Versicherungsvertrag und Gesundheitsfragen: Kontroverse über Falschangaben
Eine kürzlich ergangene Gerichtsentscheidung bietet einen tiefen Einblick in die Auswirkungen der nicht korrekten Beantwortung von Gesundheitsfragen in einem Versicherungsvertrag. Die Klägerin, eine Frau, die aufgrund von wiederholten Fehlgeburten und einem unerfüllten Kinderwunsch ärztliche Beratung und Behandlungen in Anspruch nahm, hat sich in einer Klage wegen Vertragsbruch mit ihrer Versicherung auseinandergesetzt. Die zentrale Kontroverse in diesem Fall dreht sich um die Frage, ob die Klägerin die Gesundheitsfragen im Versicherungsantrag wahrheitsgemäß beantwortet hat oder nicht.
Direkt zum Urteil Az: 20 U 184/20 springen.
Übersicht
Ablehnung der Berufung durch das OLG Hamm
Die Berufung der Klägerin wurde vom Oberlandesgericht Hamm abgelehnt, da es überzeugt davon war, dassdie Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hatte. Das Landgericht hat die Klage bereits abgewiesen und der Widerklage der Versicherung stattgegeben. Die Klägerin war bei mehreren Ärzten wegen ihrer erlittenen Fehlgeburten und ihres unerfüllten Kinderwunsches in Behandlung.
Arglistige Täuschung im Mittelpunkt des Falles
Im Zentrum der Entscheidung steht der Vorwurf der arglistigen Täuschung durch die Klägerin. Sie hätte nach Ansicht des Gerichts ihre Untersuchungen und Behandlungen wegen Infertilität und ihren unerfüllten Kinderwunsch verschwiegen. Dies gilt insbesondere, da die Klägerin, ungeachtet ihrer persönlichen Interpretation der Gesundheitsfragen, medizinisch beraten und behandelt wurde und somit Kenntnis über ihren Gesundheitszustand hatte.
Zeugenaussagen gegen Falschaussagen der Klägerin
Die Zeugenaussagen, insbesondere des Zeugen A, waren entscheidend für die Feststellungen des Gerichts. Zeuge A hatte die Klägerin ausdrücklich auf die Bedeutung der Gesundheitsfragen und deren genaue Beantwortung hingewiesen. Dass der Zeuge die Klägerin Monate nach Abschluss des Vertrages angerufen und diese mit möglichen Falschangaben konfrontiert habe, woraufhin die Klägerin zugegeben hat, nicht die Wahrheit gesagt zu haben, verstärkt den Verdacht der arglistigen Täuschung.
Abschließende Erkenntnisse und Konsequenzen
Die letztendliche Entscheidung stützte sich auf die Aussage des Zeugen und den Inhalt der mündlichen Verhandlung, und nicht auf die Beweiskraft einer „Urkunde“. Die Aussage des Zeugen und die Tatsache, dass die Klägerin sich wegen ihrer Fehlgeburten und ihres unerfüllten Kinderwunsches beraten und behandeln ließ, war für das Gericht ein hinreichender Beweis für eine arglistige Täuschung.
Das vorliegende Urteil
OLG Hamm – Az.: 20 U 184/20 – Beschluss vom 21.04.2021
I.
Die Berufung der Klägerin gegen das am 25.08.2020 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das vorgenannte Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
II.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf EUR 37.135,01 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt die Feststellung des Fortbestandes eines mit der Beklagten geschlossenen Krankenversicherungsvertrages sowie Zahlung wegen ärztlicher Heilbehandlungen. Die Beklagte, die den Vertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten hat, begehrt widerklagend die Rückzahlung bereits erbrachter Versicherungsleistungen.
Die Klägerin beantragte am 09.10.2018 in einem Beratungsgespräch mit einem Mitarbeiter der Beklagten, dem Zeugen A, – neben einer Vielzahl von Versicherungsverträgen – den Abschluss eines privaten Kranken- und Pflegeversicherungsvertrags. Diesem Gespräch war ein Erstgespräch am 11.09.2018 vorausgegangen.
Gegenstand der von der Beklagten im Rahmen der Antragstellung gestellten Gesundheitsfragen – das gesamte Antragsformular lag in elektronischer Form auf dem Tablet des Zeugen vor – war unter anderem folgende Frage:
„Finden derzeit oder fanden in den letzten drei Jahren Beratungen, Untersuchungen oder Behandlungen wegen Sterilität/Infertilität statt oder besteht ein unerfüllter Kinderwunsch? Wenn ja, ist der Fragebogen ‚unerfüllter Kinderwunsch‘ (KV058) erforderlich.“
Diese Frage wurde verneint. Nach Beendigung des Gesprächs hinsichtlich dieser Versicherung unterschrieb die Klägerin das elektronische Antragsformular mit einem Signaturstift auf dem Tablet des Zeugen A. Ablauf und Inhalt des Beratungsgesprächs und der Antragstellung sind zwischen den Parteien streitig.
Die Beklagte nahm den Antrag der Klägerin an und stellte einen Versicherungsschein mit Wirkung ab dem 01.01.2019 aus.
Unstreitig hatte sich die Klägerin in den Jahren vor der Antragstellung und auch im Jahr 2018 in hausärztlicher und gynäkologischer Behandlung befunden. Ihr Hausarzt notierte in seinen Unterlagen am 06.07.2017 u.a. „psychisch unter Druck wegen des bestehenden Kinderwunsches“. Ferner findet sich ein Eintrag wegen einer „dritten Fehlgeburt“. Die letzten beiden Fehlgeburten/Aborte ereigneten sich im November 2017 und im Mai 2018.
Bereits im April 2017 war die die Klägerin wegen einer „Sterilität, Hormonstörung“ in gynäkologischer Behandlung; es wurde eine Hormonbestimmung durchgeführt. Im August 2017 war sie wegen Sterilität, Kinderwunsch“ bei ihrer Gynäkologin in Behandlung. Nach ihrer zweiten Fehlgeburt/Abort im November 2017 veranlasste die Gynäkologin wegen eines „habituellen Aborts“ eine Gerinnungsdiagnostik, welche zu dem Ergebnis führte, dass bei der Klägerin eine Gerinnungsstörung vorlag. Die Gynäkologin verordnete Tabletten ASS 100.
Wegen der Einzelheiten der Arzttermine, der gestellten Diagnosen und der Behandlungen wird auf die zu den Akten gereichten Ablichtungen der Patientenkartei des behandelnden Hausarztes (Anl. B 3, Bl. 108 f der elektronischen Hauptakte I. Instanz; im Folgenden: eHA-I und für die zweite Instanz eHA-II) und auf die Auskunft der behandelnden Gynäkologin (Anl. B 4, Bl. 112 f eHA-I) Bezug genommen.
Nach der dritten Fehlgeburt/Abort im Mai 2018 überwies ihr Hausarzt die Klägerin in die Humangenetik Münster. Ende Mai 2018 suchte die Klägerin gemeinsam mit ih- rem Ehemann die genetische Beratungssprechstunde eines Laborzentrums auf. Anlass hierfür waren ausweislich des Berichtes des Labors, wegen dessen Einzelheiten auf die zu den Akten gereichte Ablichtung (Anl. B 6, Bl. 120 ff eHA-I) Bezug genommen wird, vorausgegangene Fehlgeburten und die Frage nach möglichen genetischen Ursachen. Im Rahmen der Anamneseerhebung berichtete die Klägerin ausweislich des Berichtes, dass sie „drei Fehlgeburten“ erlitten habe.
Noch im März 2019, also nur wenige Monate nach Beginn des Versicherungsschutzes wechselte die Klägerin ihre Gynäkologin, welche nur Privatpatienten behandelte, und ließ sich von dieser Medikamente verschreiben, welche bei einer Hormonbehandlung im Rahmen einer Kinderwunschbehandlung Anwendung finden.
In einem Schreiben an die Beklagte, welche anlässlich zwecks Kostenerstattung ein- gereichter Rechnungen Rückfragen gestellt hatte, teilte die Klägerin u.a. mit, dass sie „Fehlgeburten“ gehabt habe und deswegen den Frauenarzt gewechselt habe, um zu „sehen, warum bzw. Gründe gibt“, warum sie „die Fehlgeburten“ gehabt habe „um den Kinderwunsch zu erfüllen“.
Nachdem die Beklagte Kenntnis von den Fehlgeburten/Aborten, der ärztlichen Behandlungen und Diagnostiken erlangt hatte, erklärte sie zunächst im Juli 2019 den Rücktritt und focht im August 2019 den Vertrag wegen arglistiger Täuschung an, wobei sie noch andere Rücktritts- und Anfechtungsgründe aufführte.
Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass sie keine arglistige Täuschung begangen habe. Sie habe den Antrag und die Gesundheitsfragen weder sehen noch lesen können. Auch der Zeuge A, der ihr mit seinem Tablet gegenüber gesessen habe, habe ihr diese Fragen nicht vorgelesen. Der Zeuge A habe sie hinsichtlich der Frage nach den Fehlgeburten und dem unerfüllten Kinderwunsch lediglich gefragt, ob sie sich Kinder wünsche, was von ihr bejaht worden sei, wobei sie auch darauf hingewiesen habe, dass es noch nicht „geklappt“ habe. Sie habe dem Zeugen auch von der genetischen Untersuchung berichtet, die sie lediglich aus dem Grunde habe vornehmen lassen, um abzuklären, ob sie gemeinsam mit ihrem Ehemann gesunde Kinder bekommen könne. Der Zeuge habe ihr daraufhin gesagt, dass dies im Antrag nicht angegeben werden müsse, da es sich um eine reine Vorsorgeuntersuchung handele. Der Zeuge habe ihr zudem noch die Vorzüge einer privaten Krankenversicherung hinsichtlich Kinderwunschbehandlungen und pränatalen Untersuchungen angepriesen.
Ihr sei nicht bewusst gewesen, dass es sich um eine Gesundheitsfrage gehandelt habe. Sie habe sich bei der Unterschrift auf dem Tablet den Antrag nicht durchgelesen.
Ohnehin liege bereits in objektiver Hinsicht keine Falschbeantwortung der Frage der Beklagten nach Fehlgeburten und einem unerfüllten Kinderwunsch vor.
Sie habe keine Fehlgeburten erlitten, da sich diese sämtlich vor der 12. Schwangerschaftswoche ereignet hätten. Nach „medizinischer Diktion“ werde üblicherweise erst bei einer Totgeburt nach der 12. Schwangerschaftswoche von einer Fehlgeburt gesprochen; vor diesem Zeitpunkt bezeichne man das Schwangerschaftsende als „Abgang“ oder „Abort“. Es habe auch kein „unerfüllter Kinderwunsch“ bestanden. Wegen der erstinstanzlichen gestellten Anträge der Klägerin wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 380 d. eHA I) Bezug genommen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich ihres im Wege der Widerklage erstinstanzlichen gestellten Antrags wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 380 f d. eHA I) Bezug genommen
Sie hat diverse arglistige Falschangaben der Klägerin im Rahmen der Antragstellung behauptet. So habe die Klägerin mehrere Krankheiten, insbesondere aber auch ihre drei Fehlgeburten und ihren unerfüllten Kinderwunsch arglistig verschwiegen. Entgegen der Behauptung der Klägerin habe der Zeuge A ihr sämtliche Gesundheitsfragen vorgelesen, wobei sich die Klägerin diese auf dem Tablet durchgelesen habe. Sie habe sich anschließend und vor ihrer Unterschriftsleistung noch einmal den gesamten Antrag durchgelesen.
Die Klägerin hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Landgericht hat Beweis durch Vernehmung des Zeugen A zum Inhalt und Ablauf des Gesprächs anlässlich der Antragstellung erhoben.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen und auf die Widerklage hin die Klägerin zur Zahlung von 12.423,74 EUR nebst Zinsen verurteilt.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte den Vertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten habe. Die Klägerin habe die Beklagte arglistig getäuscht, indem sie bei Beantwortung der Gesundheitsfrage Nr.6 ihre drei Fehlgeburten und den Besuch der genetischen Beratungssprechstunde verschwiegen habe. Hierzu sei sie verpflichtet gewesen, da auch nach Beratungen, Untersuchungen oder Behandlungen wegen Infertilität in den letzten drei Jahren vor Antragstellung gefragt worden sei. Nicht erforderlich sei hierfür, dass eine Infertilität sicher diagnostiziert sei.
Es genüge, wenn zur Abklärung der Umstände für die Fehlgeburten Beratungen und Untersuchungen stattgefunden hätten. Hierzu würde auch der Besuch der geneti- schen Beratungssprechstunde zählen, da auch diese Untersuchung der Feststellung einer möglichen Sterilität und/oder Infertilität gedient habe.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe auch fest, dass der Zeuge A die Gesundheitsfragen der Klägerin vorgelesen, diese die Fragen zudem am Laptop durchgelesen habe und die Klägerin nicht nur ihre Fehlgeburten, sondern auch ihren Besuch der genetischen Beratungssprechstunde verschwiegen habe. Der entgegenstehende Vortrag der Klägerin sei daher widerlegt. Der Zeuge sei glaubwürdig, seine Aussage glaubhaft.
Die Klägerin habe auch arglistig gehandelt. Dies ergebe sich zwar nicht aus dem von der Klägerin unterschriebenen Antrag, welcher als Privaturkunde iSv § 416 ZPO nicht beweise, dass die Klägerin diese Erklärung mit diesem Inhalt habe abgeben wollen. Die Arglist stehe aber aufgrund der Aussage des Zeugen A und der Gesamtumstände fest. Die arglistige Täuschung sei kausal für den Vertragsschluss geworden.
Aufgrund der wirksamen Anfechtung sei zudem die Widerklage begründet. Der Beklagten stünden wegen der erbrachten Versicherungsleistungen Rückzahlungsansprüche aus § 812 I 1 BGB zu.
Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 382 ff d. eHA I) Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Klägerin mit ihrer form – und fristgerecht eingelegten Berufung, mit welcher sie ihre erstinstanzlichen Anträge in vollem Umfang weiterverfolgt. Sie rügt Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen und fehler- hafte Rechtsanwendung.
Die Voraussetzungen für eine Anfechtung „nach § 19 VVG“ lägen nicht vor.
Auch liege keine „Privaturkunde“ iSd § 416 ZPO vor, da sie die Urkunde weder „ge- schrieben“ noch „unterschrieben“ habe.
Sie habe entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht arglistig gehandelt. Es liege bereits keine objektive Falschangabe vor. Bei ihr liege weder eine Sterilität noch eine Infertilität vor. Sie habe weder eine „Fehlgeburt“ erlitten noch einen „unerfüllten Kinderwunsch“ gehabt. Ein Abgang vor der 12. Schwangerschaftswoche sei keine Fehlgeburt. Auch habe die Untersuchung in der genetischen Beratungssprechstunde nicht ihre Zeugungsfähigkeit zum Gegenstand gehabt, sondern ausschließlich dem Zweck gedient, festzustellen, ob sie und ihr Ehemann gemeinsam gesunde Kinder bekommen könnten. Das Ergebnis der Untersuchung sei positiv. Hieraus ergebe sich zugleich, dass sie zumindest nicht arglistig gehandelt habe. Für sie sei in dem Beratungsgespräch nicht klar erkennbar gewesen, dass sie die Fehlgeburten und die Untersuchung in der genetischen Beratungssprechstunde hätte angeben müssen.
Zudem habe das Landgericht nicht hinreichend berücksichtigt, dass sie und der Zeuge in dem Beratungsgespräch insgesamt 13 Versicherungsverträge abgeschlossen hätten, so dass für die Beantwortung der Gesundheitsfragen für die Krankenversicherung nur wenige Minuten Zeit vorhanden gewesen seien. Der Zeuge A sei offensichtlich an einer Vielzahl von Provisionen interessiert gewesen.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils 1. festzustellen, dass das Versicherungsvertragsverhältnis mit der Krankenversicherungsnummer Versicherung01 zwischen ihr und der Beklagten nicht durch Rücktritts- bzw. Kündigungserklärung der Beklagten vom 12.07.2019 beendet worden ist, sondern vielmehr zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.
2.
die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.455,11 EUR zu zahlen,
3.
die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat die Klägerin mit Beschluss vom 23.12.2020 darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, ihre Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. Die Klägerin hat hierzu Stellung genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist gemäß § 522 II 1 ZPO zurückzuweisen. Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.
Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die Einwendungen der Klägerin hiergegen bleiben ohne Erfolg.
Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche sowie die begehrte Feststellung auf Fortbestand des Versicherungsvertrags nicht zu. Der Versicherungsvertrag ist aufgrund der erfolgten Anfechtung der Beklagten ex tunc als nichtig anzusehen, § 142 I BGB. Die Beklagte hat den Vertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung iSv § 123 Abs. 1 BGB angefochten (vgl. Zu A.).
Hieraus ergibt sich zugleich, dass die Widerklage begründet ist (vgl. zu B.). A . zur Klage
I.
Gegenstand des Berufungsverfahrens hinsichtlich des Feststellungsantrags zu 1. ist ausschließlich, ob der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag fortbesteht oder nicht.
Bereits das Landgericht hat in seinem Urteil ausgeführt, dass der von der Klägerin gestellte Antrag, wonach festgestellt werden soll, dass der Vertrag „nicht durch die Rücktritts- bzw. Kündigungserklärung der Beklagten… beendet worden ist, sondern vielmehr zu unveränderten Bedingungen fortbesteht“, auszulegen ist.
Anderenfalls wäre der Feststellungsantrag nämlich – zumindest teilweise – unzulässig. Die Wirksamkeit der Ausübung eines Gestaltungsrecht, welche die Klägerin nach dem Wortlaut ihres Antrags ebenfalls zum Gegenstand ihres Antrags macht, kann nicht Gegenstand einer allgemeinen Feststellungsklage gem. § 256 I ZPO sein. Dies stellt lediglich eine Vorfrage der feststellungsfähigen Frage dar, ob der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag fortbesteht (vgl. BGH in NJW-RR 2017, 1260).
Zwar verfolgt die Klägerin trotz der Ausführungen in dem angefochtenen Urteil mit der Berufung ohne weitere Ausführungen ihren erstinstanzlichen Antrag weiter. Hier- aus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass die Klägerin ihren – nach dem Wortlaut unzulässigen – Antrag weiter verfolgen möchte. Die Klägerin möchte nach wie vor festgestellt wissen, dass der Vertrag fortbesteht.
II.
Der Feststellungsantrag zu 1. ist – wie auch der Zahlungsantrag zu 2. – unbegründet.
Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ist aufgrund der wirksamen Anfechtungserklärung der Beklagten wegen arglistiger Täuschung nichtig, § 142 BGB.
Die Klägerin wendet sich vergeblich gegen die Ausführungen des Landgerichts dazu, dass sie die Beklagte arglistig getäuscht hat.
1.
Ihr Hinweis darauf, dass die Voraussetzungen nach § 19 VVG – eine gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung – nicht vorliegen würden, geht von vornherein ins Leere.
Es geht nicht um einen Rücktritt oder eine Kündigung, welche sich nach § 19 VVG richten würden. Das Landgericht hat die Klage wegen erfolgreicher Anfechtung wegen arglistiger Täuschung iSv § 123 BGB zurückgewiesen. Das Recht des Versicherers zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung besteht unabhängig von und selbständig neben dem Rücktritts- und dem Kündigungsrecht und ist nicht von den Voraussetzungen des § 19 VVG abhängig, § 22 VVG.
Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erfordert daher keine „gesonderte Mitteilung“ iSv § 19 VVG.
2.
Die Klägerin macht mit ihrer Berufungsbegründung auch vergeblich geltend, dass bereits keine objektive Falschbeantwortung der Gesundheitsfrage Nr. 6 vorliege.
a)
Ihr Einwand, die Frage nach Beratungen, Untersuchungen oder Behandlungen wegen Sterilität/Infertilität müsse nur dann bejaht werden, wenn tatsächlich eine medizinisch festgestellte Sterilität/Infertilität vorliege, bleibt ohne Erfolg.
Dieser Einwand geht bereits deswegen ins Leere, weil mit der Gesundheitsfrage Nr.6 – für einen verständigen und um Aufmerksamkeit bemühten Versicherungsnehmer und auch für die Klägerin klar erkennbar – auch Beratungen, Untersuchungen oder Behandlungen abgefragt wurden, wenn sich die versicherte Person wegen einer möglicherweise in Betracht kommenden Sterilität/Infertilität beraten, untersuchen oder behandeln ließ. Es wurde nicht nur nach Behandlungen gefragt, sondern auch nach Untersuchungen und Beratungen. Es war klar erkennbar, dass von der Frage auch Untersuchungen und Beratungen umfasst waren, welche vor dem Hintergrund eines bislang unerfüllten Kinderwunsches stattfanden. Auch dann, wenn ein bloße Vermutung, sei es seitens der versicherten Person oder des ärztlichen Behandlers, auf eine Sterilität/Infertilität bestand, welche sich im Nachhinein nicht bestätigte, waren daher stattgefundene Beratungen, Untersuchungen oder Behandlungen anzugeben.
b)
Aus den oben genannten Gründen ergibt sich gleichzeitig, dass auch der Einwand der Klägerin, bei ihr liege kein „unerfüllter Kinderwunsch“ im Sinne der Gesundheits- frage Nr. 6 vor, nicht durchgreift. Sie klagte gegenüber ihrem Arzt bereits im Jahr 2017 darüber, dass sie „wegen des bestehenden Kinderwunsches psychisch unter Druck“ stehe. Sie hat sich, wie bereits ausgeführt, deswegen behandeln, untersuchen und beraten lassen.
Die Frage nach einem „unerfüllten Kinderwunsch“ umfasst auch solche Konstellationen, in denen die mögliche Ursache hierfür (noch) nicht abgeklärt werden konnte.
Auch dann, wenn noch keine medizinischen Untersuchungen oder zwecks Abklärung möglicher Ursachen oder Behandlungen zur „Beseitigung“ des unerfüllten Kinderwunsches stattgefunden haben, liegt ein unerfüllter Kinderwunsch vor, wenn über einen längeren Zeitraum der erhoffte „Erfolg“ ausbleibt. Entscheidend und auch für den Versicherungsnehmer ohne weiteres erkennbar war, dass die Beklagte sich die Risikoprüfung im Hinblick auf möglicherweise anstehende, kostenträchtige künstliche Befruchtungen oder andere Behandlungen im Hinblick auf die Untersuchungen und Therapie einer auch nur möglicherweise bestehenden Sterilität/Infertilität eröffnen wollte.
c)
Auch der Einwand der Klägerin, dass sie keine „Fehlgeburt“ im medizinischen Sinne erlitten hätte und aus diesem Grunde keine Falschbeantwortung der Gesundheitsfra- gen vorliegen würde, bleibt ohne Erfolg.
Zwar hat die Klägerin nach Auffassung des Senats „Fehlgeburten“ erlitten. So haben sowohl die behandelnde Gynäkologin Frau B als auch der behandelnde Arzt aus der Praxis C einen „Abort“ bzw. eine „Fehlgeburt“ in ihren Behandlungsunterlagen bzw. in ihrer Auskunft notiert. Bezeichnenderweise hat auch die Klägerin die Fehlgeburten eben als solche verstanden und aufgefasst, wie es sich aus den Behandlungsunterlagen der Praxis Praxis C bzgl. der Behandlung am 15.05.2018 („hatte am 3. Mai ihre dritte Fehlgeburt“) und aus ihren Angaben gegenüber der Beklagten anlässlich deren Rückfrage, Anl. B 7 (Bl. 125 d. eHA I:“Arztwechsel wegen Fehlgeburten“), ergibt.
Letztlich kann aber dahingestellt bleiben, ob es sich bei den Aborten, welche die Klägerin erlitten hat, um „Fehlgeburten“ im medizinischen Sinne handelt.
Wie bereits ausgeführt, ergibt sich die Falschbeantwortung der Frage nämlich bereits daraus, dass Beratungen, Untersuchungen oder Behandlungen der Klägerin wegen einer (für möglich gehaltenen) Infertilität stattgefunden haben, und zwar unabhängig davon, ob die Klägerin „Fehlgeburten“ erlitten hat oder nicht. Aus diesem Grunde ist auch dem Beweisantrag der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens dazu, ob es sich bei einem Abgang vor der 12. Schwangerschaftswoche um eine „Fehlgeburt“ handelt oder nicht, nicht nachzugehen.
Soweit die Klägerin in ihrer Stellungnahme zum Hinweisbeschluss des Senats vom 23.12.2020 ausführlich darauf eingeht, aus welchen Gründen es sich nicht um Fehlgeburten, sondern um „Abgänge“ handele, sind diese Ausführungen daher für die Entscheidung des Senats nicht erheblich. Die tragenden Gründe, auch schon des Hinweisbeschlusses, beruhen nicht auf der Beantwortung der Frage, ob es sich um Fehlgeburten handelt oder nicht.
Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer und auch für die Klägerin war offenkundig, dass die Beklagte mit ihrer Frage das Risiko und die Kalkulation einschätzen wollte, welche mit einer Sterilität/Infertilität und hiermit verbundenen kostspieligen Behandlungen und Therapien – bis hin zur künstlichen Befruchtung – einhergehen können, um einen Kinderwunsch zu erfüllen. Diese Behandlungen und Therapien sind aber unabhängig davon medizinisch indiziert, ob eine Versicherungsnehmerin „Abgänge“ vor der 12. Schwangerschaftswoche oder „Fehlgeburten“ nach der 12. Schwangerschaftswoche erlitten hat. Entscheidend ist die vorzeitige Beendigung einer Schwangerschaft, welche hier – unstreitig mehrfach – eingetreten ist.
Aus diesem Grunde kommt es auch auf den von der Klägerin angekündigten, bis zum heutigen Tage nicht eingereichten „umfangreichen Arztbericht“ nicht an. Auch wenn in diesem Arztbericht der Vortrag der Klägerin bestätigt worden wäre, dass es sich bei ihren Abgängen nicht um „Fehlgeburten“ im medizinischen Sinne handeln würde, wären die Behandlungen und Untersuchungen von der Klägerin anzugeben gewesen.
d)
Aus den oben genannten Gründen hat die Klägerin die Gesundheitsfrage Nr. 6 falsch beantwortet.
Sie wurde in dem abgefragten Zeitraum „wegen Infertilität“ sowie wegen eines „unerfüllten Kinderwunsches“ beraten, untersucht und behandelt. Dahingestellt bleiben kann, ob bei der Klägerin eine Infertilität tatsächlich vorliegt oder nicht.
Ausweislich der Auskunft der die Klägerin damals behandelnden Gynäkologin B hat diese die Klägerin am 24.07.2017 wegen Sterilität und Hormonstörung behandelt. Es wurde eine Hormonbestimmung eingeleitet. Bereits am 06.07.2017 hat sie sich in der Praxis C in ärztliche Behandlung begeben, u.a. deswegen, weil sie „psychisch unter Druck wegen des bestehenden Kinderwunsches“ stand. Als Diagnose wurde „Zustand nach Fehlgeburt“ festgehalten.
Es wurde eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum vom 06.07. bis zum 17.07.2017 ausgestellt. Seitens Frau B wurde am 16.11.2017 anlässlich des „habituellen Aborts“ eine Gerinnungsdiagnostik veranlasst (Bl. 112 eHA I). Am 15.05.2018 hat sich die Klägerin erneut in ärztliche Behandlung begeben, da sie am 3. Mai ihre „dritte Fehlgeburt“ hatte. Als Diagnose wurde „Zustand nach Abort; Gerinnungsstörung“ gestellt. Die Klägerin erhielt eine Überweisung „in die Humangenetik Münster“, wie sie dem behandelnden Arzt der Praxis C mitgeteilt hat.
Soweit sie mit ihrer Stellungnahme zum Hinweisbeschluss des Senats nach wie vor geltend macht, der Besuch der humangenetischen Sprechstunde des Laborzentrums habe ausschließlich den Zweck gehabt, um abzuklären, ob sie und ihr Ehemann gesunde Kinder zusammen haben könnten, ist ihr Vorbringen als unwahr widerlegt. Be- reits das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil ausgeführt, dass sich aus dem Bericht des Laborzentrums (Bl. 120 ff eHA I), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, Gegenteiliges ergibt. Ausweislich des Berichtes waren „vorausgegangene Fehlgeburten und die Frage nach möglichen genetischen Ursachen“ Anlass des Besuches. Auch die ärztliche Dokumentation des behandelnden Hausarztes ist insofern eindeutig. Hiernach hat die Klägerin ihren Arzt aufgesucht, da sie ihre dritte Fehlgeburt erlitten hatte. Als Diagnose wurde „Zustand nach Abort, Gerinnungsstörung“ gestellt. Noch am selben Tage hat sie eine Überweisung in die Humangenetik Münster „erhalten“. Nur 14 Tage später hat die Klägerin die genetische Beratungssprechstunde aufgesucht. Diese Dokumentation und der zeitliche Ablauf sind eindeutig. Der entgegenstehende Vortrag der Klägerin ist daher ersichtlich unwahr und widerlegt.
Die Klägerin hat sich demnach, auch wenn man die genetische Untersuchung recht- lich außer Betracht lässt, bei mehreren Ärzten wegen ihrer erlittenen Fehlgeburten und ihres unerfüllten Kinderwunsches untersuchen, beraten und behandeln lassen. Als Diagnosen wurden unter anderem „Sterilität, Hormonstörung, Kinderwunsch, Zustand nach Abort, Zustand nach Fehlgeburt und habitueller Abort“ gestellt.
Aus diesem Grunde hat die Klägerin die Gesundheitsfrage Nr. 6 falsch beantwortet, da die Untersuchungen, Behandlungen und Beratungen wegen der in Betracht kommenden Infertilität, der Fehlgeburten und des unerfüllten Kinderwunsches anzugeben waren. Hierfür ist irrelevant, ob sich die von den Ärzten gestellten Diagnosen im Nachhinein als unzutreffend herausgestellt haben sollten. Darauf, ob bei der Klägerin tatsächlich eine „Sterilität/Infertilität“ vorliegt, was sie unter Beweisantritt in Abrede stellt, kommt es daher nicht an. Entscheidend ist, dass sie wegen – zum Zeitpunkt der Behandlungen, Untersuchungen und Beratungen zumindest für möglich gehaltener – „Infertilität“ in Behandlung war.
4.
Auch die Einwendungen der Klägerin gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts, wonach sie die Beklagte arglistig getäuscht habe, bleiben ohne Erfolg. Der Senat hat keinerlei Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen des Land- gerichts (§ 529 I Nr.1 ZPO).
a)
Dies gilt zunächst für die Feststellungen des Landgerichts zu Ablauf und Inhalt des Antragsgesprächs mit dem Zeugen A.
Die Klägerin wiederholt in ihrer Berufungsbegründung zu großen Teilen lediglich ihren Sachvortrag erster Instanz und setzt ihre „Beweiswürdigung“ derjenigen des Landgerichts entgegen.
Dies genügt aber nicht, um die Feststellungen des Landgerichts dazu in Frage zu stellen, dass der Zeuge A die Klägerin auf die Bedeutung der Gesundheitsfragen und deren genaue Beantwortung hingewiesen hat, ihr die Gesundheitsfragen und somit auch die hier in Rede stehende Frage Nr. 6 vorgelesen hat, wobei die Klägerin Einsicht in die Antragsfragen hatte, und die Klägerin sowohl ihre ärztlichen Behandlungen, Untersuchungen und Beratungen wegen Sterilität/Infertilität, ihre erlittenen Fehlgeburten und ihren unerfüllten Kinderwunsch verschwiegen hat. Auch der Senat hält es für ausgeschlossen, dass der Zeuge lediglich gefragt haben soll: „Wünscht Ihr Euch Kinder?“. Insofern wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen. Ebenso hält der Senat es mit dem Landgericht für ausgeschlossen, dass die von der Klägerin angeblich angegebene genetische Untersuchung dann trotzdem nicht in den Fragebogen aufgenommen worden wäre. Der Umstand, dass der Zeuge A nach Darstellung der Klägerin ein finanzielles Interesse an dem Abschluss der Versicherungen und insbesondere auch der Krankheitskostenversicherung hatte und die Vorteile einer solchen privaten Krankheitskostenversicherung darstellte, ändert hieran nichts. Gleiches gilt entgegen der Auffassung der Klägerin, welche hierauf in ihrer Stellungnahme zum Hinweisbeschluss des Senats erneut hinweist, für die von der Klägerin behauptete „Eile“, in welcher die Antragsgespräche durchgeführt sein sollen. Der Senat hat diesen Gesichtspunkt entgegen der Darstellung der Klägerin in ihrer Stellungnahme zum Hinweisbeschluss des Senats berücksichtigt und den Vortrag der Klägerin zur Kenntnis genommen. Ein finanzielles Interesse liegt bei jedem Agenten und/oder Makler auf der Hand. Die anderen Versicherungen waren sicherlich zum Teil in wenigen Minuten „erledigt“ (zB KFZ-Versicherung), zumal der Zeuge, der vor dem 2. Termin bereits den Ordner mit den „alten“ Versicherungen zur Verfügung hatte und daher in dem 2. Termin viele wesentliche Informationen hatte, welche die Klägerin nur „bestätigen“ musste. Letzteres ist von der Klägerin in ihrer Stellungnahme bezeichnenderweise auch nicht in Abrede gestellt worden. Gleichwohl geht der Zeuge nach seiner Aussage die Gesundheitsfragen ausnahmslos bei jedem Antragsgespräch im Einzelnen Punkt für Punkt durch.
Dies erscheint angesichts der erheblichen Nachteile, die dem Zeugen für den Fall einer unrichtigen Darstellung und Falschbeantwortung der Grundsatzfragen drohen, auch mehr als nachvollziehbar. Zu Recht hat das Landgericht aber auch ausgeführt, dass für die Richtigkeit der Aussage des Zeugen insbesondere auch der Umstand spricht, dass er die Klägerin Monate nach Abschluss des Vertrages angerufen und diese mit möglichen Falschangaben konfrontiert habe, woraufhin die Klägerin zugegeben hat, nicht die Wahrheit gesagt zu haben. Letzteres hat die Klägerin bezeichnenderweise in ihrer Stellungnahme zum Hinweisbeschluss des Senats ebenfalls nicht in Abrede gestellt.
b)
Dann aber hat die Klägerin, der die Tatsachen ihrer Untersuchungen und Beratungen bekannt waren, arglistig gehandelt. Ihre Einwendungen bezüglich der Feststellungen des Landgerichts zu ihrer Arglist bleiben ebenfalls ohne Erfolg.
Arglist ist im vorliegenden Fall evident. Es kann dahingestellt bleiben, ob es nicht der Klägerin sogar gerade darauf ankam, wegen ihres unerfüllten Kinderwunsches und der mit einem Wechsel verbundenen Vorteile in die private Krankheitskostenversicherung zu wechseln.
Das Vorbringen der Klägerin einschließlich ihrer Stellungnahme zum Hinweisbeschluss des Senats ist nicht geeignet, Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen des Landgerichts zu wecken. Dies gilt insbesondere dafür, dass nach Darstellung der Klägerin zu keinem Zeitpunkt thematisiert worden sei, dass der Abschluss einer Versicherung unsicher sei oder von bestimmten Parametern abhängen würde. Dies gilt gleichermaßen dafür, dass die Klägerin angesichts der Vielzahl der Versicherungsverträge keinen Anlass gehabt habe, hinsichtlich der hier in Rede stehenden Versicherung „besondere Sensibilität für die Befindlichkeit der Beklagten und deren Risikokalkulation“ an den Tag zu legen. Es erschließt sich dem Senat bereits nicht, welche Relevanz dieses Vorbringen haben soll. Wenn die Klägerin hiermit geltend machen möchte, , sie habe angenommen, sämtliche Anträge würden seitens der Beklagten angenommen werden, und zwar unabhängig davon, welche Angaben die Klägerin machen würde, unabhängig davon, ob diese wahr oder unwahr sein würden, ist dieses Vorbringen ersichtlich untauglich, um Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen des Landgerichts darzulegen. Wie bereits ausgeführt, hat der Zeuge A nach den Feststellungen des Landgerichts die Klägerin ausdrücklich auf die Bedeutung der Gesundheitsfragen und deren genaue Beantwortung hingewiesen, wobei die Klägerin Einsicht in die Antragsfragen hatte, und ihr sämtliche Gesundheitsfragen ausdrücklich vorgelesen wurden.
Die Klägerin hatte in dem abgefragten Zeitraum 3 Abgänge, die sie selbst mehrfach als „Fehlgeburten“ bezeichnet hatte, und war deswegen in ärztlicher Behandlung. Sie stand deswegen nach ihren eigenen Angaben gegenüber ihrem Arzt unter „psychischen Druck“. Angesichts dessen, dass wegen des unerfüllten Kinderwunschs weitere Behandlungen und Untersuchungen durchgeführt wurden, war der Klägerin bestens bekannt, dass eventuell eine Sterilität/Infertilität bei ihr vorlag. Gerade diese Befürchtung hat die Klägerin ja veranlasst, sich in ärztliche Beratung und Behandlung zu begeben. Nur ca. ein halbes Jahr später hat sie nach ihren eigenen Angaben gegenüber der Beklagten (Anl. B 7) „wegen Fehlgeburten“ ihren Gynäkologen gewechselt, welcher nur privat versicherte Patienten behandelt.
Wenn die Klägerin nach alledem geltend macht, sie habe keine „Sensibilität“ für die „Befindlichkeiten der Beklagten“ gehabt und sie habe auch keine Kenntnis davon gehabt, dass sie Fehlgeburten erlitten hatte und dass bei ihr eine – zumindest vermutete – Sterilität/Infertilität vorlag, ist dies geradezu abwegig. Wie bereits ausgeführt, hatte sie angesichts dessen, dass sie wegen – der von ihr selbst so bezeichneten – Fehlgeburten die Ärzte aufsuchte und Untersuchungen sowie Behandlungen (Gerinnungsdiagnostik,) durchführen ließ, Kenntnis von den Diagnosen der Ärzte. Die Klägerin trägt, wie bereits in dem Hinweisbeschluss ausgeführt, bewusst unwahr vor, wenn sie diese Kenntnis in Abrede stellt. Auch in ihrer Stellungnahme hat sie dazu keine weitere Erklärung gegeben.
Ihrer Arglist steht entgegen ihrer Auffassung auch nicht entgegen, dass sie nach der Aussage des Zeugen A auf die Gesundheitsfrage Nr. 6 geantwortet hat: „Grundsätzlich erst mal nein, aber ja, ich will schon einmal gerne Kinder haben. Dies ist ja kein unerfüllter Kinderwunsch.“ Entgegen ihrer Darstellung hat sie hiermit die Frage nicht „bejaht“ und mit dem Zusatz zum Ausdruck gebracht, dass dies ihrer „Rechtsmeinung“ nach kein unerfüllter Kinderwunsch sei. Im Gegenteil: Sie hat mit ihrer Antwort ihre Situation dem Zeugen gegenüber so dargestellt, als ob sie erst künftig Kinder haben wolle und dies bislang noch nicht „versucht“ habe. Davon, dass sich bereits seit längerem wegen der vermuteten Infertilität und des unerfüllten Kinderwunschs untersuchen, beraten und behandeln ließ, hat sie dem Zeugen, wie auch von den drei Abgängen bzw. Fehlgeburten, kein Wort berichtet. Mit einer bloßen Verharmlosung bzw. Relativierung oder auch mit einer fehlerhaften „Parallelwertung in der Laiensphäre“ hat dies nichts zu tun.
c)
Die Rüge der Klägerin, dass ihr Versicherungsantrag keine Privaturkunde iSv § 416 ZPO darstelle, da sie keine Erklärung „geschrieben und unterschrieben“ habe, liegt schließlich ebenfalls neben der Sache. Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die „Urkunde“ keinen Beweis für die Richtigkeit des Inhalts der Erklärung erbringt. Die Beweiskraft der „Urkunde“ ist daher für den vorliegenden Rechtsstreit irrelevant. Allein entscheidend ist, ob die Klägerin die Beklagte arglistig getäuscht hat, indem sie ihre Behandlungen und Untersuchun- gen wegen Infertilität und ihren unerfüllten Kinderwunsch verschwiegen hat, wie es von dem Landgericht festgestellt wurde. Diese Feststellungen hat das Landgericht rechtsfehlerfrei allein aufgrund der Aussage des Zeugen A und dem übrigen Inhalt der mündlichen Verhandlung getroffen, nicht aber aufgrund der „Beweiskraft“ einer „Urkunde“.
5.
Schließlich macht die Klägerin vergeblich fehlende Kausalität ihrer arglistigen Täuschung für den Vertragsabschluss geltend. Unabhängig davon, dass ihre Ausführun- gen nicht geeignet sind, die entsprechenden Feststellungen in dem Urteil des Land- gerichts zu erschüttern, da aus den oben genannten Gründen die Gefahrerheblich-keit auf der Hand liegt, hätte die Beklagte auch nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin den Vertrag nicht so abgeschlossen wie er abgeschlossen wurde. Dies genügt aber bereits für die Kausalität, die bereits dann zu bejahen ist, wenn die Willenserklärung die Willenserklärung ohne die Täuschung mit einem anderen Inhalt oder zu einem anderen Zeitpunkt abgegeben worden wäre (BGH, Urt. v. 23.10.2014 – III ZR 82/13). Dies ist hier der Fall, da die Beklagte nach dem eigenen Vor- bringen der Klägerin den Vertrag – mit Vereinbarung von Leistungsausschlüssen – abgeschlossen oder zumindest „weitergehende Untersuchungen gefordert“ hätte.
Es bedurfte daher entgegen der Auffassung der Klägerin keines weiteren Vortrags der Beklagten dazu, welchen Inhalt der Fragebogen „unerfüllter Kinderwunsch“ hatte und wie sich die weitere Prüfung der Beklagten gestaltet hätte.
6.
Rechtsfolge der Anfechtung ist gem. § 142 BGB die Nichtigkeit nicht nur des Krankheitskostenversicherungsvertrag, sondern auch des – rechtlich selbständigen (vgl. Prölss/Martin/Reiff, 31. Aufl. 2021, VVG § 1, Rn. 161) – Krankentagegeldversicherungsvertrags, welcher ausweislich des eingereichten Versicherungsscheins eben- falls abgeschlossen wurde. Die arglistige Täuschung der Klägerin war für den Abschluss beider Verträge kausal; die Beklagte hat den gesamten „Krankenversicherungsvertrag“ angefochten.
B. Zur Widerklage
Aus den oben genannten Gründen ergibt sich zugleich, dass die Berufung auch hin- sichtlich der Widerklage offensichtlich unbegründet ist, da die Leistungen der Beklag- ten auf die Krankentagegeldversicherung ohne rechtlichen Grund erfolgten und der Beklagten daher Rückforderungsansprüche aus § 812 I 1BGB zustehen.
3.
Nach alledem ist die Berufung mit den sich aus den §§ 97, 708 Nr.10 S. 2, 711 ZPO ergebenden prozessualen Nebenentscheidungen zurückzuweisen.