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Lebensversicherung: Sicherungsbedarfs des Versicherers bei der Auszahlung von Leistungen

LG Stuttgart, Az.: 16 O 157/17

Urteil vom 20.12.2017

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger die Hälfte der auf seinen bei der Beklagten gehaltenen Lebensversicherungsvertrag Nr. … zum Stichtag 01.11.2014 entfallenden Bewertungsreserven (Überschussbeteiligung) auszubezahlen, wie sich diese ohne Annahme eines Sicherungsbedarfs der Beklagten berechnen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 7.440,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage, ob die Beklagte dem Kläger bei der Auszahlung der Leistungen aus dem zwischen den Parteien bestehenden Lebensversicherungsvertrag einen Sicherungsbedarf entgegenhalten kann.

Lebensversicherung: Sicherungsbedarfs des Versicherers bei der Auszahlung von Leistungen
Symbolfoto: Jakub Jirsak/Bigstock

Der Kläger schloss bei der Beklagten im Jahr 1987 eine kapitalbildende Lebensversicherung mit zusätzlich jährlich abnehmender Kapitalleistung im Todesfall ab. Die Versicherung endete zum 01.11.2014. Die Beklagte rechnete mit Schreiben vom 22.09.2014 (Anl. K2; Bl. 14 d.A.) den Versicherungsvertrag ab und zahlte an den Kläger einen Gesamtbetrag i.H.v. 102.395,39 € aus. Dieser Betrag setzte sich aus einem Garantiekapital i.H.v. 70.358,00 € und einer garantierten Überschussbeteiligung i.H.v. 32.037,39 € zusammen. In dieser Überschussbeteiligung waren Schlussüberschussanteile i.H.v. 1.714,39 € sowie eine Beteiligung an den Bewertungsreserven i.H.v. 6.388,00 € enthalten.

Da die Beklagte noch in der Standmitteilung vom 26.09.2010 Schlussüberschussanteile i.H.v. 6.096,11 € sowie eine Beteiligung an den Bewertungsreserven i.H.v. 11.310,04 € ausgewiesen hatte, setzte sich der Kläger mit der Beklagten in Verbindung, um die Gründe für die erfolgte Kürzung zu erfahren. Die Beklagte antwortete dem Kläger mit Schreiben vom 28.10.2014 (Anl. K4; Bl. 18 d.A.) und teilte ihm insbesondere mit, dass durch das am 07.08.2014 in Kraft getretene Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) die Beteiligungen an den Bewertungsreserven begrenzt wurden. Sie wies den Kläger darauf hin, dass Lebensversicherer an ausscheidende Kunden aufgrund der gesetzlichen Neuregelung nur noch die Bewertungsreserven auf festverzinsliche Anlagen auszahlen dürfen, die den so genannten Sicherungsbedarf übersteigen. Mit Schreiben vom 26.11.2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie ihm keine detaillierte Aufstellung sowie keine Verlaufsdarstellung zu dem Bewertungsreserven zukommen lassen könne (Anl. K8; Bl. 26 d.A.).

Der Kläger wandte sich im Folgenden sowohl an den Versicherungsombudsmann als auch an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und bat jeweils um eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der Vorgehensweise der Beklagten. Der Versicherungsombudsmann teilte dem Kläger mit Schreiben vom 23.12.2015 (Anl. K11; Bl. 31 d.A.) mit, die Frage, ob ein Sicherungsbedarf bei der Beklagten bestünde, könne er als Versicherungsombudsmann nicht prüfen, da dies zur Zuständigkeit der BaFin gehöre. Die BaFin teilte dem Kläger mit Schreiben vom 29.07.2015 (Anl. K12; Bl. 34 d.A.) und vom 28.08.2015 (Anl. K14; Bl. 41 d.A.) mit, dass die Ausführungen der Beklagten aufsichtsrechtlich nicht zu beanstanden seien. Zur Begründung verwies sie darauf, dass die Versicherungsunternehmen seit dem Inkrafttreten des LVRG verpflichtet seien, den Sicherungsbedarf bei der Bewertungsreservenbeteiligung zu berücksichtigen. Bei einem bestehenden Sicherungsbedarf werde dabei nicht nur die Beteiligung der Versicherungsnehmer an den Bewertungsreserven aus festverzinslichen Anlagen und Zinsabsicherungsgeschäften sondern – und zwar unabhängig davon – auch die Dividendenausschüttung an die Aktionäre gekürzt. Diese so genannte Ausschüttungssperre stelle einen Beitrag der Anteilseigner zur Sicherung und Stabilität des Lebensversicherungsunternehmens dar. Die Ausschüttungssperre greife allerdings nicht, wenn das Lebensversicherungsunternehmen zu einer Muttergesellschaft gehöre und mit ihr einen Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen habe. Dies sei dadurch gerechtfertigt, dass bei Bestehen eines Gewinnabführungsvertrags das empfangende Unternehmen im Gegenzug – anders als dies bei Aktionären der Fall sei – auch zwingend verpflichtet sei, etwaige Verluste bei dem Lebensversicherungsunternehmen zu übernehmen.

Der Kläger trägt vor, im Jahr 2014 seien trotz des von der Beklagten angeführten Sicherungsbedarfs Dividenden an Aktionäre ausgeschüttet worden.

Er ist der Ansicht, bei der Beklagten habe kein Sicherungsbedarf bestanden, den diese ihm entgegenhalten dürfe. Dies folge schon aus dem mit der Konzernmutter geschlossenen Gewinnabführungsvertrag. Wegen § 302 AktG habe die Konzernmutter für jeden während der Vertragsdauer entstehenden Jahresfehlbetrag einzustehen. Da aber die Konzernmutter deshalb für die Beklagte hafte, könne bei dieser von vornherein kein Sicherungsbedarf bestehen. Außerdem hätte die Beklagte im Falle des Bestehens eines entsprechenden Sicherungsbedarfs auch wegen § 56a Abs. 2 S. 3 VAG a.F. an die Aktionäre keine Gewinnanteile ausschütten dürfen.

Der Kläger beantragt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn die Hälfte der auf seinen bei der Beklagten gehaltenen Lebensversicherungsvertrag Nr. … zum Stichtag 01.11.2014 entfallenden Bewertungsreserven (Überschussbeteiligung) auszubezahlen, wie sich diese ohne Annahme eines Sicherungsbedarfs der Beklagten berechnen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, der Kläger sei mehrmals darauf hingewiesen worden, dass die in den Hochrechnungen genannten Beträge zur Überschussbeteiligung nicht garantiert seien und insofern kein Anspruch auf einen in Aussicht gestellten volatilen Anteil an der Beteiligung an den Bewertungsreserven bestehe. Außerdem sei die von ihr vorgenommene Berechnungsweise hinsichtlich der Bewertungsreserven mathematisch korrekt erfolgt.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Berechnung der Bewertungsreserven entspreche den höchstrichterlichen Vorgaben. Das OLG Stuttgart habe sich in einem jüngst ergangenen Urteil (Az. 7 U 30/17) ausführlich mit der streitgegenständlichen Thematik befasst und die von der Beklagten vorgenommene Berechnung als zutreffend beurteilt. Außerdem sei – wie die BaFin zutreffend festgestellt habe – die Frage, ob ein Sicherungsbedarf bestehe unabhängig von der Frage zu beurteilen, ob die Ausschüttungssperre nach § 56a Abs. 2 VAG a. F. greife. Unternehmen, die mit ihrer Muttergesellschaft einen Gewinnabführungsvertrag geschlossen hätten und daher keine Dividende an außenstehende Aktionäre zahlen, unterfielen dieser Regelung von vornherein nicht.

Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 02.10.2017 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg, da sie zulässig (dazu I.) und begründet (dazu II.) ist. Die Kostenentscheidung und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 709 S. 1, 2 ZPO (dazu III.). Der Streitwert war auf 7.440 € festzusetzen (dazu IV.).

I. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Dabei ist in der Rechtsprechung zwar anerkannt, dass eine Feststellungsklage dann unzulässig ist, wenn es dem Kläger möglich und zumutbar ist, ein Urteil zu erwirken, aus dem auch vollstreckt werden kann (BGH, Urteil vom 23.01.2014 – III ZR 37/13, Rn. 54 bei juris). Dennoch gibt es keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungs- gegenüber der Leistungsklage (BGH, Urteil vom 19.04.2016 – VI ZR 506/14, Rn. 6 bei juris). Daher ist eine Feststellungsklage auch dann zulässig, wenn zu erwarten ist, dass diese zur endgültigen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führen wird (BGH, Urteil vom 27.06.1995 – XI ZR 8/94, Rn. 16 bei juris).

Diese Erwartung ist hier gerechtfertigt. Zwischen den Parteien steht nicht die mathematische Berechnung der Bewertungsreserven im Streit, sondern die vorgelagerte Frage, ob die Beklagte dem Kläger im Rahmen der Berechnung der Überschussbeteiligung einen Sicherungsbedarf entgegen halten durfte. Es ist davon auszugehen, dass die Beklagte einem Feststellungsurteil Folge leisten und eine korrigierte Abrechnung auch ohne darauf gerichtete, erneute Klage durchführen wird. Auf die Frage, ob eine Feststellungsklage auch dann zulässig ist, wenn die Klärung der konkreten Anspruchshöhe aufwendig ist (in diese Richtung BGH, Urteil vom 21.01.2000 – V ZR 387/98, Rn. 11 bei juris) und ob ein solcher Fall hier aufgrund eines komplizierten versicherungsmathematischen Berechnungsverfahrens vorliegt, kommt es daher nicht an.

II. Die Feststellungsklage ist auch begründet. Die gesetzlichen Vorgaben zur Berechnung der Überschussbeteiligung finden sich für den streitgegenständlichen Fall in § 153 VVG sowie in § 56a VAG a.F. Danach ist bei der Berechnung der Beteiligung an den Bewertungsreserven ein Sicherungsbedarf zu berücksichtigen (dazu 1.). Das Gericht musste im vorliegenden Fall nicht entscheiden, ob die Auffassung des Klägers, wonach bei der Beklagten aufgrund des Gewinnabführungsvertrags mit der Konzernmutter ein Sicherungsbedarf von vornherein nicht bestehen könne, zutrifft. Jedenfalls darf die Beklagte dem Kläger einen eventuell bestehenden Sicherungsbedarf nämlich nicht entgegenhalten (dazu 2.). Dies zwingt zu einer Neuberechnung des auf den Kläger entfallenden Anteils an den Bewertungsreserven (dazu 3.).

1. Nach § 153 Abs. 3 S. 1 VVG hat der Versicherer die Bewertungsreserven jährlich neu zu ermitteln und nach einem verursachungsorientierten Verfahren rechnerisch zuzuordnen. Nach § 153 Abs. 3 S. 2 HS. 1 VVG wird bei der Beendigung des Vertrags der für diesen Zeitpunkt zu ermittelnde Betrag zur Hälfte zugeteilt und an den Versicherungsnehmer ausgezahlt. Mit dem Inkrafttreten des LVRG am 07.08.2014 waren die Versicherungsunternehmen zudem verpflichtet, bei der Beteiligung an den Bewertungsreserven den so genannten Sicherungsbedarf zu berücksichtigen. § 56a Abs. 3 VAG a.F. bestimmt insoweit, dass Bewertungsreserven aus direkt oder indirekt vom Versicherungsunternehmen gehaltenen festverzinslichen Anlagen und Zinsabsicherungsgeschäften bei der Beteiligung der Versicherungsnehmer an den Bewertungsreserven gemäß § 153 VVG nur insoweit zu berücksichtigen sind, als sie einen etwaigen Sicherungsbedarf aus den Versicherungsverträgen mit Zinsgarantie gemäß Abs. 4 überschreiten. Nach § 56a Abs. 2 S. 1 VAG a.F. bestimmt bei Versicherungs-Aktiengesellschaften der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats die Beträge, die für die Überschussbeteiligung der Versicherten zurückzustellen sind. Nach S. 3 dieser Vorschrift darf ein Bilanzgewinn nur ausgeschüttet werden, soweit er einen Sicherungsbedarf nach Abs. 4 überschreitet.

2. Da die Beklagte unstreitig Gewinne an ihre Muttergesellschaft abgeführt hat, kann sie sich gegenüber dem Kläger nicht auf einen etwaig bestehenden Sicherungsbedarf berufen, unabhängig davon, ob schon das Bestehen eines Gewinnabführungsvertrags die Annahme eines Sicherungsbedarfs ausschließt. Das Gericht hält die Auffassung der Beklagten, wonach Lebensversicherer, die einen Gewinnabführungsvertrag mit ihrer Muttergesellschaft abgeschlossen haben von der Ausschüttungssperre nicht betroffen sind und deshalb ihren Gewinn entsprechend der getroffenen Vereinbarung weiterhin an die Muttergesellschaft abführen dürfen, für nicht überzeugend. Diese Auffassung findet im Wortlaut der einschlägigen Vorschriften keine Stütze (dazu a.). Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber bei der Einführung des LVRG von diesem Verständnis ausging (dazu b.). Der Sinn und Zweck dieser Regelungen drängt ebenfalls nicht zu einem solchen Verständnis (dazu c.).

a. § 56a Abs. 2 S. 3 VAG a.F. enthält die so genannte Ausschüttungssperre. Danach darf ein Bilanzgewinn nur ausgeschüttet werden, soweit er einen etwaigen Sicherungsbedarf nach Abs. 4 überschreitet. Nach dem Gesetzeswortlaut ist die Regelung dabei nicht etwa auf die Fälle beschränkt, in denen ein Versicherer einen Gewinn „direkt“ an Aktionäre weitergibt. Vielmehr ist der Begriff der Ausschüttung hier in einem weiten Umfang zu verstehen, der alle Fälle eines Mittelabflusses aus dem Versicherungsunternehmen umfasst. Dafür kann man schon anführen, dass im Wortlaut der Vorschrift nicht etwa (einschränkend) von einer Ausschüttung an die Aktionäre gesprochen wird. Hätte der Gesetzgeber eine solche Einschränkung tatsächlich vornehmen wollen, so wäre es ohne weiteres möglich gewesen, eine dahingehende Klarstellung in das Gesetz aufzunehmen.

Auch daraus, dass § 56a Abs. 2 S. 3 VAG a.F. vom „Bilanzgewinn“ spricht, lässt sich nicht schließen, dass nur eine Ausschüttung an die Aktionäre gemeint gewesen sein soll. Denn mit dem in § 291 Abs. 1 AktG angesprochenen „ganzen Gewinn“, der bei Bestehen eines Gewinnabführungsvertrags an das empfangende Unternehmen abzuführen ist, ist der Bilanzgewinn gemeint, der sich ohne Gewinnabführungsverpflichtung ergäbe (Langenbucher, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 291 Rn. 52; 3. Aufl. 2015). Auch hier wäre es ein Leichtes gewesen, die Fälle, in denen ein Gewinnabführungsvertrag besteht, von der Ausschüttungssperre auszunehmen. Da dies nicht geschehen ist, kann davon ausgegangen werden, dass durch den Wortlaut eine solche Eingrenzung nicht zum Ausdruck gebracht werden sollte. Vom Wortlaut des § 56a Abs. 2 S. 3 VAG a.F. ist damit jede Ausschüttung eines Gewinns, auch die Übertragung eines Gewinns im Rahmen eines Gewinnabführungsvertrags, umfasst.

b. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Fälle, in denen ein Versicherer einen Gewinnabführungsvertrag mit seiner Muttergesellschaft abgeschlossen hat, von der gesetzlichen Regelung ausnehmen wollte. Dem Gesetzgeber ging es bei der Schaffung des LVRG darum, durch ein ganzes Maßnahmenpaket die gesetzlichen Vorgaben für Lebensversicherungen zu ändern und auf diese Weise einen ungerechtfertigten Mittelabfluss zu verhindern (BT-Drs. 18/1772, S. 1). Die Gesetzesbegründung gibt als Ziel der Neuregelung an, einen Abfluss der Mittel, die bei unveränderten Kapitalmarktzinsen für die Erfüllung der Versicherungsverträge benötigt werden aus dem Unternehmen zu verhindern. Nach der amtlichen Begründung hat die Regelung zudem zur Folge, dass, solange die Beteiligung der Versicherten an den Bewertungsreserven wegen eines Sicherungsbedarfs des Unternehmens eingeschränkt ist, in entsprechender Höhe auch die Ausschüttung eines Bilanzgewinns unzulässig ist. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass ausscheidende Versicherte und Eigentümer des Versicherungsunternehmens gemeinsam zur Sicherung der Garantien der verbleibenden Versicherten beitragen (BT-Drs. 18/1772, Seite 22).

Dem Gesetzgeber ging es ausweislich der Gesetzesbegründung also darum, einen gerechten Ausgleich zwischen den Versicherten und den Eigentümern des Unternehmens zu schaffen. Dieser Gerechtigkeitsgedanke wird aufgegeben, wenn man die Fälle, in denen zwischen dem Versicherer und der Muttergesellschaft ein Gewinnabführungsvertrag besteht von der gesetzlichen Regelung ausnimmt. Denn dann müssten allein die ausscheidenden Versicherungsnehmer für den Sicherungsbedarf aufkommen.

c. Sinn und Zweck der Regelungen stellen dieses Ergebnis nicht durchgreifend infrage. Der Beklagten ist insoweit zwar zuzugeben, dass bei Bestehen eines Gewinnabführungsvertrags (§ 291 Abs. 1 AktG) das empfangende Unternehmen im Gegenzug verpflichtet ist, etwaige Verluste des abführenden Unternehmens zu übernehmen (§ 302 Abs. 1 AktG). Daraus lässt sich allerdings – anders als die Beklagte meint – nicht folgern, dass es sich bei § 56a Abs. 3 VAG a.F. und § 56a Abs. 2 S. 3 VAG a.F. um zwei streng voneinander zu trennende, unabhängige Regelungskomplexe handelt. Nach der Auffassung der Kammer kann die Frage, ob ein Sicherungsbedarf besteht, nicht losgelöst von der Frage beantwortet werden, ob die Ausschüttungssperre nach § 56a Abs. 2 S. 3 VAG a.F. greift. Dafür spricht schon, dass beide Regelungen – wie oben bereits angedeutet – vom Gesetzgeber als einheitliches Paket zur Verhinderung ungerechtfertigter Mittelabflüsse vorgesehen waren und auch gemeinsam verabschiedet wurden. Außerdem hätte die Beklagte – wollte man dies anders bewerten – über den Umweg des Gewinnabführungsvertrages doch wieder die Möglichkeit, Gewinne an die Muttergesellschaft bzw. die Aktionäre – wenn auch vermittelt durch die Muttergesellschaft – auszuschütten und gleichzeitig den Versicherten aufgrund eines bestehenden Sicherungsbedarfs eine vollumfängliche Beteiligung an den Bewertungsreserven zu versagen. Damit ließe sich das gesetzgeberische Ziel – die gemeinsame Sicherung der Garantien der verbleibenden Versicherten durch ausscheidende Versicherte und Eigentümer des Unternehmens – letztlich in all den Fällen nicht mehr realisieren, in denen der Versicherer, wie vorliegend, einen Gewinn nicht „direkt“ an seine Anteilseigner ausschüttet, sondern den Weg über einen Gewinnabführungsvertrag wählt. Konsequent zu Ende gedacht würde die von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung dazu führen, dass die ausscheidenden Versicherungsnehmer für den Sicherungsbedarf alleine aufkommen müssten.

3. Aus den dargestellten Gründen kann die Beklagte dem Kläger einen eventuell bestehenden Sicherungsbedarf jedenfalls nicht entgegenhalten. Dies zwingt zu einer Neuberechnung des auf den Kläger entfallenden Anteils an den Bewertungsreserven ohne Annahme eines Sicherungsbedarfs.

III. Die Beklagte hat als unterlegene Partei gemäß § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar, wobei sich wegen der Überschreitung des in § 708 Nr. 11 ZPO genannten Betrages die Vollstreckbarkeit nach § 709 S. 1, 2 ZPO richtet.

IV. Der Streitwert war auf 7.440 € festzusetzen. Der Kläger hat den Streitwert zunächst mit 9.300 € angegeben. Dem hat er die Differenz zwischen den in der Standmitteilung der Beklagten vom 26.09.2010 mitgeteilten Überschüsse und den abgerechneten Überschussanteilen zugrunde gelegt.

Da der Kläger jedoch mit der vorliegenden Klage keinen Leistungs- sondern nur einen Feststellungsantrag geltend macht, rechtfertigt sich ein Abschlag von 20 % gegenüber dem Wert einer entsprechenden Leistungsklage. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Kläger damit rechnen kann, dass sein Gegner auf ein Feststellungsurteil hin freiwillig leisten wird (BGH, Beschluss vom 30.04.2008 – III ZR 202/07, Rn. 2 bei juris).

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