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Krankenversicherungsvertrag – Rücktritt wegen Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten

LG Göttingen – Az.:  9 O 16/13 – Urteil vom 11.06.2014

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu verstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung des Fortbestehens seines Krankenversicherungsvertrages mit der Beklagten.

In der Zeit vom 01.09.2009 bis zum 31.12.2011 unterhielt der Kläger, der eine Baustoffhandlung in B. führt, bei der C. AG eine private Krankenversicherung, welche er kündigte, nachdem der Versicherer eine Prämienanpassung vorgenommen hatte.

Krankenversicherungsvertrag - Rücktritt wegen Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten
Symbolfoto: Von Tomek_Pa/Shutterstock.com

In den Jahren 2009 – 2011 wurde der Kläger wie folgt ärztlich behandelt. Am 26.01.2009 wurde er wegen der Diagnose „muskuläre Probleme“ durch den Zeugen Dr. Z. behandelt und ihm das Medikament Citalopram verordnet, am 09.09.2009 wurde der Kläger durch denselben Zeugen wegen muskulärer Probleme behandelt und ihm Krankengymnastik und das Medikament Citalopram verordnet. Am 01.12.2009 wurde dem Kläger durch den vorgenannten Zeugen wegen einer diagnostizierten ISG-Blockade (ISG = Iliosacralgelenk = Darmbein- Kreuzbein Gelenk) das Medikament Novaminsulfon rezeptiert. Am 22. und 29.12.2009 wurde der Kläger durch den Zeugen Dr. B. wegen eines HWS-Syndroms (HWS = Halswirbelsäule) behandelt, im Januar 2010 wegen Schmerzen in der LWS (= Lendenwirbelsäule) mit Ausstrahlung ins rechte Bein. Außer einer medikamentösen Therapie mit Voltaren 50 erfolgte die Verordnung einer erweiterten ambulanten Physiotherapie. Am 30.09.2010 wurde dem Kläger durch den Zeugen Dr. Z. Citalopram verordnet; am 26.11.2010 wurde durch den vorgenannten Zeugen die Diagnose einer Epicondylitis laterales (= Tennisarm) rechts gestellt. Am 05.07.2011 wurde dem Kläger durch den vorgenannten Zeugen das Medikament Citalopram verordnet. Am 10.10.2011 erfolgte die weitere Verordnung von Krankengymnastik aufgrund eines Lumbalsyndroms. Die in der Praxis des Zeugen Dr. Z. durchgeführte Labordiagnostik – bei dem Kläger gemessen am 28.08.2009, am 31.05.2010, am 27.08.2010 und am 22.09.2011 – zeigte mehrmals erhöhte Cholesterin – und Triglyceridwerte.

Zum 01.01.2012 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Vertrag über ein private Krankheitskosten- und Pflegepflichtversicherung ab. Hierzu gab der Kläger unter dem 29.12.2011 einen entsprechenden Antrag auf Abschluss einer solchen Versicherung ab. In diesem Antrag wurde unter anderem gefragt, 1. ob derzeit oder in den letzten 3 Jahren ambulante Untersuchungen (auch Kontrolluntersuchungen wegen Vorerkrankungen oder Entwicklungsstörungen) oder Behandlungen durch Ärzte, Heilpraktiker oder andere Heilbehandler stattfinden oder stattfanden, 2. ob regelmäßig Arzneimittel eingenommen werden oder in den letzten 3 Jahren wurden und 3. ob in der Zeit oder in den letzten 3 Jahren unbehandelte Krankheiten, Beschwerden, Anhängigkeiten, körperliche Fehler oder psychische Störungen bestehen oder bestanden. Alle diese Fragen wurden mit „Nein“ beantwortet. Zusätzlich wurde zu 1. (und 13.) am Ende derselben Antragsseite angegeben: „Vorsorgeuntersuchungen, alle ohne Befund“. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage B 1 Seite 3 – 5 Bezug genommen. Der Antrag auf Krankenversicherung wurde über den Zeugen S. als Versicherungsmakler gestellt. Bei Antragstellung erhielt der Kläger den Hinweis der Beklagten auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung ausgehändigt. Wegen deren Einzelheiten wird auf Anlage B 1 S. 2 Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 14.03.2013 erklärte die Beklagte dem Kläger gegenüber den Rücktritt vom Versicherungsvertrag und hilfsweise dessen Kündigung. Diese Erklärung stütze die Beklagte darauf, dass der Kläger folgende Beschwerden und Erkrankungen nicht angegeben habe: „Untersuchungen – Behandlungen bei Dr. Z. und Dr. B. gegen muskulären Verspannungen, ISG-Blockade, Lumbalsyndrom, Halswirbelsyndrom bei Bandscheibenvorfall, erhöhten Blutfetten und Epicondylitis (Tennisarm)“. Sie erklärte weiter, dass außerdem regelmäßig Psychopharmaka bei beruflicher Überbeanspruchung verordnet worden seien.

Der Kläger behauptet, er habe den Antrag vom 29.12.2011 zwar unterschrieben, jedoch nicht selbst ausgefüllt. Vielmehr sei der besagte Antrag von dem Zeugen S. zur Unterschrift vorbereitet und ausgefüllt worden. Der Kläger habe die Fragen in dem Antragsformular betreffend seinen Gesundheitszustand nicht selbst gelesen und sie seien ihm auch nicht von dem Zeugen S. im Einzelnen vorgelesen worden. Vielmehr habe der Zeuge S. den Kläger im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Versicherungsantrags nach bestehenden Erkrankungen des Klägers befragt und der Kläger habe die betreffende Frage des Zeugen S. verneint. Ihm sei durch den Zeugen S. nicht mitgeteilt worden, dass die von diesem vorbereiteten Angaben von dem Kläger überprüft und gegebenenfalls hätten korrigiert werden müssen. Vielmehr habe der Zeuge S. bei dem Kläger durch Vorlage des von ihm ausgefüllten Antragsformulars den Eindruck erweckt, dass mit der Unterschrift des Klägers alles Erforderliche veranlasst worden sei, um ein Versicherungsverhältnis mit der Beklagten zu begründen. Er habe nicht an Depressionen gelitten. Es sei anzunehmen, dass die Beklagte den Antrag des Klägers auch dann angenommen hätte, wenn dieser angegeben hätte, dass er zuvor wegen Rückenschmerzen behandelt worden sei. Er habe auch nicht Rückenbeschwerden gehabt, die seit dem 22.12.2009 bis zum 10.10.2011 hätten werden behandelt werden müssen. Vielmehr handele es sich bei der Behandlung wegen HWS-Syndroms am 22. und 29.(12.)2009 um ein anderes Beschwerdebild als bei der Behandlung wegen Schmerzen in der LWS im Januar 2010 und um ein anderes Beschwerdebild als bei der Verordnung von Krankengymnastik wegen eines Lumbalsyndroms am 10.10.2011. Es sei verfehlt, diese verschiedenen Vorfälle als einheitlichen Vorgang zu werten. Vielmehr sei davon auszugehen, dass selbst in dem Fall, dass der Kläger die Angaben im Antragsformular korrigiert hätte, bei zutreffender Bewertung der Beschwerden mit weniger als 80 Punkten nach dem von der Beklagten verwendeten Punktesystem der Antrag angenommen worden wäre, wenn auch möglicherweise mit einer anderen Prämienhöhe.

Der Kläger beantragt, festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Versicherungsvertragsverhältnis mit der Versicherungsnummer 09-65-2.643302.7 weder durch die Rücktrittserklärung der Beklagten vom 14.03.2013 mit Wirkung zum Zeitpunkt des Zugangs der Rücktrittserklärung am 15.03.2013 beendet wurde noch durch die ebenfalls am 14.03.2013 von der Beklagten erklärte Kündigung des Versicherungsvertrages mit Wirkung zum 15.04.2013 beendet werden wird, sondern über den 15.04.2013 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hält an dem erklärten Rücktritt fest und behauptet u.a., dass sie den Versicherungsantrag des Klägers nicht angenommen hätte, wenn sie aufgrund einer ordnungsgemäßen Anzeige die gefahrerheblichen Umstände, die nicht im Antrag benannt wurden, gekannt hätte. Sie verweist dabei auf ihr Punktesystem. Insoweit wird Bezug genommen auf S. 7, ab Ziffer 4, bis S. 16 der Erwiderung vom 05.07.2013 (Bl. 21, ab Ziffer 4., bis 30 d.A.). Sie ist u.a. der Auffassung, der Kläger habe bei Antragstellung ggf. arglistig, zumindest aber vorsätzlich seine Anzeigepflicht verletzt.

Das Gericht hat Beweis erhoben über die Umstände der Antragsaufnahme durch Vernehmung des Zeugen S.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 13.05.2014, wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der durch die Beklagte erklärte Rücktritt vom Versicherungsvertrag wegen Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten durch den Kläger ist wirksam. Der Kläger wurde auf das Kündigungsrecht der Beklagten hingewiesen (1.), der Kläger hat bei Beantragung des Versicherungsvertrages objektiv eine vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt (2.) und das Rücktrittsrecht der Beklagten ist weder nach § 19 Abs. 3 VVG noch nach § 19 Abs. 4 VVG ausgeschlossen, da der Kläger sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht vom vermuteten Verschuldensvorwurf entlasten konnte (3.).

1. Der Kläger wurde im Sinne von § 19 Abs. 5 S. 1 VVG auf das Rücktrittsrecht der Beklagten bei Aufklärungspflichtverletzung hingewiesen. Gemäß § 19 Abs. 5 S. 1 VVG stehen dem Versicherer die Rechte nach § 19 Abs. 2 bis 4 VVG nur zu, wenn er den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat.

Davon ist hier auszugehen. Es ist als unstreitig zu behandeln, dass der Kläger den das Rücktrittsrecht der Beklagten bei Aufklärungspflichtverletzung enthaltenden Hinweis auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung (Anlage B 1 Seite 2) bei Antragstellung erhalten hat. Zwar ließ der Kläger in der Klageschrift vortragen, er habe keine gesonderte Mitteilung der Beklagten in Textform erhalten, mit welcher er auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung bei Vertragsschluss hingewiesen worden wäre. Allerdings hat die insofern beweisbelastete Beklagte daraufhin den Erhalt des vorgenannten Hinweises substantiiert vorgetragen, indem sie die Anlagen B 1 S. 2 und B 10 vorgelegt hat. Anlage B 1 Seite 2 enthält den Hinweis auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung in Textform und Anlage B 10 enthält eine Empfangsbestätigung, in der erklärt ist, dass mit der Unterschrift des Versicherungsnehmers der Erhalt u.a. des Hinweises zur Anzeigepflichtverletzung vor der Vertragserklärung bestätigt wurde. Dabei war in der Anlage B 10 als Versicherungsnehmer der Kläger eingetragen und in dem Feld „Unterschrift des Versicherungsnehmers“ eine Unterschrift enthalten sowie als Ort und Datum „B., 29.12.11“ angegeben.

Auf diesen substantiierten Vortrag ist durch den Kläger in den folgenden Schriftsätzen seines Parteivertreters kein weiterer Vortrag erfolgt, insbesondere auch nicht nach dem gerichtlichen Hinweis- und Auflagenbeschluss vom 21.01.2014, in dem der Kläger unter I. 1. a) unter Hervorhebung in Fettdruck unter Bezugnahme auf Anlage B 10 darauf hingewiesen wurde, dass der bisherige Vortrag nicht hinreichend substantiiert sein dürfte und der pauschale Vortrag den Erfordernissen der sekundären Behauptungslast nicht genügen dürfte.

a) Insofern war das klägerische einfache Bestreiten nicht zu berücksichtigen. Nach § 138 Abs. 2 und 3 ZPO hat sich jede Partei über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Jede Partei hat – soll ihr Vortrag beachtlich sein – auf die Behauptungen ihres Prozessgegners grundsätzlich „substantiiert“, das heißt mit näheren positiven Angaben zu erwidern; ein substantiiertes Vorbringen kann also grundsätzlich nicht pauschal bestritten werden (BGH, Urteil vom 11. März 2010 – IX ZR 104/08 –, Rn. 16 m.w.N., NJW 2010, 1357 ff., zitiert nach juris). Die Verpflichtung zu einem substantiierten Gegenvortrag setzt voraus, dass ein solches Vorbringen der erklärungsbelasteten Partei möglich ist, was in der Regel der Fall ist, wenn sich die behaupteten Umstände in ihrem Wahrnehmungsbereich verwirklicht haben (BGH, Urteil vom 11. März 2010, a.a.O. m.w.N.). Dieser prozessualen Obliegenheit hat der Kläger durch das bloß pauschale Bestreiten der Aufklärung nicht genügt. Ihm war es auch möglich, Angaben zu dem streitigen Geschehensablauf „Übergabe der Hinweise“ zu machen. Der Kläger war bei der Antragstellung, anlässlich welcher sich dieser Geschehensablauf zugetragen haben soll, anwesend. Vor diesem Hintergrund war von dem Kläger zu erwarten, dass er sich zu den Anlagen B 1 und 10 substantiiert äußert; er durfte nicht bei seinem einfachen Bestreiten bleiben (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2010, a.a.O. m.w.N.).

b) Darüber hinaus ist eine Behauptung mit Rücksicht auf die sekundäre Darlegungslast als unbestritten zugrunde legen (§ 138 Abs. 3 ZPO), wenn die darlegungspflichtige Partei – hier die Beklagte – außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und der Prozessgegner – hier der Kläger – alle wesentlichen Tatsachen kennt und ihm nähere Angaben zuzumuten sind (BGH, Urteil vom 17. Januar 2008 – III ZR 239/06 –, Rn. 15 f., m.w.N., NJW 2008, 982 ff., zitiert nach juris). In diesen Fällen kann vom Prozessgegner im Rahmen des Zumutbaren das substantiierte Bestreiten der behaupteten Tatsache unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden. So liegt es hier. Die Beklagte war bei der Antragstellung, anlässlich derer dem Beklagten der Hinweis übergeben worden sein soll, nicht anwesend, auch kein Vertreter der Beklagten. Unstreitig war der Zeuge S. Versicherungsmakler und stand somit weder im Lager der Beklagten noch war er deren Vertreter. Der Kläger hingegen war bei der Antragstellung anwesend.

c) Soweit in der mündlichen Verhandlung vom Beklagtenvertreter die Echtheit der Unterschrift des Klägers auf der Anlage B 10 bestritten wurde, stellt dies ohne weitere nähere positive Angaben zum Geschehen bei Antragstellung weiterhin keinen hinreichend substantiiert Vortrag im vorgenannten Sinne dar.

d) Im Übrigen ist dieses Bestreiten der Echtheit der Unterschrift – unterstellt, es würde das Bestreiten der erfolgten Aufklärung substantiiert machen – als verspätet gemäß § 296 ZPO zurückzuweisen. Mit der Vorlage einer Urkunde, § 420 ZPO, behauptet der Beweisführer ihre Echtheit; dazu besteht eine Erklärungspflicht des Gegners, die sich bei unterschriebenen Urkunden auf die Echtheit der Unterschrift beziehen muss, § 439 Abs. 1 ZPO (Musielak-Huber, ZPO, 11. Aufl. 2014, § 439, Rn.: 1, zitiert nach beck-online). Grundsätzlich kann das Bestreiten der Echtheit einer Urkunde bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung erfolgen; dies steht jedoch unter dem Vorbehalt der Regelung des § 296 ZPO (Zöller, a.a.O., § 439, Rn.: 2).

(aa) Vorliegend ist das Bestreiten der Echtheit der Unterschrift auf der Urkunde gemäß § 296 Abs. 1 ZPO verspätet. Wie aufgezeigt ist mit Hinweis- und Auflagenbeschluss vom 21.01.2014 der Hinweis ergangen, dass der klägerische Vortrag angesichts der -die Unterschrift enthaltende- Anlage B 10 vorliegend nicht hinreichend sein dürfte. Weiter wurde dem Kläger Gelegenheit gegeben, binnen 4 Wochen Stellung zu nehmen und gegebenenfalls weitere Angaben zu machen. Diese Eröffnung der Möglichkeit, zu dem ergänzungsbedürftigen Streitpunkt „Aufklärung“ schriftlich Stellung zu nehmen, sollte es ermöglichen, den Punkt in der mündlichen Verhandlung, die an dem Tage anberaumt wurde, an dem der Hinweis- und Auflagenbeschluss ergangen ist, einer endgültigen Klärung zuzuführen. Insofern wurde eine Erklärungsfrist im Sinne von § 273 Abs. 2 Nr. 1 ZPO gesetzt. Dabei hätte im Rahmen von eventuellem ergänzendem Vortrag bei Bedenken auch das substantiierte Bestreiten der Echtheit der Unterschrift erfolgen müssen. Der Kläger hat innerhalb der ihm gesetzten Frist zu dem Punkt „Aufklärung“ keinen weiteren Vortrag gehalten.

Diese Versäumung hat gemäß § 296 Abs. 1 ZPO zur Folge, dass nach Ablauf der Frist vorgebrachte Angriffs- und Verteidigungsmittel nur zuzulassen sind, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt.

Vorliegend würde die Zulassung des Bestreitens der Echtheit der Unterschrift auf der Anlage B 10 die Erledigung des Rechtsstreits verzögern. Das Gericht hätte insofern die Urkunde im Original anfordern müssen und sodann über deren Echtheit gegebenenfalls nach Anhörung eines Sachverständigen Beweis erheben müssen. Bei Bestreiten der Echtheit einer Unterschrift kann das Gericht Beweis durch Augenschein oder Einholung eines Sachverständigengutachtens erheben (Zöller, a.a.O. § 441, Rn.: 1). Die Beklagte hatte in der Klageerwiderung für die erfolgte Aufklärung Beweis angeboten durch die Empfangsbestätigung, welche sie in Ablichtung als Anlage B 10 vorgelegte. Mit der Vorlage der Urkunde hat sie auch deren Echtheit behauptet (Musielak-Huber, a.a.O., § 439, Rn.: 1). In der Benennung der Urkunde für die Behauptung der Aufklärung und der Echtheit der Unterschrift auf der Urkunde ist ein Angebot für einen Beweis durch Augenschein zu sehen. Dieser Beweisantritt wird regelmäßig beantragt durch Benennung von Thema und Objekt (Zöller, a.a.O., § 371, Rn.: 3). Insofern hätte das Gericht bei Zulassung des Bestreitens der Echtheit der Unterschrift diesen Beweis erheben müssen. Dazu hätte es zunächst die Beklagte zur Vorlage der Urkunde im Original auffordern müssen und sodann ggf. nach Anhörung eines Sachverständigen, § 442 ZPO, den Beweis erheben müssen. Dies konnte nicht im Termin erfolgen.

Eine Entschuldigung für das verspätete Vorbringen ist nicht ersichtlich. In der mündlichen Verhandlung erklärte der Parteivertreter des Klägers insofern, dass ihm – dies wurde versehentlich nicht protokolliert – der Kläger erst heute bei Vorlage der Anlage B 10 erklärt habe, dass dies nicht seine Unterschrift sei. Dies entschuldigt das verspätete Vorbringen indes nicht. Zwischen Anwalt und Partei besteht eine Informationspflicht, die insbesondere beinhaltet, dass die Partei so weit informiert werden muss, dass gerichtliche Auflagen sachgemäß und ausreichend beantwortet werden können (vgl. BGH, Urt. v. 08.10.1981 – Az. III ZR 190/79, zitiert nach Juris). Unterbleibt dies oder unterlässt es eine entsprechend informierte Partei, ihren Anwalt zu informieren, so kann diese Obliegenheitsverletzung die Verspätung nicht entschuldigen.

Dabei war eine Belehrung über die Folgen einer Fristversäumung bei einer anwaltlich vertretenen Partei nicht geboten, denn von Rechtsanwälten kann und muss erwartet werden, dass sie sich über die Folgen der Nichteinhaltung einer richterlichen Frist im Klaren sind (BVerfG, Beschl. v. 05.05.1987, Az. 1 BvR 903/85, NJW 1987, 2733, 2736; zitiert nach Beck online).

(bb) Jedenfalls ist das Bestreiten nach §§ 296 Abs. 2, 282 ZPO verspätet. Diese Normen finden auch bezüglich des Bestreitens nach § 439 ZPO bei verspäteter Erklärung des Gegners Anwendung (Zöller, a.a.O., § 439, Rn.: 2; Musielak-Huber, a.a.O.).

Das Bestreiten der Echtheit der Unterschrift ist verspätet im Sinne des § 282 Abs. 2 ZPO. Den Parteien obliegt bei gerichtlicher Aufforderung die besondere Prozessförderungspflicht, schon durch Schriftsatz fristgerecht und der Prozesslage entsprechend vorzutragen (Musielak-Foerste, a.a.O., § 282, Rn.: 28). Mit dem Beschluss vom 21.01.2014 wurde seitens des Gerichtes frühzeitig der Hinweis des unsubstantiierten Vortrages erteilt, die Anknüpfungspunkte hierfür in Bezug genommen und eine Frist zur Stellungnahme gesetzt. Insofern wurde der Kläger aufgefordert ggf. weiter zur Aufklärung vorzutragen. Dies ist -nach Ablauf der in dem Beschluss gesetzten Frist- erst innerhalb der mündlichen Verhandlung am 13.05.2014 mündlich erfolgt.

Die Zulassung des Bestreitens würde – wie unter (aa) aufgezeigt – die Erledigung des Rechtsstreits verzögern. Die Verspätung beruht auch auf grober Nachlässigkeit. Reagiert ein Rechtsanwalt auf einen eindeutigen gerichtlichen Hinweis nicht rechtzeitig, so stellt dies eine grobe Nachlässigkeit dar. Dabei kann dahinstehen, ob dies darauf beruht, dass es der Kläger selbst unterlassen hat, den Hinweis und die Anlage B 10 rechtzeitig in Augenschein zu nehmen und seinen Rechtsanwalt über eventuelle Zweifel zu informieren, oder darauf, dass der Parteivertreter es unterlassen hat, beide Schreiben dem Kläger zur Stellungnahme zuzuleiten. Beide Gründe stellen gleichermaßen eine Achtlosigkeit gegenüber einem ausdrücklichen richterlichen Hinweis dar, die vollkommen unverständlich ist.

2. Der Kläger hat seine Aufklärungspflicht objektiv verletzt. Eine Anzeigepflichtverletzung liegt nach § 19 Abs. 1, 2 VVG vor, wenn der Versicherungsnehmer ihm bekannte Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, nicht anzeigt, in dem er etwa auf gestellte Gesundheitsfragen unrichtig antwortet (vgl. etwa OLG Köln, Urteil vom 15. Februar 2013 – I-20 U 207/12, 20 U 207/12 –, VersR 2013, 745, zit. nach juris, dort Rn.: 11).

a) aa) Der Kläger hat die im Antrag auf Krankenversicherung unter dem Titel „Angaben zum Gesundheitszustand“ gestellte Frage 1., ob derzeit oder in den letzten 3 Jahren ambulante Untersuchungen (auch Kontrolluntersuchungen wegen Vorerkrankungen oder Entwicklungsstörungen) oder Behandlungen durch Ärzte, Heilpraktiker oder andere Heilbehandler stattfinden oder stattfanden (Anlage B 1, S. 4), unrichtig beantwortet. Er verneinte diese Frage und gab zusätzlich an: „Vorsorgeuntersuchungen, alle ohne Befund“.

In dem sich aus der Frage ergebenden angabepflichtigen Zeitraum 29.12.2008 bis 29.12.2011 wurde der Kläger indes unstreitig – dies ergibt sich im Übrigen auch aus den Anlagen B 2 und B 5 – über Vorsorgeuntersuchungen hinaus ärztlich behandelt: Am 26.01.2009 wurde er wegen der Diagnose „muskuläre Probleme“ durch den Zeugen Dr. Z. behandelt und ihm das Medikament Citalopram verordnet, am 09.09.2009 wurde der Kläger durch denselben Zeugen wegen muskulärer Probleme behandelt und ihm Krankengymnastik und das Medikament Citalopram verordnet. Am 01.12.2009 wurde dem Kläger durch den vorgenannten Zeugen wegen einer diagnostizierten ISG-Blockade (ISG = Iliosacralgelenk = Darmbein-Kreuzbein Gelenk) das Medikament Novaminsulfon rezeptiert. Am 22. und 29.12.2009 wurde der Kläger durch den Zeugen Dr. B. wegen eines HWS-Syndroms (HWS = Halswirbelsäule) behandelt, im Januar 2010 wegen Schmerzen in der LWS (= Lendenwirbelsäule) mit Ausstrahlung ins rechte Bein. Außer einer medikamentösen Therapie mit Voltaren 50 erfolgte die Verordnung einer erweiterten ambulanten Physiotherapie. Am 30.09.2010 wurde dem Kläger durch den Zeugen Dr. Z. Citalopram verordnet; am 26.11.2010 wurde durch den vorgenannten Zeugen die Diagnose einer Epicondylitis laterales (= Tennisarm) rechts gestellt. Am 05.07.2011 wurde dem Kläger durch den vorgenannten Zeugen das Medikament Citalopram verordnet. Am 10.10.2011 erfolgte die weitere Verordnung von Krankengymnastik aufgrund eines Lumbalsyndroms.

bb) Insofern kann auch dahin stehen, ob der Kläger falsche Angaben zur Gesundheitsfrage Ziffer 2. (regelmäßig eingenommene Arzneimittel) durch deren Verneinung gemacht hat, da er in dem maßgeblichen, vorgenannten Angabezeitraum insgesamt 4-mal, davon im Jahr 2009 zweimal, in den Jahren 2010 und 2011 jeweils einmal, das Medikament Citalopram verordnet bekam. Diese punktuelle, über drei Jahre verteilte Verordnung ist – ohne dass es darauf noch ankommt – nicht als regelmäßige Einnahme von Medikamenten einzuordnen. Gleichermaßen kann offenbleiben, ob der Kläger unter einer ihm bekannten Depression gelitten hat, welche sich als Diagnose jedenfalls nicht aus den durch die Beklagte eingereichten Unterlagen ergibt.

cc) Keine Fehlangabe hat die Beklagte allerdings dahingehend bewiesen, dass der Kläger es unterlassen hat, erhöhte Blutfettwerte anzugeben. Denn insofern hat die hierauf in der Verhandlung vom 13.05.2014 durch das Gericht hingewiesene Beklagte bereits nicht hinreichend vorgetragen, dass der Kläger von den in der Praxis des Zeugen Dr. Z. bei ihm gemessenen, unstreitig mehrmals erhöhten Cholesterin – und Triglyceridwerten bei Antragsstellung Kenntnis hatte.

Eine positive Kenntnis ergibt nicht aus den als Anlage B 2 eingereichten Behandlungsunterlagen des Zeugen Dr. Z.. Aus diesen ergibt sich vielmehr, dass dieser gegenüber der Beklagten selbst nicht angegeben hat, den Kläger im anzeigepflichtigen Zeitraum bis 29.12.2011 wegen Hyperlipidämie behandelt zu haben. Zwar hat Dr. Z. unter Ziff 1. des Fragebogens angegeben, den Kläger wegen Hyperlipidämie mit Simvastatin 20 mg behandelt zu haben. Aus der weiteren Antwort unter Ziff. 3 des Fragebogens ergibt sich indes, dass dem Kläger einmalig am 02.05.2012 – mithin nach dem anzeigepflichtigen Zeitraum – Simvastatin 20 verordnet wurde.

Darüber hinaus wurden ausweislich der Antwort unter Ziffer 3 des Fragebogens zu diesen Ergebnissen dann auch weder Diagnosen eingetragen, noch Therapien eingeleitet, Empfehlungen ausgesprochen oder Medikamente verordnet. Insofern ist es im Gegenteil naheliegend, dass der Kläger diese Werte nicht kannte.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Erklärung des Klägers vom 24.02.2013 (Anlage B 3). Denn die Angabe zu der Frage „Wann wurde Hyperlipidämie erstmals festgestellt“? „Nüchtern keine erhöhten Blutwerte“ erfolgte gut 4 Jahre nach Antragsstellung und insbesondere nach Verordnung von Simvastatin 20 mg wegen Hyperlipidämie am 02.05.2012.

dd) Der Inhalt des Antragsformulars reicht vorliegend auch aus, um die objektive Anzeigepflichtverletzung zu beweisen. Dahin stehen kann dabei, ob der Streitverkündete dem Kläger eine unvollständige, da nur bestehende und nicht vergangene Krankheiten abfragende, Frage gestellt hat. Diese Behauptung wäre erheblich, wenn vorliegend der Streitverkündete Versicherungsvertreter der Beklagten wäre. Dann würde die sog. „Auge-und-Ohr-Rechtsprechung“ des BGH, die heute in § 70 VVG Eingang gefunden hat (BGH, Urteil vom 27.02.2008, Az.: IV ZR 270/06, juris-Rn.: 7, zit. nach juris), und ihre Weiterungen Anwendung finden, wonach der Versicherer allein mit dem Inhalt des Antragsformulars nicht den ihm obliegenden Beweis des objektiven Tatbestandes der Obliegenheitsverletzung führen kann, sofern der Versicherungsnehmer substantiiert behauptet, den Vertreter zutreffend mündlich unterrichtet zu haben oder von ihm mit den einzelnen Fragen gar nicht konfrontiert worden zu sein (BGH, Urteil vom 14.07.2004, Az.: IV ZR 161/03, NJW 2004, 3427, juris-Rn.: 11; Urteil vom 27.02.2008, Az.: IV ZR 270/06, juris-Rn.: 7, jew. zit. nach juris). Diese Rechtsprechung und § 70 S. 1 VVG finden vorliegend keine Anwendung, da sie nur auf Versicherungsvertreter, die in Abgrenzung zu dem Versicherungsmakler in § 59 Abs. 2 VVG legal definiert sind, Anwendung findet. Der Streitverkündete war indes unstreitig Versicherungsmakler und nicht Versicherungsvertreter.

b) Dass die vorgenannten Gefahrumstände (zweimalig muskuläre Probleme, zum Teil mit Verordnung von Medikament und Krankengymnastik; ISG-Blockade; HWS-Syndrom; Schmerzen in der LWS mit Ausstrahlung ins rechte Bein mit Verordnung von medikamentöser Therapie und erweiterter ambulanter Physiotherapie; Epicondylitis laterales (= Tennisarm) rechts; Lumbalsyndrom mit weiterer Verordnung von Krankengymnastik) für den Entschluss der Beklagten, den gewünschten Krankenversicherungsvertrag zu schließen, erheblich sind, und dass der Kläger – abgesehen von den Blutfettwerten und der behaupteten Depression – Kenntnis der in seiner Person liegenden Umständen hatte (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 19.1.2011, Az.: 7 U 77/10, zit. nach juris, dort Rn.: 35), wurde von dem Kläger nicht bestritten und liegt, auch ausweislich der Behandlungsunterlagen B 2 und 5 auf der Hand.

c) Die Angaben im Antragsformular waren auch Angaben des Klägers. Eine objektive Pflichtverletzung im Fall inkorrekter Fremdangaben ist gegeben, wenn der Versicherungsnehmer die Angaben nicht kontrolliert und seinen Kenntnissen entsprechend korrigiert und vervollständigt hat, da sich dann die Pflicht zur Beantwortung von Fragen in eine Pflicht zur Kontrolle der fremden Angaben anhand der eigenen Kenntnisse verwandelt; auf eine Zurechnung fremden Verhaltens kommt es insoweit nicht an (vgl. Prölls/Martin, VVG, 28.A., § 19 Rn. 32 f., § 28 Rn.: 62, auch für das Folgende). Hat der Versicherungsnehmer ein von einem Dritten ausgefülltes Formular unterschrieben, ohne dieses gelesen zu haben, so hat sich der Versicherungsnehmer die Angaben durch die Unterschrift zu Eigen gemacht; er gibt damit eine eigene Erklärung ab (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 1994 – IV ZR 304/93 –, NJW 1995, 662, Juris Rn.: 11; BGH, Urteil vom 14. Dezember 1967 – II ZR 169/65 –, juris, a.E.; KG Berlin, Beschluss vom 14. Mai 2004 – 6 W 8/04 –, juris, VersR 2004, 1298 zu § 16 VVG a.F. (= § 19 n.F.); OLG Frankfurt, Urteil vom 17. Mai 2000 – 7 U 121/99 –, juris, RuS 2000, 517, juris-Rn: 9; OLG Köln, Urteil vom 23. Februar 1998 – 9 U 83/98 –, juris, RuS 1999, 315, juris-Rn.: 9; OLG Hamm, Urteil vom 02. Oktober 1996 – 20 U 82/96 –, NJW-RR 1997, 862, juris-Rn.: 5). Genau dieses Vorgehen behauptet der Kläger: Der Streitverkündete, unstreitig ein Versicherungsmakler, habe den Kläger bei Vorbereitung des Antrags nach bestehenden Krankheiten gefragt, was der Kläger verneint habe. Der Streitverkündete habe den Antrag dann zur Unterschrift durch den Kläger vorbereitet und der Kläger habe diesen unterschrieben, ohne ihn im Einzelnen durchgelesen zu haben bzw. ungelesen unterschrieben, wobei ihm durch den Streitverkündeten nicht mitgeteilt worden sei, dass die vorausgefüllten Angaben vom Kläger überprüft und ggf. korrigiert hätten werden müssen, sondern vielmehr habe der Streitverkündete den Eindruck erweckt, mit der Unterschrift durch den Kläger sei alles Erforderliche getan, um das Versicherungsverhältnis mit der Beklagten zu begründen.

d) Es handelte sich auch um Umstände, nach denen die Beklagte als Versicherer gefragt hat. Erforderlich ist hier, dass der Versicherungsnehmer zutreffende Kenntnis von den Fragen hatte. Dabei impliziert die Pflicht des Versicherungsnehmers zur Beantwortung ihm zugänglich gemachter Fragen die Pflicht, sich des Inhalts der Fragen zu vergewissern, so dass der Versicherungsnehmer sich nicht dahingehend entlasten kann, dass er Fragen nicht richtig gelesen habe (vgl. Prölls/Martin, VVG, 28.A., § 19 Rn. 25, auch für das Folgende). Dies mag bei dem Mitwirken eines Versicherungsvertreters bzw. vormals Versicherungsagenten, der im Lager der Versicherung steht, ggf. anders sein. Hier war aber unstreitig allein der Zeuge S. anwesend, der ebenfalls unstreitig Versicherungsmakler im Sinne des § 59 VVG und nicht Versicherungsvertreter war.

Ausweislich des Antrags, auf welchem die Beklagte erwähnt ist, wurden die Fragen auch durch die Beklagte gestellt. Unschädlich ist dabei, dass der Streitverkündete S. das Formular übergeben hat (vgl. OLG Köln, Urteil v. 15.02.2013, Az.: 20 U 207/12, VersR 2013, 745, zit. nach juris, dort Rn.: 5).

e) Die Beklagte hat auch die Frist des § 21 Abs. 1 VVG mit ihrem Kündigungsschreiben (Anlage K 1) bezüglich sämtlicher gerügter Falschangaben eingehalten.

3. Das Rücktrittsrecht der Beklagten ist weder nach § 19 Abs. 3 VVG, noch nach § 19 Abs. 4 VVG ausgeschlossen. Das Rücktrittsrecht ist nach § 19 Abs. 3 VVG ausgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer eine Anzeigepflicht weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat und nach § 19 Abs. 4 VVG ausgeschlossen, wenn eine grob fahrlässige Verletzung der Anzeigepflicht gegeben ist und der Versicherer den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte.

Vorliegend konnte sich der beweisbelastete (vgl. Römer/Langheid, VVG, 4.A., § 19, Rn.: 142; LG Kiel. a.a.O., Rn.: 39) Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht vom vermuteten Verschuldensvorwurf entlasten und insbesondere im Rahmen des § 19 Abs. 4 VVG als insofern Beweisbelasteter (Prölls/Martin, VVG, 28. Auflage, § 19 Rn.: 72) nicht beweisen, dass er nicht vorsätzlich gehandelt hat.

Vorsätzlich handelt, wer weiß, dass der erfragte Gefahrumstand vorgelegen hat und sich bewusst ist, dass er diesen zu offenbaren hat (LG Dortmund, Urteil vom 10. März 2011 – 2 O 380/10 –, juris). Der Kläger hat nicht bewiesen, dass er nicht wusste, dass der erfragte Gefahrumstand vorlag und dass ihm nicht bewusst war, dass er diesen zu offenbaren hatte. Dass er nicht wusste, dass die erfragten Gefahrumstände (ärztliche Behandlungen wegen muskulärer Beschwerden, Tennisarm, LWS-/HWS-Beschwerden, ISG-Blockade, Lumbalsyndrom, zum Teil einhergehend mit der Verschreibung von Krankengymnastik) vorlagen, hat der Kläger nicht behauptet. Dies ist auch fernliegend. Den Beweis dafür, dass ihm nicht bewusst gewesen sei, dass er diese Gefahrumstände zu offenbaren hatte, hat er nicht geführt.

a) Selbst wenn man den Vortrag des Klägers zugrunde legt, ist jedenfalls hinsichtlich des Lumbalsyndroms von einem vorsätzlichen Verhalten auszugehen. Denn selbst wenn der Kläger nur nach bestehenden Erkrankungen gefragt worden wäre, so hätte er jedenfalls im Hinblick auf die nur 2 1/2 Monate vor Antragstellung am 10.10.2011 durch den Zeugen Dr. Z. erfolgte Behandlung wegen eines Lumbalsyndroms mit Verordnung von Krankengymnastik das Bewusstsein gehabt, dass er diese zu offenbaren hatte.

Im Übrigen handelt ein Versicherungsnehmer bedingt vorsätzlich, wenn er – wie der Kläger – bereits privat versichert war und es sich ihm insofern aufdrängen musste, dass im Allgemeinen beim Abschluss von Krankenversicherungen Angaben zum Gesundheitszustand erforderlich sind und er trotzdem den genauen Inhalt des Versicherungsantrages nicht überprüft, sondern blind unterschreibt (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 17. Mai 2000 – 7 U 121/99 –, juris, dort Rn.: 9). Dabei kommt bei dem Kläger hinzu, dass er sich als einen Baustoffhandel führender Geschäftsmann der rechtlichen Folgen einer Unterschrift durchaus bewusst sein sollte.

b) Darüber hinaus hat der Kläger den Beweis dafür, dass ihm nicht bewusst gewesen ist, dass er die vorgenannte Gefahrumstände zu offenbaren hatte, insbesondere für seine Behauptung, die von ihm selbst nicht gelesenen Fragen in dem Antragsformular betreffend seinen Gesundheitszustand seien ihm von dem Zeugen S. nicht im Einzelnen vorgelesen worden, und der Zeuge S. habe ihn Kläger im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Versicherungsantrags nach bestehenden – mithin nicht nach vergangenen – Erkrankungen befragt, nicht führen können.

aa) Der Zeuge S. hat bei seiner Vernehmung angegeben, dass er den Kläger – wegen terminlicher Enge – vorab bereits am Telefon gefragt habe, ob sich in der letzten Zeit gesundheitlich etwas geändert habe. Dies habe der Kläger verneint. Aufgrund dieser Aussage und aufgrund der Angaben, die der Kläger ihm gegenüber bei Beantragung der vormaligen privaten Krankenversicherung bei der X. Versicherung (der Vorversicherung) gemacht habe, habe der Zeuge S. den neuen Antrag für einen Versicherungsvertrag mit der Beklagten vorausgefüllt. Danach sei er zum Kläger gegangen und sei mit ihm im Einzelnen den vorausgefüllten Antrag durchgegangen, was er bei einer Vorausfüllung vorab immer tue. Im Rahmen des Durchgehens lese er die Frage im Antrag komplett vor, insbesondere auch das Kleingedruckte. Dies mache er deshalb, weil eben manche Abschnitte sehr kleingedruckt seien und manche seiner Kunden diese vielleicht nicht mehr lesen könnten. Bei Anlage B 1 Seite 4 lese er den gesamten Antrag vor, insbesondere fange er etwa bei den Angaben zu den Gesundheitsverhältnissen oben an und lese auch die Ziffern 1-17, eben das Kleingedruckte, vollständig vor. Den vorliegenden Antrag des Klägers habe er ja bereits vorausgefüllt gehabt. Dennoch sei er die Fragen einzeln durchgegangen. Er erinnere sich daran, dass das in Form eines Gespräches stattgefunden habe. Er meinte, der Kläger habe auch die ein oder andere Nachfrage gehabt. Unterm Strich seien aber, wie ersichtlich, keine handschriftlichen Änderungen eingefügt worden. Er schilderte, dass ihm auch zum damaligen Zeitpunkt bereits die Wichtigkeit der Gesundheitsfragen durchaus bewusst gewesen sei und er der Auffassung war, dass es keinen Sinn mache, bei den Gesundheitsangaben falsche Angaben zu machen.

Insofern war die Vernehmung des Zeugen S. für den Kläger nicht ergiebig. Nach den Angaben des Zeugen S. kannte der Kläger vielmehr vollumfänglich die Gesundheitsfragen der Beklagten und es war ihm dadurch bewusst, dass er sowohl die gegenwärtigen, als auch vergangenen Erkrankungen offenbaren muss. Er hat insofern auch nicht bewiesen, dass er abwiegelnden Auskünften des Agenten bzw. Maklers vertraut hat oder dass er zu Unrecht glaubte, eine Frage beziehe sich nicht auf den verschwiegenen Umstand (vgl. Prölls/Martin, VVG, 28.A., § 19 Rn. 62).

Dabei hat die Kammer keine Zweifel daran, dass der Zeuge S. den üblichen Ablauf der Ausfüllung und Unterzeichnung eines Versicherungsantrages, der vorausgefüllt wurde, wahrheitsgemäß dargestellt hat. Er hat dies anschaulich geschildert und für die Kammer nachvollziehbare und plausible Beweggründe für besondere Vorgehensweisen – etwa das Vorlesen oder die Wichtigkeit der Gesundheitsfragen – angegeben. Ebenso wenig hat die Kammer Zweifel daran, dass der Zeuge S. die Ausfüllung und Unterzeichnung des streitgegenständlichen Antrags in dieser Weise unterstützt hat. Er hat Anlass und Durchführung der Ausfüllung und Unterzeichnung anschaulich geschildert, dabei auf die an ihn gestellten Fragen sachlich, ruhig und spontan geantwortet und auch – verständliche – Erinnerungsunsicherheiten offen eingeräumt. Er schilderte auch detailliert konkrete Erinnerungen an das Geschehen bei Ausfüllung des streitgegenständlichen Antrags. So konnte er sich zwar etwa nicht mehr an den genauen Ort des Gespräches erinnern. Aber er konnte sich an ein insgesamt nicht besonders langes Gespräch bei dem Kläger erinnern, in welchem die ein oder andere Nachfrage klägerseits kam. Dagegen, dass es Abweichungen zu dem geschilderten üblichen Vorgehen bei Vorausfüllung gegeben hat, spricht auch, dass der Zeuge S. ein Beratungsprotokoll angefertigt hatte, welches er in seiner Vernehmung auch bei sich hatte, und welches in der Regel gerade einen Leitfaden für ein Gespräch darstellt, um sich in der Gesprächssituation alle Erfordernisse zu vergegenwärtigen. Bei der Zeugenaussage hatte die Kammer auch in keiner Weise den Eindruck, der Zeuge S. würde einseitig zulasten des Klägers aussagen. Im Gegenteil zeigte er gegenüber dem Kläger einen offenen und freundlichen Umgang. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass der Zeuge als Streitverkündeter ggf. ein eigenes Interesse an dem Ausgang des Verfahrens oder den Feststellungen hat.

bb) Für eine Vernehmung des Klägers nach § 447 ZPO fehlte es an dem erforderlichen Einverständnis der Beklagten. Eine Vernehmung des Klägers gemäß § 448 ZPO von Amts wegen hatte zu unterbleiben, da eine Parteivernehmung nur in Betracht kommt, wenn nach dem Ergebnis der Verhandlung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit einer streitigen Behauptung besteht und andere Erkenntnisquellen nicht mehr zur Verfügung stehen, dem Gericht mithin ein Mittel zur letzten Klarheit an die Hand gegeben werden soll (OLG Koblenz, Beschluss vom 03. Februar 2014 – 3 U 1045/13 –, zitiert nach juris, Rn.: 33). Vorliegend hat eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den vom Kläger behaupteten Inhalt des Gespräches mit dem Zeugen S. nicht bestanden. Diese ergibt sich vorliegend weder aus dem bisherigen Beweisergebnis, welches für einen anderen Inhalt sprach, noch aus der allgemeinen Lebenserfahrung.

Auch eine bloß informatorische Parteianhörung gemäß § 141 ZPO war nicht erforderlich. Insbesondere eine Anhörung aus Gründen der Waffengleichheit (vgl. Zöller, ZPO, 28. Auflage, § 448, Rn. 2a; § 144, Rn. 3) musste vorliegend jedenfalls deshalb nicht erfolgen, weil hier nicht ein gegnerischer Zeuge vernommen wurde, sondern der Zeuge S. von dem Kläger selbst benannt worden war und der Zeuge auch nicht im Lager der Beklagten stand; überdies hatte der Kläger ausreichende Gelegenheit, seine Darstellung des umstrittenen Gesprächs persönlich in den Rechtsstreit einzubringen (vgl. BGH, Beschluss vom 30. September 2004 – III ZR 369/03 –, zitiert nach juris). Er war in der mündlichen Verhandlung anwesend und hatte sich auch zu Beginn zu Wort gemeldet. Im Übrigen hat eine Anhörung zu unterbleiben, wenn – wie vorliegend – Beweismittel oder Indizien vorliegen, die den dem Prozessgegner günstigen Gegenvortrag stützen (vgl. BGH, Beschl. v. 25. September 2003 – III ZR 384/02, MDR 2004, 227, zitiert nach juris, dort Rn.: 4).

c) Hiernach kam es auf die weiteren Voraussetzungen des § 19 Abs. 3, 4 VVG nicht mehr an. Die Klage war abzuweisen.

II. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 709, 91 ZPO.

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