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Krankheitskostenversicherung – Erstattungsumfang von Heilbehandlungskosten

LG Bielefeld – Az.: 18 O 50/16 – Urteil vom 01.12.2016

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten (wegen der Kosten) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückerstattung von an sie ausgezahlten Versicherungsleistungen in Anspruch.

Die Beklagte ist von Beruf Zahnärztin.

Sie unterhält bei der Klägerin eine Krankheitskostenversicherung zur Versicherungsnummer xxx, wobei der Versicherungsschutz auch zahnärztliche Behandlungen nach Maßgabe der GOZ umfasst sind und entsprechend dem zugrunde liegenden Tarif 75 % des erstattungsfähigen Rechnungsbetrages übernommen werden.

In den Jahren 2013 und 2014 reichte die Beklagte bei der Klägerin 3 Rechnungen für zahnärztliche Behandlungen ein, die sich auf insgesamt 28.363,01 EUR beliefen. Die Klägerin prüfte die Rechnungen und brachte insgesamt einen Betrag von 20.663,85 EUR entsprechend ihren Abrechnungsschreiben vom 14.01.2014, 06.08.2014 und 12.12.2014 zur Auszahlung.

Wegen der Einzelheiten der Rechnungs- und Erstattungs- sowie Auszahlungsbeträge wird auf die Aufstellung in der Klageschrift vom 24.02.2016, Bl. 2, Bezug genommen.

Im Juli 2015 bat die Klägerin die Beklagte um die Vorlage von Nachweisen über die Bezahlungen der von ihr eingereichten Rechnungen. Daraufhin übersandte die Beklagte Kontobelege, aus denen sich ergab, dass sie an den behandelnden Zahnarzt Dr. T. lediglich Zahlungen in Höhe von 20.663,85 EUR erbracht hatte. Mit Schreiben vom 13.11.2015 bestätigte die Praxis Dr. T. und Partner der Beklagten, dass für den in Rede stehenden Handlungsfall keine offenen Posten vorlägen.

Hintergrund dafür ist der Umstand, dass bei Behandlungen unter Zahnarztkollegen die kollegiale Handhabung herrscht, auf die Erfüllung der vollen Verbindlichkeit zu verzichten, wenn der ursprüngliche Zahnarztpatient selbst als Zahnarzt den ursprünglichen behandelnden zahnärztlichen Leistungserbringer seinerseits behandelt oder sich dazu bereit erklärt. In diesem Zusammenhang erklärte der behandelnde Zahnarzt Dr. T. gegenüber der Beklagten schriftlich:

Ich habe Ihnen mit dem Schreiben vom 13.11.2015 mitgeteilt, dass in ihrem Behandlungsfall keine offenen Posten vorliegen. Wir haben uns jedoch anlässlich Ihrer Behandlung darauf verständigt, dass – soweit die Behandlungskosten nicht von Ihrem Krankenversicherer gedeckt sind – Sie sich im Gegenzug dazu bereit finden, mich bei einem betrieblichen Engpass (z. B. Krankheit etc.) notfallmäßig vertreten oder umgekehrt zu entsprechenden Bedingungen bei mir oder einem Berufskollegen von mir Zahnbehandlungen durchführen.

Die Klägerin behauptet, dem streitgegenständlichen Krankenversicherungsvertrag hätten ursprünglich die Rahmenbedingungen 1994 (RB/KK 94) zugrunde gelegen. Im Zuge der VVG-Reform sei ein Einbezug der RB/KK 2009 erfolgt. Beide Bedingungswerke sehen vor, dass der Versicherer in der Krankheitskostenversicherung Ersatz von Aufwendungen für Heilbehandlungen und sonst vereinbarte Leistungen erbringt. Die tatsächlichen Aufwendungen der Beklagten hätten sich im vorliegenden Versicherungsfall aber auf insgesamt lediglich 20.663,85 EUR belaufen, nachdem der behandelnde Zahnarzt Dr. T. bestätigt habe, dass darüber hinaus keine offenen Posten vorliegen. Die ursprünglich behauptete und durch entsprechende Rechnungen belegte Gesamtrechnungssumme von 28.363,02 EUR sei darauf zurückzuführen, dass die Rechnungen erkennbar allein zum Zwecke der Abrechnung gegenüber der Klägerin erstellt worden seien, während tatsächlich eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten nur in Höhe der zu erwartenden Erstattungsleistungen der Klägerin habe entstehen sollen.

Wegen der weiteren Abrechnung der Klägerin wird auf die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 19.05.2016, dort Bl. 3 2. Absatz und Bl. 4, Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.954,03 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.12.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, ihre Aufwendungen beliefen sich tatsächlich auf 28.363,02 EUR. Denn durch die Zahnbehandlung durch Dr. T. seien ihr Verbindlichkeiten in dieser Höhe entstanden. Die Klägerin habe mit ihren Abrechnungsschreiben die Ansprüche der Beklagten aus dem Versicherungsverhältnis abschließend geprüft und erfüllt. Damit sei die Prüfung ihrer Leistungspflicht abgeschlossen. Die weitere Abwicklung im Valutaverhältnis zwischen der Beklagten und dem Leistungserbringer gehe die Klägerin nichts an.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im Ergebnis unbegründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Rückerstattung bereits erbrachter Versicherungsleistungen aus § 812 BGB zu.

Denn die Leistung der Klägerin an die Beklagte erfolgte entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht nicht ohne Rechtsgrund.

Dabei kann dahinstehen, welche konkreten Rahmenbedingungen für den unstreitig zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag galten. Denn selbst nach ihrem eigenen Vortrag war die Klägerin gegenüber der Beklagten verpflichtet, Ersatz von Aufwendungen für die (zahnärztliche) Heilbehandlung und sonst vereinbarte Leistungen zu erbringen.

Da der Versicherungsnehmer mit dem Abschluss eines Krankenversicherungsvertrages die Abdeckung des Kostenrisikos, das ihm durch die Heilbehandlung entsteht, bezweckt, stellen sich die versicherten Aufwendungen als derjenige Betrag dar, der zur Abdeckung dieses Kostenrisikos erforderlich ist.

Der Umfang des danach abzudeckenden Kostenrisikos des Versicherten manifestiert sich in Gestalt des (begründeten) Anspruchs, dem sich der Versicherte aufgrund der durchgeführten Heilbehandlung ausgesetzt wird. Dieser Anspruch belief sich vorliegend auf insgesamt 28.363,02 EUR und ist durch die von der Klägerin unstreitig vorgelegten Rechnungen des behandelnden Zahnarztes Dr. T. belegt.

Dass diese Rechnungen nicht den Umfang der tatsächlich erbrachten Leistungen entsprachen oder sonst überhöht waren, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Im Gegenteil: Die Klägerin hat die Rechnungen unbestritten geprüft und den Betrag von insgesamt 20.663,85 EUR zur Zahlung an die Beklagte angewiesen.

Soweit die Klägerin vorträgt, die Rechnungen seien erkennbar allein zum Zwecke der Abrechnung gegenüber der Klägerin erstellt worden, während tatsächlich eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten nur in Höhe der zu erwartenden Erstattungsleistungen der Klägerin entstehen sollte, hätte es ihr oblegen, zu beweisen, dass die von der Klägerin vorgelegten Rechnungen des Dr. T. nur zum Schein zwecks Vorlage bei der Versicherung ausgestellt wurden. Das ist nicht geschehen. Die Klägerin hat keinen Beweis für die Richtigkeit ihrer Behauptung angetreten, sondern ist im Gegenteil der schriftlichen Erklärung des Dr. T. nicht entgegen getreten, wonach sich die Beklagte verpflichtet hat, im Gegenzug dafür, dass sie einen Teil der Rechnung nicht zahlen musste, zur Erbringung bestimmter Leistungen verpflichtet hat.

Damit bleibt es dabei, dass die Beklagte dem durch die unstreitig erfolgte Heilbehandlung generierten Kostenrisiko in voller Höhe ausgesetzt war. Dass sie die Kosten dabei unstreitig nur teilweise durch Zahlung und teilweise durch das Versprechen eigener Leistungen getilgt wurden und das versicherte Kostenrisiko nicht ausschließlich durch Zahlung abgewendet wurde, berührt die Erstattungspflicht der Klägerin nicht.

Denn anderenfalls wäre das von der Beklagten tatsächlich eingegangene Kostenrisiko durch die Versicherung gerade nicht vollständig abgedeckt: Die Beklagte wäre nämlich in der Pflicht, ihrerseits geldwerte Leistungen, nämlich zahnärztliche Dienstleistungen zu erbringen, ohne dass die Klägerin sie diesbezüglich entlasten würde. Vor diesem Hintergrund ist auch der Umstand zu berücksichtigen, dass auch für die Krankenversicherung das sog. Äquivalenzprinzip gilt, also eine Vergleichbarkeit und Entsprechung von Beitrag und Leistung besteht. Wenn nun bestimmte Versichertengruppen (wie hier z. B. die Zahnärzte) aufgrund einer innerhalb dieser Gruppe bestehenden kollegialen Verhaltensweise regelmäßig geringere Leistungen des Versicherers erhalten als andere Versicherte, würde das zu einer Störung des Äquivalenzprinzips und – solange die Beiträge nicht den ermäßigten Leistungen des Versicherers angepasst werden – zu einem Verstoß gegen das verfassungsrechtlich geschützte Gleichbehandlungsprinzip führen.

Hinzu kommt, dass es sich bei der privaten Krankenversicherung unzweifelhaft um eine Schadensversicherung handelt und eine Vorteilsausgleichung, wie sie die Klägerin hier vornehmen will, im allgemeinen Schadensersatzrecht ebenfalls nicht stattfindet.

Die Klage war deshalb insgesamt mit der sich aus § 91 ZPO ergebenden Kostenfolge abzuweisen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Ziff. 11 und 711 ZPO.

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