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Krankheitskostenversicherung – in USA durchgeführte medizinische Heilbehandlung

LG Berlin – Az.: 7 O 222/09 – Urteil vom 16.10.2012

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 22.707,39 €  nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.12.2009 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 17 % und die Beklagte 83 % zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar- für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % hiervon.

Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % hiervon abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % hiervon leistet.

Tatbestand

Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Krankheitskostenversicherung in Ergänzung zu seiner 50 %-igen Beihilfeberechtigung nach Tarif BA 50 bzw. BS 50. Vereinbart sind die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (im folgenden: MB/KK 2009), vgl. Anlage 1.

Beim Kläger wurde vor 2002 ein lokal begrenzter Prostatakrebs diagnostiziert. Er entschied sich zunächst für ein kontrolliertes Zuwarten bis 2008. Angesichts des ansteigenden PSA Wertes entschied er sich sodann für eine lokale Behandlung im Medical Center- proton treatment center für cancer- der Universität … in Kalifornien.

Die Beklagte lehnte unter dem 23.03.2009 eine Kostenbeteiligung ab, da eine medizinische Notwendigkeit für die geplante Protonentherapie nicht vorliege.

Sie bestätigte mit Schreiben vom 08.05.2009 (Bl. 54 Bd. I. d. A.), dass der Schutz der Krankheitskostenvollversicherung sich auf die Heilbehandlung in Europa erstreckt und für bis zu 2 Monate Versicherungsschutz außerhalb Europas besteht. Gegen Beitragszuschlag dehne sie den Versicherungsschutz auch auf einen längeren Zeitraum aus.

Diese Vereinbarung ist unstreitig zwischen den Parteien zustande gekommen.

Der Kläger unterzog sich ab 26.05.2009 (bis August 2009) der geplanten Protonenbehandlung. Während der Behandlungsdauer war er in einem Appartement untergebracht. Auf den Befundbericht in übersetzter Form Bl. 49- 51 d.A. Bd. I d. A. wird verwiesen.

Die Klinik berechnete ihre Leistungen am 29.07.2009 (vgl. Anlagen zu Bl. 41 KV; Übersetzung Bl. 99-102 Bd. I d. A.) Laut Abschlussrechnung wurde auf die $ 192.299,- ein Rabatt gewährt; mit der bereits erfolgten Zahlung der $ 67.500,- war diese ausgeglichen (B 5, Bl. 152 Bd. I d.a.).

Die Rechnung und die Belastungsanzeige der Landesbank Berlin (Kurs 1,3524) gingen am 20.11.2009 bei der Beklagten ein. An diesem Tag wies die Europäische Zentralbank eine Wechselkursrate von 1,4863 aus (B 2).

Krankheitskostenversicherung - in USA durchgeführte medizinische Heilbehandlung
Symbolfoto: Von FOTOGRIN /Shutterstock.com

Die Beklagte erstatte dem Kläger laut Abrechnung vom 07.05.2020 Kosten, die während der Protonentherapie wegen Ischias Beschwerden entstanden sind. In der Anmerkung zur Leistungsabrechnung (Bl. 156 Bd. I. d. A) ist ausgeführt: Der Erstattungsbetrag ergibt sich aus dem Umrechnungskurs vom Tag des Rechnungseinganges. Sollte eine Differenz zwischen der tatsächlichen Leistung und unserer Erstattung vorliegen, reichen Sie bitte einen Umtauschbeleg aus dem Ausland nach.

Der Kläger beantragte mit der am 11.05.2009 eingegangenen Klage zunächst die Beklagte zu verurteilen, 50 % der Kosten einer Protonenbestrahlung in … …, USA, zu übernehmen.

Nach der durchgeführten Behandlung stellte er mit Schriftsatz vom 09.09.2009 den Antrag auf Zahlung von 27.306,82 € um. Der Betrag setzte sich zusammen aus 50 % von 50.033,62 € (Belastung auf seinem Konto zur Begleichung der Rechnung nebst Zusatzkosten), Flugkosten von 810,23 € und die Kosten für die Unterkunft im Apartment von 3.769,79 €. Der Schriftsatz wurde der Beklagten am 14.12.2009 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 04.03.2010 nahm der Kläger die Klage im Hinblick auf die Flugkosten, die Unterbringungskosten und die Provision der Bank zurück und stellte nur noch auf Erstattung der hälftigen Behandlungskosten ab, die er mit 49.911,27 € bezifferte. Den angekündigten Hilfsantrag nahm er im Termin am 25.09.2012 zurück.

Der Kläger behauptet, die durchgeführte Protonenbehandlung sei medizinisch notwendige Heilbehandlung gewesen. Es handele sich um eine wissenschaftlich anerkannte etablierte Behandlungsmethode, die wegen fehlender Nebenwirkungen allen anderen in Deutschland praktizierten Behandlungen weit überlegen sei. Er sei geheilt; der PSA Wert sei von 10,47 (05.08.2008) auf 2,63 (07.12.2009) gesunken. Da er die Behandlungskosten von $ 67.500,- bereits am 14.05.2009 der … … University überweisen musste, ist er der Ansicht, dass der Kurswert an diesem Tag mit 1,3524 maßgebend ist.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 24.955,63 € nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die Kosten von $ 192.299,- stünden selbst bei dem gewährten Preisnachlass auf 67.500,- $ noch in auffälligem Missverhältnis zu der erbrachten Leistung. Eine entsprechende Protonenbehandlung würde in Deutschland nicht mehr als 20.000,- € kosten.

Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 11.05.2010 (Bl. 139 -141 Bd. I d. A.) und Prof. Dr. med. … als Sachverständigen beauftragt.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen vom 10.05.2011 (Bl. 185- 196 Bd. I d. A.), seine Stellungnahmen vom 24.11.2011 (Bl. 238- 238 Bd. I d. A.), vom 26.03.2012 (Bl. 36- 37 Bd. II d.A.), vom 08.08.2012 (Bl. 64- 64) und seine Ausführungen im Termin am 25.09.2012 gemäß Protokoll verwiesen.

Zur Ergänzung des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in überwiegendem Umfang begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 22.707,39 € zu.

Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit.

Nach der durchgeführten Beweisaufnahme ist die Kammer davon überzeugt, dass es sich bei der durchgeführten Protonentherapie um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung des Klägers aufgrund seiner Erkrankung handelte.

Eine Heilbehandlung ist nämlich medizinisch notwendig, wenn es nach objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme vertretbar war, sie als notwendig anzusehen.

Vertretbar wiederum ist es die Heilbehandlung als notwendig anzusehen, wenn sie sowohl in begründeter und nachvollziehbarer wie fundierter Vorgehensweise das zugrundeliegende Leiden diagnostisch hinreichend erfasst und eine ihm adäquate geeignete Therapie anwendet.

Das ist hier der Fall, auch wenn es sich um eine Methode handelt, die in Deutschland wohl wegen der damit verbundenen Kosten nicht angeboten wird und andere Methoden zur Verfügung stehen, die zumindest alternativ als medizinisch notwendige Heilbehandlung angesehen werden könnten.

Wie der Sachverständige unter Würdigung der vorliegenden Befunde ausgeführt hat, wurde beim Kläger erstmalig 2002 eine erhöhter PSA-Wert (Prostataspezifisches Antigen) gemessen und bioptisch die Erstdiagnose eines Adenokarzinoms der Prostata gestellt. Im Verlauf des kontrollierten Zuwartens stieg der PSA-Wert auf 1047 ng/ml im August 2008. Es erfolgte eine erneute Probeentnahme und es zeigten sich zwei Areale eines Adenokarzinoms der Prostata, wiederum Gleason -Score 3+3= 6. Nach Gabe von Proscar (Finestid) sank der PSA -Wert zunächst auf 6,6 ng/ml. Das Medikament muss aber aufgrund von Nebenwirkungen abgesetzt werden und im Februar 2009 betrug der letzte vor Therapiebeginn gemessene PSA-Wert 7,5 ng/ml.

Im … … Medical Center wurden von Mai bis August 2009 eine primäre Strahlentherapie der Prostata mittels Protonen in 45 Fraktionen bis zu einer kumulativen Gesamtdosis von 81 Gy durchgeführt. Es traten keine Akut- oder Spätnebenwirkungen der Therapie auf (Nebenwirkungsprofil gemäß Eintrag vom 09.09.2009).

Neben dem einstigen „Goldstandard“ in der Behandlung des Prostatakarzinoms, der chirurgischen Entfernung der Prostata, hat sich heute die Strahlentherapie als non-invasive, effektive und nebenwirkungsarme Standardtherapie etabliert.

Kupelian et. al. konnten 2004 an einer Patientenpopulation von 2991 Männern mit Prostatakarzinom zeigen, dass es bezüglich des biochemisch rezidivfreien Überlebens zwischen den Therapiemodalitäten radikale Prostatektomie, perkutane Strahlentherapie mit einer Gesamtdosis > 72 Gy, einer Kombinationstherapie aus perkutaner Strahlentherapie bis 41,4 bzw. 45 Gy und LDR -Brachytherapie („Seeds“) mit 108 bzw. 102 Gy (unter Verwendungen von Iod- bzw. Palladium -Seeds) sowie einer alleinigen LDR-Brachytherapie („Seeds“) mit 136 bzw 144 Gy (unter Verwendungen von Iod- bzw. Palladium Seeds) keine statistisch signifikanten Unterschiede gibt.

Die zwischen 1991-1997 am … … Center mit Protonen behandelten Patienten mit Prostatakarzinom zeigten bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 5,3 Jahren ein biochemisch rezidivfreies Überleben von 73 % für die Gesamtpopulation mit deutlich besseren Werten für Patienten mit besonders günstigen Risikokonstellationen, z.B. initialer PSA-Wert < 4,0 ng/ml (90 %) und Patienten, deren PSA-Wert nach der Therapie zügig auf niedrige Werte < 0,5 ng/ml fiel (87 %). Auch hier konnte ein günstiges Nebenwirkungsprofil mit< 1 % höhergradigen gastrointestinalen und urogenitalen Nebenwirkungen gezeigt werden.

Die Vorteile der Protonenstrahlung ergeben sich aus physikalischen Eigenschaften: Sie haben eine endliche Reichweite in Gewebe, die allein von der Beschleunigungsenergie und der Dichte entlang der Wegstrecke im Gewebe abhängt. Sie zeigen in Materie einen Bragg-Peak. Hinter dem Bragg-Peak kommt es innerhalb weniger Millimeter zum steilen Dosisabfall auf Werte nahe Null. Sie können mittels spread-out Bragg- Peak so appliziert werden, dass eine homogene Dosisverteilung im Zielvolumen entsteht bei gleichzeitig nahe-Null Dosis im dahinterliegenden Gewebe. Abgesehen von der Behandlung sehr oberflächlicher Läsionen, besteht im Vergleich zu Photonenstrahlung auch proximal vom Zielgewebe eine niedrigere Dosis.

Die durch Photonenstrahlung im Gewebe deponierte Energie zeigt dagegen zunächst einen Aufbaueffekt entlang der Feldachse und fällt dann zur Tiefe hin ab. Um eine homogene Dosisverteilung im (im Falle der Prostata tief liegenden) Zielgewebe zu erreichen, werden in der modernen Strahlentherapie in der Regel Mehrfelder-Techniken verwendet. Dadurch werden zwar unerwünscht höhere Dosen außerhalb des Zielgewebes vermieden; dies führt allerdings zu einer höheren Strahlenbelastung der mitbestrahlten Normalgewebsvolumina (höhere Integraldosis im Normalgewebe) als bei der Protonentherapie.

Die Protonentherapie hat aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften Vorteile, ist aber weniger verbreitet und mit größeren Kosten verbunden. Evidenzen aus Vergleichsstudien bzgl. der Überlegenheit der Protonentherapie gegenüber den anderen strahlentherapeutischen Verfahren hinsichtlich der medizinischen Ergebnisse liegen nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten des Sachverständigen vom 10.05.2011 (Bl. 185- 196 Bd. I d. A.) verwiesen.

In der Stellungnahme vom 24.11.2011 (Bl. 238-239 Bd. I. d. A.) führte er zudem konkret zum Kläger aus: Bestand also bei dem Patienten der Wunsch einer lokal kurativen Behandlung, ist diese bei vorliegender Konstellation aus Alter, Risikogruppe und Nicht- Vorliegen körperlicher Beschwerden, die eine operative oder strahlentherapeutische Behandlung unmöglich machen, durchaus indiziert und vertretbar.

Die günstigen Eigenschaften der Dosisverteilung von Protonen in Festkörpern sind seit langem bekannt. Die flächendeckende Einführung der Protonentherapie in die klinische Praxis wurde bisher durch deren großen technischen Aufwand mit konsekutiv hohen Kosten gebremst.

Bezüglich der lokal kurativen Behandlung von Prostatakarzinomen mittels Protonen weist das … … Cancer Center weltweit die längste Erfahrung und größten Patientenzahlen auf. Seit 1991 wird hier Patienten mit lokal begrenztem Prostatakarzinom die Behandlung mittels alleiniger Protonentherapie angeboten.

Aufgrund der weiterhin spärlichen Verbreitung der Protonentherapie mit zum Teil kurzer Behandlungs- Erfahrung liegt im Vergleich zu anderen lokal kurativen Verfahren insgesamt nur ein Bruchteil an wissenschaftlichen Daten zur Behandlung mittels Protonen vor. Ein nach wissenschaftlichen Kautelen durchgeführter direkter Vergleich der Protonentherapie mit anderen lokal kurativen Verfahren an einer vorher definierten Patientenkohorte (Phase -III-Studie), liegt nicht vor. (Anmerkung: Laut Gutachten sind Daten aus Phase- III- Studien jedoch niemals Vorrausetzung zur Markeinführung gewesen.) Dementsprechend findet die Protonenbehandlung auch noch keinen Eingang in die deutsche Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms. Dies wird sich im Hinblick auf die weiteren Protonentherapiezentren, die sich derzeit weltweit im Bau befinden, möglicherweise in Zukunft ändern.

Auf diese und die weiteren Stellungnahmen wird wegen der weiteren Einzelheiten ergänzend verwiesen.

Demnach war die Protonenbehandlung beim Kläger durchaus medizinisch notwendig, denn es war nach objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme vertretbar, sie als notwendig anzusehen.

Es muss nach den Ausführungen des Sachverständigen angenommen werden, dass es sich um eine adäquat geeignete Therapiemöglichkeit handelt.

Es handelt sich auch um eine Behandlungsmethode, die von der Schulmedizin überwiegend anerkannt ist. Insoweit steht § 4 Abs. 6 MB/KK 2009 dem Anspruch des Klägers nicht entgegen.

Die Kammer geht nach der Anhörung des Sachverständigen im Termin am 25.09.2012 davon aus, dass von einer überwiegenden Anerkennung der Protonentherapie in der Schulmedizin ausgegangen werden muss. In dem Gutachten und den ergänzenden Stellungnahme hatte sich der Sachverständigen konkret dazu nicht geäußert.

Dem Sachverständigen wurde aber im Termin am 25.09.2012 die Definition des Begriffs vorgegeben, wie ihn der BGH zur Wissenschaftlichkeitsklausel erläutert hat.

Zur Bejahung oder Verneinung der Beweisfrage muss nämlich von den vereinbarten Bedingungen ausgegangen werden; diese sind auszulegen. Bei der hier vorgenommenen Behandlungsart liegt es nicht direkt auf Hand, welche Anforderungen zu stellen sind, denn die Behandlungsmethode ist jedenfalls in den USA durchaus gängig- was allein noch nichts besagt- und ist durchaus – wenn man auch die Ausführungen des Sachverständigen heranzieht- durchaus erfolgversprechend. Allein auf den Umstand, dass die Methode in Deutschland zur Behandlung von Prostatakarzinomen nicht zur Verfügung steht, kann nicht geschlossen werden, dass sie nicht schulmedizinisch anerkannt ist. Auch der Umstand, dass es keine anerkannte Vergleichsstudie gibt zwischen 2 Behandlungsvarianten also der Protonen- und der Photonentherapie, kann nicht dazu führen, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer annehmen muss, es liege hier eine Methode vor, die von der Schulmedizin nicht überwiegend anerkannt ist.

AVB so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer (VN) die Allgemeinen Bedingungen bei verständiger Würdigung aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs  verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an (BGH VersR 1992, 349; VersR 1982, 841).

Ein verständiger VN geht vom Wortlaut der Klausel aus. „Anerkannt“ versteht er so, dass die Methode Anerkennung gefunden hat. Für die Frage, wer die Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden und die Arzneimittel anerkannt haben muss, damit die Kosten erstattungsfähig sind, gibt dem versicherungsrechtlich nicht vorgebildeten VN der in der Klausel verwendete Begriff „Schulmedizin“ Auskunft. Allgemein wird unter dem Begriff der „Schulmedizin“ eine wissenschaftliche anerkannte Methode verstanden, eine Methode also, die von den an den Hochschulen und Universitäten Tätigen überwiegend anerkannt, also im wesentlichen außer Streit ist.

Nicht entgegensteht, dass etwa auch innerhalb der Schulmedizin Richtungskämpfe ausgetragen werden. Für das Verständnis eines durchschnittlichen VN von dem, was wissenschaftlich allgemein anerkannt ist, entscheidet allein, dass über die generelle Wirksamkeit einer Methode unter den Schulmedizinern kein nennenswerter Streit besteht Nicht allgemein anerkannt ist eine Methode erst, wenn namhafte Wissenschaftler sie als unwissenschaftlich kritisieren.(BGH VersR 93, 957).

Zu berücksichtigten ist hier, dass es gerade nicht um eine sog. Alternative Behandlungsmethode geht, was in der zitierten Entscheidung problematisiert wurde. Auch die Anforderungen der GKV – wozu sich der Sachverständige äußerte- sind hier nicht streitentscheidend.

Der Sachverständige, der einen erfahrenen Eindruck machte und sachlich auf die an ihn gestellten Fragen einging, hat letztlich bestätigt, dass die Methode in der Schulmedizin als überwiegend anerkannt bezeichnet werden kann. Soweit er die überwiegende Anerkennung anfangs bezweifelte, beruhte dies nur auf der fehlverstandenen Begrifflichkeit, denn er ging davon aus, dass die Methode überwiegend zur Verfügung stehen müsse oder aber Überlegenheit oder Vergleichbarkeit durch Studien bewiesen ist. Er führte aus, dass die Protonentherapie von vielen (ausländischen) Privatklinken zum Standard erklärt wurde und sie eindeutig wirksam und belegt ist. Als Arzt betrachtet er die Protonentherapie als mindestens gleichwertig. Er erläuterte überzeugend, dass sie sicherlich unstrittig an der Hochschule als eine der wenigen Zukunftsmöglichkeiten anzusehen ist und als Behandlungsmethode bei Krebs anerkannt ist. Auf Nachfrage konnte er auch bejahen, dass die Therapie bei allen universitären Forschungseinrichtungen anerkannte Methode ist, die alle gerne einsetzen wollen, um fehlende Evidenzen zu erhalten. Anzumerken ist hierbei, dass der Sachverständige selbst in der Lehre tätig ist und auch insoweit das nötige Fachwissen besitzt, die Beweisfrage zu beantworten. Er bestätigte schließlich, dass über die generelle Wirksamkeit der Methode beim Prostatakarzinom unter den Schulmedizinern kein nennenswerter Streit besteht.

schriftlichen und mündlichen Ausführungen des Sachverständigen verwiesen, denen sich die Kammer anschließt.

Dass die Aufwendungen für die Heilbehandlung nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu der erbrachten Leistungen stehen, liegt auf der Hand. Die Beklagte hätte insoweit den Beweis führen müssen, wenn aus dem Grund (§ 5 Abs. 2 MB/KK 2009) eine Leistungspflicht verneint. Sie hat derartiges nur pauschal behauptet. Die Abrechnungsart als solche kann sie dabei nicht bemängeln, wenn sie gerade Versicherungsschutz für die USA gewährt. Selbstverständlich ist nur die letztlich zu zahlende Summe unter Berücksichtigung des Rabatts maßgebend. Auch der Sachverständige hat zudem vergleichbare Kosten bestätigt, wenn die Methode in Deutschland verfügbar wäre und die Kosten von ca. 48.000,- € als günstig für die USA bezeichnet.

Zur Höhe ist auszuführen, dass es insoweit auf § 6 Abs. 4 MB/KK 2009 ankommt: Die in ausländischer Währung entstandenen Krankheitskosten werden zum Kurs des Tages, an dem die Belege beim Versicherer eingehen, in Euro umgerechnet. Nach den Tarifbedingungen (Teil II Abs. 4) gilt als Kurs des Tages der offizielle Euro-Wechselkurs der Europäischen Zentralbank.

Die Rechnung und die Belastungsanzeige der Landesbank Berlin (Kurs 1,3524) gingen am 20.11.2009 bei der Beklagten ein. An diesem Tag wies die Europäische Zentralbank eine Wechselkursrate von 1,4863 aus (B 2, Bl. 70, 71 Bd. I d. A). Daraus folgt ein Betrag von 45.414,78 €. Unter Berücksichtigung des Erstattungsanspruchs des Klägers folgt daraus ein Anspruch in Höhe von22.707,39 €.

Einen höheren Betrag kann der Kläger nicht fordern, auch wenn es in den hier vereinbarten Tarifbedingungen (Teil II Abs. 4 Satz 2) heißt, „es sei denn die versicherte Person weist durch Bankbeleg nach, dass sie die zur Bezahlung der Rechnungen notwendigen Devisen zu einem ungünstigeren Kurs erworben hat.“

Nach dem Wortlaut- auf den es bei der Auslegung zunächst ankommt- ist das Bezahlen der Rechnung maßgebend. Der ungünstigere Kurs musste vom Kläger aber nicht in Kauf genommen werden als er die Rechnung zahlte, sondern da er die Rechnungssumme als Vorschuss anweisen musste. Die Rechnung datiert mit dem 29.07.2009. Die Landesbank Berlin berechnete einen Kurs von 1,3524 und wies daher laut Belastungsanzeige vom 15.05.2009 für $ 67.500,- 49.911,27 € aus. Die Problematik, dass ein Vorschuss zu zahlen ist, da sonst der Behandlungstermin storniert wird, und daher ein ungünstigerer Kurs in Anspruch genommen wird, ist von der Tarifbedingung nicht erfasst. Das erschließt sich auch dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht nur aufgrund des Wortlauts, sondern auch aufgrund der Regelung, wonach es eben auf den Eingang der Rechnung beim Versicherer ankommt. Die Abrechnungsregelung ist unbedenklich, denn der Versicherungsnehmer hat es in der Hand, den Zeitpunkt der Einreichung der Nachweise zu bestimmen (vgl. Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 6 MB/KK 2009, Rn. 8; Bach/ Moser, Private Krankenversicherung, 4. Aufl., § 6 MB/KK Rn. 14).

Die Kursschwankung kann dazu führen, dass er entweder nicht die vollen Aufwendungen oder aber einen höheren Betrag erhält. Durch die hier getroffene zusätzliche Tarifbedingung wird sogar sichergestellt, dass eine Kursschwankung beim Ausgleich der Rechnung nicht zu Lasten des Versicherungsnehmers geht. Sie ist aber hier nicht einschlägig.

Die Klage war daher insoweit abzuweisen.

Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286, 288 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen haben ihre Rechtsgrundlage in den §§ 92, 708 Ziff. 11, 709, 711 ZPO.

 

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