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Krankheitskostenversicherung – Kostenübernahme für Fußheber-System und eine Handmanschette

LG Köln – Az.: 23 O 211/16 – Urteil vom 31.10.2018

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Aufwendungen für die Anschaffung eines Fußheber-Systems Ness L 300 und einer Orthese der Hand, System H 200 Wireless im tariflichen Umfang zu erstatten.

Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger 729,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.04.2016 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der am 18.12.1950 geborene Kläger unterhält bei der Beklagten eine private Krankheitskostenversicherung im sogenannten „Standardtarif“. Einbezogen wurden die AVB (Blatt 72 bis 86 der Akte) und TB (Blatt 87 bis 90 der Akte) der Beklagten.

In den Tarifbedingungen (TB) der Beklagten heißt es unter anderem zu A. 7:

Es werden erstattet „nach Erreichen des Selbstbehaltes gemäß Abschnitt A. 9

80 v.H. der erstattungsfähigen Aufwendungen für folgende Hilfsmittel in Standardausführung (siehe Nummer 3c Abs. 4 TB/ST):

Bandagen, Bruchbänder, Einlagen zur Fußkorrektur, orthopädische Schuhe, Kompressionsstrümpfe, Korrekturschienen, Kunstglieder, Liegeschalen, orthopädische Rumpf-, Arm- und Beinstützapparate, Sprechgeräte (elektronischer Kehlkopf), nach Erreichen des Selbstbehaltes gemäß Abschnitt A. 9.“

Der Selbstbehalt beträgt für den Kläger gemäß der vorerwähnten Tarifbedingung zu A. 9  306,00 EUR je Hilfsmittel.

Der Kläger leidet infolge einer im Jahre 2005 erlittenen Hirnblutung unter Lähmungserscheinungen insbesondere eines Beines und der linken Hand. Er begehrt die Feststellung der Erstattungspflicht der Beklagten für ein Fußheber-System und eine Handmanschette gemäß Kostenvoranschlägen der Firma E GmbH in Saarbrücken vom  06.11.2015 (Blatt 91 f. der Akte), der Höhe nach begrenzt nach den TB auf 80 % der voraussichtlichen Anschaffungskosten abzüglich eines Selbstbehaltes von 306,00 EUR je Hilfsmittel. Dabei handelt es sich um Hilfsmittel mit elektronischem Antrieb. Die Beklagte lehnte ihre Leistungseinstandspflicht mit Schreiben vom 27.04.2016 (Anlage K 5 = Blatt 51 f. der Akte) ab. Auf den Inhalt dieses Schreibens wird Bezug genommen.

Der Kläger behauptet die medizinische Notwendigkeit der Anschaffung der in Rede Hilfsmittel.

Der Kläger beantragt,

1.   die Beklagte zu verurteilen, die Kostenübernahme für die Versorgung des Klägers mit zwei Hilfsmitteln der Typen Ness L 300 und Ness H 200 des Herstellers Bioness B.V. gemäß der Kostenvoranschlag vom 06.11.2015 der Firma E GmbH, Beethovenstr. 11, 66125 Saarbrücken in erstattungsfähiger Höhe von insgesamt 7.388,00 EUR zu erklären

2.   die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 729,23 EUR zur Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank seit dem 16.04.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,  die Klage abzuweisen.

Die Beklagte macht geltend, aufgrund der im Feststellungsantrag bezifferten Höhe der voraussichtlichen Anschaffungskosten sei dieser Feststellungsantrag unzulässig. Im Übrigen sei zu A. 7 ein abschließender Hilfsmittelkatalog aufgeführt, in welchem die in Rede stehenden Hilfsmittel nicht aufgeführt worden seien. Es handele sich darüber hinaus auch nicht um eine Versorgung im „Standardtarif“. Den Beweis der medizinischen Notwendigkeit der Anschaffung der Hilfsmittel sei der Kläger bis zuletzt schuldig geblieben.

Das Gericht hat Hinweise erteilt und Beweis erhoben gemäß Beschlüssen vom  01.02.2017 (Blatt 116 f. der Akte), vom 14.06.2017 (Blatt 141 ff. der Akte), vom 27.02.2018 (Blatt 196 der Akte) und vom 10.07.2018 (Blatt 238 der Akte) durch Einholen von schriftlichen Gutachten des Sachverständigen C, Direktor der Bundesfachschule für Orthopädietechnik, und in Form der mündlichen Anhörung des Sachverständigen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist insgesamt zulässig und nahezu in vollem Umfang begründet. Lediglich die Zinsforderung gemäß Klageantrag zu 2. war im Hinblick auf ihre Dauer geringfügig zu reduzieren.

Im Einzelnen gelten folgende Feststellungen und Erwägungen:

Zunächst ist festzustellen, dass der Feststellungsantrag zulässig ist. Er kann in dem Sinne ausgelegt werden, dass die Beklagte verpflichtet ist, im tariflichen Umfang nach Vorlage entsprechender Rechnungen zu erstatten. Denn zur Zahlung ist die Beklagte in der Tat erst in einem solchen Fall verpflichtet. Auf den bereits erteilten Hinweis zu 1. des Beschlusses vom 01.02.2017 wird Bezug genommen.

Soweit es die Rechtslage im Übrigen betrifft, kann letztlich dahinstehen, ob es sich bei den beiden in Rede stehenden Hilfsmitteln um „orthopädische Arm- und Beinstützapparate“ im Sinne der einschlägigen Tarifbedingung der Beklagten zu A. 7 handelt, was die Kammer zuletzt angenommen hat (vergleiche Hinweise im Beschluss vom 01.02.2017 und zu I. des Beschlusses vom 14.06.2017). Denn selbst unter Berücksichtigung der Rechtsausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 10.10.2018 (Blatt 256 ff. der Akte) ist festzuhalten, dass der – anders als der dem Beschluss des BGH vom 05.07.2017 IV ZR 116/15 zugrundeliegende -Hilfsmittelkatalog der Beklagten nicht abschließend geregelt ist. Denn diese Ausschließlichkeit kommt in der besagten Tarifbedingung nicht hinreichend genug zum Ausdruck, zumal das Wort „ausschließlich“, soweit ersichtlich, nicht verwendet wird. Vor jenem Hintergrund lässt der Inhalt der Tarifbedingung zu A. 7 eine erweiternde Auslegung im Hinblick auf die hier in Rede stehenden, elektrostimulierenden Hilfsmittel zu.

Aus Sicht der Kammer kann die Beklagte auch nicht eine maßgebliche Einschränkung ihrer Leistungspflicht aus der Vereinbarung des sogenannten „Standardtarifs“ und der Verwendung des Begriffes “ in Standardausführung“ herleiten. Die Beklagte führt in der Präambel ihrer allgemeinen Versicherungsbedingungen (Anlage BLD 1) aus, das Leistungsversprechen des Standardtarifs sei dem der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar. Dann aber muss sich die Beklagte aber entgegen halten lassen, dass in zahlreichen sozialgerichtlichen Verfahren (offensichtlich nach Hinweisen oder Einholen von Sachverständigengutachten) Anerkenntniserklärungen der Sozialhilfeträger ergangen sind, wie die nicht nichtbestrittene Auflistung in der Klageschrift belegt. Auch führt der Klammerzusatz in der einschlägigen Tarifbedingung zu A. 7 ins Leere, denn zu „Nr. 3c Abs. 4 TB/ST“ findet sich keine relevante Bedingung. Unklarheiten in allgemeinen Geschäftsbedingungen gehen jedoch zu Lasten des Verwenders, § 305c Abs. 2 BGB.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist die Klage – nahezu in vollem Umfang – begründet, denn der Kläger hat die medizinische Notwendigkeit der Anschaffung der Hilfsmittel bewiesen. Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus den Ausführungen des Sachverständigen C in dessen schriftlichen Gutachten und nach Maßgabe seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung am 26.09.2018. Die Feststellungen des Sachverständigen sind alles andere als mangelhaft. Namentlich ist eine mehrmonatige Erprobungsphase und in diesem Rahmen eine vergleichende Testung des herkömmlichen und des elektrostimulierenden Systems, welche die Beklagte bis zuletzt reklamiert hat, nicht erforderlich. Der Kläger kann, so der Sachverständige überzeugend, die Hilfsmittel angemessen nutzen; eine Kontraindikation in seiner Person ist nicht ersichtlich, da die  kognitiven Fähigkeiten des Klägers nach der im Jahre 2005 erlittenen Hirnblutung in vollem Umfang erhalten geblieben sind. Diese Feststellung reicht aus, um von einem berechtigten ex ante Standpunkt aus gesehen, die medizinische Notwendigkeit der Hilfsmittelanschaffung zu bejahen. Denn der Therapieerfolg, so der Sachverständige, ist zu erwarten. Soweit im Kontext schließlich die schlechte Qualität der Videosequenzen bemängelt wird, hat der Sachverständige darauf ausdrücklich hingewiesen und, wie er ausgeführt hat, bewusst auf eine nicht vorhandene Genauigkeit der Interpretation verzichtet.

Die Feststellungen des Sachverständigen sind in sich schlüssig und in jedem Einzelpunkt überzeugend. Die Sachkunde des Sachverständigen ist herausragend, wie er in zahlreichen für die Kammer erstatteten Gutachten unter Beweis gestellt hat.

Die Beklagte schuldet dem Kläger zudem die Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß den §§ 280 Abs. 2, 286 BGB, wobei die Zinsforderung von ihrer Dauer her gemäß den §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB auf das Datum der ernsthaften und endgültigen Leistungsablehnung der Beklagten im Schreiben vom 27.04.2016 zu begrenzen war. Ein früher Verzugseintritt der Beklagten ist nicht schlüssig vorgetragen, so dass die Klage in jenem Umfang der Abweisung unterlag.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf  7.388,00 EUR festgesetzt (10.000,00 EUR voraussichtliche Anschaffungskosten, davon 80 % gemäß der Tarifbedingung zu A. 7, abzüglich des Selbstbehaltes von 2 x 306,00 EUR gemäß der Tarifbedingung zu A. 7).

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