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Krankheitskostenversicherung – organisch bedingte Subfertilität

AG Cloppenburg – Az.: 21 C 975/13 – Urteil vom 11.04.2014

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.732,37 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Mai 2013 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung von Behandlungskosten seiner Ehefrau.

Der Kläger schloss mit der Beklagten im Jahre 2009 eine Krankheitskostenversicherung. Unter § 4 (1) e) der seinerzeit einbezogenen Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) Teil II heißt es: „Wir leisten nicht für reproduktionsmedizinische Verfahren aller Art einschließlich aller begleitenden Maßnahmen.“ Die mit in den Vertrag einbezogene Ehefrau des Klägers, Frau #, ließ sich im Rahmen einer Stimulationstherapie mit fertisilationsfördernden Maßnahmen ärztlich behandeln. Dabei wurde keine künstliche Befruchtung durchgeführt, sondern allein eine ovarielle Stimulation-Ovulationsauslösung mit gezieltem natürlichem Verkehr. Konkret wurde mit einem dafür ausdrücklich zugelassenen Medikament eine Menogon-Stimulation durchgeführt. Die hierbei angefallenen Kostenrechnungen für die Medikamente und ärztlichen Behandlungsmaßnahmen klagt der Kläger, soweit sie nicht bereits durch die Beklagte vorprozessual beglichen wurden, wie folgt ein:

Rechnung vom 17. November 2012: 692,74 EUR für Medikamente,

Rechnung vom 13. Dezember 2012: 86,87 EUR Medikamente,

Rechnung vom 29. November 2012: 763,60 EUR Behandlungskosten,

Rechnung vom 9. Januar 2013: 679,74 EUR Behandlungskosten,

Rechnung vom 20. März 2013: 857,44 EUR Behandlungskosten,

Gesamt: 3.080,39 EUR.

Abzüglich von der # gezahlter 39.98 EUR.

Klageforderung: 3.040.41 EUR.

Krankheitskostenversicherung - organisch bedingte Subfertilität
Symbolfoto: Von alexkich /Shutterstock.com

Bzgl. der vom Kläger eingestellten Positionen aus der Rechnung vom 17. November 2012 liegt in der Klageschrift offenbar ein Zahlendreher vor. Dort wurde ein Betrag von 692,47 EUR aufgeführt, wobei sich aus der vorgelegten Anlage K 4 ergibt, dass es sich um einen Betrag in Höhe von 692,74 EUR handelt. Die Stimulationstherapie war auch erfolgreich. Es entstand eine Schwangerschaft, allerdings eine Eileiterschwangerschaft, die dann beendet wurde. Bereits im Jahre 2004 wurde bereits schon einmal eine Stimulationstherapie durchgeführt, die erfolgreich war. Im Jahre 2005 wurden Zwillinge geboren.

Der Kläger behauptet, dass bei seiner Ehefrau eine Eierstockproblematik vorliege; bei ihr läge eine organisch bedingte Subfertilität vor, also eine biologische Beeinträchtigung. Der Kläger ist der Auffassung, dass die bei seiner Ehefrau vorgenommene Stimulation keine Reproduktion darstelle. Die Reproduktion behandele verschiedene Formen der Befruchtung, die hier aber bei seiner Ehefrau nicht vorgenommen worden seien.

Der Kläger hat zunächst mit Klageantrag zu 1. neben dem Zahlungsantrag auch die Herausgabe der Police mit sämtlichen Nachträgen, jeweils in Kopie, sowie des Antrages auf Abschluss des Vertrages, in Kopie, sowie der bei Vertragsabschluss vereinbarten AVB und – soweit vorhanden – des Beratungsprotokolls in Kopie verlangt. Nachdem die Unterlagen während des Rechtsstreits von der Beklagten vorgelegt wurden, erklärten die Parteien übereinstimmend den Klageantrag zu 1. für erledigt.

Der Kläger beantragt nunmehr noch, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.040,41 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Mai 2013 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass wegen des § 4 Abs. 1 e) der AVB Teil II für die verlangten Behandlungs- und Medikamentenkosten kein Versicherungsschutz bestehe. Die streitgegenständliche hier vorliegende Behandlung falle unter den Begriff reproduktionsmedizinische Verfahren aller Art. Denn vertraglich ausgeschlossen seien danach sämtliche reproduktionsmedizinische Maßnahmen, also alle bei Sterilität bzw. Infertilität auf die Herbeiführung einer Schwangerschaft gerichteten Behandlungen. Vorsorglich werde das Bestehen eines Befundes von Krankheitswert sowie die medizinische Notwendigkeit mit Nichtwissen bestritten.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zum Teil begründet; im Übrigen ist sie unbegründet.

Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung in Höhe von 2.732,37 EUR aus dem Versicherungsvertrag zu.

Der zugesprochene Betrag errechnet sich wie folgt:

Rechnung vom 17. November 2012: 692,74 EUR für Medikamente,

Rechnung vom 13. Dezember 2012: 86,87 EUR Medikamente,

Rechnung vom 29. November 2012: 763,60 EUR Behandlungskosten

Rechnung vom 9. Januar 2013: 679,74 EUR Behandlungskosten

Rechnung vom 20. März 2013: 857,44 EUR Behandlungskosten

Gesamt: 3.080,39 EUR.

Von diesem Betrag ist die vereinbarte Selbstbeteiligung in Höhe von 10 % abzuziehen, so dass sich ein Betrag von 2.772,35 EUR ergibt. Abzüglich der bereits vorprozessual von der Beklagten geleisteten Zahlung in Höhe von 39,98 EUR ergibt das den zugesprochenen Betrag in Höhe von 2.732,37 EUR.

Grundsätzlich sind die Behandlungskosten einschließlich der angefallenen Kosten für die Medikamente vom Versicherungsschutz des zwischen den Parteien bestehenden Krankheitskostenversicherungsvertrages umfasst. Denn gem. § 2 Abs. 1 des Teil I der AVB wird Versicherungsschutz unter anderem für Krankheiten geboten. Unter Absatz II ist als Versicherungsfall genannt die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Dass hier ein behandlungsbedürftiger Zustand mit Krankheitswert bei der Ehefrau des Klägers vorlag, ist durch die von dem Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen vom 1. August 2013 bzw. 9. Januar 2013 belegt. Daraus geht hervor, dass bei der Ehefrau des Klägers keine normale Eibläschenentwicklung stattfindet bzw. eine Eierstockproblematik vorliegt. Es wurde eine Menogon-Stimulation durchgeführt, jedoch keine künstliche Befruchtung, weder i. S. einer Insemination noch i. S. eines Retortenbaby-Verfahrens. Aus der ärztlichen Bescheinigung vom 6. Dezember 2012 geht hervor, dass eine ovarielle Stimulation mit Ovulationsauslösung und gezieltem Verkehr vorgenommen wurde. Dies ist zwischen den Parteien auch unstreitig. Die Behandlung einer organisch bedingten Subfertilität stellt auch eine medizinisch notwendige Heilbehandlung dar, denn es handelt sich um eine organisch bedingte eingeschränkte Empfängnisfähigkeit (vgl. auch BGHZ IV ZR 25/03).

Die Leistungspflicht der Beklagten ist auch nicht etwa wegen § 4 Abs. 1 e) Teil II AVB ausgeschlossen. Danach hat die Beklagte nicht zu leisten für reproduktionsmedizinische Verfahren aller Art einschließlich aller begleitenden Maßnahmen. Nach Auffassung des Gerichts liegt aber bei der hier vorgenommenen Behandlung der Ehefrau des Klägers keine Reproduktionsmedizin vor. Da die Beklagte in den AVB seinerzeit den Begriff reproduktionsmedizinische Verfahren nicht weiter (z. B. beispielhaft) erläutert hat, ist der Begriff so zu definieren, wie ihn ein verständiger Mensch bei Abschluss des Versicherungsvertrages verstehen durfte. Hierunter sind solche medizinische Verfahren zu verstehen, die letztendlich auch Reproduktion darstellen. Wörtlich übersetzt heißt das Wort reproduzieren (wieder-)herstellen. Im vorliegenden Fall wurde jedoch nicht etwas „hergestellt“, sondern es wurden lediglich und ausschließlich (fertisilations)fördernde Maßnahmen vorgenommen, d. h. eine Stimulationstherapie mit anschließendem natürlichem Verkehr ohne Insemination. Nach Auffassung des Gerichts stellt eine solche Stimulationstherapie mit gezieltem Verkehr keine Reproduktion dar. Die bei der Ehefrau des Klägers vorgenommenen Behandlungen sind auch nicht deswegen etwa ausgeschlossen, weil unter § 4 Abs. 1 e) Teil II AVB auch die begleitenden Maßnahmen aufgeführt sind. Denn die Vorschrift ist nur so zu verstehen, dass die begleitenden Maßnahmen aller Art letztlich nur dann ausgeschlossen sind, wenn sie in Verbindung mit den reproduktionsmedizinischen Verfahren stehen. Aus der Definition des Begriffes assistierte Reproduktion aus dem klinischen Wörterbuch Pschyrembel 260. Auflage, die die Beklagte vorgelegt hat, ergibt sich nichts anderes. Dort werden als Formen der Reproduktion die extrakorporale Befruchtung oder die intrakorporale Befruchtung aufgeführt. Bei der Ehefrau des Klägers hat aber keine dieser beiden Formen stattgefunden. Es fand weder eine In-vitro-Fertilisation noch eine Insemination statt.

Die zuerkannten Zinsen folgen aus Verzug. Die Beklagte war mit vorprozessualem anwaltlichem Schriftsatz vom 12. April 2013 bei Meidung einer Zahlungsklage aufgefordert worden, den Betrag in Höhe von 3.040,41 EUR bis spätestens zum 3. Mai 2013 zu zahlen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91a, 92 Abs. 2, 709 ZPO.

Soweit die Parteien übereinstimmend den Klageantrag zu 1. für erledigt erklärt hatten, waren insoweit innerhalb der Kostenentscheidung die Kosten der Beklagten aufzuerlegen. Dies entsprach dem bisherigen Sach- und Streitstand und billigem Ermessen. Denn der Kläger hatte gem. § 3 VVG einen Anspruch auf Vorlage der Kopien und die Beklagte war vorprozessual auch bereits aufgefordert worden, diese vorzulegen.

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