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Krankenversicherung: Wiederaufleben eines gekündigten Versicherungsvertrages nach Wegfall der Anschlussversicherung

OLG Bamberg

Az.: 1 U 141/12

Beschluss vom 06.12.2012

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Coburg vom 09.10.2012, Az. 22 O 332/12, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO einstimmig zurückzuweisen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 19.522,27 Euro festzusetzen.

2. Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu besteht bis einschließlich 20.12.2012.

Gründe

Krankenversicherung: Wiederaufleben eines gekündigten VersicherungsvertragesDer Senat ist davon überzeugt, dass der Berufung des Klägers offensichtlich im Sinn des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO die Erfolgsaussicht fehlt und auch die weiteren Voraussetzungen für eine Entscheidung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorliegen. Der Senat beabsichtigt deshalb, die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Coburg vom 09.10.2012 durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. Gemäß § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO weist der Senat den Kläger auf die beabsichtigte Entscheidung hin und gibt gleichzeitig hierzu sowie zum Berufungsstreitwert Gelegenheit zur Stellungnahme.

I.

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die von ihm bei der Beklagten genommene private Kranken- und Pflegeversicherung fortbesteht.

Zwischen den Parteien bestand ein privater Kranken- und Pflegeversicherungsvertrag (Monatsbeitrag zuletzt: 581,02 €), der die nach § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG bestehende Versicherungspflicht des Klägers erfüllte. Mit Schreiben vom 20.04.2009 kündigte der Kläger diese Versicherung zum Ablauf des 31.12.2009. Der Kündigung war eine Bestätigung eines anderen Krankenversicherers beigefügt, wonach bei diesem ab dem 01.01.2010 eine § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG genügende Krankenversicherung (und eine Pflegepflichtversicherung) bestand. Die Beklagte bestätigte daraufhin die Vertragsbeendigung zum 31.12.2009.

Mit Schreiben vom 15.04.2011 erklärte der neue Krankenversicherer des Klägers den Rücktritt vom Vertrag, weil der Kläger in seinem Versicherungsantrag unzutreffende Angaben zu Vorerkrankungen gemacht habe. Der Kläger akzeptierte diesen Rücktritt. Er vertritt die Auffassung, aufgrund dieses wirksamen Rücktritts seien die zwingenden gesetzlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen seiner gegenüber dem Beklagten erklärten Kündigung weggefallen. Der Krankenversicherungsantrag mit der Beklagten sei daher wieder aufgelebt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, der vom neuen Versicherer erklärte Rücktritt habe das Vertragsverhältnis nicht rückwirkend beseitigt, sondern lediglich in ein Abwicklungsverhältnis umgestaltet. Der neue Vertrag habe mithin fortbestanden, so dass die Voraussetzungen des § 205 Abs. 6 VVG nicht weggefallen seien.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er macht geltend, das Landgericht habe die Rücktrittswirkungen verkannt. Der Rücktritt des neuen Versicherers habe dazu geführt, dass dieser von seinen Hauptleistungspflichten frei geworden sei, so dass der neue Vertrag nicht mehr den Anforderungen des § 205 Abs. 6 VVG genügt habe. Im Übrigen wird auf die Ausführungen der Klägerseite in der Berufungsbegründung verwiesen.

II.

Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Das Landgericht Coburg hat die Klage mit Recht abgewiesen, weil der zwischen den Parteien bestehende Krankenversicherungsvertrag durch die den Anforderungen des § 205 Abs. 6 VVG entsprechende Kündigung des Klägers mit Ablauf des 31.12.2009 beendet worden ist. Diese Kündigungswirkung wird durch das weitere Schicksal, das der neue Krankenversicherungsvertrag des Klägers genommen hat, nicht berührt (vgl. Looschelders/Pohlmann/Reinhard, VVG, 2. Aufl. 2011, § 205 Rn. 23; Boetius, Private Krankenversicherung, 2010, § 205 VVG Rn. 160; HK-VVG/Marko, 2009, § 205 Abs. 6 Rn. 3; Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, § 205 Rn. 42).

1. Die Vorschrift des § 205 Abs. 6 VVG knüpft (ebenso wie § 23 Abs. 2 Satz 3 Hs. 2 SGB XI für die private Pflegeversicherung) die Wirksamkeit der vom Versicherungsnehmer erklärten Kündigung eines Krankenversicherungsvertrags, der – wie vorliegend – die Versicherungspflicht des § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG erfüllt, an zwei Voraussetzungen: Der Versicherungsnehmer muss einen Anschlussversicherungsvertrag abschließen, der den Anforderungen der Krankenversicherungspflicht genügt (§ 205 Abs. 6 Satz 1 VVG), und er muss dies seinem bisherigen Krankenversicherer gegenüber durch Vorlage eines Nachversicherungsnachweises belegen (§ 205 Abs. 6 Satz 2 VVG). Mit der Vorlage dieses Nachweises wird die Kündigung – und zwar ab dem Zeitpunkt des Zugangs des Nachweises beim Versicherer (vgl. BGH, Urteil vom 12.09.2012 – IV ZR 258/11 – juris Rn. 24; Senat, Urteil vom 05.07.2012 – 1 U 8/12 – juris Rn. 23 ff.) – wirksam und führt zur Beendigung des Versicherungsverhältnisses. Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist es, dass der Versicherte über einen nahtlos angrenzenden Versicherungsschutz verfügt, wenn er seinen bisherigen Vertrag kündigt (vgl. BT-Drucks. 16/4247 S. 68).

2. Für die der Klage zugrunde liegende Rechtsansicht, bei Wegfall der Anschlussversicherung – vorliegend durch den Rücktritt des neuen Versicherers – lebe der ursprüngliche Versicherungsvertrag wieder auf, fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Die Kündigungserklärung stellt die Ausübung eines einseitigen Gestaltungsrechts dar und entfaltet nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen in dem Zeitpunkt, in dem sie rechtliche Wirksamkeit erlangt, ihre das Dauerschuldverhältnis beendende Rechtswirkung. Eine spätere „Rücknahme“ ist nicht möglich, vielmehr bedarf es zur Wiederherstellung des Dauerschuldverhältnisses des Abschlusses eines neuen Vertrags (vgl. nur Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl. 2012, Einf v § 346 Rn. 12).

Folgerichtig enthält das Gesetz keinerlei Regelungen dazu, ob die Kündigungswirkung fortbesteht, wenn die für die Wirksamkeit der Kündigung normierte Tatbestandsvoraussetzung „Anschlussversicherungsvertrag“ nach Eintritt der Kündigungswirkung wegfällt. Der zum Schutz der Versicherten erlassenen Vorschrift des § 205 Abs. 6 VVG kommt keine zeitlich über die Wirksamkeit hinausreichende Bedeutung zu. Mit anderen Worten: § 205 Abs. 6 VVG soll und kann verhindern, dass ein der Versicherungspflicht des § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG unterliegender Versicherter durch Kündigung seinen Krankenversicherungsschutz verliert, ohne dass ein Anschlussversicherungsvertrag besteht. Den dauerhaften Bestand dieser Anschlussversicherung sicherzustellen ist hingegen nicht der Regelungsgegenstand oder auch nur -zweck dieser Norm. Der der Versicherungspflicht Unterliegende hat aufgrund der in § 193 Abs. 5 VVG bestimmten Kontrahierungspflicht des Versicherers die Möglichkeit, bei Wegfall der Anschlussversicherung jedenfalls von jedem Drittversicherer (§ 193 Abs. 5 Satz 4 VVG) eine Absicherung im Basistarif nach § 12 Abs. 1a VAG zu begehren. Seinem Schutzbedürfnis ist damit Genüge getan (vgl. Looschelders/Pohlmann/Reinhard, a.a.O.).

3. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass dieses Ergebnis mit Blick auf die Interessenlagen von Versicherer und Versichertem bzw. Versicherungsnehmer sachgerecht ist. Die mit der Berufung vertretene Auffassung würde zu einer viele Jahre andauernden Unsicherheit führen, weil ein Rücktritt vom und vor allem eine Anfechtung der Anschlussversicherung nur sehr weiträumigen zeitlichen Grenzen unterliegen. Im Übrigen ist der Versicherte, dessen Anschlussversicherung aufgrund Rücktritts oder Anfechtung durch den Versicherer in Wegfall kommt, nicht anders gestellt als jeder andere privat Krankenversicherte, dessen Versicherer sich auf diese Art und Weise vom Versicherungsvertrag löst.

Soweit der Kläger ausweislich der Äußerung seines Prozessbevollmächtigten im Verhandlungstermin vor dem Landgericht auch die Feststellung des Fortbestands der privaten Pflegeversicherung begehrt, erschließt sich im Übrigen bereits nicht, wie sich der neue Versicherer von dem Vertrag gelöst haben soll. Denn durch § 110 Abs. 4 SGB XI waren Rücktritts- und Kündigungsrechte des Versicherers ausgeschlossen.

III.

1. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (vgl. § 522 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 ZPO) liegen nicht vor. Zu der hier maßgeblichen Rechtsfrage wird – soweit ersichtlich – eine abweichende Meinung in Rechtsprechung und Literatur nicht vertreten. Die von der Klägerseite zitierten Marlow/Spuhl (VersR 2009, S. 593, 598) befassen sich lediglich mit dem hier nicht zu entscheidenden Fall, dass der Anschlussvertrag noch vor Eintritt der Kündigungswirkung widerrufen wird. Mit Blick hierauf sowie auf den Umstand, dass aus Sicht des Senats die Antwort auf die vorliegend allein zu entscheidende Frage, welche Auswirkung ein nach Wirksamkeit der Kündigung erfolgter Wegfall der Anschlussversicherung hat, ganz eindeutig ausfällt, fehlt es an einer klärungsbedürftigen Frage, die eine Revisionszulassung erfordern würde.

Eine mündliche Verhandlung ist in der vorliegenden Sache nicht geboten (vgl. § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass in einer solchen neue, im Berufungsverfahren zuzulassende Erkenntnisse gewonnen werden können, die zu einer anderen Beurteilung führen.

Der Senat regt daher an, zur Vermeidung von Kosten die aussichtslose Berufung innerhalb offener Stellungnahmefrist zurückzunehmen, und weist in diesem Zusammenhang auf die in Betracht kommende Gerichtsgebührenermäßigung (KV Nrn. 1220, 1222) hin.

2. Der Streitwert einer auf Feststellung eines privaten Krankenversicherungsvertrags gerichteten Klage ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, gemäß §§ 3, 9 ZPO auf den 3,5-fachen Jahreswert der Versicherungsprämie abzüglich des bei positiven Feststellungsklagen üblichen Abschlags von 20 % festzusetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 09.11.2011 – IV ZR 37/11 – Rn. 3). Dies ergibt vorliegend (581,02 € x 42 = 24.402,84 € x 80 % =) den bereits vom Landgericht errechneten Betrag von 19.522,27 €.

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