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Leitungswasserversicherung – Austritt von Reinigungswasser durch undichte Stellen im Fußboden

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 U 22/18 – Urteil vom 07.11.2018

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 6.2.2018 – Az. 14 O 68/15 – abgeändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

II. Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

III. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

VI. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 26.547,65 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin macht einen versicherungsvertraglichen Anspruch auf eine Entschädigung für Ertragsausfälle infolge einer mehrwöchigen Betriebsschließung im Zeitraum Januar/Februar 2014 geltend, die sie als Folge eines Leitungswasserschadens betrachtet.

Die Klägerin betreibt auf der Grundlage eines mit der K. Brauerei GmbH im Jahr 2008 geschlossenen Pachtvertrags eine Gaststätte in einem alten Gebäude am S… J… M… in S… . In § 6 des Pachtvertrags sind die „Erhaltung des Pachtobjektes und bauliche Veränderungen“ geregelt. Der erste Absatz der Klausel lautet (Bl. 486 d.A.):

Leitungswasserversicherung - Austritt von Reinigungswasser durch undichte Stellen im Fußboden
Symbolfoto: Von Mohd Nasri Bin Mohd Zain/Shutterstock.com

„Pächter hatte ausreichend Gelegenheit, sich vom Zustand der Pachträume vor Vertragsabschluß zu überzeugen. Pächter erkennt an, daß die Räume keinerlei Schäden aufweisen, die den vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigen oder zu einer Pachtzinsminderung führen könnten. Die Brauerei gewährt den Gebrauch des Pachtobjektes nur in diesem Zustand.“

Die Klägerin schloss bei der Beklagten einen Firmen-Inhaltsversicherungsvertrag u.a. mit einer Leitungswasser- sowie einer Klein-Ertragsausfallversicherung (Versicherungsschein Nr. XX/XXX/XXX/XXX, Bl. 14 d.A.). Dem Vertrag liegen die Bedingungen der Beklagten für die Firmen-Inhaltsversicherung zu Grunde (im Folgenden: BFINH, Anlagenband Klägerin). Gemäß § 3 Abs. 1 BFINH leistet die Beklagte Entschädigung für Leitungswasserschäden. Leitungswasser ist in § 3 Abs. 2 BFINH definiert als Wasser, das – z.B. – aus Rohren oder Schläuchen der Wasserversorgung bestimmungswidrig austritt. Nach § 3 Abs. 4a BFINH sind Schäden durch Reinigungswasser „ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen“ nicht versichert. In der Ertragsausfallversicherung verspricht die Beklagte gemäß § 10 Abs. 1, 3 BFINH Entschädigung für den Ertragsausfall, der dadurch entsteht, dass der Betrieb durch einen nicht länger als zwölf Monate zurückliegenden Sachschaden – unter anderem – der Gefahrengruppe Leitungswasser unterbrochen oder beeinträchtigt ist, wobei der Sachschaden auch das dem Betrieb dienende, nach dem Vertrag an sich nicht versicherte Gebäude betreffen kann (§ 10 Abs. 2 BFINH).

Die Klägerin verlangt Entschädigung für Ertragsausfälle im Zusammenhang mit den behaupteten Folgen einer am 17.2.2013 bemerkten Verstopfung des Abflussrohrs im Fußboden der im ersten Stock gelegenen Restaurantküche.

Im Jahr 2011 hatte es einen ersten Wasserschaden in der Küche gegeben, Mitte 2012 zwei weitere (siehe die Darstellung im Gutachten des Sachverständigen W. vom 2.12.2016, Bl. 275-277 d.A.). Um eine Betriebsschließung zu vermeiden, waren jeweils nur provisorische Reparaturarbeiten vorgenommen worden.

Am 17.2.2013 beseitigte die Firma Gr. eine Verstopfung im Abflussrohr der Küche. Am 13.3.2013 fand eine Ortsbegehung statt, an der unter anderem die Geschäftsführerin der Klägerin, Vertreter der Verpächterin K. Brauerei GmbH und der Architekt Ka. teilnahmen. Dieser war bereits im Zusammenhang mit dem ersten Wasserschaden 2011 zurate gezogen worden. Er verfasste eine schriftliche Stellungnahme (Bl. 31 d.A.), in der er konstatierte, die bisherigen Teilsanierungen des Küchenbodens hätten nur vorübergehende Abhilfe geschaffen. Das grundsätzliche Problem liege in der historischen Konstruktion, der damit verbundenen Bewegung des Bodens und der geringen Aufbauhöhe, so dass eine dauerhafte Lösung nur durch eine vollständige Erneuerung und Ertüchtigung der Bodenkonstruktion möglich sei.

Vor der Durchführung der in Aussicht genommenen Sanierung beauftragte die Klägerin den Sachverständigen Jo. Dieser stellte mit Gutachten vom 17.1.2014 (Bl. 40 d.A.) eine Reihe von Mängeln des Küchenbodens fest, insbesondere ein fehlendes Gefälle zum Bodeneinlauf und verschiedene Undichtigkeiten, so etwa im Bereich des Übergangs des Bodenbelags zur Wand und am Rand des Bodenablaufs.

Auf der Grundlage der Maßnahmenbaubeschreibung des Architekten Ka. vom 25.10.2013 (Bl. 145 d.A.) wurde die komplette Bodenkonstruktion einschließlich des Abwassersystems zwischen dem 13.1.2014 und dem 7.2.2014 erneuert. Unstreitig wurde der Küchenboden damit erstmals in einen Zustand versetzt, der den Anforderungen an eine gewerbliche Küche als Nassraum entsprach.

Die Klägerin hat im März 2015 Klage auf Entschädigung wegen des Ertragsausfalls im genannten Zeitraum erhoben. Zu der von der Beklagten in Zweifel gezogenen Kausalität versicherter Nässeschäden für die Komplettsanierung hat sie behauptet, es hätte der Bodenerneuerung nicht bedurft, wäre der Küchenboden nicht durchfeuchtet gewesen. Der Schaden sei entstanden, weil es zwischen dem Bodeneinlauf und dem Abflussrohr eine Undichtigkeit gegeben habe, denn durch diese sei das in dem verstopften Rohr zurückgestaute Wasser in den Boden der Küche gelangt. Die mehrwöchige Betriebsschließung wäre auch erforderlich gewesen, wenn nur die Bodenkonstruktion getrocknet, die Verstopfung im Fallrohr beseitigt und der Bereich zwischen Abfluss und Abflussrohr korrekt abgedichtet worden wären. Sie habe sich durch den Austausch des Bodenbelags nicht verlängert.

Ihren Ertragsausfall hat die Klägerin auf 26.547,65 € beziffert.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

1. an sie 26.547,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 9.8.2014 zu zahlen;

2. an sie vorgerichtliche Anwaltsgebühren in Höhe von 1.358,86 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 9.8.2014 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat einen bedingungsgemäßen Leitungswasserschaden in Abrede gestellt. Den von der Klägerin geltend gemachten Betriebsunterbrechungsschaden hat sie als Folge der erstmals fachgerechten, von der Verpächterin geschuldeten Herstellung des Fußbodenaufbaus in der Küche gewertet und eine Einstandspflicht hierfür von sich gewiesen. Sie hat den Schaden auch der Höhe nach bestritten.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der (sachverständigen) Zeugen Jo. (Sitzungsniederschrift vom 28.9.2015, Bl. 133 d.A.), Ka. (Sitzungsniederschrift vom 2.2.2016, Bl. 208 d.A.), Gr. und We. (Sitzungsniederschrift vom 7.6.2016, Bl. 240 d.A.) und durch Einholung eines Sachverständigengutachtens (Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. B. W. vom 2.12.2016, Bl. 268 d.A., Ergänzungsgutachten vom 28.4.2017, Bl. 328 d.A., und vom 10.8.2017, Bl. 358 d.A., mündliche Erläuterung im Termin vom 13.12.2017, Bl. 382 d.A.).

Mit dem am 6.2.2018 verkündeten Urteil hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von 5.752,92 € verurteilt. Es hat einen Betriebsunterbrechungsschaden in Höhe von 11.505,85 € für nachgewiesen erachtet, der wegen einer Mitverursachung durch Reinigungswasser allerdings nur zur Hälfte zu erstatten sei.

Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils in Verbindung mit dem Tatbestandsberichtigungsbeschluss vom 22.3.2018 Bezug.

Beide Parteien haben, soweit sie jeweils unterlegen sind, Rechtsmittel eingelegt.

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung primär gegen die Annahme des Landgerichts, es sei ein Leitungswasserschaden eingetreten. Unter der – explizit unstreitig gestellten – Prämisse, dass, wie vom Sachverständigen festgestellt, der Bodenbelag defekt war, hebt sie hervor, dass auch Reinigungswasser in und unter den Boden eindringen konnte. Ansonsten schildert sie aus ihrer Sicht den Hergang im Bereich des Bodenablaufs dahin, dass die Entwässerungsleitung zunächst mit Reinigungswasser befüllt worden sei und dass dieses an undichten Stellen entweder am Bodenablauf vorbei in die Decke hineingelaufen oder aber so lange in das verstopfte Rohr geflossen sei, bis kein weiteres Reinigungswasser mehr habe eindringen können. Dieses wiederum sei nicht (bestimmungswidrig) aus dem Rohr ausgetreten, sondern überhaupt nicht mehr hinein gelangt.

Nach Auffassung der Beklagten hätte ausgeschlossen werden müssen, dass der reparaturbedürftige Zustand schon zuvor durch nicht versicherte Ursachen eingetreten sei. Nach den Angaben des Sachverständigen W. sei nämlich ungewiss, ob die Durchfeuchtung nicht auf stetigen Eintrag von Reinigungswasser vor Eintritt der Verstopfung zurückgehe. Jedenfalls stehe keineswegs fest, ob diese den Schaden vergrößert habe. Unabhängig davon komme der „ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen“ eingreifende Ausschluss für Reinigungswasser zum Tragen.

Hilfsweise beruft die Beklagte sich auf eine Leistungsfreiheit gemäß § 86 Abs. 2 Satz 2 VVG. Hintergrund ist folgender: Im hiesigen Rechtsstreit hat die Beklagte der K. Brauerei GmbH als der Verpächterin der Klägerin mit Schriftsatz vom 15.12.2015 den Streit verkündet (Bl. 192 d.A.). Mit Schreiben vom 15.4.2016 wandten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin sich an die K. Brauerei GmbH (Bl. 455 d.A.). Unter Bezugnahme auf eine Mitteilung der Geschäftsführerin der Klägerin, wonach diese auf eine Geltendmachung von Ansprüchen „Ihnen gegenüber verzichtet, gleich wie der Prozess gegen die A. endet“, wird in dem Schreiben „nochmals ausdrücklich“ erklärt, „dass Ihnen gegenüber keine Ansprüche betreffend des Wasserschadens und der eingetretenen Betriebsunterbrechung geltend gemacht werden“. Die Beklagte erfuhr hiervon im März 2018. Sie sieht in der Erklärung eine vorsätzliche Verletzung der Anspruchswahrungsobliegenheit.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils (LG Saarbrücken, 14 O 68/15 vom 6.2.2018) die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Mit der Anschlussberufung beantragt die Klägerin, das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,

1. an sie weitere 20.794,73 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 9.8.2014 zu zahlen,

2. an sie vorgerichtliche Anwaltsgebühren in Höhe von 1.358,86 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 9.8.2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen

Die Klägerin meint, das Landgericht hätte den geltend gemachten Betriebsunterbrechung Schaden in voller Höhe zusprechen müssen. Sie bleibt bei ihrer Einschätzung zum Eintritt des Versicherungsfalls und geht davon aus, ab dem Zeitpunkt, in dem das Reinigungswasser in den Abfluss gelaufen sei, habe es sich um Leitungswasser gehandelt, das infolge des verstopfungsbedingten Rückstaus bestimmungswidrig ausgetreten sei.

Dem von der Beklagten in ihrer Berufung erhobenen Einwand der Leistungsfreiheit wegen vorsätzlicher Verletzung der Obliegenheit gemäß § 86 Abs. 2 Satz 2 VVG hält die Klägerin entgegen, die Beklagte könne immer noch bei den Handwerkern Regress nehmen, die die früheren Schäden nur unzureichend behoben hätten. Davon abgesehen beruft sie sich darauf, dass der Anspruchsverzicht nicht von ihr, sondern von ihrer Geschäftsführerin erklärt worden sei. Schließlich verneint die Klägerin das Bestehen eines Anspruchs gegen ihre Verpächterin unter Hinweis auf § 6 Abs. 1 des Pachtvertrags.

Hinsichtlich des Sachverhalts und des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 28.9.2015, vom 2.2.2016 und vom 13.12.2017 und des Senats vom 19.9.2018 sowie auf das Urteil des Landgerichts vom 6.2.2018 Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg, die Anschlussberufung der Klägerin nicht.

Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Klägerin für den Ertragsausfall zu entschädigen, der durch die Betriebsschließung im Januar/Februar 2014 verursacht wurde.

a.

Die Klägerin vermochte einen Ursachenzusammenhang zwischen einem bedingungsgemäßen Leitungswasserschaden und dem Ertragsausfall während der Zeit der Bodenerneuerung nicht zu beweisen (§ 10 Abs. 1, 3 i.V.m. § 3 Abs. 1 und 2 BFINH). Gewichtige Anhaltspunkte sprechen dafür, dass die Betriebsschließung deshalb erfolgte, weil die für den Zustand der Gaststättenräume verantwortliche Verpächterin die am 17.2.2013 bemerkte und beseitigte Rohrverstopfung zum Anlass nahm, nach verschiedenen unzureichenden Sanierungsmaßnahmen nunmehr eine „dauerhaft intakte Großküche“ herzustellen (siehe Seite 11 des Gutachtens Jo., Bl. 50 d.A.).

(1)

Die Klägerin versucht einen bedingungsgemäßen Austritt von Leitungswasser damit zu begründen, dass bei der Rohrverstopfung im Februar 2013 zunächst eingeflossenes Wasser wieder hochgedrückt worden sei und sich wegen einer mangelhaften Anbindung des „Flansches“ am PVC-Bodenbelag unterhalb des Bodens ausgebreitet habe (Schriftsatz vom 28.9.2015, Bl. 130 d.A.).

(2)

Abgesehen davon, dass diese Annahme mit Blick auf die Feststellung des Parteigutachters Jo., wonach der Bodenablauf gar nicht über einen Andichtflansch im Verbundbereich der Oberbelagsbeschichtung verfügt habe, zweifelhaft ist, hätte die Klägerin selbst dann, wenn auf diesem Weg eine gewisse Wassermenge bestimmungswidrig aus dem Rohr in den Bodenaufbau gelangt sein könnte, die Kausalität eines versicherten Ereignisses für den eingetretenen Schaden nicht nachgewiesen.

Zu einem Rückstau bis zur Bodenkonstruktion kann es erst ab dem Zeitpunkt gekommen sein, ab dem das Abflussrohr sich so zugesetzt hatte, dass Reinigungswasser nicht mehr abfließen konnte. Die Verstopfung muss sich für die Klägerin als ein akutes Ereignis dargestellt haben. Sie hat dazu in ihrer Klageschrift vorgetragen, es sei am 17.2.2013 zu einem erneuten Wasserschaden gekommen und sie habe feststellen müssen, dass das Fallrohr unterhalb des Bodenablaufs verstopft gewesen sei, so dass Abwasser sich zurück gestaut habe. Das veranlasste sie, noch am selben Tag die Firma Gr. mit der Beseitigung der Verstopfung zu beauftragen (Seite 2 der Klageschrift, Bl. 2 d.A.).

Zuvor gestaltete sich die Situation in der Küche wie folgt:

Wie sich aus den Feststellungen der sachverständigen Zeugen Ka. und Jo. und, darauf aufbauend, des vom Landgericht beauftragten Sachverständigen W. ergibt, gab es eine Reihe undichter Stellen, an denen Feuchtigkeit eindringen konnte. Der Vinylbelag war im Sockelbereich von den Wandflächen abgelöst, im Übrigen war er verschlissen und teilweise eingerissen, am Übergang des Vinylbelags im Kochbereich zur Epoxidfläche des Spülbereichs befand sich eine offene Fuge, der Epoxidharzestrich löste sich von Wand und Türschwelle, der Bodeneinlauf war nicht mit der Epoxidfläche verbunden, so dass Wasser an der Übergangskante – mithin bevor es den Abfluss erreichte – ungehindert in die Deckenkonstruktion einfließen konnte (Bericht des Architekten Ka., Bl. 32 d.A.; Seiten 8, 12, 14 des Parteigutachtens Jo. vom 17.1.2014, Bl. 47, 51). Der sachverständige Zeuge Jo. hat in seiner Vernehmung vor dem Landgericht am 28.9.2015 erklärt, das Wasser habe sowohl bei Reinigungsarbeiten durch den undichten Anschluss unter die PVC-Beschichtung eindringen können als auch durch das verstopfte Rohr oder durch den nicht fachgerecht abgedichteten Wandbereich (Seite 3 der Sitzungsniederschrift, Bl. 135 d.A.). Auf den Lichtbildern seines Gutachtens sind unter anderem abgelöste Bodenbeschichtungen zu erkennen, offene Anschlussfugen und Undichtigkeiten am Rand des Bodeneinlaufs. Schon die Nässeschäden im Jahr 2011 waren nach der Einschätzung des seinerzeit in die Schadensermittlung und Schadensbeseitigung eingebundenen Architekten Ka. dadurch verursacht worden, dass der Bodeneinlauf nicht dicht war, dass es zwischen Boden- und Wandbelag mehrere Abrissstellen gab und dass der damalige Fliesenbelag sich in schlechtem Zustand befand (Bl. 32 d.A.; Vernehmung Bl. 208 d.A.).

Berücksichtigt man nun, dass nach den Angaben der Klägerin bei der Reinigung der Restaurantküche ein Schlauch benutzt und das Wasser mit diesem sowie mit einem Schieber über den Boden – der nach den Angaben des sachverständigen Zeugen Jo. kein ausreichendes Gefälle aufwies – bis zum Ablauf geführt wurde (Bl. 108 f. d.A.), so konnte Wasser vor der sich im Februar 2013 manifestierenden Verstopfung über Monate, sogar Jahre hinweg bei jedem Reinigungsvorgang durch sämtliche undichten Stellen in die Bodenkonstruktion einsickern. Das Reinigungswasser als solches war aber, bevor es in das Abwasserrohr hineinfloss, kein bestimmungswidrig ausgetretenes Wasser. Denn das Spritzen mit dem Schlauch erfolgte naturgemäß willentlich und bestimmungsgemäß, die Oberfläche des Küchenfußbodens war keine mit dem Rohrsystem der Wasserversorgung verbundene Einrichtung im Sinne des § 3 Abs. 2 b BFINH (vgl. zu den „Fugenfällen“ Günther, r+s 2018, 63, 64).

Es ist daher nicht nur denkbar, sondern wahrscheinlich, dass der Zustand des über geraume Zeit stetigem Wassereintrag ausgesetzten undichten Bodens durch einen etwaigen akuten bestimmungswidrigen Austritt eines gewissen Teils zurückgestauten Wassers am 17.2.2013 nicht zusätzlich verschlechtert wurde. Die Klägerin hat vor diesem Hintergrund den ihr obliegenden Beweis der Kausalität eines versicherten Ereignisses für den eingetretenen Schaden nicht erbracht (zur Beweislast v. Rintelen in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2015, § 20 Rdn. 81; siehe auch Senat, Urt. v. 13.12.2017 – 5 U 32/17 – VersR 2018, 612: Überschwemmung eines bereits zuvor durch aufsteigende Bodenfeuchtigkeit beschädigten Fliesenbelags).

b.

Ob mit Blick auf die dargestellte Situation auch § 3 Abs. 4 a BFINH zum Tragen kommt, wonach Schäden durch Reinigungswasser ungeachtet etwaiger sonst mitwirkender Ursachen nicht versichert sind, bedarf keiner Entscheidung (zum Eingreifen eines Risikoausschlusses bei bloßer Mitverursachung KG, r+s 2017, 25; OLG Köln, r+s 2006, 376; Günther, r+s 2018, 63; Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2012, § 3 Leitungswasser, Rdn. 12).

c.

Die Klägerin – die ihre Ansprüche im Streitfall ausschließlich auf die Gefahrengruppe Leitungswasser stützt – könnte ihren Ertragsausfall auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verwirklichung einer „unbenannten Gefahr“ ersetzt verlangen. Dazu müsste der für Januar/Februar 2014 geltend gemachte Schaden auf einen in den vorangegangenen zwölf Monaten eingetretenen Versicherungsfall im Sinne des § 7 BFINH zurückzuführen sein. Es kann dahin stehen, welche Ereignisse dieser Gefahrengruppe der unvorhergesehenen Beschädigung oder Zerstörung von Sachen „durch unbenannte Gefahren“ zugeordnet werden können (vgl. Höra, Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, 4. Aufl. 2017, § 9 Industrielle Sachversicherung, Rdn. 363). Jedenfalls war der – unterstellte – im Februar 2013 eingetretene Schaden mit Blick auf die früheren und bekanntermaßen jeweils nur provisorisch behobenen Wasserschäden nicht „unvorhergesehen“ im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 BFINH. Abgesehen davon liegt eine bedingungsgemäße Zerstörung oder Beschädigung nach § 7 Abs. 1 Satz 2 BFINH dann nicht vor, wenn lediglich ein ursprünglich vorhandener Mangel – mit oder ohne Substanzveränderung – offenkundig wurde. Das war bei dem bis zur Sanierung 2014 für die Nutzung als Restaurantküche unzureichend konstruierten Küchenfußboden der Fall. Aus demselben Grund käme der Risikoausschluss für Konstruktions-, Material- oder Ausführungsfehler im Sinne des § 7 Abs. 3 a BFINH zum Tragen.

d.

Selbst wenn man unterstellen würde, die Anfang 2014 sanierten Bodenschäden wären durch einen bestimmungswidrigen Austritt von Leitungswasser im Zusammenhang mit der Rohrverstopfung im Februar 2013 hervorgerufen worden, stünde der Klägerin die begehrte Entschädigung nicht zu. Unter dieser Prämisse wäre nämlich der von der Beklagten in der Berufungsinstanz erhobene Einwand der Leistungsfreiheit gemäß § 86 Abs. 2 Satz 2 VVG begründet.

(1)

Das Landgericht hat sich mit diesem Komplex nicht befasst, weil die Beklagte hierzu in erster Instanz nichts vorgetragen hatte. Der Senat kann entsprechende Feststellungen nachholen. Eine Bindungswirkung nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO besteht nicht. Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts können auch durch neue Angriffs- und Verteidigungsmittel zweifelhaft werden, soweit ihre Geltendmachung in erster Instanz ohne Verschulden der Partei unterblieb und sie daher gem. § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 531 Abs. 2 ZPO in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen sind (BGH, Urt. v. 19.3.2004 – V ZR 104/03 – NJW 2004, 2152). Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf die im April 2016 getroffene, der Beklagten aber erst im März 2018 bekannt gewordene Verzichtsvereinbarung zwischen der Klägerin und ihrer Verpächterin K. Brauerei GmbH erfüllt.

(2)

Gemäß § 86 Abs. 1 VVG geht ein dem Versicherungsnehmer gegen einen Dritten zustehender Ersatzanspruch auf den Versicherer über, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. Nach § 86 Abs. 2 Satz 1 VVG ist der Versicherungsnehmer gehalten, jenen Ersatzanspruch zu wahren und bei dessen Durchsetzung mitzuwirken. Verletzt er diese Obliegenheit vorsätzlich, ist der Versicherer zur Leistung insoweit nicht verpflichtet, als er infolgedessen keinen Ersatz von dem Dritten erlangen kann.

Die Obliegenheit des § 86 Abs. 2 Satz 1 VVG verbietet dem Versicherungsnehmer jedes Handeln, das zum Verlust des übergangsfähigen Anspruchs führt oder seine Realisierung hindert (Armbrüster in: Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl. 2018, § 86 Rdn. 69 f.). Sie gilt im Recht der Schadensversicherung. Die Betriebsunterbrechungsversicherung zählt dazu (OLG Stuttgart, Urt. v. 23.2.2007 – 10 U 226/06 – juris).

(3)

Die Klägerin hatte aus dem Pachtvertrag einen nach § 86 Abs. 1 VVG übergangsfähigen Schadensersatzanspruch gegen die K. Brauerei GmbH.

(a)

Gemäß § 581 Abs. 2 i.V.m. § 536a Abs. 1 BGB kann der Pächter Schadensersatz verlangen, wenn ein Mangel der Pachtsache bei Vertragsschluss vorhanden war oder später wegen eines vom Verpächter zu vertretenden Umstands entsteht.

Beim anfänglichen Mangel ist die Schadensersatzpflicht nach dem Gesetz als verschuldensunabhängige Garantiehaftung ausgestaltet. Die von der Klägerin gepachteten Gaststättenräume waren bereits bei Abschluss des Pachtvertrags mängelbehaftet. Entscheidend für die zeitliche Einstufung ist nicht der Schadenseintritt, sondern der Zeitpunkt, zu dem der ihn auslösende Mangel vorlag. Allerdings ist nicht zwangsläufig davon auszugehen, dass ein während der Pachtdauer funktionsuntüchtig werdendes Bauteil im Zeitpunkt des Vertragsschlusses latent mangelhaft gewesen sein müsse. Lässt sich aber die Schadensursache in die Zeit vor Vertragsschluss zurückverfolgen, genügt es für die Annahme eines anfänglichen Mangels, wenn die Gefahrenquelle oder die Schadensursache von Beginn an vorhanden war (BGH, Urt. v. 21.7.2010 – XII ZR 189/08 – NJW 2010, 3152, m.w.N.).

Im Streitfall steht fest, dass die Küche vor der Sanierung im Jahr 2014 den Anforderungen an eine gewerbliche Küche als sog. Nassraum zu keinem Zeitpunkt entsprochen hatte. Das Grundproblem der Bodenkonstruktion, das sich in rezidivierenden Wasserschäden manifestierte, bestand schon immer. Nach den auf der Grundlage der Erkenntnisse und Wahrnehmungen der sachverständigen Zeugen Jo. und Ka. getroffenen, von den Parteien nicht angezweifelten Feststellungen des Sachverständigen W. fehlte schon im ursprünglichen Fliesenbelag eine fachgerechte Abdichtung des Küchenbodens mit einem wasserdichten Anschluss an die Einläufe, und dieser Mangel wurde auch nicht im Rahmen der vorläufigen Maßnahmen nach den Wasserschäden in den Jahren 2011 und 2012 behoben (siehe Seite 10 des Gutachtens W., Bl. 276 d.A.). Bis zu der im Januar/Februar 2014 schließlich durchgeführten Sanierung stand die Abdichtung des Küchenbereichs mit der einschlägigen DIN 18195, Teil 5 (Stand Februar 1984), nicht in Einklang. Der Boden und der Bodenwandbereich des Raums hätten korrekterweise im Sinne einer wasserdichten Wanne hergerichtet sein müssen. Der Sachverständige W. hat die in den Jahren 2011 und 2012 durchgeführten Arbeiten „allenfalls als Provisorien von nur kurzer Haltbarkeit“ bezeichnet (Seite 3 des Ergänzungsgutachtens vom 28.4.2017, Bl. 330 d.A.). In seinem zweiten Ergänzungsgutachten vom 10.8.2017 hat er nochmals dezidiert erklärt, dass es bei einem nach den allgemeinen anerkannten Regeln der Technik abgedichteten Küchenboden nie zu Feuchteschäden gekommen wäre (Bl. 359 d.A.).

Dass es einen Mangel des zum Betreiben eines Restaurants bestimmten Pachtobjekts darstellt, wenn die dazugehörende Küche nicht gereinigt werden kann, ohne dass die Gefahr besteht, dass Reinigungswasser durch verschiedene undichte Stellen und unzureichende Abflussvorrichtungen in die Bodenkonstruktion eindringt, liegt auf der Hand. Die K. Brauerei GmbH hatte somit für die Schäden, die sich aus der Anfälligkeit des unzureichend konstruierten und fehlerhaft ausgestalteten Küchenfußbodens für eindringende Feuchtigkeit ergaben – verschuldensunabhängig – einzustehen.

Im Rahmen des § 536a Abs. 1 BGB zählt der entgangene Gewinn in Form von Einnahmeausfällen bei der Anmietung gewerblicher Räume infolge mangelbedingt unterbrochener Geschäfte zu den ersatzfähigen Vermögenspositionen (Bieder in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Kommentar zum BGB, Stand 1.7.2018, § 536a Rdn. 24). Die Klägerin hätte daher zu dem Zeitpunkt, als sie auf ihre Ansprüche verzichtete, von der K. Brauerei GmbH Schadensersatz wegen des Ertragsausfalls verlangen können, der ihr dadurch entstand, dass die Restaurantküche während der Sanierung der mangelbedingt durchfeuchteten Bodenkonstruktion nicht nutzbar war.

(b)

Die Vertragsklausel in § 6 Abs. 1 des Pachtvertrags ändert am Bestehen des Schadensersatzanspruchs nichts.

Sie wird eingeleitet mit dem Hinweis darauf, dass der Pächter „ausreichend Gelegenheit“ gehabt habe, sich vom Zustand der Pachträume vor Vertragsabschluss zu überzeugen. Sodann enthält sie ein Anerkenntnis des Pächters, dass die Räume keine Schäden aufwiesen, welche „den vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigen oder zu einer Pachtzinsminderung führen könnten“. Sodann wird festgestellt, die Verpächterin gewähre den Gebrauch des Pachtobjekts nur in diesem Zustand.

Die Klausel erfasst schon nach ihrer Formulierung die Konstellation des Streitfalls nicht. Auf der Grundlage des unwidersprochenen Vorbringens der Beklagten ist davon auszugehen, dass es sich um von der Verpächterin gestellte Allgemeine Vertragsbedingungen handelt. Solche sind gemäß ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn ausgehend von ihrem Wortlaut so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Kreise verstanden werden (st. Rspr., siehe nur BGH, Urt. v. 23.4.2008 – XII ZR 62/06 – BGHZ 176, 191). Hier kann die Bezugnahme auf von der Pächterin als nicht minderungsrelevant anerkannte „Schäden“ unter Berücksichtigung der in § 6 Abs. 1 Satz 1 des Pachtvertrags hervorgehobenen Besichtigung der Räume allenfalls dahin verstanden werden, dass eine pachtrechtliche Gewährleistung für offen zu Tage tretende Substanzbeeinträchtigungen ausgeschlossen werden sollte. Ein Ausschluss jedweder Haftung für noch gar nicht entstandene Schäden, die künftig infolge irgendwelcher – auch verborgener – Mängel der gepachteten Räume auftreten könnten, war ersichtlich nicht gemeint.

Selbst wenn man das anders sehen wollte, wäre § 6 Abs. 1 des Pachtvertrags jedenfalls unwirksam. Zwar kann die Mietminderung bei der Geschäftsraummiete – anders als bei der Wohnraummiete – eingeschränkt werden (arg. e § 536 Abs. 4 BGB). Eine solche Einschränkung ist grundsätzlich auch formularmäßig möglich. Jedoch hielte die Bestimmung in § 6 Abs. 1 des Pachtvertrags, sofern sie darauf abzielte, das Minderungsrecht des Pächters für anfängliche Mängel gänzlich auszuschließen, einer Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 BGB nicht stand. Sie ließe nämlich eine Auslegung zu, wonach der Ausschluss der Minderung endgültig sein und dem Pächter auch nicht das Recht verbleiben sollte, die überzahlte Pacht gemäß § 812 BGB zurückzufordern. Ein vollständiger Ausschluss der Minderung durch formularvertragliche Regelung verletzt das zu den wesentlichen Grundgedanken des Schuldrechts gehörende Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung. Denn obwohl der Verpächter den geschuldeten vertragsgemäßen Gebrauch nur erheblich eingeschränkt gewähren kann, bliebe der Pächter gegebenenfalls über einen langen Zeitraum und endgültig zur Zahlung des vollen Pachtzinses verpflichtet. Er wäre damit unangemessen benachteiligt im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 23.4.2008 – XII ZR 62/06 – BGHZ 176, 191).

Abgesehen davon würde der auf § 6 Abs. 1 des Pachtvertrags zu stützende Haftungsausschluss an § 305c BGB scheitern. Ein Überraschungseffekt im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB kann sich auch aus daraus ergeben, dass eine Klausel in einem systematischen Zusammenhang steht, in dem der Vertragspartner sie nicht erwarten muss. Das ist hier der Fall. Unter der Überschrift „Erhaltung des Pachtobjektes und bauliche Veränderungen“ – so der Titel des § 6 des Pachtvertrags – braucht der Pächter nicht mit einem Ausschluss von Mängelgewährleitungsrechten zu rechnen (vgl. BGH, Urt. v. 21.7.2010 – XII ZR 189/08 – NJW 2010, 3152).

(c)

Irgendwelche sonstigen Umstände, die der Realisierbarkeit des vertraglichen Schadensersatzanspruchs zum Zeitpunkt der im April 2016 getroffenen Verzichtsvereinbarung entgegengestanden hätten, sind nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere wäre der Anspruch auf Erstattung der Anfang 2014 eingetretenen Ertragseinbußen nicht verjährt gewesen (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB).

(4)

Die Klägerin hat ihre Obliegenheit, jenen Schadensersatzanspruch zu wahren, um der Beklagten einen möglichen Regress gegen die K. Brauerei offen zu halten, verletzt.

Im Anwaltsschreiben vom 15.4.2016 hat sie gegenüber der K. Brauerei GmbH als ihrer Verpächterin erklären lassen, es werde auf eine Geltendmachung von Ansprüchen im Zusammenhang mit dem Wasserschaden und der eingetretenen Betriebsunterbrechung verzichtet, gleich wie der Prozess gegen die Beklagte ausgehe. Dass die K. Brauerei GmbH das darin liegende Angebot auf den Abschluss einer vertraglichen Vereinbarung zum Forderungsverzicht angenommen hat, ergibt sich aus der von der Beklagten hierzu vorgelegten Korrespondenz mit dem Prozessbevollmächtigten der Streitverkündeten K. Brauerei GmbH (Bl. 456 d.A.; zum Verzichtsvertrag Wagner in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 397 Rdn. 1).

Ohne Erfolg versucht die Klägerin die Obliegenheitsverletzung mit dem Hinweis in Abrede zu stellen, dass der Forderungsverzicht nicht von ihr selbst, sondern von ihrer Geschäftsführerin abgegeben worden sei. Es lag für alle Beteiligten auf der Hand, dass die Geschäftsführerin als gesetzliche Vertreterin der Klägerin auftrat. Nur diese kam als Gläubigerin des betroffenen Anspruchs in Betracht, und ein persönlicher Verzicht ihrer Geschäftsführerin auf Ansprüche, die ihr evident nicht zustanden, hätte keinen Sinn ergeben (§ 164 Abs. 1 Satz 2 BGB).

(5)

Die Obliegenheitsverletzung erfolgte vorsätzlich.

Infolge der im hiesigen Prozess erfolgten Streitverkündung wusste die Klägerin, dass die Beklagte ein Interesse am Zugriff auf ihre pachtvertraglichen Schadensersatzansprüche hatte. Das Aufgeben jener Ansprüche, das explizit in einen Zusammenhang mit dem versicherungsvertraglichen Verhältnis zur Beklagten und dem hieraus geführten Prozess gestellt wurde, implizierte den Willen zur Obliegenheitsverletzung (vgl. Armbrüster in: Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl. 2018, § 86 Rdn. 78; siehe zum Vorsatz – weitergehend – Möller/Segger in: MünchKommVVG, 2. Aufl. 2016, § 86 Rdn. 273: der Vorsatz müsse sich nur auf die Aufgabe des Ersatzanspruchs beziehen, nicht jedoch auf die versicherungsvertraglichen Auswirkungen).

(6)

Durch das vorsätzliche Vereiteln des Anspruchsregresses wurde die Beklagte nach § 86 Abs. 2 Satz 2 VVG von ihrer – unterstellten – Leistungspflicht befreit.

Der Hinweis der Klägerin, wonach die Beklagte nach wie vor versuchen könne, bei einem der früher tätig gewordenen Handwerker wegen eventueller Werkmängel bei den nach den Vorschäden durchgeführten Maßnahmen Rückgriff zu nehmen, ändert an der vorsätzlichen Aufgabe jenes konkreten Anspruchs nichts. Es ist auch nicht mit Substanz vorgetragen, woraus sich Schadensersatzansprüche gegen die Handwerker, deren Beauftragung seinerzeit unstreitig auf bloß provisorische Lösungen gerichtet war, ergeben sollten.

(7)

Dass die Beklagte den Versicherungsfall schon vorprozessual in Abrede gestellt hatte und darin auch im hiesigen Prozess festhielt, steht ihrem Berufen auf den Einwand der Leistungsfreiheit wegen einer Obliegenheitsverletzung nach § 86 Abs. 2 Satz 1 VVG nicht entgegen.

(a)

Was den Bereich der Anzeige- und Auskunftsobliegenheiten anbelangt, ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass diese außer Kraft gesetzt sind, wenn der Versicherer seine Leistungspflicht bereits dem Grunde nach endgültig abgelehnt und damit seine fehlende Prüfungs- und Verhandlungsbereitschaft signalisiert hat. Die (zeitweilige) Aussetzung beruht auf Schutzzwecküberlegungen. Die Wahrnehmung solcher Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles soll dazu dienen, dem erfüllungsbereiten Versicherer die Prüfung seiner Leistungspflicht zu ermöglichen und zu erleichtern. Dessen bedarf er nach endgültiger Leistungsablehnung nicht mehr (Wandt in: MünchKommVVG, 2. Aufl. 2016, vor § 28, Rdn. 35; von Rintelen in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2015, § 20 Rdn. 317; BGH, Urt. 13.3.2013 – IV ZR 110/11 – VersR 2013, 609; für die Meldeobliegenheit des § 9 Abs. 1 MB/KT: BGH, Urt. v. 11.12.1991 – IV ZR 238/90 – VersR 1992, 345; Senat, Urt. v. 3.5.2006 – 5 U 580/05). Das zunächst entfallene Schutzbedürfnis aktualisiert sich aber erneut, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer unmissverständlich zu erkennen gibt, dass er an seiner Leistungsablehnung nicht festhalten, sondern die Verhandlungen über die Schadenregulierung und die Prüfung der Leistungspflicht wieder aufnehmen will. Dann leben auch die Anzeige- und Auskunftsobliegenheiten wieder auf (Wandt in: MünchKommVVG, 2. Aufl. 2016, vor § 28, Rdn. 35; von Rintelen in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2015, § 20 Rdn. 317; BGH, Urt. 13.3.2013 – IV ZR 110/11 – VersR 2013, 609).

(b)

Die Rechtsprechung hat sich mit der Frage, inwieweit diese Grundsätze auch für die Obliegenheiten des § 86 Abs. 2 VVG gelten, soweit ersichtlich, noch nicht befasst. Auch in der weit überwiegenden Kommentarliteratur wird das Problem praktisch nicht erörtert (siehe etwa Hormuth in: Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2015, § 22 Rdn. 93 ff.; Schneider in: Staudinger/Hahn/Wendt, Versicherungsrecht, 2. Aufl. 2017, § 86 Rdn. 27 ff.; von Bühren, Handbuch Versicherungsrecht, 7. Aufl. 2017, § 1 Rdn. 179 ff.; von Koppelfels-Spies in: Looschelders/Pohlmann, VVG, 3. Aufl. 2016, § 86 Rdn. 51 ff.; Langheid in: Langheid/Rixecker, VVG, 5. Aufl. 2016, § 86 Rdn. 46 ff.; Muschner in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 3. Aufl. 2015, § 86 Rdn. 39 ff.). Armbrüster (in Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl. 2018, § 86 Rdn. 68) und Möller/Segger (in: MünchKommVVG, 2. Aufl. 2016, § 86 Rdn. 296) verweisen nur allgemein auf die für die vertraglichen Obliegenheiten geltenden Grundsätze. Lediglich in der Kommentierung von Voit (in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2009, § 86 VVG Rdn. 156) zu § 86 VVG heißt es: Habe der Versicherer eine Leistung zunächst abgelehnt, später dann aber den Schaden reguliert, so bestehe dem Wortlaut der Bestimmung nach die Interessenwahrungsobliegenheit auch während der Zeit der Leistungsablehnung fort; ähnlich wie bei der Auskunftsobliegenheit nach § 31 VVG werde man aber ein Ende der Interessenwahrungsobliegenheit annehmen müssen, wenn der Versicherer die Leistung zwischenzeitlich ablehne; der Versicherer verhalte sich widersprüchlich, wenn er einerseits den Versicherungsschutz versage, anderseits aber vom Versicherungsnehmer verlange, dieser möge die Versichererinteressen im Hinblick auf einen künftigen Anspruchsübergang wahren. Auch Voit bejaht ein Wiederaufleben der nach seiner Ansicht in der Phase der Leistungsablehnung außer Kraft getretenen Obliegenheiten für den Fall, dass der Versicherer von seiner Einschätzung Abstand nimmt oder aber zur Leistung verurteilt wird (Voit in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2009, § 86 VVG Rdn. 156).

 

(c)

Ob die für die Anzeige- und Auskunftsobliegen dargestellten Grundsätze allgemein auf die von § 86 Abs. 2 VVG erfassten Obliegenheiten übertragbar sind, bedarf keiner Entscheidung. Jedenfalls unter den konkreten Umständen des Streitfalls kann die Beklagte sich auf ihre Leistungsfreiheit nach § 86 Abs. 2 Satz 2 VVG berufen, obgleich sie in erster Linie den Eintritt des Versicherungsfalls verneint hatte.

Für die hier in Rede stehende Konstellation der vorsätzlichen Verletzung der Anspruchswahrungsobliegenheit in Form des früheren „Aufgabeverbots“ (§ 67 Abs. 1 Satz 3 VVG a.F.) wäre es sachwidrig und mit der Interessenlage der Parteien des Versicherungsvertrags nicht vereinbar, wenn der Versicherungsnehmer, der seinen vom Versicherer abgelehnten Leistungsanspruch weiter durchzusetzen sucht, sehenden Auges eine regressfähige Forderung gegen einen Dritten aufgeben könnte, ohne im versicherungsvertraglichen Verhältnis die spezifische Sanktion des § 86 Abs. 2 Satz 2 VVG gewärtigen zu müssen.

Die Gebundenheit des Versicherungsnehmers an Aufklärungsobliegenheiten ist während der Zeit einer vom Versicherer bekundeten Leistungsablehnung deshalb ausgesetzt, weil dieser zum Ausdruck gebracht hat, keine weiteren Auskünfte mehr zu benötigen und es daher nicht gerechtfertigt wäre, den Versicherungsnehmer, der nun seinerseits keine vollständigen und wahrheitsgemäßen entschädigungsrelevanten Informationen mehr liefert, mit dem Verlust seiner versicherungsvertraglichen Ansprüche zu sanktionieren (vgl. BGH, Urt. 13.3.2013 – IV ZR 110/11 – VersR 2013, 609; von Rintelen in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2015, § 23 Rdn. 317; von Bühren, Handbuch Versicherungsrecht, 7. Aufl. 2007, § 1 Rdn. 209; Schwintowski/Brömmelmeyer, Praxiskommentar zum VVG, 2008, § 31 Rdn. 11). Umgekehrt treten die Obliegenheiten erneut in Kraft, sobald der Versicherer die Leistungsprüfung unmissverständlich wieder aufnimmt und sich dadurch sein schutzwürdiges Interesse an umfassender und korrekter Information erneut aktualisiert.

Die Interessenlage beim „Aufgabeverbot“ ist dem nicht vergleichbar. Hier geht es von vornherein darum, dem Versicherer für den Fall, dass er – wenn auch vielleicht gerichtlich erzwungen – zahlt, die Möglichkeit des Regresses offen zu halten, damit die Vermögenseinbuße letztlich nicht ihn trifft, sondern den für den Schaden primär Verantwortlichen. Die Obliegenheit des Versicherungsnehmers, jenen Regress nicht unmöglich zu machen, dient von Beginn an ausschließlich dem Interesse des Versicherers (vgl. zur Interessenlage Möller/Segger in: MünchKommVVG, 2. Aufl. 2016, § 86 Rdn. 286 und Rdn. 271). Solange der Versicherungsnehmer die Leistungsablehnung des Versicherers nicht hinnimmt und seinen versicherungsvertraglichen Anspruch weiterverfolgt, rechnet er naturgemäß damit, Vertragsleistungen zu erhalten. Wird er während dieses Schwebezustands dahin aktiv, dass er dem Versicherer die diesem im Leistungsfall nach § 86 Abs. 1 VVG zustehende, ihm selbst keine Nachteile bereitende Kompensation abschneidet, ist kein Grund ersichtlich, dieses ausschließlich zu Lasten des Versicherers gehende Verhalten von der Sanktion des Anspruchsverlusts auszunehmen. Anders als in den oben dargestellten Fällen der temporär ausgesetzten und gegebenenfalls wieder auflebenden Anzeige- und Auskunftsobliegenheiten hat der Versicherungsnehmer mit der Aufgabe des Regressanspruchs vollendete Tatsachen geschaffen, bei denen ein „Wiederaufleben“ nach freiwilliger oder gerichtlich angeordneter Leistung ins Leere ginge.

2.

Aus denselben Gründen, die der Berufung der Beklagten zum Erfolg verhelfen, ist die Anschlussberufung der Klägerin, mit der diese eine höhere als die vom Landgericht zu Unrecht zugesprochene Versicherungsentschädigung begehrt, zurückzuweisen.

3.

Mit der Ablehnung der Hauptforderung steht fest, dass die Klägerin auch ihre allenfalls unter dem Gesichtspunkt des Verzugs erstattungsfähigen vorgerichtlichen Anwaltskosten nicht ersetzt verlangen kann.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 26.547,65 €.

 

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