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Lebensversicherung – Verschweigen einer rheumatischen Erkrankung – Anfechtung

OLG Oldenburg – Az.: 5 U 89/12 – Urteil vom 12.12.2012

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden der Klägerin auferlegt.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um einen Anspruch aus einem Lebensversicherungsvertrag.

Der am … geborene Ehemann der Klägerin erkrankte 1977 an einem rheumatischen Fieber. In der Zeit ab 1997 suchte er mehrfach seinen Hausarzt Dr. … auf. Außerdem stellte er sich im Frühjahr 2002 beim Kardiologen Dr. … vor.

Im Dezember 2004 beantragte er bei der Beklagten den Abschluss einer Lebensversicherung mit einer Versicherungssumme von 200.000,- € sowie einer jährlichen Erhöhung um 3 %. Bezugsberechtigte im Todesfall sollte seine Ehefrau sein. Im Versicherungsantrag vom 10.11.2004 ließ er die Fragen 2.4 bis 2.7 zu seinem Gesundheitszustand unbeantwortet. Alle weiteren Gesundheitsfragen verneinte er. Wegen der Unvollständigkeit der Angaben übersandte die Beklagte ihm einen Vordruck „Gesundheitserklärung“, den der Ehemann der Klägerin unter dem 13.12.2004 ergänzte. Dieser Vordruck enthält unter 1.2 folgende Frage:

„Sind Sie in den letzten 5 Jahren untersucht, beraten oder behandelt worden (z.B. Herz oder Kreislauf, Bluthochdruck, Atmungs-, Verdauungs-, Stoffwechsel-, Harn- oder Geschlechtsorgane, Leber, Rückenmark, Drüsen, Milz, Blut, Zuckerkrankheit, Fettstoffwechselstörungen, Gicht, Geschwulste, Augen, Ohren, Haut, Knochen, Muskeln, Gelenke, Wirbelsäule, Rheumatismus, Verspannungen, Rückenschmerzen, Nerven, Gehirn, Geist, Gemüt, Depressionen, Infektionskrankheiten, Tuberkulose, Allergien)? Wann, weshalb, von wem? Eine Behandlung wegen einer Erkältungskrankheit ist nicht anzugeben.“

Diese Frage beantwortete der Ehemann mit ja und fügte den Zusatz „J. E …, Hausarzt, allgemeiner Gesundheitscheck“ an. Die weiteren Gesundheitsfragen beantwortete er mit Ausnahme einer Fehlsichtigkeit wiederum mit nein. Die Beklagte nahm den Antrag mit Schreiben vom 21.12.2004 an.

Lebensversicherung – Verschweigen einer rheumatischen Erkrankung - Anfechtung
Symbolfoto: Von Tirachard Kumtanom /Shutterstock.com

Am 27.02.2011 verstarb der Ehemann der Klägerin. Nach Einholung von Auskünften seiner behandelnden Ärzte focht die Beklagte den Vertragsschluss mit Schreiben vom 17.06.2011 wegen arglistiger Täuschung an. Zur Begründung führte sie aus, der Ehemann der Klägerin sei in den letzten 5 Jahren vor Antragstellung wiederholt wegen eines Zustandes nach rheumatischem Fieber, Polyarthralgien und einer post-rheumatischen Aortenklappensklerose in Behandlung gewesen. Bei Offenbarung dieser Erkrankungen habe sie den Versicherungsvertrag nicht in der vorliegenden Form abgeschlossen. Mit Schriftsatz vom 22.03.2012 wiederholte sie die Anfechtung unter Hinweis auf einen ärztlicherseits festgestellten und ebenfalls nicht angezeigten Bluthochdruck des Verstorbenen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich behauptet, ihr Ehemann habe keine Täuschung begangen. Er habe die Frage 1.2 im Vordruck „Gesundheitserklärung“ bejaht und seinen Hausarzt benannt, weil dieser Kenntnis über etwaige Erkrankungen und deren Anzeigepflichtigkeit gehabt habe. Bei der Antragsaufnahme habe ihr Mann den Versicherungsmakler, Herrn W., gefragt, ob alle Erkrankungen anzuzeigen seien, worauf dieser geantwortet habe, das Beste und Sicherste sei die Angabe des Hausarztes. Ihr Mann habe noch zu ihr gesagt, er könne doch nicht wissen, wann er welchen Blutdruck gehabt habe oder ob sein Cholesterinspiegel erhöht gewesen sei. Auch habe er in den letzten 5 Jahren vor Antragstellung keine schwerwiegenden gesundheitlichen Probleme gehabt. Das in der Kindheit aufgetretene rheumatische Fieber habe im Erwachsenenalter keine Beschwerden verursacht. Der Besuch beim Kardiologen im Jahre 2002 sei eine Routineuntersuchung gewesen. Anlass seien Beschwerden im Brustbereich gewesen, die durch persönlichen Stress verursacht worden seien. Eine als problematisch anzusehende Diagnose sei nicht gestellt, zumindest ihrem Mann nicht mitgeteilt worden. Auch bei ausführlicheren Angaben hätte die Beklagte den Antrag angenommen.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 234.666,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.06.2011 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, aufgrund des rheumatischen Fiebers habe der Ehemann der Klägerin an einer ihm bekannten Aortenklappeninsuffizienz 2. bis 3. Grades und an einer entzündlichen Erkrankung der Gelenke gelitten. Deshalb sei er mehrfach in ärztlicher Behandlung bei seinem Hausarzt Dr. E … und dem Kardiologen Dr. … gewesen. Wegen der Erkrankung sei ihm das Rheumamittel Decortin 50 verschrieben worden, so noch am 11.11.2004. Auch von der postrheumatischen Aortenklappensklerose habe er bei Antragstellung gewusst. Dass er statt dieser Krankheitsbilder nur einen allgemeinen Gesundheitscheck und eine geringe Fehlsichtigkeit offenbart habe, rechtfertige den Schluss auf ein arglistiges Verhalten. Bei Angabe der Erkrankungen wäre der Vertrag nur mit einem erheblichen Risikoaufschlag geschlossen worden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Versicherungsvertrag sei durch die Beklagte wirksam wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB angefochten worden. In der vom Ehemann der Klägerin unter dem 13.12.2004 ausgefüllten Gesundheitserklärung sei die Frage nach ärztlichen Untersuchungen, Beratungen oder Behandlungen während der letzten 5 Jahre bejaht und damit zunächst nicht unrichtig beantwortet worden. Der Kläger habe jedoch darüber hinaus angeben müssen, dass er an einem Zustand nach rheumatischem Fieber litt und wegen dieser Krankheit innerhalb der letzten 5 Jahre in ärztlicher Behandlung war. Nach Durchführung der Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen Dr. E. stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Diagnose „Zustand nach rheumatischem Fieber“ nicht nur die Beschreibung einer vor langer Zeit, außerhalb des relevanten Zeitraums durchgemachten Erkrankung gewesen sei, sondern, dass es sich hierbei um einen Zustand im Sinne einer aktuell bestehenden Beeinträchtigung gehandelt habe. Der Zeuge habe glaubhaft ausgesagt, sein Patient sei in den Jahren 1999 bis 2004 immer wieder einmal wegen der Folgen des rheumatischen Fiebers bei ihm in Behandlung gewesen. Dabei habe er mehrfach Kortisonpräparate erhalten. Der Ehemann der Klägerin habe auch um das Beschwerdebild gewusst, da er in den fraglichen Fällen in der Praxis erschienen sei und gesagt habe, er habe „das“ wieder. Daraus ergebe sich, dass der Ehemann der Klägerin an Beschwerden nicht ohne Relevanz gelitten und Medikamente zur Behandlung dieser Krankheit verordnet bekommen habe. Weiter habe der Ehemann der Klägerin eine unstreitig stattgefundene kardiologische Untersuchung durch Herrn Dr. S. im Jahre 2002 nicht offenbart. Die unrichtigen bzw. unvollständigen Angaben seien in Täuschungsabsicht gemacht worden. Hierauf sei mit ausreichender Sicherheit zu schließen, da der Versicherungsnehmer schwere oder chronische Beeinträchtigungen verschwiegen habe, während er einen allgemeinen Gesundheitscheck sowie eine geringfügige Fehlsichtigkeit offenbart habe. Die vom behandelnden Arzt auf das rheumatische Fieber zurückgeführten Beeinträchtigungen seien in der Zeit vor der Antragstellung immer wieder aufgetreten. Die Auswirkungen seien damit chronisch gewesen und hätten im Fall ihres Auftretens ein Ausmaß gehabt, das einer Behandlung mit stärkeren Medikamenten bedurfte. Dies habe der Ehemann der Klägerin nicht offengelegt, sondern vielmehr durch die gemachten Angaben den Eindruck erweckt, dass es außer einer Fehlsichtigkeit keine relevanten Befunde gebe. Durch die Anmerkung des allgemeinen Gesundheitschecks werde bei einem unbefangenen Erklärungsempfänger die Gewissheit erzeugt, Untersuchungen seien ohne Befund geblieben. Dies belege die Arglistigkeit des Verhaltens. Auf eine Falschberatung in diesem Zusammenhang durch den Zeugen W. könne sich die Klägerin nicht berufen. Dieser habe ihrem Ehemann entgegen ihrer Darstellung nicht dazu geraten, in dem Antrag auf den Hausarzt zu verweisen, sondern sich bei diesem nach offenbarungspflichtigen Umständen zu erkundigen.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt. Zur Begründung führt sie an, es fehle bereits an einer Täuschung. In der Gesundheitserklärung vom 13.12.2004 sei die Frage nach Behandlungen in den letzten 5 Jahren zutreffend und wahrheitsgemäß beantwortet worden. Aus dem Zusatz „J. E …, Hausarzt, allgem. Gesundheitscheck“ ziehe das Landgericht unzutreffende Schlüsse, wenn es hierin ein Indiz für arglistiges Verhalten erblicke. Tatsächlich habe der Versicherungsnehmer lediglich darauf hinweisen wollen, dass er vor kurzer Zeit allgemein ärztlich untersucht worden sei. Hierbei seien keine aus seiner Sicht offenbarungspflichtigen Leiden oder Erkrankungen festgestellt worden. Gleichwohl habe er dem Versicherer durch die Angabe des Hausarztes die Möglichkeit der Nachfrage geben wollen. In diesem Sinne habe er auch den Zeugen W. als seinen Versicherungsmakler verstanden. Sofern der Versicherungsnehmer tatsächlich vorgehabt habe, zu täuschen, so hätte er die Frage schlichtweg falsch beantworten können. Die objektiven Umstände ließen auch deshalb keinen Rückschluss auf Arglist zu, da diese in subjektiver Hinsicht voraussetze, dass der Versicherungsnehmer erkenne und zumindest billige, dass der Versicherer seinen Antrag bei Kenntnis des wahren Sachverhalts nicht oder nur zu anderen Konditionen annehmen werde. Hiervon könne gegebenenfalls ausgegangen werden, wenn der Versicherungsnehmer schwere, chronische, schadensgeneigte oder immer wieder auftretende zahlreiche bzw. dauerhafte gesundheitliche Beeinträchtigungen verschweige oder solche, die zu erheblichen Einschränkungen seines Alltags führten. Dagegen könne beim Verschweigen leichterer Erkrankungen oder solcher, die dem Versicherungsnehmer als leichter erschienen, nicht auf Arglist geschlossen werden. Den Zustand nach rheumatischem Fieber habe der Ehemann der Klägerin als in diesem Sinne unproblematisch angesehen. Selbst in seinem privaten Umfeld hätten nahe Angehörige von dieser in der Jugend ausgestandenen Erkrankung nichts gewusst. Die im fraglichen Zeitraum nur dreimal aufgetretenen Gelenkbeschwerden seien nicht sicher auf ein rheumatisches Fieber zurückzuführen und durch eine Spritze oder entzündungshemmende Tabletten leicht zu behandeln gewesen. Die Beschwerden seien jeweils innerhalb kurzer Zeit abgeklungen. Sie seien damit weder schwer noch chronisch oder schadensgeneigt gewesen. Erst recht hätten sie nicht zu erheblichen Einschränkungen im Alltag des Versicherungsnehmers geführt. Das habe auch der Zeuge E … eindringlich geschildert. Die Erkrankung des Versicherungsnehmers sei damit zum einen leicht gewesen, sie sei von ihrem Ehemann aber jedenfalls so eingeschätzt worden.

Die Klägerin beantragt, abändernd die Beklagte zu verurteilen, an sie 234.666,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.06.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Der Senat hat ergänzend Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen S … . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.11.2012

II.

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat mit rechtsfehlerfreien Erwägungen angenommen, der verstorbene Ehemann der Klägerin habe bei Beantragung des Versicherungsschutzes arglistig über seinen Gesundheitszustand getäuscht (dazu unter 1.). Diese Täuschung ist für den Abschluss des Versicherungsvertrages ursächlich gewesen (dazu unter 2.). Die Beklagte war daher zur Anfechtung ihrer Annahmeerklärung gemäß § 123 BGB berechtigt, weshalb sich der Vertrag gemäß § 142 BGB als nichtig erweist und ein Anspruch auf die Versicherungsleistung nicht besteht.

1.

Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, der verstorbene Versicherungsnehmer habe in den Antragsformularen unzutreffende Angaben zu seinem Gesundheitszustand gemacht und die Beklagte dadurch arglistig getäuscht.

Unzutreffend ist zunächst die im ursprünglichen Versicherungsantrag vom 10.11.2004 gegebene Auskunft (Anlage zum Protokoll erster Instanz, Bl. 109 d.A.). In dieser hat der Ehemann der Klägerin jegliche Untersuchung, Beratung oder Behandlung in den letzten fünf Jahren wegen etwaiger Erkrankungen verneint.

Aber auch die Gesundheitserklärung des Versicherten vom 13.12.2004 (Bl. 42 f.) ist objektiv unzutreffend ausgefüllt worden. Zwar hat der Versicherungsnehmer dort die Gesundheitsfrage 1.2 bejaht, nicht jedoch die Beschwerden als solche benannt. Nach der Systematik des Fragebogens wäre eine solche Widergabe von Einzelheiten bezüglich der Untersuchungen, Beratungen oder Behandlungen auf Seite 2 des Vordrucks jedoch angezeigt gewesen. Statt diese Einzelheiten aufzuführen hat der Versicherungsnehmer unmittelbar bei der Frage 1.2 des Vordrucks seinen Hausarzt benannt und erläuternd vermerkt „allgem. Gesundheitscheck“. Indem er Einzelheiten zu den stattgehabten Untersuchungen nicht offenbart, sondern stattdessen den Begriff des „Gesundheitschecks“ verwandt hat, hat er für einen objektiven Empfänger in der Position der Beklagten suggeriert, es habe lediglich ein anlassloser Kontrolltermin ohne jeglichen krankhaften Befund stattgefunden. Dieser Eindruck wird noch verstärkt durch den ursprünglichen Antrag vom 10.11.2004, in dem – wie schon ausgeführt – jegliche Untersuchung, Beratung oder Behandlung verneint worden ist.

Diese Darstellung entsprach nicht dem tatsächlichen Verlauf. Der Ehemann der Klägerin hatte sich in den Jahren vor Antragstellung wiederholt wegen Beschwerden bei seinem Hausarzt vorgestellt. Aus der vom Zeugen Dr. E … in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht überreichten Behandlungsdokumentation ergeben sich Arztbesuche unter anderem für den 22.02.2000 wegen Polyarthralgien, also meist chronischer Schmerzen mehrerer Gelenke, für den 31.10.2002 und den 28.02.2003 wegen der Verabreichung des Medikaments Dexametason per Spritze, für den 21.01.2003 wegen eines Zustandes nach rheumatischem Fieber, für den 17.09.2003 wiederum wegen eines Zustandes nach rheumatischem Fieber einhergehend mit Schultergelenksschmerzen und sowohl für den 13.11.2003 wie auch den 11.11.2004 wegen der Gabe des Kortisonpräparats Decortin H 50. Daneben suchte der Versicherungsnehmer Herrn Dr. E … ausweislich dessen Dokumentation am 17.09.2003, 13.09.2004 und 11.11.2004 wegen eines allergischen Schnupfens auf. Schließlich hatte sich der Ehemann der Klägerin im Frühjahr 2002 durch den Kardiologen Dr. S … untersuchen lassen. Die Gesundheitsfrage ist damit in der Gesamtheit unzutreffend beantwortet, auch wenn der Ehemann der Klägerin die Frage mit „ja“ beantwortet hat.

Mit rechtsfehlerfreien Erwägungen ist das Landgericht weiter zu dem Ergebnis gekommen, dass dies arglistig geschehen ist.

Insoweit ist zunächst anzumerken, dass Arglist im Sinne des § 123 BGB keine Absicht oder gar Schädigungsabsicht voraussetzt. Mit der Berufung auf ein arglistiges Verhalten ist folglich nicht automatisch der Vorwurf des betrügerischen Vorgehens verbunden. Ausreichend ist vielmehr bedingter Vorsatz, bei dem der Handelnde die Unrichtigkeit seiner Erklärung kennen oder für möglich halten und das Bewusstsein haben muss, dass der Versicherer seinen Antrag möglicherweise nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen werde, wenn er die Wahrheit offenbare (Münchener Kommentar, VVG, Müller-Frank, § 22, Rn. 22-24). Der notwendige Rückschluss auf diese innere Willenshaltung des Antragstellers erfolgt aufgrund einer Würdigung der Gesamtheit aller Umstände, insbesondere von Indizien, die allein oder in der Gesamtschau die Annahme von Arglist zulassen (Münchener Kommentar, VVG, Müller-Frank, § 22, Rn. 25).

Hierzu hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, dass allein die falsche Beantwortung der Gesundheitsfragen nicht den Schluss auf ein arglistiges Verhalten des Versicherungsnehmers zulasse. Zu Recht hat es aber weiter festgestellt, dass der Mann der Klägerin in den hier entscheidenden 5 Jahren vor der Antragstellung unter Beschwerden litt, die jedenfalls nach Einschätzung seines behandelnden Hausarztes auf das im Kindesalter durchgemachte rheumatische Fieber zurückzuführen waren. Dazu hat sich die Einzelrichterin auf das Zeugnis des Hausarztes Dr. E … gestützt. Nach dessen Schilderung befand sich der Verstorbene in der Zeit von 1997 bis Ende 2004 immer wieder einmal wegen Fieber, Gelenkbeschwerden, Schwellungen und einem allgemein schlechten Gefühl in ärztlicher Behandlung. Ihm sei dann Dexametason gespritzt oder das Medikament Decortin H 50 verabreicht worden.

Aus diesen Angaben hat das Landgericht in nicht zu beanstandender Weise gefolgert, der Ehemann der Klägerin habe an Beschwerden nicht ohne Relevanz gelitten, zu deren Linderung er Medikamente verschrieben bekommen habe. Es begegnet daher keinen durchgreifenden Bedenken, dass das Landgericht bereits die Schwere der verschwiegenen Erkrankung als Indiz für die Arglist angesehen hat. Art und Gewicht des nicht offenbarten Leidens sind die stärksten Indizien für ein arglistiges Verhalten des Versicherten (Münchener Kommentar, VVG, Müller-Frank, § 22, Rn. 25).

Selbst wenn man jedoch wie die Berufung das Gewicht der Erkrankung gering einschätzt, da die Beschwerden nur in großen zeitlichen Abständen auftraten, unter entsprechender Medikation jeweils nach kurzer Zeit abklangen und den Ehemann der Klägerin in seiner Lebensführung nicht nachhaltig einschränkten, spricht ein weiterer gewichtiger Umstand für dessen arglistiges Verhalten. So kann insbesondere die Angabe vergleichsweise harmloser oder lange zurückliegender Vorerkrankungen oder Routineuntersuchungen ohne Befund bei Verschweigen gewichtigerer Beschwerden und deshalb erfolgter zeitnaher Behandlungen den Schluss auf Arglist rechtfertigen (Münchener Kommentar, VVG, Müller-Frank, § 22, Rn. 25). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Mit dem Hinweis auf den allgemeinen Gesundheitscheck hat der Versicherungsnehmer wie bereits dargelegt suggeriert, bei ihm seien keine Erkrankungen aufgetreten und auch im Rahmen eines Gesundheitschecks nicht festgestellt worden. Dieser Gesundheitscheck ist nach Aussage des Zeugen Dr. E … im November 2003 durchgeführt worden. Die Ergebnisse der Laboruntersuchung der Blutprobe sind in dessen Dokumentation für den 05.11.2003 festgehalten. Die Untersuchung hat damit etwa ein Jahr vor der Antragstellung stattgefunden. Zugleich hat der Versicherte die später erfolgten Behandlungen wegen akuter Beschwerden am 13.11.2003 und 11.11.2004 verschwiegen. Dies ist vom Landgericht in nicht zu beanstandender Weise als Indiz für ein arglistiges Vorgehen gewertet worden.

Der Annahme von Arglist steht schließlich nicht entgegen, dass der Ehemann der Klägerin seinen Hausarzt in der Erklärung vom 13.12.2004 benannt hat. Die Berufung vertritt hierzu die Ansicht, dies sei ein Beleg für die Redlichkeit des Versicherungsnehmers. Habe dieser täuschen wollen, so habe er die Frage 1.2 in der Gesundheitserklärung schlicht mit „nein“ beantworten können. Ein solcher Rückschluss ist jedoch jedenfalls in den Fällen nicht zwingend, in denen der Versicherte zwar seinen Hausarzt benennt, sich nach der Gesamtheit seiner Antworten jedoch als gesund darstellt und dem Versicherer damit keinerlei Anlass gibt, Nachforschungen beim Arzt anzustellen (BGH VersR 2001, 620 ff.).

Die Beweiswürdigung des Landgerichts, wonach der Ehemann der Klägerin die unzutreffenden Angaben in der Gesundheitserklärung arglistig gemacht hat, erweist sich damit als frei von Rechtsfehlern.

2.

Die Täuschung ist für den Abschluss des Versicherungsvertrages auch ursächlich geworden. Die Beklagte hätte bei Angabe der Gelenkbeschwerden nach rheumatischem Fieber den Vertrag allenfalls mit einem erheblichen Risikozuschlag policiert. Davon ist der Senat nach dem Ergebnis der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme überzeugt.

Der hierzu vernommene Zeuge S … hat ausgeführt, er arbeite als Gruppenleiter der Risikoeinschätzung bei der Beklagten. Die Risikoeinschätzung, die zur Festsetzung von Zuschlägen oder auch zur Ablehnung des Versicherungsantrages führe, folge Vorgaben des Rückversicherers. Die  Vorgaben seien bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung in verbindlichen Manualen durch den Rückversicherer zur Verfügung gestellt worden. Für ein rheumatisches Fieber sei darin eine Mehrsterblichkeit von 50 % vorgesehen, für die ebenfalls vorliegende leichte Aortenklappeninsuffizienz eine von 150 %. Beide Erkrankungen zusammen rechtfertigten damit schon eine Mehrsterblichkeit von 200 %. Der daneben vorliegende Bluthochdruck werde nochmals mit einer Mehrsterblichkeit von 100 % bewertet. Bei Kenntnis all dieser Umstände hätte er seinerzeit den Abschluss einer Versicherung wahrscheinlich abgelehnt, weil eine Grenze von 250 % überschritten gewesen sei. Das hänge jedoch etwas davon ab, welcher Sachbearbeiter mit der Antragsbearbeitung befasst sei. Im Nachhinein habe man dem für die Beklagte tätigen Vertragsarzt die gesundheitlichen Beschwerden des Ehemannes der Klägerin mitgeteilt, der insgesamt eine Mehrsterblichkeit von 200 % angenommen habe. Diese unterstellt hätte man den Vertrag seinerzeit nur gegen einen Risikozuschlag von rund 900,- € pro Jahr geschlossen. Auch das rheumatische Fieber für sich genommen hätte sicher zu einem Risikoaufschlag geführt, auch wenn er diesen nicht beziffern könne. Anders wäre die Sache nur zu behandeln gewesen, wenn die Fiebererkrankung tatsächlich 30 Jahre keine Behandlung erfordert hätte. Im vorliegenden Fall seien jedoch noch kurz vor der Antragstellung Behandlungen erfolgt.

Diese Darstellung des Zeugen ist glaubhaft. Er hat plausibel und widerspruchsfrei darlegen können, wie die Bemessung von Risikozuschlägen nach allgemein verbindlichen Vorgaben des Rückversicherers unabhängig vom Einzelfall erfolgt. Der Senat hat daher keinen Zweifel, dass auch im Fall des Ehemannes der Klägerin nach diesen Vorgaben verfahren worden wäre. Diese hätten allein aufgrund des Zustandes nach rheumatischem Fieber einen Aufschlag ausgelöst. Dabei spielt es nach der auch insoweit überzeugenden Darstellung des Zeugen keine Rolle, dass die eigentliche Fiebererkrankung viele Jahre zurück lag und es sich nicht um ein akutes Fieber, sondern lediglich um einen Zustand nach rheumatischem Fieber handelte. Auch dieser war jedenfalls hier relevant, da der Versicherungsnehmer noch unmittelbar vor der Antragstellung wegen der daraus resultierenden Folgen in ärztlicher Behandlung war.

3.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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