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Lebensversicherungsvertrag – Auslegung Bezugsberechtigungsbestimmung

OLG Hamm – Az.: I-20 W 20/16 – Beschluss vom 13.05.2016

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Münster vom 09.03.2016 wird zurückgewiesen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Stufenklage auf Auskunft und Auszahlung von Versicherungsleistungen aus einer von ihrem verstorbenen Vater (fortan: Vater) bei der Antragsgegnerin gehaltenen Lebensversicherung.

Der damals 17-jährige Vater beantragte im Jahr 1988 den Abschluss der streitgegenständlichen Lebensversicherung. Im Antrag (Anl. K2, GA 8) heißt es wie folgt:

„Wer soll zum Bezug der Versicherungsleistung einschließlich Überschussanteil berechtigt sein? [ … ]

a) beim Tode des Versicherten

[ ] Versicherungsnehmer

[ ] Ehegatte des Versicherten im Zeitpunkt seines Ablebens

[ ] ____________________________

b) [ … ]“

Der Vater machte vor der Leerzeile ein Kreuzchen und ergänzte handschriftlich:

„Eltern, bei Heirat Ehegatte“

Im Versicherungsschein vom 25.08.1988 (Anl. K3, GA 9) heißt es zum Bezugsrecht u. a.:

„beim Tode der zuerst sterbenden versicherten Person DER EHEGATTE DES VERSICHERTEN IM ZEITPUNKT SEINES ABLEBENS“

Von 1996 bis 2000 war der Vater verheiratet. Die anschließend geborene, nicht aus dieser Ehe stammende Antragstellerin ist seine Tochter. Der Vater verstarb im Jahr 2013. Die Antragsgegnerin zahlte die Lebensversicherungssumme an dessen Eltern aus.

Das Landgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen, da die Einsetzung des zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht existenten Ehegatten bedingt auf den (Fort-)Bestand der Ehe gewesen sei und nach der Scheidung die ursprüngliche Einsetzung der Eltern wieder auflebe.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, der das Landgericht mit ergänzender Begründung nicht abgeholfen hat.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Auskunft und Zahlung, da sie nie Bezugsberechtigte geworden ist und sie wegen einer anderweitigen Bezugsrechtsbestimmung nicht als Erbin Anspruchsinhaberin geworden ist oder als Alleinerbin das Schenkungsversprechen ihres Vaters an seine Eltern rechtzeitig widerrufen hätte.

1. Die Bestimmung der Bezugsberechtigung durch den Versicherungsnehmer ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die auf den Zeitpunkt ihrer Abgabe abstellend aus Sicht des Versicherers als objektivem Empfänger gemäß §§ 133, 157, 242 BGB auszulegen ist (vgl. BGH, Urt. v. 22.07.2015, IV ZR 437/14, juris, Rn. 14 f. m. w. N., RuS 2015, 455; BGH, Urt. v. 14.02.2007, IV ZR 150/05, juris, Rn. 10, 12, RuS 2007, 332).

a) Gemessen daran steht vorliegend zunächst fest, dass Bezugsberechtigte nach der Scheidung im Jahre 2000 nicht die zwischenzeitliche Ehefrau des Vaters sein sollte. Denn der Vater brachte für einen Versicherer erkennbar zum Ausdruck, dass die Bezugsberechtigung des potentiellen Ehegatten nur für die Dauer der Ehe bestehen sollte. Auch wenn der Vater handschriftlich nur „bei Heirat Ehegatte“ einfügte, handelte es sich dabei bereits – anders als in den häufigeren Fällen einer Bezugsrechtsbestimmung während der Ehe und einer anschließenden Scheidung sowie Wiederheirat (vgl. BGH, Urt. v. 22.07.2015, IV ZR 437/14, juris, Rn. 14 f. m. w. N., RuS 2015, 455; BGH, Urt. v. 14.02.2007, IV ZR 150/05, juris, Rn. 11 f., RuS 2007, 332) – um eine aufschiebend bedingte Bezugsrechtbestimmung irgendeiner beliebigen und nicht bestimmten, namentlich bekannten, nur nicht mit dem Namen, sondern ihrer Funktion benannten Person.

Diese aufgeschobene Bedingung bei gleichzeitiger Benennung seiner Eltern als Bezugsberechtigte für den Fall keiner Heirat muss der objektive Empfänger weiter dahin verstehen, dass der Vater sich Gedanken über den (Fort-)Bestand der Ehe machte und die Bestimmung des Ehegatten zugleich auflösend auf die Scheidung bedingen wollte. Denn die Bezugsrechtsbestimmung knüpfte ausschließlich an die konkrete Funktion potentieller „Ehegatte“ an, die aufgrund einer Scheidung oder des Todes endet.

Dies ergibt sich – wenngleich nicht entscheidend – auch aus dem unmittelbaren Zusammenhang mit dem in der Zeile vor der handschriftlichen Bezugsrechtbestimmung vorgegebenen Text „Ehegatte des Versicherten im Zeitpunkt seines Ablebens“. Es ist für den objektiven Empfänger nicht erkennbar, dass der Vater mit seiner handschriftlichen Eintragung von dieser Vorgabe in zeitlicher Hinsicht abweichen wollte. Vielmehr erscheint es so, dass der Vater als Unverheirateter durch die Aufnahme der Eltern im ersten Schritt ausschließlich überhaupt einen Bezugsberechtigten bestimmen wollte.

Dies sind besondere Anhaltspunkte, die es erlauben, die Benennung des „Ehegatten“ als auflösend bedingt durch eine – wie hier – Scheidung oder sonstige Beendigung der Ehe anzusehen (vgl. BGH, Urt. v. 22.07.2015, IV ZR 437/14, juris, Rn. 9 m. w. N., RuS 2015, 455; BGH, Urt. v. 14.02.2007, IV ZR 150/05, juris, Rn. 14, RuS 2007, 332).

Entsprechend gehen auch Antragstellerin und Antragsgegnerin davon aus, dass jedenfalls nicht die vormalige Ehefrau des Vaters bezugsberechtigt gewesen ist.

b) Zugleich ergibt sich für einen objektiven Empfänger daraus aber nicht, dass die Bestimmung der Eltern mit einer Heirat endgültig entfallen sollte. Es gibt kein Anzeichen dafür, dass im Fall der Beendigung der Ehe nicht wieder die ursprünglich Benannten berechtigt sein sollten.

Etwas anders ergibt sich auch nicht aus dem vom Antrag abweichenden Versicherungsschein, der die Eltern des Vaters gar nicht mehr erwähnt. Denn zum einen handelt es sich bei der Bezugsrechtsbestimmung um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, so dass es nur auf den Antrag ankommt. Zum anderen wäre mangels aus dem Versicherungsschein ersichtlichen Hinweises im Sinne des § 5 Abs. 2 VVG in der damals gültigen Fassung der Vertrag entsprechend dem Antrag zustande gekommen (§ 5 Abs. 3 VVG in der damals gültigen Fassung).

b) Schließlich bestehen für den objektiven Empfänger der Bezugsrechtsbestimmungserklärung keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass im Fall der Beendigung der Ehe eine vierte Person – z. B. potentielle Kinder – bezugsberechtigt sein sollten.

2. Die Bezugsrechtsbestimmung bzw. konkret den Auftrag zur Weiterleitung des Angebots auf Abschluss des Schenkungsvertrages zugunsten der Eltern des Vaters konnte die Antragstellerin auch nicht mehr wirksam mit Schreiben vom 16.12.2015 (Anl. K10, GA 25) widerrufen. Denn abgesehen davon, dass sich der Widerruf nur auf die zwischenzeitliche Ehefrau des Vaters und nicht auf seine Eltern bezieht, war die Schenkung ausweislich des Schreibens der Antragsgegnerin vom 24.09.2014 (Anl. K6, GA 12) bereits im Jahre 2013 – und zwar unter Lebenden i. S. d. § 2301 Abs. 2 BGB – bewirkt worden, § 518 Abs. 2 BGB. Damit erfolgte der Widerruf nach Zugang des Angebotes und dessen konkludente Annahme zu spät, § 130 Abs. 1 S. 2 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 21.05.2008, IV ZR 238/06, juris, Rn. 19-22, RuS 2008, 384).

3. Einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe bedurfte es auch nicht vor dem Hintergrund, es handele sich um eine noch nicht geklärte Rechtsfrage. Denn die Auslegungsgrundsätze sind vom Bundesgerichtshof geklärt und die Auslegung der handschriftlichen Erklärung des Vaters zur Bezugsrechtsbestimmung betrifft einen Einzelfall.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO).

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