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Leistungsanspruch im Zusammenhang mit Kataraktoperation

LG Frankenthal – Az.: 2 S 283/18 – Urteil vom 11.03.2020

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 31.10.2018, Az. 2h C 155/16, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert wird auf 1.875,92 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um restliche Zahlung aus einem privaten Krankenversicherungsvertrag.

Die bei der Beklagten im … privat krankenversicherte Klägerin unterzog sich am 19. und 20.11.2015 an beiden Augen einer Kataraktoperation an der Universitätsklinik in Mannheim. Bei diesen Operationen wurde ein Femtosekundenlaser verwendet.

Vor Beginn der Behandlung schloss die Klägerin mit dem behandelnden Arzt eine Honorarvereinbarung am 16.09.2015. In dieser Vereinbarung, die für beide Augen die Diagnosen „Cataracta senilis incipiens, Hyperopie, Presbyopie“ sowie unter der Leistungsbeschreibung „Phako mit IOL-Implantation“ die Gebühr Nr. 1375 mit einem Steigerungssatz von 3,5 enthält, heißt es unter anderem:

„Sie wünschen die Durchführung der Kataraktoperation (Entfernung des Grauen Stars / Linsenaustausch) mittels Femtosekundenlaser. Neben den nach GoÄ abgerechneten Leistungen für die Operation des Grauen Stars bzw. des Linsenaustausches wird pro operiertem Auge zusätzlich die Leistungsziffer a5855 (Femtosekundenlaser-gesteuerte Keratotomie / Kapsulotomie) zum 2,5-fachen Satz in Rechnung gestellt. Der Betrag hierzu beläuft sich auf 1.005,46 € pro Auge. Hierzu kommen Sachkosten für Einmalartikel, die beim Einsatz des Lasers erforderlich sind, in Höhe von € 297,50 pro Auge. Die Erstattung der Vergütung dieser Leistung sowie der Sachkosten durch Erstattungsstellen ist möglicherweise nicht in vollem Umfang gewährleistet.“

Mit Schreiben vom 24.09.2015 erklärte die Beklagte grundsätzlich das Unterfallen der Operation unter den Versicherungsvertrag. Sie lehnte jedoch die Übernahme der Kosten für die veranschlagten Kosten des Femtosekundenlasers auf der Grundlage von Nr. 5855a weitestgehend ab und führte hierzu aus:

„Wir erkennen die Abrechnung des Lasereinsatzes an. Allerdings ersetzen wird die Nr. 5855 GOÄ gegen die Nr. 441 (67,49 €) GOÄ aufgrund der Empfehlung der Bundesärztekammer – veröffentlicht im Ärzteblatt 109, Heft 7 (17.02.2012). Die Anwendung des Femtolasers im Rahmen der Katarakt Operation stellt kein neues Operationsverfahren dar, die einen zusätzlichen analogen Ansatz im Sinne des § 6 Abs. 2 der GOÄ rechtfertigen würde. Für die Anwendung eines Lasers hat der Verordnungsgeber den Zuschlag nach der GOÄ Nr. 441 in das Gebührenverzeichnis aufgenommen. Diesen haben wir statt der Leistung nach der GOÄ Nr. 5855 als berechnungsfähig bzw. erstattungsfähig anerkannt.“

Auch im Zuge weiteren Schriftverkehrs, in welchem die Klägerin unter anderem eine „Bescheinigung zur Vorlage bei der Krankenversicherung“ des behandelnden Arztes vom 30.09.2015 (Bl. 6 ff. d.A.) – auf die hinsichtlich des Inhaltes vollumfänglich Bezug genommen wird – vorlegte, übernahm die Beklagte die Kostenzusage insoweit nicht. Von den in Rechnung gestellten Operationskosten verweigerte die Beklagte die Bezahlung von 1.875,92 € auch auf nochmalige schriftliche Aufforderung der Klägerin vom 15.01.2016, für welches die Klägerin eine 1,3 Geschäftsgebühr nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer begehrt. Die Verweigerung betraf die analog geltend gemachte GOÄ Nr. 5855, soweit diese nicht im Schreiben vom 24.09.2015 durch eine andere Gebührenziffer ersetzt worden war.

Die Klägerin hat vorgetragen, dass es sich bei der gewählten Operationsmethode um eine herkömmlichen Methoden überlegene Operationsmethode handele, die mit geringeren Verletzungen des Auges einherginge, und welche mit erheblichem Zusatzaufwand verbunden sei.

Die Klägerin hat erstinstanzlich mit der der Beklagten am 09.05.2016 zugestellten Klage sinngemäß beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.875,92 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.01.2016 sowie 255,85 € (vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, dass die abgerechneten Gebühren auf der Grundlage von GOÄ Nr. 5855 analog nach dem Zielleistungsprinzip nicht berechnungsfähig seien. Es handele sich beim Einsatz des Femtosekundenlasers nur um eine unselbständige Maßnahme, die erbracht werde, um das Ziel zu erreichen. Für den Einsatz des Lasers liege auch keine eigenständige Indikation vor. Die Indikation sei vielmehr identisch zu der abgerechneten und erstatteten Gebühren Nr. 1375 GOÄ, sodass eine Analogie ausscheide. Dies gelte auch vor dem Hintergrund, dass der Einsatz des Lasers dazu erfolge, um ein besseres Operationsergebnis bzw. eine optimale Zielleistung zu erreichen und sich der Arzt insoweit nicht mehr allein auf seine Augen, sein Gefühl, seine Fingerfertigkeit und Erfahrung verlasse. Vor dem Hintergrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei dies aber gerade keine eigenständige Indikation. Auch die Bundesärztekammer sehe nur den Zuschlag für den Einsatz eines Lasers nach GOÄ Nr. 441 als gebührenrechtlich ansatzfähig an. Die außergerichtlichen Rechtsverfolgungsgebühren stünden der sich selbst als Rechtsanwältin vertretenden Klägerin mangels Schadenseintritts nicht zu.

Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 31.10.2018 die Klage vollumfänglich abgewiesen. Es hat unter Auswertung der in anderen Urteilen mitgeteilten Ergebnissen der gutachterlichen Prüfung der Ansatzfähigkeit der Gebührenziffer 5855 der GOÄ analog die Auffassung vertreten, dass es sich beim Einsatz des Femtosekundenlasers lediglich um eine besondere Ausführung der nach Nr. 1375 der GOÄ abzurechnenden Operation handele. Es handele sich beim Lasereinsatz nicht um eine gesonderte Indikation. Die Voraussetzungen für eine Analogie fehlten, denn die GOÄ enthalte mit der Gebührenziffer 1375 bereits eine Ziffer, die die Zielleistung der operativen Behandlung des grauen Stars mit Linsenersatz abbilde. Dass der Einsatz des Lasers die Operation „sicherer und einfacher“ mache und einen gesundheitlichen Mehrwert für den Patienten aufweise, reiche nicht aus, da es sich lediglich um eine Optimierung der Zielleistung handele. Da durch den Laser zudem Operationsschritte in Gestalt der händischen Öffnung durch Anbringung der Schnitte am Auge ersetzt würden, liege auch keine im Verhältnis zur Gebührenziffer 1375 der GOÄ separate Behandlung vor, da die Eröffnung des Auges bei dieser gerade Teil der Leistung zur Zielerreichung sei. Schließlich stehe der Analogie auch die Aufnahme der Ziffer 441 entgegen. Mit dieser habe der Verordnungsgeber gerade auf den Einsatz von Lasern abgestellt. Dass der konkrete Laser damals noch nicht erfunden gewesen sei, ändere hieran nichts, da diese Gebührenziffer den Einsatz von Lasern – und damit auch des streitgegenständlichen Femtosekundenlasers – allgemein umfasse.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.

Sie macht geltend, aufgrund ihrer Erkrankung sei die Operation indiziert gewesen. Der Einsatz des Lasers habe sich als präzises und zielgenaues Hilfsmittel unter anderem wegen der Reduzierung der möglichen Infektionsrisikos aufgedrängt. Bei dem Einsatz des Lasers handele es sich um eine eigenständige Behandlungsmethode. Durch die erstinstanzliche Vorlage einer Bestätigung des Operateurs und der dortigen Darlegung der Wahl der Operationsmethode habe es der Beklagten oblegen, den Nachweis zu erbringen, dass der Einsatz des Lasers nicht notwendig gewesen sei. Das Amtsgericht habe zudem kein Gutachten über die Gebühren eingeholt, die Auseinandersetzung mit den in den im Urteil angeführten Ausführungen medizinischer Gutachter in anderen Verfahren sei nicht ausreichend.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils zu erkennen, wie erstinstanzlich beantragt.

Sie beantragt ferner sinngemäß, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung wegen Widersprüchen zu anderen Entscheidungen zuzulassen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Bezugnahme und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens. Sie ist der Auffassung, die Klägerin lege bereits nicht dar, warum in der Anwendung des Lasers eine selbständige ärztliche Leistung zu sehen sei, die über die Erreichung des operativen Zieles in Gestalt der Kataraktoperation hinausgehe.

II.

Die zulässige und auch im Übrigen in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung führt in der Sache nicht zum Erfolg.

Das Amtsgericht hat zutreffend entschieden; die hiergegen von der Berufung vorgebrachten Bedenken und Einwendungen verfangen nicht.

1. Soweit das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung den geltend gemachten Anspruch in der Hauptsache abgewiesen hat, bleibt die Berufung ohne Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 192 VVG in Verbindung mit den weitergehenden Vertragsbestimmungen der MB/KK und den Tarifbedingungen ihres Vertrages, wie sie aus der Anlage … hervorgehen, auf Zahlung von 1.875,92 €.

Voraussetzung für das Vorliegen eines weitergehenden Zahlungsanspruchs in der geltend gemachten Höhe ist, dass es sich bei der geltend gemachten Forderung um eine solche Aufwendung handelt, die unter den vereinbarten Umfang des Vertrages für eine medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit fällt. An einer Aufwendung im vorstehenden Sinne fehlt es vorliegend.

Der Leistungsanspruch des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer setzt einen entsprechenden wirksamen und fälligen Vergütungsanspruch des Behandlers oder sonstigen Leistungserbringers gegen den Patienten – hier also die Klägerin – voraus (BGH VersR 1998, 350; OLG Karlsruhe VersR 2007, 679 f.; OLG Hamm r+s 1999, 429; OLG Hamburg VersR 1997, 1258 [1259]; Bach/Moser/Kalis, Private Krankenversicherung, 5. Aufl. 2015, VVG § 192 Rn. 33). Daran fehlt es beispielsweise, wenn die Liquidation unvereinbar ist mit gebührenrechtlichen Bestimmungen wie der GOÄ, GOZ oder dem KHEntG (Langheid/Wandt/Kalis, 2. Aufl. 2017, VVG § 192 Rn. 19). So liegt der Fall hier.

Nach den vertraglichen Bestimmungen schuldet die Beklagte der Klägerin im Rahmen ambulanter Operationen bzw. der Abrechnung von Wahlleistungen nur und nur insoweit die Übernahme der Kosten, als diese nach der GOÄ berechenbar sind. Hierzu zählen auch diejenigen Positionen, die im Rahmen einer analogen Anwendung der Gebührenziffern der GOÄ ersatzfähig sind. Dies ist betreffend die hier streitgegenständlichen Positionen im Volumen von 1.875,92 €, die auf die analoge Anwendung der Ziffer 5855 der GOÄ gestützt werden, nicht der Fall, weil die Voraussetzungen für die Annahme einer analogen Anwendung auf der Grundlage des § 6 Abs. 2 GOÄ fehlen.

a. Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Einsatz eines Femtosekundenlasers im Rahmen der hier vorgenommenen Kataraktoperation keine ausdrückliche Regelung in einer der Gebührenziffern der GOÄ gefunden hat.

b. Grundvoraussetzung für eine gesonderte Abrechnung des Einsatzes des Femtosekundenlasers ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Einsatz der Navigationstechnik (BGH VersR 2010, 1042 ff.), dass es sich hierbei nach § 4 Abs. 2 Satz 1, § 6 Abs. 2 GOÄ um eine selbständige ärztliche Leistung handelt, wobei insoweit prinzipiell alle in der GOÄ beschriebenen Leistungen auch selbständige ärztliche Leistungen darstellen können (BGHZ 159, 142, 143). Dem Verordnungsgeber der GOÄ steht es dabei frei, anstelle einer Komplexgebühr mehrere einzelne Gebühren in der Abrechnung miteinander zu verbinden (BGH VersR 2010, 1042). Diese Möglichkeit des Verordnungsgebers kann aber nicht ohne weiteres auf andere Verrichtungen und Techniken übertragen werden, die dem Verordnungsgeber bei der Bewertung der in Rede stehenden Leistungen übertragen werden, denn damit würde die Selbständigkeit der ärztlichen Leistung als Voraussetzung für ihre Abrechenbarkeit und das Zielleistungsprinzip aufgegeben werden, nach welchem für eine Leistung, die Bestandteil oder besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, wegen § 4 Abs. 2a GOÄ eine Gebühr nicht berechnet werden kann (BGHZ 159, 142, 143 f; BGHZ 177, 43, 46 f Rn. 6; BGH VersR 2010, 1042).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist die Selbständigkeit einer ärztlichen Leistung danach zu beurteilen, ob für sie eine eigenständige medizinische Indikation besteht (BGHZ 159, 142, 145; BGH NJW-RR 2006, 919, 920 Rn. 10; NJW-RR 2007, 494, 497 Rn. 20). Nicht gesondert abrechenbar ist dabei insbesondere eine Leistung, deren Zweck darin besteht, beim Erreichen des Operationsziels benachbarte Strukturen zu schonen und nicht zu verletzen (BGH VersR 2010, 1042)

Die Anwendung der vorstehenden Grundsätze des Bundesgerichtshofes auf den vorliegenden Fall führen zu einer fehlenden Voraussetzung für die Analogiefähigkeit der Ziffer 5855 der GOÄ im Falle des Einsatzes eines Femtosekundenlasers bei der Kataraktoperation.

Wie aus den vorgelegten Honorarvereinbarungen zu entnehmen ist, handelt es sich um solche für „Kataraktoperation bzw. Linsenaustausch gemäß § 2 GOÄ“ mit den Diagnosen „Cataracta senilis incipiens, Hyperopie, Presbyopie“. Die Indikation liegt – wie sich ebenfalls aus der Vereinbarung ergibt – in der „Entfernung des Grauen Stars/Linsenaustausch“.

Damit ist die geschuldete Leistung des behandelnden Arztes eine Kataraktoperation.

Für die Durchführung einer Kataraktoperation hat der Verordnungsgeber mit der GOÄ jedoch grundsätzlich die Abrechnung nach Ziffer 1375 GOÄ – Extrakapsuläre Operation des Grauen Stars mittels gesteuerten Saug-Spül-Verfahrens oder Linsenkernverflüssigung (Phakoemulsifikation), gegebenenfalls einschließlich Iridektomie mit Implantation einer intraokularen Linse – vorgegeben. Eine ausdrückliche Beschreibung der Operationstechnik oder des Operationsablaufes ist dieser Ziffer nicht zu entnehmen.

Aus der eigenen Beschreibung des geplanten Behandlungsvorganges durch den behandelnden Arzt ergibt sich bereits, dass hier keine eigenständige Indikation vorliegt und lediglich ein Teil der ohnehin vorzunehmenden Schritte der Operation durch den Einsatz des Lasers ersetzt wird.

Der behandelnde Arzt führt in seiner Bescheinigung zur Vorlage bei der Krankenversicherung u.a. aus:

I. Behandlung mit dem Femtosekundenlaser […]

1. Behandlungsplan: […] Dieser umfasst die Größe, Form und Positionierung der geplanten Zugänge zur vorderen Augenkammer (1-2 Zugänge für Saug-Spülinstrumente und 1-2 Zugänge für Hilfsinstrumente) […] die Größe und Positionierung der Öffnung der vorderen Linsenkapsel; sowie die Größe und Positionierung der Lasereffekte im Inneren der Linse zum Aufweichen des Linsenkerns. […]

5. Laserbehandlung: Nach Positionierung und Prüfung sämtlicher geplanter Laserbehandlungen startet der Arzt die Laserbehandlung [..] und überwacht den Behandlungsablauf […].

II. Extrakapsuläre Operation des Grauen Stars […]

1. Eröffnung der Zugänge zur vorderen Augenkammer. Diese wurden durch den Femtosekundenlaser „vorgeschnitten“, sind jedoch noch nicht offen, sondern noch wasserdicht. Sie werden im ersten Schritt mittels eines stumpfen Spatels eröffnet. […]

3. Eröffnung der Linsenvorderkapsel (Kapsulorhexis). Die vom Femtosekundenlaser „vorgeschnittene“ vordere Kapsel der Augenlinse wird mittels Pinzette entfernt. […]

5 Verflüssigung (Phakoemulsifikation) des Linsenkerns und/oder Entfernung des Linsenkerns mittels Saug-Spül-Verfahren. Durch die Vorbehandlung mittels des Femtosekundenlasers wird der Kern „aufgeweicht“, was die Verflüssigung erleichtert. In einigen Fällen ist es möglich, aus die Anwendung von Ultraschall zur Phakoemulsifikation ganz zu verzichten. […]

Aus dieser Beschreibung wird deutlich, dass es sich nicht um zwei selbständige ärztliche Leistungen handelt. Der Einsatz des Femtosekundenlasers dient vielmehr nach der Beschreibung des behandelnden Arztes dazu, die anderenfalls notwendige Anbringung der Inzissionen mittels anderer Techniken – etwa von Hand mittels Skalpells oder durch Einsatz eines anderen Schneidverfahrens bspw. eines anderen Lasers – zu ersetzen, um damit überhaupt den Operationserfolg in Gestalt des Linsentausches zu ermöglichen. Eine besondere ärztliche Leistung liegt hierin nach den vorstehenden Grundsätzen des Bundesgerichtshofes nicht, vielmehr ist dies eine unselbständige Teilleistung der Zielleistung Kataraktoperiation (so auch OLG Naumburg, VersR 2019, 1345; LG Frankfurt VersR 2019, 1350). Selbiges gilt betreffend die Aufweichung des Linsenkerns.

c. Auch unter der Annahme zu Gunsten der Klägerin, dass ein Einsatz des Femtosekundenlasers im vorliegenden Fall medizinisch korrekt war und zu einer Minderung von Risiken oder anders gewendet zu einer Erhöhung der Operationssicherheit geführt hat, ergibt sich nichts anderes, denn dies ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht maßgeblich für die Frage der analogen Anwendbarkeit einer Gebührenziffer (BGH VersR 2010, 1042; OLG Naumburg VersR 2019, 1345).

d. Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum LASIK-Verfahren (BGH VersR 2017, 608 ff.). Die dort entschiedenen Fragen des Vorliegens einer Krankheit im Sinne des § 192 Abs. 1 VVG und des Verweises auf die Nutzung von Hilfsmitteln in Gestalt einer Brille anstelle der Durchführung einer Operation stellen sich hier nicht. Die Parteien gehen übereinstimmend vom Vorliegen einer Erkrankung aus, deren Operation medizinisch notwendig ist.

Die LASIK-Entscheidung enthält jedoch keine höchstrichterlichen Äußerungen dazu, wie im Falle der Operation selbige abzurechnen ist bzw. unter welchen rechtlichen Voraussetzungen die Anwendung des § 6 Abs. 2 GOÄ auf eine Kataraktoperation – unter Einsatz eines Femtosekundenlasers möglich ist.

e. Auch die Gebührenziffer 441 der GOÄ sowie die entsprechende Empfehlung der Bundesärztekammer (Deutsches Ärzteblatt 109, Heft 7 vom 17.02.2012) sprechen gegen die Eröffnung der Anwendungsvoraussetzungen der Analogie der Ziffer 5855 der GOÄ. Bereits in der Einleitung des Abschnittes C. VIII. der GOÄ heißt es unter „Allgemeine Bestimmungen“ wörtlich:

1. Bei ambulanter Durchführung von Operations- und Anästhesieleistungen in der Praxis niedergelassener Ärzte oder in Krankenhäusern können für die erforderliche Bereitstellung von Operationseinrichtungen und Einrichtungen zur Vor- und Nachsorge (z.B. Kosten für Operations- oder Aufwachräume oder Gebühren bzw. Kosten für wiederverwendbare Operationsmaterialien bzw. -gerate) Zuschläge berechnet werden.

Für die Anwendung eines Operationsmikroskops oder eines Lasers im Zusammenhang mit einer ambulanten operativen Leistung können Zuschläge berechnet werden, wenn die Anwendung eines Operationsmikroskops oder eines Lasers in der Leistungsbeschreibung der Gebührennummer für die operative Leistung nicht beinhaltet ist.

[..]

3. Die Zuschläge nach den Nummern 440, 441, […] sind operativen Leistungen […] – nach den Nummern […] 1375, […] in Abschnitt I, […] zuzuordnen.

Würde man – entgegen dieser Bestimmung – die analoge Anwendbarkeit der Ziffer 5855 auf die Kataraktoperation zulassen, setzte man sich gegen den ausdrücklich niedergelegten Willen des Verordnungsgebers. Die wesentliche Voraussetzung für die Bildung einer Analogie in Gestalt des Vorliegens einer Regelungslücke kann gerade vor dieser Anordnung, die eine Beschränkung auf bestimmte Lasertypen – was ohne weiteres möglich gewesen wäre – nicht vorsieht, nicht bejaht werden.

f. Die fehlende Möglichkeit der analogen Anwendung wird zudem gerade daraus ersichtlich, dass die ausdrückliche Anordnung in § 6 Abs. 2 GOA in Form einer „nach Art, Kosten und Zeitaufwand gleichwertige Leistung“ nicht erfüllt ist.

Die Ziffer 5855 befindet sich im Abschnitt O. der GOÄ, der überschrieben ist mit „Strahlendiagnostik, Nuklearmedizin, Magnetresonanztomographie und Strahlentherapie“ unter der Gruppierung 5. „Besonders aufwendige Bestrahlungstechniken“ und ist mit einem Wert von 6900 Punkten mit dem gleichen Satz bewertet, wie die Ziffer 5851, welche eine „Ganzkörperstrahlenbehandlung vor Knochenmarktransplantation – einschließlich Bestrahlungsplanung“ beinhaltet.

Die gesamte Operation am Grauen Star ist hingegen nach Ziffer 1375 GOÄ „Extrakapsuläre Operation des Grauen Stars mittels gesteuerten Saug-Spül-Verfahrens oder Linsenkernverflüssigung (Phakoemulsifikation) gegebenenfalls einschließlich Iridektomie mit Implantation einer intraokularen Linse“ mit nur 3500 Punkten bewertet.

Würde man die Laser(vor)behandlung analog der Ziffer 5855 als abrechenbar ansehen, wäre damit allein die Vorbehandlung knapp doppelt so hoch bepunktet, wie die eigentliche Operation.

Lediglich der Vollständigkeit halber ist zudem darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall sowohl die Ziffer 1375 der GOÄ mit dem Höchstsatz von 3,5 als auch die Ziffer 5855 analog mit dem Höchstsatz von 2,5 angesetzt wurden, § 5 GOÄ. Ob dies gerade im Hinblick auf den originären Anwendungsbereich der Ziffer 5855 im Bereich der Nuklearmedizin zutreffend sein kann, braucht die Kammer nicht zu entscheiden.

Da die Voraussetzungen einer Analogie nach § 6 Abs. 2 GOÄ bereits aus rechtlichen, von medizinischen Feststellungen unabhängigen Erwägungen nicht vorliegen, kann es dahinstehen, dass das Amtsgericht sich nicht der sachverständigen Beratung bedient hat, um die zwischen den Parteien umstrittene Frage des Einsatzes des Femtosekundenlasers als selbständige Leistung zu beantworten. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass hier eine über die Optimierung der Operationstechnik hinausgehende, eigenständige Indikation für den Einsatz des Femtosekundenlasers vorgelegen hätte, sodass eine Begutachtung medizinischer Fragen nicht veranlasst war.

An dem Ergebnis der fehlenden Analogievoraussetzungen ändert sich auch durch eine Berücksichtigung der Grundrechte des behandelnden Arztes – maßgeblich in Gestalt von Art. 12 GG – nichts. Den in diesem Zusammenhang anzustellenden Überlegungen, ob die Behandlung des Grauen Stars mit dem Femtosekundenlaser für die Fachärzte für Augenheilkunde wirtschaftlich lohnend ist und bleibt, wenn sie nicht höher als gemäß Ziffer 441 GOÄ mit 67,49 € pro Auge abgerechnet werden darf, ist nicht durch die Bildung von Analogien Rechnung zu tragen. Denn nach § 4 Abs. 3 und 4 GOÄ gelten die Gebühren alle Praxiskosten einschließlich der zur Anwendung gebrachten Apparate ab.

Vielmehr müssten zur Förderung des medizinischen Fortschritts zum Wohle der Patienten gegebenenfalls die Verordnung geändert und die Gebühren angemessen erhöht werden, damit weiterhin neue und unter Umständen gegenüber herkömmlichen Vorgehensweisen vorteilhafte Behandlungsmethoden entwickelt werden (vgl. hierzu BGHZ 159, 142).

2. Mangels Anspruchs in der Hauptsache stehen der Klägerin auch die geltend gemachten Nebenforderungen in Gestalt der Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten nicht zu.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 97 Abs. 1 ZPO betreffend die Kostentragung und §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit.

4. Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO, denn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage der erforderlichen Voraussetzungen der analogen Anwendung von Gebührenziffern der GOÄ ist durch die höchstrichterliche Rechtsprechung mit den unter 1. aufgeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes bereits geklärt. Auch liegt keine relevante Divergenz der vorliegenden Entscheidung mit anderen Entscheidungen im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO vor. Die vorliegende Entscheidung stimmt vielmehr mit den bislang ergangenen Entscheidungen der Berufungsgerichte in Gestalt des OLG Naumburg, VersR 2019, 1345; LG Frankfurt, VersR 2019, 1350; LG Heidelberg BeckRS 2019, 38521 und LG Duisburg, Urteil v. 31.10.2019 – 12 S 32/18 -, juris). Soweit andere Landgerichte abweichend entschieden haben, liegt keine Divergenz vor, denn diese gehen von anderen Obersätzen aus, als die vorgenannten Entscheidungen und dieses Urteil. Soweit Amtsgerichte die Rechtsfrage in der Vergangenheit anders beurteilt haben, stellt dies auch keinen Fall der Divergenz im Sinne der Vorschrift dar.

5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 48, 47 GKG.

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