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Mehrfachversicherung bei unterschiedlicher Versicherung von Zugfahrzeug und Anhänger

OLG München – Az.: 10 U 6240/19 – Urteil vom 17.06.2020

1. Die Berufung der Beklagten vom 04.11.2019 gegen das Endurteil des LG Landshut vom 04.10.2019 (Az. 44 O 3587/18) wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das vorgenannte Urteil des Landgerichts sowie dieses Urteil sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

B.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

I. Das Landgericht hat zu Recht einen Ausgleichsanspruch der Klägerin in Höhe von weiteren 1.461,32 € bejaht.

Der Senat hält die Ausführungen des Landgerichts für zutreffend. Soweit sich die Berufungsklägerin gegen die Rechtsauffassung des Landgerichts hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 78 II 1 VVG wendet, vermag dem der Senat nicht zu folgen.

Zutreffend nahm das Landgericht die Anwendbarkeit deutschen Rechts gemäß Art. 20 und 19 der Verordnung 864/2007/EG (Rom II-Verordnung) an und bejahte, dass Anhänger und Zugfahrzeug haftungsrechtlich eine Einheit bilden. Vor diesem Hintergrund besteht entgegen der Rechtsauffassung der Berufungsführerin ein begründeter Anspruch der Klägerin aus § 78 II VVG auf anteilige Verteilung der Rechtsverfolgungskosten.

Mehrfachversicherung bei unterschiedlicher Versicherung von Zugfahrzeug und Anhänger
(Symbolfoto: Von TSV-art/Shutterstock.com)

Grundsätzlich ist § 78 VVG auf den vorliegenden Fall anwendbar, weil es sich bei unterschiedlicher Versicherung von Zugfahrzeug und Anhänger um eine Mehrfachversicherung handelt (vgl. BGH Urt. vom 04.07.2018 – IV ZR 121/17; BGH NJW 2011, 447), da das identische Interesse gegen die identische Gefahr mehrfach haftpflichtversichert ist (vgl. BGH VersR 2018, 726) und § 78 VVG für das gesamte Schadensversicherungsrecht, also auch das Haftpflichtversicherungsrecht gilt (vgl. Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 30. Aufl. 2018, § 78 VVG Rd. 2 m.w.N.). Er ist anwendbar, da der streitgegenständliche Unfall im Inland passierte (zu OLG Celle, Urt. vom 05.02.2020 – 14 U 163/19). Insofern ist § 78 II lex specialis zu § 426 BGB, so dass entgegen der Rechtsauffassung der Berufungsklägerin die §§ 423 – 426 BGB auf den vorliegenden Fall gerade nicht anwendbar sind.

Auch der Einwand der Berufungsklägerin, dass sich der streitgegenständliche Ausgleichsanspruch nicht aus § 78 VVG, sondern einzig und allein aus § 86 VVG ergebe, greift nicht durch. Die Berufungsklägerin verkennt hierbei, dass die versicherungsvertragliche Regelung des § 86 VVG entsprechend ihrem klaren Wortlaut den gesetzlichen Forderungsübergang vom Versicherungsnehmer auf den Versicherer bestimmt. Diese Konstellation ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Denn vorliegend streiten die Parteien über den Ausgleichsanspruch und dessen Umfang unter Versicherungen unter dem Gesichtspunkt der Mehrfachversicherung gemäß §§ 77 ff. VVG.

Somit sind die Versicherer gemäß § 78 II VVG im Verhältnis zueinander zu Anteilen (hier hälftigen) nach Maßgabe der Beträge verpflichtet, die sie dem Versicherungsnehmer nach dem jeweiligen Vertrag zu zahlen haben. In der Haftpflichtversicherung ist die Höhe der versicherten Aufwendungen zu ermitteln (vgl. Prölss/Martin/Armbrüster, a.a.O., § 78 VVG Rd. 13). Zu dem inhaltlichen Gesamtschaden sind angefallene Rettungskosten (§ 83 VVG), die Kosten der Schadensermittlung und -feststellung (§ 85 VVG) und die Kosten der Abwehr unbegründeter Ansprüche hinzuzurechnen. Denn gemäß § 100 VVG umfasst die Leistungspflicht des Versicherers in der Haftpflichtversicherung auch die Abwehr unbegründeter Ansprüche, weshalb gemäß § 101 I VVG die Versicherung die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, die durch die Abwehr der von einem Dritten geltend gemachten Ansprüche entstehen, zu tragen hat. Deshalb sind auch die – in der Höhe unstreitigen – hälftigen Rechtsverteidigungskosten, die von der Klägerin als führender Versicherer übernommen wurden (vgl. hierzu Prölss/Martin/Armbrüster, a.a.O., vor § 77 VVG Rd. 25), von der Beklagten zu übernehmen. Nicht maßgeblich ist hierbei die hypothetische Überlegung der Berufungsführerin, welche Rechtsverteidigungskosten bei einem anderen Regulierungsverhalten der Klägerin entstanden wären, zumal nicht ersichtlich ist, dass das Regulierungsverhalten der Klägerin nicht korrekt gewesen ist. Vielmehr führt das Landgericht zutreffend aus, dass es unbillig ist, wenn für Rechtsverteidigungskosten des in Anspruch genommenen Versicherers kein Ausgleich stattfinden soll, da es vom Zufall abhängt, welche von zwei möglichen Versicherern der Unfallgegner in Anspruch nimmt.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. Verb. m. § 544 II Nr. 1 ZPO.

IV. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

 

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