26.09.2007 – IV ZR 321/05).

Diesen Anforderungen genügt § 14 Abs. 3 AVB (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 05.02.2010 – 20 U 150/09).

Zwar wird zum Teil die Ansicht vertreten, dass der Hinweis auf wirtschaftliche Nachteile und auf das Nichtvorhandensein eines Rückkaufwertes „regelmäßig in den ersten beiden Versicherungsjahren“ dem Interesse des Versicherungsnehmers an einer möglichst schnellen und übersichtlichen Unterrichtung über den Zeitwert nicht genüge, wenn sich aus der Klausel weder der für den Nullwert anzusetzende Zeitraum noch die Höhe der Beiträge in den Folgejahren ergäben (LG Hamburg Urt. v. 20.11.2009 – 324 O 1116/07, 324 O 1136/07, 324 O 1153/07; bestätigt durch OLG Hamburg Urt. v. 27.07.2010 – 9 U 236/09, 9 U 233/09, 9 U 235/09).

Dieser Auffassung ist jedoch nicht zu folgen. Zum einen werden auf diese Weise die Besonderheiten einer fondsgebundenen Versicherung nicht hinreichend berücksichtigt. Ein Versicherungsnehmer, der sich für eine fondsgebundene Versicherung anstelle einer konservativeren Variante entscheidet, muss das damit verbundene Verlustrisiko vergegenwärtigen, da er dies zur Erzielung eines möglichst hohen Gewinns in Kauf nimmt. Entsprechend sind an die Konkretisierung des zeitlichen und wertmäßigen Umfangs der mit einer frühzeitigen Kündigung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile geringere Anforderungen zu stellen.

Die streitgegenständliche Klausel weist zudem deutlich auf die mit einer vor- und insbesondere frühzeitigen Kündigung verbundenen Nachteile hin. In § 14 Abs. 3 AVB heißt es ausdrücklich: „Die Kündigung Ihrer Versicherung ist mit Nachteilen verbunden.“ Dieser Satz ist als Einleitung des vierten Textabsatzes zudem optisch hervorgehoben. Darüber hinaus wird in der Klausel darauf hingewiesen, dass in der Anfangszeit der Versicherung wegen der zuvor geschilderten Berechnungsmethode nur in Ausnahmefällen ein Rückkaufswert gezahlt werden könne und dass der Rückkaufswert nicht die Summe der eingezahlten Prämien erreiche. Der Begriff „Anfangszeit“ ist hinreichend klar und verständlich. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass bei fondsgebundenen Versicherungen eine nähere Konkretisierung der zeitlichen Komponente wegen der häufig unsicheren und Kursschwankungen unterliegenden Fondsentwicklung erschwert ist.

Der Hinweis auf die wirtschaftlichen Nachteile einer vorzeitigen Vertragsbeendigung muss zudem in direktem Zusammenhang mit den diese betreffenden Aussagen erfolgen, mithin an der Stelle, wo die Modalitäten der Kündigung angesprochen werden (BGH Urt. v. 26.09.2007 – IV ZR 321/05, Juris Rn. 14). Dem ist mit § 14 Abs. 3 AVB Rechnung getragen. Im Unterschied dazu enthielt die seitens des Bundesgerichtshofs mit Urteil vom 26.09.2007 als intransparent angesehene Klausel an der geforderten Stelle keinerlei Hinweis auf die mit der Kündigung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile. Auch wurde dort das Ausmaß des mit der Verrechnung von Abschlusskosten verbundenen Nachteils nicht hinreichend erkennbar. Dies ist vorliegend nicht der Fall, da wie gezeigt ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass aufgrund der Berechnungsmethode nur in Ausnahmefällen ein Rückkaufswert gezahlt sein kann.

Auch war die Beklagte nicht gehalten, zur Herbeiführung der Transparenz bei Abschluss des Vertrags eine Tabelle mit Rückkaufswerten zu überlassen. Dieses Erfordernis wird von der Rechtsprechung zwar bei kapitalbildenden Versicherungen aufgestellt (BGH Urt. v. 09.05.2001 – IV ZR 121/00, Juris Rn. 36). Bei einer fondsgebundenen Versicherung ist eine derartige Aufstellung aufgrund der unvorhersehbaren Fondsentwicklung jedoch nicht möglich und erforderlich (OLG Nürnberg Urt. v. 22.09.2003, a. a. O.; LG Hamburg, Urt. v. 20.11.2009 – 324 O 1116/07, Juris Rn. 63). Soweit darüber hinaus zum Teil eine Herstellung der Transparenz durch Vorlage einer unverbindlichen Modellrechnung für möglich angesehen wird (LG Hamburg, Urt. v. 20.11.2009 – 324 O 1116/07, Juris Rn. 66), ist dies angesichts der zuvor aufgestellten Grundsätze widersprüchlich.

Mangels Verpflichtung zur Vorlage einer Tabelle über die Rückkaufswerte kommt auch ein etwaiger Anspruch aus §§ 311 Abs. 1, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB nicht in Betracht. Hinsichtlich der Verletzung etwaiger Aufklärungs- und Beratungspflichten durch die Beklagte ist seitens des Klägers zudem nichts vorgetragen worden.

Bedenken an der Begründetheit der Klageforderung bestehen auch im Hinblick auf den Vortrag der Beklagten, dass der vertragliche Rückkaufswert vorliegend höher sei als der Mindestrückkaufswert und es daher beim vertraglichen Rückkaufswert verbleibe. Ein angemessener Ausgleich des Interesses des kündigenden Versicherungsnehmers an einer möglichst geringen Belastung durch Abschlusskosten wird grundsätzlich dadurch erzielt, dass der Rückkaufswert mindestens die Hälfte des ungezillmerten Deckungskapitals beträgt (BGH, Urt. v. 09.05.2001 – IV ZR 121/00, Juris Rn. 34,36; 12.10.2005 – IV ZR 177/03, Juris Rn. 47 ff.). Bei einer fondsgebundenen Versicherung ist dementsprechend auf die Hälfte des ungezillmerten Fondsguthabens abzustellen (BGH Urt. v. 26.09.2007 – Az. IV ZR 321/05, Juris Rn. 16). Ob von diesen Grundsätzen abzuweichen ist, wenn der vertragliche Rückkaufswert höher ist als der Mindestrückkaufswert, und wie sich dies im vorliegenden Fall konkret auswirkt, kann mangels Verstoßes gegen das Transparenzgebot jedoch dahinstehen. Dies gilt auch im Hinblick auf den Umstand, dass der Kläger mit der Klageforderung nicht die Hälfte des ungezillmerten Fondsguthabens geltend macht, sondern die Differenz zwischen den vorliegend angefallenen Abschlusskosten und Abschlusskosten in Höhe von 3 % der Versicherungssumme.

Von einer Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB hinsichtlich der mit dem Vertragsabschluss verbundenen Abschlusskosten ist nicht auszugehen. Der klägerische Vortrag ist in Bezug auf das hier vorliegende Vertragskonstrukt und die daraus resultierenden konkreten Anforderungen einer Sittenwidrigkeit pauschal. Auch liegen nach dem Vortrag des Klägers nicht hinreichend Anhaltspunkte dafür vor, dass die von der Beklagten in Ansatz gebrachten Abschlusskosten überhöht sind. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass zu den Abschlusskosten nicht nur Provisionszahlungen, sondern alle mit dem Vertragsabschluss verbundenen Kosten gehören.

Ein Anspruch auf Ersatz außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten besteht angesichts der Unbegründetheit des geltend gemachten Anspruchs nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 und 2, 709 S. 2 ZPO.

Streitwert: 7.151,61 EUR

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