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Kündigung PKV wegen Eintritt in GKV

OLG Karlsruhe – Az.: 9 U 42/18 – Urteil vom 24.07.2020

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Offenburg vom 08.06.2018 – 2 O 14/18 – im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 612,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

aus 218,81 € seit dem 02.07.2016,

aus weiteren 218,81 € seit dem 02.08.2016

und aus weiteren 175,05 € seit dem 02.09.2016

sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 114,24 € und vorgerichtliche Mahnkosten in Höhe von 5,00 € zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen tragen die Klägerin zu 7/8 und der Beklagte zu 1/8.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Beklagte unterhielt bei der Klägerin für sich und seine beiden minderjährigen Kinder eine private Krankenversicherung, und zwar eine Krankengrundversicherung und eine Krankenzusatzversicherung. Wegen der Einzelheiten wird auf die von der Klägerin vorgelegten Versicherungsscheine verwiesen (vgl. das Anlagenheft der Klägerin im Berufungsverfahren, Anlagen 1 und 2). Die Klägerin macht im Rechtsstreit rückständige Versicherungsbeiträge aus diesem Vertrag geltend.

Der Beklagte nahm zum 01.07.2016 eine versicherungspflichtige Beschäftigung auf. Seitdem ist er bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert. Diese hat die beiden minderjährigen Kinder des Beklagten zum 01.07.2016 in die Versicherung mit aufgenommen. Im Hinblick auf den Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung beauftragte der Beklagte bereits vor dem 01.07.2016 den Versicherungsberater M., bei der Klägerin für eine Kündigung seiner Grundversicherung zu sorgen. Wegen der bestehenden Zusatztarife sollte der Versicherungsberater mit der Klägerin verhandeln, um – in Abhängigkeit von den Angeboten der Klägerin – eventuell für eine Fortsetzung der Zusatzversicherung neben der gesetzlichen Versicherung zu sorgen.

Der Versicherungsberater M. wandte sich mit Schreiben vom 25.05.2016 unter Vorlage einer Vertretungsvollmacht für den Beklagten an die Klägerin. Er erklärte, er kündige die Krankheitskostenvollversicherung für den Beklagten und seine beiden Kinder zum 01.07.2016 „unter dem Vorbehalt der Fortführung der Mehrleistungen im Bereich der Zusatzversicherung“; insoweit bat er um ein Angebot für zusätzliche Leistungen neben der zum 01.07.2016 eintretenden Versicherung in der gesetzlichen Krankenkasse.

Mit Telefax vom 01.07.2016 übersandte die Klägerin dem Versicherungsberater zwei Alternativangebote für Zusatzversicherungen. Gleichzeitig wies die Klägerin darauf hin, sie benötige „für die Umstellung oder Beendigung des Vertrages“ „einen Nachweis der gesetzlichen Krankenversicherung (nach § 5 bzw. § 10 SGB V)“. In der Folgezeit gab es weiteren Schriftverkehr zwischen den Parteien, wobei jeweils der Versicherungsberater M. für den Beklagten auftrat. Mit Schreiben vom 10.08.2016 (Anlagenheft LG des Beklagten, AS. 9) erklärte der Versicherungsberater erneut eine Kündigung des Versicherungsvertrages. Die Kündigung werde wiederholt, weil am 10.08.2016 eine Frist für den Beklagten ablaufe. Der Berater wies auf den vorausgegangenen Schriftverkehr hin und erklärte zur Kündigung unter anderem: „Entsprechende Nachweise hatten wir der A. AG (Klägerin) zugesendet“. Die Angelegenheit des Beklagten sei von der Klägerin bis dahin nicht oder nicht qualifiziert bearbeitet worden. Außerdem erklärte er, er erwarte „die schriftliche Bestätigung der Kündigung bis zum 07.10.2016“.

Mit Schreiben vom 16.08.2016 (Anlage K 2) wandte sich die Klägerin an den Beklagten persönlich und bot ihm alternativ zwei Angebote für die Umstellung in der Zusatzversicherung an. Mit Schreiben vom 17.08.2018 (Anlage K 6), welches sie für den Beklagten an dessen Berater M. adressierte, wies die Klägerin erneut darauf hin, dass sie von dem Beklagten Nachweise über die Pflichtversicherung wie folgt benötige:

„Bitte erlauben Sie uns den Hinweis, dass wir den Vertrag erst umstellen bzw. beenden können, wenn uns die erforderlichen Nachweise über die Pflicht-/bzw. Familienversicherung nach § 5 SGB V bzw. § 10 SGB V innerhalb von drei Monaten ab Pflicht-/bzw. Familienversicherungsbeginn eingereicht werden.

Sobald uns die gewünschten unterschriebenen Angebote und die entsprechenden Nachweise eingereicht werden, stellen wir den Vertrag entsprechend um. Da Sie bereits eine Kündigung im Namen der Familie V. (Beklagter) ausgesprochen haben, beenden wir die Krankheitskostenvolltarife sowie die private Krankenpflegepflichtversicherung, sobald uns die Pflicht-/bzw. Familienversicherungsnachweise vorliegen, wenn keines der Angebote angenommen wird.“

Der Beklagte zahlte ab dem 01.07.2016 weder für die Krankengrundversicherung, noch für die Zusatzversicherung weitere Beiträge. Mit Schreiben vom 06.09.2016 erklärte die Klägerin, sie setze eine Zwei-Wochen-Frist zur Zahlung des Krankenzusatzversicherungsbeitrages und kündige zugleich mit diesem Schreiben die Zusatzversicherung für den Fall, dass die Frist ohne vollständige Zahlung des angemahnten Rückstandes verstreiche (Anlage 3 im Anlagenheft OLG der Klägerin).

Die Klägerin hat im Verfahren vor dem Landgericht vom Beklagten Zahlung der Versicherungsbeiträge für die Krankengrundversicherung für die Zeit vom 01.07.2016 bis 31.01.2017 in Höhe von insgesamt 4.497,59 € und der Versicherungsbeiträge für die Zusatzversicherung für die Zeit vom 01.07.2016 bis 24.09.2016 in Höhe von 612,67 € verlangt. Die Zusatzversicherung habe bis zum 24.09.2016 bestanden, so dass der Beklagte bis zu diesem Zeitpunkt die Beiträge weiter entrichten müsse. Er sei trotz der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenkasse bis zum 31.01.2017 auch noch verpflichtet, die Beiträge zur Krankengrundversicherung zu zahlen. Denn die Kündigungserklärungen des für den Beklagten handelnden Beraters seien nicht wirksam. Der Beklagte habe die erforderlichen Nachweise für die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht vorgelegt, so dass die Klägerin erstmals im Januar 2017 durch ein Schreiben des Landratsamts Ortenaukreis einen entsprechenden Beleg der gesetzlichen Krankenkasse für den Beklagten und seine beiden Kinder erhalten habe.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat die Auffassung vertreten, er habe den Vertrag mit der Klägerin wirksam gekündigt. Zum einen habe er durch den Berater M. mehrfach Nachweise für die Versicherungspflicht ab dem 01.07.2016 an die Klägerin übersandt, u. a. mit Schreiben vom 29.07.2016 (Anlagenheft des Beklagten LG, AS. 17). Außerdem könne sich die Klägerin auf eine eventuell nicht rechtzeitige Vorlage eines Nachweises nicht berufen, weil die Klägerin ihn zu keinem Zeitpunkt zu dessen Vorlage in einer Form aufgefordert habe, die der Regelung in § 205 Abs. 2 Satz 2 VVG entspreche.

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß wie folgt verurteilt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.110,26 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils aus 218,81 € seit dem 02.07.2016 und 02.08.2016 und aus 175,05 € seit dem 02.09.2016, 1 Prozent Säumniszuschlag pro angefangenem Monat jeweils aus 711,15 seit Juli, August, September, Oktober, November, Dezember 2016 und aus 230,69 € seit Januar 2017 sowie 10,00 € vorgerichtliche Mahnkosten und als Nebenforderung 348,37 € Rechtsanwaltsgebühren zu zahlen.

Das Landgericht hat ausgeführt, der Beklagte sei zur Zahlung der Beiträge für die Zusatzversicherung verpflichtet, da er diese zu keinem Zeitpunkt selbst gekündigt habe. Die Kündigungserklärungen für die Krankengrundversicherung seien unwirksam, da der Beklagte den Eintritt der Versicherungspflicht gegenüber der Klägerin nicht rechtzeitig nachgewiesen habe. Ein Zugang des Schreibens des Versicherungsberaters vom 29.07.2016 an die Klägerin sei nicht nachgewiesen. Im Faxschreiben vom 01.07.2016 sei der Beklagte ausreichend und inhaltlich korrekt auf die Erforderlichkeit des Nachweises hingewiesen worden. Auch auf einen Einwand aus § 242 BGB (Treu und Glauben) könne sich der Beklagte nicht berufen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Beklagten. Er ergänzt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und hält die Entscheidung des Landgerichts aus rechtlichen und aus tatsächlichen Gründen für fehlerhaft. Er sei zu keinem Zeitpunkt von der Klägerin in wirksamer Form über die erforderliche Vorlage eines Nachweises der Versicherungspflicht belehrt worden. Auch das Schreiben der Klägerin vom 17.08.2016 enthalte keine korrekte Belehrung. Im Übrigen habe der Beklagte dieses Schreiben nicht erhalten.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Offenburg vom 08.06.2018 – 2 O 14/18 – aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das Urteil des Landgerichts. Sie ergänzt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Da sie erstmals am 05.01.2017 einen Nachweis über das Bestehen einer gesetzlichen Versicherungspflicht erhalten habe, sei der Vertrag über die Krankheitskostengrundversicherung erst zum 31.01.2017 beendet worden.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten hat überwiegend Erfolg.

Die Klägerin kann von dem Beklagten lediglich Zahlung der Beiträge für die Zusatzversicherung in der Zeit vom 01.07.2016 bis 24.09.2016 verlangen; hingegen hat die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung von rückständigen Beiträgen für die Zeit vom 01.07.2016 bis zum 31.01.2017 in der Krankengrundversicherung.

1. Der Klägerin steht kein Anspruch in Höhe von 4.497,59 € wegen der Beiträge in der Krankengrundversicherung in Zeit vom 01.07.2016 bis zum 31.01.2017 zu. Denn der Beklagte hat den Vertrag hinsichtlich der Grundversicherung – sowohl für sich selbst als auch für seine beiden Kinder als mitversicherte Personen – wirksam gekündigt.

a) Der Vertrag wurde durch die Kündigung im Schreiben des Beraters vom 10.08.2016 beendet (Anlagenheft LG Beklagter, AS. 9). Die Berechtigung zur rückwirkenden Kündigung zum 01.07.2016 ergibt sich aus § 205 Abs. 2 Satz 1 VVG. Denn der Beklagte war unstreitig ab dem 01.07.2016 in der gesetzlichen Versicherung krankenversicherungspflichtig. Für seine beiden Kinder bestand ab diesem Zeitpunkt eine Familienversicherung. Die Frist von drei Monaten ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Versicherungspflicht gemäß § 205 Abs. 2 Satz 1 VVG ist eingehalten. Da die Krankengrundversicherung zum 01.07.2016 jedenfalls durch die Kündigung vom 10.08.2016 beendet wurde, kommt es auf die Wirkungen des früheren Kündigungsschreibens vom 25.05.2016 nicht an.

b) Die Kündigungserklärung ist nicht gemäß § 205 Abs. 2 Satz 2 VVG wegen Nichtvorlage eines Nachweises des Eintritts der Versicherungspflicht unwirksam geworden.

Es kann dahinstehen, ob die Klägerin den erforderlichen Nachweis durch das Schreiben des Versicherungsberaters vom 29.07.2016 erhalten hat. Denn die Kündigung ist auch dann nicht unwirksam geworden, wenn die Klägerin – wie sie vorträgt – erstmals im Januar 2017 den entsprechenden Nachweis erhalten hat.

Die Klägerin hat den Beklagten entgegen § 205 Abs. 2 Satz 2 VVG nicht in einer dem Gesetz entsprechenden Form aufgefordert, einen Nachweis für den Eintritt der Versicherungspflicht vorzulegen. Daher konnte die im Gesetz vorgesehene Frist für die Vorlage des Nachweises (zwei Monate ab dem Zeitpunkt der Aufforderung durch den Versicherer) nicht zu laufen beginnen. Ohne ein Ingangsetzen der Frist durch die Klägerin konnte die Kündigungserklärung vom 10.08.2016 nicht nachträglich unwirksam werden (vgl. Prölss/Voit, Versicherungsvertragsgesetz, 30. Auflage 2018, § 205 VVG Rn. 26; Hütt in Langheidt/Wendt, VVG, 2. Auflage 2017, § 205 VVG Rn. 20; LG Fulda, NJW-RR 2016, 864).

c) Die Regelung in § 205 Abs. 6 VVG (Kündigung einer privaten Krankenversicherung bei einem Wechsel zu einem anderen Krankenversicherer) ist nicht einschlägig. Denn diese Regelung ist bei einer Kündigung wegen Eintritts der gesetzlichen Pflichtversicherung gemäß § 205 Abs. 2 VVG nicht anwendbar (vgl. beispielsweise LG Dortmund, RuS 2014, 616). Soweit § 205 Abs. 6 VVG auf die „Absätze 1 bis 5“ verweist (statt richtig: Absätze 1 und 3 bis 5), handelt es sich um ein offensichtliches Redaktionsversehen des Gesetzgebers. Auf die Erwägungen des Bundesgerichtshofs (NJW 2015, 140) zur Anwendung von § 242 BGB im Rahmen von § 205 Abs. 6 VVG kommt es im vorliegenden Fall daher nicht an.

d) Der Hinweis der Klägerin im Fax-Schreiben vom 01.07.2016 auf „einen Nachweis der gesetzlichen Krankenversicherung“ spielt keine Rolle. Denn dieser Hinweis war eine Reaktion auf die Kündigungserklärung vom 25.05.2016. Nach dem Wortlaut und nach Sinn und Zweck des Gesetzes muss sich der Hinweis des Versicherers gemäß § 205 Abs. 2 Satz 2 VVG auf eine bestimmte Kündigungserklärung des Versicherungsnehmers beziehen. Daher hat die Erklärung der Klägerin vom 01.07.2016 keine Bedeutung für die spätere Kündigung vom 10.08.2016. Auf die Mängel und Unklarheiten des Hinweises vom 01.07.2016 kommt es somit nicht an (Die Zwei-Monatsfrist gemäß § 205 Abs. 2 Satz 2 VVG fehlt; eine „Umstellung“ der Zusatzversicherung hat nichts mit der Regelung in § 205 Abs. 2 VVG zu tun; es wird nicht ausreichend deutlich, dass es um eine gesetzliche Frist zum Unwirksam-Werden der Kündigung geht und nicht um eine von der Klägerin gesetzte Frist für eine Entscheidung über einen Antrag des Beklagten.).

e) Das Schreiben der Klägerin vom 17.08.2016 entspricht nicht den Anforderungen an einen Hinweis gemäß § 205 Abs. 2 Satz 2 VVG. Die Frist zur Vorlage eines Nachweises über den Eintritt der Versicherungspflicht konnte durch dieses Schreiben nicht ausgelöst werden.

aa) Im Schreiben vom 17.08.2016 ging es in erster Linie um die Möglichkeit einer Umstellung der Krankenzusatzversicherung auf andere Tarife nach Eintritt der Versicherungspflicht zum 01.07.2016. Es ist zwar nachvollziehbar, dass die Klägerin für den Abschluss eines entsprechend geänderten Vertrages einen Nachweis über die Versicherungspflicht vom Beklagten erhalten wollte. Dies hat jedoch mit der gesetzlichen Regelung in § 205 Abs. 2 VVG zur Kündigung der Krankengrundversicherung bei Eintritt der Versicherungspflicht nichts zu tun. Soweit es um die Umstellung der Zusatzversicherung geht, konnte sie nach eigenem Ermessen dem Beklagten Fristen setzen – oder gegebenenfalls auch später verlängern -, mit der Maßgabe, dass diese Frist für Entscheidungen der Klägerin zum Abschluss einer neuen Zusatzversicherung maßgeblich sein sollte. Aus dem Schreiben der Klägerin wird jedoch nicht deutlich, dass eine Fristsetzung im Rahmen von Vertragsverhandlungen zu unterscheiden ist von den gesetzlichen Wirkungen gemäß § 205 Abs. 2 Satz 2 VVG. Es fehlt eine nach § 205 Abs. 2 Satz 2 VVG notwendige Erklärung der Klägerin, dass – unabhängig von den Verhandlungen über die Zusatzversicherung – die Kündigung wegen der Grundversicherung nach dem Gesetz unwirksam wird, wenn der Beklagte nicht binnen zwei Monaten nach dem Hinweis der Klägerin einen Nachweis für den Eintritt der Versicherungspflicht vorlegt.

Der Hinweis auf die Vorlage eines Nachweises in § 205 Abs. 2 Satz 2 VVG steht nach der Formulierung des Gesetzes in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Unwirksamwerden der Kündigung, wenn der Nachweis nicht fristgemäß vorgelegt wird. Daraus ergibt sich, dass der Hinweis des Versicherers diese Rechtsfolge – Unwirksamwerden der Kündigung bei Nichtvorlage des Nachweises – enthalten muss. Nur dies entspricht dem Zweck der gesetzlichen Regelung, den Versicherungsnehmer vor der möglichen nachteiligen Folge einer Doppelversicherung zu warnen, wenn er die Frist nicht einhält.

Dieses Verständnis der Hinweispflicht in § 205 Abs. 2 Satz 2 VVG entspricht im Übrigen der generellen Geschäftspraxis der Versicherer beim Eingang einer Kündigungserklärung des Versicherungsnehmers. Es ist üblich, dass Versicherer generell auf eine Kündigungserklärung so reagieren, dass sie entweder die Wirksamkeit der Kündigung bestätigen oder im Falle der Unwirksamkeit den Versicherungsnehmer ausdrücklich über die Unwirksamkeit aufklären (vgl. Hütt, a. a. O., § 205 VVG Rn. 29). Die Rechtsprechung zum Versicherungsrecht nimmt zudem – unabhängig von gesetzlichen Hinweispflichten – vielfach gemäß § 242 BGB eine Pflicht des Versicherers an, auf die Unwirksamkeit einer unberechtigten Kündigung des Versicherungsnehmers hinzuweisen (vgl. beispielsweise OLG Karlsruhe – 12. Zivilsenat – Versicherungsrecht 2002, 1497). Der Bundesgerichtshof fordert zu § 205 Abs. 6 VVG, dass der Versicherer gemäß § 242 BGB auf die Unwirksamkeit einer Kündigung hinweisen muss, wenn der nach dem Gesetz erforderliche Nachweis nicht vorgelegt wird (vgl. BGH, NJW 2015, 1105, 1106, Rn. 13). Entsprechendes gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Rahmen von § 207 Abs. 2 Satz 2 VVG (vgl. BGH, NJW 2013, 1818). Wenn die Rechtsprechung einen ausdrücklichen Hinweis auf die Unwirksamkeit einer Kündigung in vergleichbaren Fällen auch ohne gesetzliche Anordnung der Hinweispflicht verlangt, muss Entsprechendes erst recht im Rahmen von § 205 Abs. 2 Satz 2 VVG gelten. Das heißt: Es reicht nicht aus, dass ein Versicherer in irgendeiner Weise erklärt, der Versicherungsnehmer solle binnen einer Frist einen Nachweis für den Eintritt der Versicherungspflicht vorlegen; notwendig ist vielmehr der gleichzeitige ausdrückliche Hinweis auf die Unwirksamkeitsfolge gemäß § 205 Abs. 2 Satz 2 VVG, den das Schreiben der Klägerin vom 17.08.2016 nicht enthält.

bb) Es kommt hinzu, dass im Schreiben der Klägerin vom 17.08.2016 die Frist gemäß § 205 Abs. 2 Satz 2 (zwei Monate nach Erhalt des Hinweises) fehlt. Der Hinweis auf eine Frist von drei Monaten ab Eintritt der Versicherungspflicht im Schreiben der Klägerin ist unzutreffend.

cc) Die Hinweise der Klägerin im Schreiben vom 17.08.2016 werden zusätzlich in Frage gestellt durch das weitere Schreiben vom 16.08.2016 (Anlage K 2), welches der Beklagte einen Tag vorher erhalten hatte. Auch in diesem Schreiben hatte die Klägerin zwar ihren Wunsch geäußert, einen Nachweis über den Eintritt der Versicherungspflicht zu erhalten, jedoch ohne einen Hinweis auf gesetzlichen Fristen oder mögliche nachteilige Folgen für den Beklagten.

dd) Die Bedeutung der Hinweispflicht ergab sich für die Klägerin zudem aus dem Kündigungsschreiben des Beraters des Beklagten vom 10.08.2016. Auf den – möglicherweise unzutreffenden – Hinweis, der Berater habe der Klägerin die „entsprechenden Nachweise“ bereits zugesandt, hat die Klägerin nicht reagiert. Eine Reaktion wäre geboten gewesen, um Missverständnisse zu vermeiden. Zudem hatte der Berater um eine „schriftliche Bestätigung der Kündigung“ gebeten. Obwohl eine Bestätigung – oder erforderlichenfalls Ablehnung der Bestätigung – in der Geschäftspraxis der Versicherer üblich ist, enthält das Schreiben der Klägerin vom 17.08.2016 auch dazu keine Antwort.

2. Die Klägerin hat hingegen Anspruch auf Zahlung von Beiträgen in Höhe von 612,67 € wegen der Zusatzkrankenversicherung für die Zeit vom 01.07.2016 bis 24.09.2016.

Die Kündigung des Beklagten vom 10.08.2016 betraf gemäß § 205 Abs. 2 VVG nur die Krankengrundversicherung, so dass der Vertrag wegen der Zusatzversicherung weiterlief.

Die Zusatztarife und die maßgeblichen Beiträge für den Beklagten und seine beiden Kinder ergeben sich aus dem Schriftsatz der Klägerin vom 26.05.2020 und der damit vorgelegten Anlage 3. Die Forderung der Klägerin ergibt sich aus folgender Abrechnung:

Beitrag Juli 2016: 218,81 €

Beitrag August 2016: 218,81 €

anteiliger Beitrag bis 24.09.2016: 175,05 €

Summe: 612,67 €.

3. Der Klägerin stehen wegen der Beiträge zur Zusatzkrankenversicherung gemäß §§ 286 Abs. 2 Ziffer 1, 288 Abs. 1 BGB Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit den vertraglich vereinbarten Fälligkeitszeitpunkten zu.

4. Unter Zugrundelegung eines Gegenstandswerts von 612,67 € ergeben sich folgende gemäß § 286 Abs. 2 Ziffer 1 BGB zu ersetzende vorgerichtliche Anwaltskosten:

1,0 – Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG  80,00 €

Pauschale für Post und Telefon Nr. 7002 VV RVG  16,00 €

Netto   96,00 €

19% Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG  18,24 €

Insgesamt 114,24 €.

5. Für zwei vorgerichtliche Mahnschreiben steht der Klägerin gemäß § 286 Abs. 2 Ziffer 1 BGB ein Schadensersatz zu, der auf insgesamt 5,00 € geschätzt wird (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Auflage 2020, § 286 Rn. 45).

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Ziffer 10, 713 ZPO.

7. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Die für die Entscheidung des Senats maßgeblichen Rechtsfragen sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt.

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