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Krankheitskostenversicherung – Anforderungen an die Wirksamkeit von Beitragsanpassungen

LG Aurich – Az.: 3 O 964/18 – Urteil vom 05.11.2019

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 11.965,67 € festgesetzt.

Tatbestand

Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen Prämienerhöhungen seiner Krankheitskostenversicherung sowie seiner Pflegeversicherung, die er bei der Beklagten unterhält.

Für den Kläger bestehen bei der Beklagten unter der Vers.-Nr. 4. eine Krankheitskostenversicherung (KV) mit dem Tarif „V. 3“ sowie eine private Pflegepflichtversicherung (PV) nach Tarif „P.“.

Die Beklagte erhöhte in den Jahren 2015-2018 die Prämien wie folgt:

Am 1.01.2015 von 244,42 € KV und 19,83 € PV monatlich auf 271,63 € KV und 22,09 € PV

Am 1.01.2016 von 271,63 € KV monatlich auf 317,79 € KV. Der Beitragssatz in der PV blieb unverändert.

Am 1.01.2017 von 22,09 € PV monatlich auf 27,08 € PV. Der Beitragssatz in der KV blieb unverändert.

Am 1.01.2018 von 317,79 € KV monatlich auf 426,69 € KV. Der Beitragssatz in der PV blieb unverändert.

Dem Kläger gingen mit den Prämienerhöhungen Informationen zur Beitragsanpassung zu. Wegen der Einzelheiten dieser Unterrichtung wird auf die Anlagen BLD 6 zum Schriftsatz der Beklagten vom 21.12.2018 verwiesen.

Mit Schreiben des jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 6.03.2018 verlangte der Kläger Rückzahlung der bis dato aufgelaufenen Beitragserhöhungen nebst Zinsen.

Der Kläger beruft sich auf die formelle und materielle Unwirksamkeit der jeweiligen Erhöhung. Er meint, den Erhöhungen fehle jeweils die nach § 203 Abs. 5 VVG notwendige Mitteilung der hierfür maßgeblichen Gründe. Ferner ergebe sich die Unwirksamkeit der Erhöhungen daraus, dass keine Angaben zur Person des Treuhänders gemacht worden seien und auch der Hinweis gefehlt habe, dass überhaupt ein Treuhänder habe mitwirken müssen. Zudem seien die Beitragserhöhungen fehlerhaft, weil der von der Beklagten eingesetzte Treuhänder nicht im Sinne des § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG unabhängig gewesen sein.

Der Kläger beantragt,

1.) festzustellen, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Krankenversicherung mit der Versicherungsnummer 4. unwirksam sind und der Kläger nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrags verpflichtet ist:

a) in der Krankheitskostenversicherung im Tarif V. 3 die Erhöhung zum 1.01.2015 um 27,21 € monatlich, zum 1.01.2016 um weitere 46,16 € monatlich und zum 1.1.2018 um weitere 108,90 € monatlich.

b) in der Pflegekostenversicherung im Tarif P. die Erhöhung zum 1.01.2015 um 2,36 € monatlich und zum 1.01.2017 um weitere 4,99 € monatlich.

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3955,83 € nebst Zinsen in Höhe von 5%Punkten über dem Basiszinssatz hierauf seit dem 3.05.2018 zu zahlen

3. festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe von Nutzungen verpflichtet ist, die sie bis zum 2.5.2018 aus dem Prämienanteil gezogen hat, den der Kläger auf die unter 1.) aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat und die herauszugebenden Nutzungen in Höhe von 5%Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 3.05.2018 zu verzinsen hat

4. die Beklagte weiter zu verurteilen, den Kläger von Nebenkosten in Höhe von 958,19 € Zinsen nebst Zinsen in Höhe von 5%Punkten über dem Basiszinssatz hierauf seit Rechtshängigkeit bei RA J. K., E., A., freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beitragserhöhungen seien im Übrigen formell nicht zu beanstanden und seien darüber hinaus, so vorhanden, durch die Ausführungen im Rechtsstreit, insbesondere im Schriftsatz vom 16.05.2019, geheilt. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 16.05.2019 verwiesen. Ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung bestehe – den Anspruch dem Grunde nach unterstellt – zudem nur hinsichtlich eines Überschusses. Dem Kläger zu Gute gekommene Vermögensvorteile, wie die Erhebung eines Sparanteils und eines Sicherheitszuschlages, seien zu berücksichtigen. Die Beklagte erhebt den Einwand der Entreicherung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.07.2019 verwiesen. Im Termin hat das Gericht auf eine Zuständigkeit des Sozialgerichts für die Beiträge zur Pflegeversicherung hingewiesen.

Entscheidungsgründe

Soweit der Kläger Ansprüche hinsichtlich der privaten Pflegeversicherung geltend macht, ist die Klage unzulässig. Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist insoweit nicht begründet. Zuständig ist das Sozialgericht gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG.

§ 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG greift ein, wenn die vom Kläger hergeleitete Rechtsfolge ihre Grundlage in den Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. der sozialen oder privaten Pflegeversicherung hat, wobei ein enger sachlicher Zusammenhang mit der Verwaltungstätigkeit des betroffenen Trägers genügt (BSG 29.7.14, B 3 SF 1/14 R, SozR 4–1500 § 51 Nr. 3 Rn. 16 m. Anm. Groß SGb 15, 466; vgl. Rn. 13; zu Abs. 1 Nr. 4a BSG 1.4.09, B 14 SF 1/08 R, SozR 4–1500 § 51 Nr. 6 Rn. 15; MKLS/Keller, 12. Aufl. 2017, SGG § 51 Rn. 14aa).

In die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit fallen hierbei auch Klagen hinsichtlich der Beitragszahlungen. Allerdings fallen hierunter nur Rechtsstreite, bei denen sich die Natur des Rechtsverhältnisses aus den Regelungen des SGB XI ergibt (MKLS/Keller, 12. Aufl. 2017, SGG § 51 Rn. 27a). Ansonsten sind die Zivilgerichte zuständig (MKLS/Keller, 12. Aufl. 2017, SGG § 51 Rn. 27ba). Diese sind ebenfalls für Streitigkeiten aus der privaten Pflegezusatzversicherung zuständig (MKLS/Keller, ebd.).

Da es hier auch um die Prämienhöhe geht und diese durch § 110 Abs. 1 Nr. 2 e) SGB XI festgelegt werden, handelt es sich hier um einen Fall der § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG. Es ist nicht ersichtlich, dass es sich um eine private Pflegezusatzversicherung handelt.

Trotz entsprechenden Hinweises wurde ein Verweisungsantrag nicht gestellt.

Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

Die Begründungen der Beklagten zu den jeweiligen Beitragserhöhungen sind ausreichend im Sinne von § 203 Abs. 4 VVG.

Bei den anzugebenden Gründen ist nur die Angabe der maßgeblichen Rechnungsgrundlage, also der Grund der Anpassung anzugeben, ohne dass weitere Angaben notwendig sind (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 06. Juni 2019 – 7 U 237/18 –, Rn. 20, juris). Hinsichtlich der weiteren Angaben hat der Versicherungsnehmer gegen den Versicherer lediglich einen Anspruch auf Auskunft (vgl. OLG Stuttgart, ebd.). Dieser Anspruch muss jedoch nicht proaktiv vom Versicherer bereits mit dem Anpassungsschreiben bereits erfüllt werden (OLG Stuttgart, ebd.).

An die Mitteilung der für die Beitragsanpassung maßgeblichen Gründe sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen (vgl. OLG Celle, Urteil vom 20.08.2018 – 8 U 57/18, VersR 2018, 1179, juris Rn. 98-102). Hierfür spricht bereits der Zweck der Norm. Diese zielt – wie ihre Vorläuferbestimmung des § 178g Abs. 4 VVG a.F. – in erster Linie darauf ab, dem Versicherungsnehmer einen gewissen Zeitraum zu belassen, um sich auf eine ihm mitgeteilte Vertragsänderung einstellen zu können und sich darüber klar zu werden, ob er innerhalb der zeitgleich ausgestalteten Frist des § 205 Abs. 4 VVG sein Kündigungsrecht ausübt oder die Prämienänderung zum Anlass nimmt, von seinem Tarifwechselrecht nach § 204 VVG Gebrauch zu machen, auf das ihn der Versicherer bei der substitutiven Krankenversicherung nach § 6 Abs. 2 VVG-InfoV bei der Prämienerhöhung – wie vorliegend geschehen – ebenfalls hinzuweisen hat (vgl. LG Köln in: BeckRS 2019, 18832).

Zutreffend ist zwar, dass ein Mitteilen von Gründen iSd § 203 Abs. 5 VVG begrifflich zwar mehr sein muss als eine bloße Benachrichtigung nach dem alten Recht (vgl. OLG Köln, Urteil vom 7. April 2017 – 20 U 128/16, juris Rn. 29). Dies wird aber bereits dadurch erreicht, dass der Versicherer die die Beitragsanpassung auslösende Rechnungsgrundlage benennen muss. Hätte der Gesetzgeber darüber hinaus beabsichtigt, dass der Versicherer für jede Beobachtungseinheit und jeden Tarif getrennt standardmäßig die Höhe der Veränderung des auslösenden Faktors oder sogar – bezogen auf den einzelnen Versicherungsnehmer – die wichtigsten Gründe angeben muss, wäre zu erwarten und zu fordern gewesen, dass der Gesetzgeber eine solche gravierende Änderung der Pflichten des Versicherers in den Motiven begründet hätte (OLG Stuttgart, a. a. O., Rn. 21, juris). Denn es liegt auf der Hand, dass es sich bei den Beitragsanpassungen um Massenverfahren handelt, bei denen der Verwaltungsaufwand im Hinblick auf die Vielzahl der Tarife schon durch die Angabe der Höhe der Veränderung des auslösenden Faktors deutlich und bei einem Herunterbrechen auf den einzelnen Versicherungsnehmer sogar massiv steigt (OLG Stuttgart, a. a. O., Rn. 21, juris).

Das Interesse des Versicherungsnehmers an der weitergehenden Begründung kann durch den Auskunftsanspruch ausreichend gewahrt werden. Es ist aufgrund des erheblichen Verwaltungsaufwandes demgegenüber nicht notwendig und interessengerecht, dass der Versicherer für jeden Versicherungsnehmer weitergehende Angaben trifft (vgl. OLG Stuttgart, a. a. O., Rn. 23, juris). Zumal für den Versicherungsnehmer die Angabe konkreter Zahlen regelmäßig keinen Nutzen hat, da diese aufgrund der Komplexität der Materie sowieso keiner Plausibilitätsprüfung zugeführt werden könnte. Dies wäre lediglich dann möglich, wenn der Versicherungsnehmer entsprechende fachkundige Hilfe heranzieht.

Diesen Anforderungen genügen die Begründungen. Die Beklagte hat den Anpassungsmitteilungen gesonderte „Informationen zur Beitragsanpassung“ beigefügt (vergl. Anlage BLD 6). Aus diesen ergeben sich ausführliche Hinweise zur Anpassung der Beiträge an die Entwicklung der Medizin, an die steigende Lebenserwartung, die Kapitalmarktsituation und an die Entwicklung des Versichertenbestandes. Die Berechnungsgrundlagen werden dargestellt, die Möglichkeit des Tarifwechsels angesprochen. Auch die Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders wurde mitgeteilt. Die Rechtsgrundlagen werden bezeichnet.

Der Versicherungsnehmer kann hieraus ersehen, dass gestiegene Versicherungsleistungen für die Beitragserhöhung Rechnungsgrundlage sind. Darüberhinausgehende Informationen müssen dem Versicherungsnehmer nach den bereits getroffenen Ausführungen nicht gegeben werden.

Die materielle Wirksamkeit der Prämienanpassungen ist ebenfalls gegeben.

Zunächst kann die Unwirksamkeit nicht auf die fehlende Unabhängigkeit des Treuhänders gestützt werden. Diese wird von den Zivilgerichten nicht gesondert überprüft (BGH in: NJW 2019, 919). Die Unabhängigkeit des Treuhänders stellt kein eigenständiges Tatbestandsmerkmal dar (BGH, ebd.). Dies folgt aus einer Auslegung des § 203 VVG, die ausgehend von dem Wortlaut und der Systematik der gesetzlichen Regelung, ihrer Entstehungsgeschichte, ihrem Sinn und Zweck sowie die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes berücksichtigt (vgl. BGH, ebd.).

Allerdings kann der Kläger sich auch nicht darauf berufen, dass dem Treuhänder nicht die richtigen Werte und Unterlagen übermittelt wurden, er diese nicht überprüft habe und auch die Erhöhungen nicht erforderlich waren. Der Kläger hat auf den substantiierten Vortrag der Beklagten nicht weiter vorgetragen. Er hat lediglich pauschal bestritten, dass die materiellen Voraussetzungen für die Prämienanpassung vorgelegen hätten. Die Beklagte hat demgegenüber sowohl die Zustimmungen des Treuhänders als auch die jeweiligen Faktoren, die zu einer Erhöhung führten, konkret angegeben. Das pauschale Bestreiten des Klägers reicht insoweit nicht aus. Einer Partei darf zwar nicht verwehrt werden, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Punkte zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann (vgl. LG Stuttgart, a. a. O.). Sie kann deshalb genötigt sein, eine von ihr nur vermutete Tatsache zu behaupten (vgl. BGH in: NJW 1988, 60). Unzulässig wird ein solches prozessuales Vorgehen allerdings dann, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts Behauptungen aufstellt (vgl. BGH, a. a. O.).

Hier behauptet der Kläger ohne weitere Anhaltspunkte, die Voraussetzungen der Prämienerhöhungen lägen nicht vor. Der Kläger trägt vorliegend jedoch keinerlei Anhaltspunkte vor, die seine Behauptung stützen könnten, wie beispielsweise dass andere Krankenversicherungen eine geringere oder gar keine Erhöhung im fraglichen Zeitraum gefordert hätten oder dass sich Entsprechendes aus den von der Beklagten eingereichten Unterlagen ergäbe. Der Kläger kann sich auch nicht auf eine Erleichterung des Vortrags aufgrund fehlender Kenntnis der maßgeblichen Umstände berufen, denn sie hat das zur Substantiierung erforderliche Wissen durch Vortrag der Bekl. jedenfalls während des Prozesses erlangt (vgl. LG Stuttgart, a. a. O.)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit basiert auf § 709 ZPO.

 

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