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Krankenversicherung – Wiederaufleben des Versicherungsschutzes nach Beendigung

Versicherungswechsel: Verpasste Fristen und rechtliche Konsequenzen

Es ist eine Situation, die viele kennen könnten: Man wechselt die Versicherung, ist sich aber über die genauen Bedingungen nicht im Klaren. In solchen Fällen kann es schnell zu Unklarheiten und im schlimmsten Fall zu rechtlichen Auseinandersetzungen kommen. Ein solcher Fall wurde vor dem LG München II verhandelt, wo eine Klägerin gegen ihre ehemalige Versicherungsgesellschaft klagte. Sie forderte die Fortführung ihrer bisherigen Krankheitskosten- und Krankentagegeldversicherung ohne Risikozuschlag.

Die Klägerin war bis zum 31. Juli 2018 privat krankenversichert und erhielt anschließend Arbeitslosengeld, wodurch sie gesetzlich krankenversichert wurde. Deshalb kündigte sie ihre private Krankenversicherung. Gleichzeitig schloss sie jedoch eine so genannte Anwartschaftsversicherung ab. Diese sollte sicherstellen, dass ihre alte Versicherung ohne erneute Gesundheitsprüfung wieder aufleben könnte, sobald der Grund für die Anwartschaft – in diesem Fall ihre Arbeitslosigkeit – wegfällt.

Direkt zum Urteil Az: 10 O 1252/21 Ver springen.

Die Regeln der Anwartschaftsversicherung

Die Vereinbarung zur Anwartschaftsversicherung sah vor, dass die Klägerin die Beklagte fristgerecht informieren musste, sobald der Anwartschaftsgrund wegfiel. Zudem sollte sie die Wiederaufnahme der Versicherung innerhalb von drei Monaten beantragen. Diese Bedingungen wurden der Klägerin sowohl im Merkblatt als auch in den Besonderen Bedingungen für die Anwartschaftsversicherung mitgeteilt.

Streitpunkt: Einhaltung der Fristen

Das Kernproblem in diesem Fall war die Frage, ob die Klägerin diese Fristen eingehalten hatte. Hat sie ihre Versicherung rechtzeitig über das Ende ihrer Arbeitslosigkeit informiert und den Antrag auf Wiederaufnahme der Versicherung rechtzeitig gestellt? Diese Punkte waren entscheidend für die Beurteilung, ob ihre private Krankenversicherung ohne Risikozuschlag hätte fortgeführt werden müssen.

Gerichtsentscheidung und Konsequenzen

Das Gericht entschied, dass die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat und die Klage abgewiesen wird. Dies deutet darauf hin, dass sie die Fristen wohl nicht eingehalten hat. Die genauen Gründe für die Entscheidung sind in diesem Auszug nicht dargelegt, aber es unterstreicht die Bedeutung, sich genau über die Bedingungen einer Anwartschaftsversicherung und die damit verbundenen Fristen zu informieren.

Dieser Fall zeigt, wie wichtig es ist, die Bedingungen und Fristen bei Versicherungswechseln zu beachten. Es ist immer ratsam, sich im Vorfeld genau zu informieren und im Zweifelsfall rechtlichen Rat einzuholen, um unangenehme Überraschungen zu vermeiden.


Das vorliegende Urteil

LG München II – Az.: 10 O 1252/21 Ver – Urteil vom 26.11.2021

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 22.108,55 € festgesetzt.

Tatbestand

Krankenversicherung - Wiederaufleben des Versicherungsschutzes nach Beendigung
(Symbolfoto: huandi
/123RF.COM)

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, die zwischen den Parteien bis zum 31.07.2018 bestandenen Krankheitskostenvollversicherung und Krankentagegeldversicherung gemäß den ursprünglichen Tarifen ohne Risikozuschlag fortzuführen.

Die Klägerin unterhielt bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (Central; im Folgenden einheitlich: „die Beklagte“) bis zum 31.07.2018 eine private Krankheitskostenvollversicherung gemäß den Tarifen V222S2 und EBE. Die Monatsprämie für den Tarif V222S2 beträgt ohne Risikozuschlag 545,84 € und für den Tarif EBE ohne Risikozuschlag 43,34 €.

Die Klägerin unterhielt zudem bei der Beklagten bis zum 31.07.2018 eine Krankentagegeldversicherung gemäß dem Tarif KTNA42. Die Monatsprämie für diesen Tarif beträgt ohne Risikozuschlag 68,81 €. Versichert war ein Krankentagegeld in Höhe von 142,00 €.

Beide Versicherungen wurden bei der Beklagten unter der Vers.-Nr. 450/025616294 geführt.

In der Zeit vom 01.08.2018 bis 31.03.2019 bezog die Klägerin Arbeitslosengeld. Die Klägerin war daher während dieses Zeitraums in der gesetzlichen Krankenversicherung kraft Gesetzes (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V) gesetzlich krankenversicherungspflichtig. Die Klägerin kündigte aus diesem Grund die o.g. private Krankheitskostenvollversicherung sowie die o.g. Krankentagegeldversicherung bei der Beklagten jeweils zum 31.07.2018.

Die Klägerin schloss gleichzeitig für die Zeit ab dem 01.08.2018 eine große Anwartschaftsversicherung bei der Beklagten ab. Hinsichtlich des Inhalts dieser Vereinbarung im Einzelnen wird Bezug genommen auf die Anlage B1. Mit Abschluss dieser Anwartschaftsversicherung erhielt die Klägerin das Merkblatt zur Anwartschaftsversicherung (vgl. Anlage BLD 3) sowie die dem Anwartschaftsversicherungsverhältnis zugrundeliegenden Besonderen Bedingungen für die große Anwartschaftsversicherung (AWG) der Beklagten, hinsichtlich deren Inhalts Bezug genommen wird auf die Anlage BLD 9, ausgehändigt. Demnach vereinbarten die Parteien, dass die streitgegenständliche Krankheitskostenvollversicherung sowie die Tagegeldversicherung ohne erneute Gesundheitsprüfung wiederaufleben soll, wenn der Anwartschaftsgrund weggefällt und dies der Beklagten fristgerecht angezeigt wird. Wörtlich heißt es in dem Antrag auf Abschluss der Anwartschaftsversicherung (Anlage BLD 1):

„die Anwartschaft gilt unbefristet und endet mit dem Wegfall des AW-Grundes, der der Central fristgerecht anzuzeigen ist.“

Im Merkblatt zu Anwartschaftsversicherung (Anlage BLD 3) befindet sich unter dem Punkt a) der Hinweis, dass die Beantragung des Auflebens der Versicherung innerhalb von drei Monaten zu erfolgen hat.

§ 4 Nr. 1 der Besonderen Bedingungen für die große Anwartschaftsversicherung (Anlage BLD 9) lautet:

„Der Wegfall der Voraussetzung für die große AW ist innerhalb einer Frist von drei Monaten anzuzeigen und auf Verlangen des Versicherers nachzuweisen. Bei fristgemäßer Anzeige lebt der Versicherungsschutz des als AW geführten Tarifes zum Ersten des Monats, in dem die Voraussetzung weggefallen ist, auf. Gleichzeitig endet die AW.“

§ 4 Nr. 6 der Besonderen Bedingungen für die große Anwartschaftsversicherung (Anlage BLD 9) bestimmt:

„Wird bei einer unbefristeten AW der Wegfall der Voraussetzung für die AW erst nach Ablauf von drei Monaten angezeigt, so kann das Aufleben des Versicherungsschutzes von der Vereinbarung neuer Risikozuschläge, Wartezeiten oder Leistungsausschluss abhängig gemacht werden. Der Versicherungsschutz kann dann frühestens am nächsten Monatsersten nach Zugang der Anzeige beim Versicherer aufleben.“

Die nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 SGB V bestandene gesetzliche Krankenversicherungspflicht der Klägerin endete am 31.03.2019.

Seit dem 01.04.2019 ist die Klägerin gesetzlich krankenversichert gemäß § 188 Abs. 4 S. 2 SGB V.

Die Klägerin beantragte im März 2020 (Anlage BLD 2) bei der Beklagten die Fortführung der o.g. früheren Krankheitskostenvollversicherung und Tagegeldversicherung. Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 23.07.2020 (Anlage BLD 3) mit, dass das Aufleben der Anwartschaft ohne Risikoprüfung grundsätzlich nur möglich sei, wenn die Beantragung der Krankheitskostenvollversicherung innerhalb von drei Monaten nach Ende der Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung angezeigt worden sei.

Die Klägerin antwortete hierauf mit Schreiben vom 31.08.2020 (Anlage BLD 4), dass sie falsch beraten worden sei und von der Frist nichts gewusst habe. Mit Schreiben vom 09.09.2020 (Anlage BLD 5) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass wegen Versäumung der dreimonatigen Frist das Aufleben der Krankheitskostenvollversicherung und der Krankentagegeldversicherung nur nach einer erneuten Gesundheitsprüfung möglich sei. Sie informierte die Klägerin zudem darüber, dass aufgrund des bereits bekannten Gesundheitszustandes das Aufleben des vormaligen Vertrages ohne Erhebung eines Risikozuschlags nicht möglich sei.

Es folgte daraufhin weitere vorgerichtliche Korrespondenz der Parteien unter Einschaltung des nunmehrigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Die Beklagte unterbreitete der Klägerin dabei das als Anlage BLD 7 vorgelegte Angebot vom 29.10.2020, wonach für eine Fortführung der beiden streitgegenständlichen Versicherungen in den genannten Tarifen ein Risikozuschlag von monatlich 1.091,68 € (Krankheitskostenvollversicherung) und monatlich 68,81 € (Krankentagegeldversicherung) zu zahlen wäre. Die Klägerin nahm dieses Angebot nicht an.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Ablehnung der Beklagten gemäß Schreiben vom 09.09.2020 ebenso wie das Angebot vom 29.10.2020 rechtswidrig gewesen seien. Die Beklagte sei vielmehr aufgrund der streitgegenständlichen Anwartschaftsversicherung verpflichtet, die ursprünglich für die Klägerin bei ihr bis zum 31.07.2018 bestandenen Krankheitskostenvollversicherung und Tagegeldversicherung fortzuführen, und zwar ohne Risikozuschläge.

Die Klägerin sei auch über den 31.03.2019 hinaus weiterhin kraft Gesetzes gesetzlich krankenversicherungspflichtig, lediglich nunmehr nach § 188 Abs. 4 SGB V statt wie zuvor (01.08.2018 – 31.03.2019) nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V. Es handele sich dabei (§ 188 Abs. 4 SGB V) nicht um eine freiwillige Versicherung. Die Voraussetzung für die große Anwartschaftsversicherung sei daher bis heute noch nicht weggefallen. Vielmehr sei die Klägerin seit 01.08.2019 bis heute ununterbrochen gesetzliche pflichtkrankenversichert. Somit sei aber die Voraussetzung für die große Anwartschaftsversicherung noch gar nicht weggefallen, so dass die Klägerin auch noch nicht die 3-Monats-Frist des § 4 Nr. 1 S. 1 AWG versäumt haben könne. Die gesetzliche Pflichtkrankenversicherung der Klägerin ende vielmehr erst dann gemäß § 188 Abs. 4 S. 2 SGB V, wenn die Beklagte die von der Klägerin vorliegend eingeforderte Absicherung im Krankheitsfall gewähre und die Klägerin dann unter Nachweis dieser Absicherung aus der gesetzlichen Krankenversicherung austrete.

Soweit die Beklagte danach differenzieren wolle, ob eine gesetzliche Pflichtkrankenversicherung i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V oder i.S.d. § 188 Abs. 4 SGB V weggefallen ist, ergebe sich eine solche Differenzierung jedenfalls nicht ausreichend klar und verständlich aus § 4 Nr. 1 S. 1 AWG. Die Regelung sei daher wegen des Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam. Sollte letzteres nicht der Fall sein, wäre die Regelung nach Auffassung der Klägerin aber zumindest gemäß § 305c Abs. 2 BGB nach dem von der Klägerin dargelegten Verständnis auszulegen. Die Klägerin ist zudem der Auffassung, dass § 4 Nr. 1 S. 1 AWG eine Obliegenheit für die Klägerin statuiere, so dass hinsichtlich der Rechtsfolgen bei einer Obliegenheitsverletzung gemäß § 32 S. 1 VVG nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden dürfe, hier in § 4 Nr. 6 S. 1 AWV jedoch eine nicht vom VVG vorgesehene Rechtsfolge vorgesehen sei, so dass diese Regelung ebenfalls unwirksam sei. Schließlich ist die Klägerin auch der Ansicht, dass die 3-Monats-Frist eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin darstelle und daher auch nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam sei.

Die Klägerin trägt vor, die geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten seien von ihrem Prozessbevollmächtigten gegenüber dem Rechtsschutzversicherer abgerechnet und von Letzterem abzüglich einer Selbstbeteiligung bezahlt worden. Hinsichtlich ihrer Aktivlegitimation insoweit verweist die Klägerin auf die als Anlage K 1 vorgelegte Abtretungserklärung der Rechtschutzversicherung, welche die Klägerin angenommen habe.

Die Klägerin beantragt

I. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die zwischen den Parteien bis zum 31.07.2018 bestandene Krankheitskosten Vollversicherung Nr. 450/025616294 gemäß den Tarifen V222S2 und EBE ohne Risikozuschlag fortzuführen,

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die zwischen den Parteien bis zum 31.07.2018 bestandene Krankentagegeldversicherung Nr. 450/025616294 gemäß dem Tarif KTNA42 ohne Risikozuschlag fortzuführen,

III. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.663,90 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, Klageabweisung.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Kläger habe vorliegend das Recht auf eine Aktivierung der früheren Krankenversicherung ohne erneute Gesundheitsprüfung verloren, indem sie die Beantragung der Krankheitsvollkostenversicherung nicht innerhalb von drei Monaten nach Ende der Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung der Beklagten bis spätestens 30.06.2019 angezeigt habe. Die Klausel § 4 Nr. 1 AWG sei weder intransparent noch stelle sie eine die Klägerin unangemessen benachteiligende Regelung dar. Weder diese Regelung noch jene in § 4 Nr. 6 S. 1 AWG seien unwirksam. Insbesondere stellten sie auch keine unangemessene Benachteiligung für die Klägerin dar, zumal die Klägerin von Anfang an über diese Umstände informiert gewesen sei und es ihr frei zugestanden habe, eine Anwartschaftsversicherung überhaupt abzuschließen.

Der Rechtsstreit ist durch Beschluss der Kammer vom 17.09.2021 gemäß § 348a Abs. 1 ZPO auf den Einzelrichter übertragen worden (Bl. 31/33 d.A.).

Die Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO zugestimmt. Das Gericht hat als Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht und bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden konnten, den 28.10.2021 bestimmt (Bl. 39/41 d.A.).

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf sämtliche gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie sonstige Aktenteile. Beweis wurde nicht erhoben.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die zwischen den Parteien bis zum 31.07.2018 bestandene Krankheitskostenvollversicherung in den Tarifen V222S2 und EBE sowie die bis zum 31.07.2018 bestandene Krankentagegeldversicherung, jeweils Versicherungsnummer 450/025616294, ohne Risikozuschlag fortzuführen, da die Pflicht der Klägerin zur Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V zum 31.03.2019 entfallen ist und die Klägerin nicht binnen drei Monaten den Wegfall dieser Voraussetzung für die große Anwartschaft gemäß § 4 Nr. 1 S. 1 AWG bei der Beklagten angezeigt hat. Gemäß § 4 Nr. 6 S.1 AWG ist die Beklagte daher berechtigt, das Aufleben des ursprünglichen Versicherungsschutzes von der Vereinbarung neuer Risikozuschläge, Wartezeiten oder Leistungsausschüssen abhängig zu machen.

1. Unstreitig bezog die Klägerin im Zeitraum vom 01.08.2018 bis 31.09.2019 Arbeitslosengeld und war in diesem Zeitraum kraft Gesetzes, gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V, in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig. Ausweislich des Antrages der Klägerin auf Abschluss der streitgegenständlichen großen Anwartschaftsversicherung vom 31.07.2018 (vgl. Anlage BLD 1) war dies, d.h. die gesetzliche Krankenversicherungspflicht der Klägerin wegen Arbeitslosigkeit, der Grund für den Abschluss der Anwartschaftsversicherung. Dieser Grund (gesetzliche Krankenversicherungspflicht der Klägerin wegen Arbeitslosigkeit) ist unstreitig zum 01.04.2019 weggefallen. Seitdem ist die Klägerin, was ebenfalls unstreitig ist, zwar weiterhin in der gesetzlichen Krankenversicherung krankenversichert. Dies ist jedoch nicht mehr dem Umstand der (vormaligen) Arbeitslosigkeit geschuldet, sondern die Folge der vom Gesetzgeber in § 188 Abs. 4 S. 2 SGB V getroffenen Regelung. Denn nach dieser Regelung wird für Personen, deren Versicherungspflicht endet (vgl. § 188 Abs. 4 S. 1 SGB V), der Austritt aus der gesetzlichen Krankenversicherung nur wirksam, wenn das Mitglied das Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall nachweist. Einen solchen Nachweis hat die Klägerin unstreitig bislang nicht erbracht, so dass sie aufgrund dieser gesetzlichen Regelung – nicht hingegen wegen Arbeitslosigkeit und einer deshalb aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V folgenden Krankenversicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung – weiterhin gesetzlich krankenversichert ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist sie somit aber nicht „aufgrund einer gesetzlichen Krankenversicherungspflicht wegen Arbeitslosigkeit“, wie ausweislich der Anlage BLD 1 im Antrag auf Abschluss der streitgegenständlichen großen Anwartschaftsversicherung als Anwartschaftsgrund von den Parteien jedoch zugrunde gelegt, sondern aufgrund der gesetzlichen Regelung des § 188 Abs. 4 S. 1 SGB V weiterhin gesetzlich krankenversichert. Dass es sich hierbei gerade nicht um eine der Pflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V gleichzustellende Pflicht zur Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung handelt, ergibt sich bereits unmittelbar aus der Norm des § 188 Abs. 4 SGB V selbst wie auch unter Berücksichtigung ihres Sinn und Zwecks sowie ihrer systematischen Stellung. Mit der Regelung in § 188 Abs. 4 SGB V will der Gesetzgeber verhindern, dass ein „versicherungsloser“ Zustand eintritt. Verlangt wird für die Wirksamkeit des Austritts einer Person, deren Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung endet (vgl. § 188 Abs. 1 S. 1 SGB V), daher, dass das Mitglied das Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall nachweist. Dabei stellte § 188 Abs. 4 S. 2 SGB V gerade frei, ob die anderweitige Absicherung in einer gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung besteht. Eine Pflicht des zur Versicherung in der gesetzlichen Versicherung enthält diese Regelung also nicht, sondern stellt es dem Mitglied letztlich frei, dass es sich anderweitig, also durch eine private Krankheitskostenvollversicherung, im Krankheitsfall absichert. Die Überschrift der Norm des § 188 SGB V lautet zudem auch „Beginn der freiwilligen Mitgliedschaft“. Schließlich ergibt sich dieses, hier vom Gericht zugrunde gelegte Verständnis, auch aus der Systematik der Norm selbst. Denn gemäß § 188 Abs. 4 S. 1 SGB V adressiert diese Norm ausdrücklich gerade die Personen, deren Versicherungspflicht endet. Im Übrigen würde bei einem Verständnis, wie es die Klägerin zugrunde legen möchte, die Regelung des § 4 Nr. 1 S. 1 AWG, letztlich in Leere laufen, weil die dreimonatige Frist zur Anzeige des Wegfalls der Voraussetzung für die Anwartschaft überhaupt nie im Verhältnis zur Beklagten in Gang gesetzt werden könnte, wenn die Klägerin eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall mit der Begründung nicht nachweist, dass die Beklagte ihr den vormaligen privaten Versicherungsschutz nicht ohne Gesundheitsprüfung und Risikozuschlag bereit sei zu gewähren, auch keinen anderweitigen Versicherungsschutz nachweist und daher gemäß § 188 Abs. 4 S. 2 SGB V nicht wirksam aus der gesetzlichen Krankenversicherung austreten kann.

2. Die Klägerin hat der Beklagten den Wegfall ihrer gesetzlichen Krankenversicherungspflicht wegen Arbeitslosigkeit nicht gemäß § 4 Nr. 1 S. 1 AWG binnen drei Monaten nach Wegfall dieser Voraussetzung für die Anwartschaft (d.h. bis zum 30.06.2019) angezeigt, sondern erst im März 2020 die Fortführung ihrer ursprünglichen Krankheitskostenvollversicherung der Krankentagegeldversicherung bei der Beklagten beantragt (vgl. Anlage BLD 2). Gemäß § 4 Nr. 6 S. 1 AWG ist die Beklagte daher berechtigt, das Aufleben des Versicherungsschutzes von der Vereinbarung neuer Risikozuschläge, Wartezeiten oder Leistungsausschlüsse abhängig zu machen.

Die Klauseln § 4 Nr. 1 S. 1 und § 4 Nr. 6 AWG sind entgegen der Auffassung der Klägerin nicht unwirksam.

2.1 Die Klausel § 4 Nr. 1 S. 1 AWG verstößt nicht gegen das Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (BGHZ 123, 83, 85). Vorliegend ist die Regelung in § 4 Nr. 1 S. 1 AWG hinreichend klar und verständlich dahingehend formuliert, dass der „Wegfall der Voraussetzung für die große AW“ innerhalb einer Frist von drei Monaten der Beklagten anzuzeigen und auf Verlangen des Versicherers nachzuweisen ist. Voraussetzung für die große Anwartschaft war vorliegend die gesetzliche Krankenversicherungspflicht der Klägerin wegen Arbeitslosigkeit. Dies ergibt sich unmissverständlich aus ihrem Antrag auf Abschluss der Anwartschaftsversicherung vom 31.07.2018 (Anlage BLD 1). Die Klausel § 4 Nr. 1 S. 1 AWG ist aus sich heraus also nicht unverständlich oder unklar, sondern es erschließt sich einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne weiteres, dass bei Wegfall seiner individuellen Voraussetzung für die große Anwartschaft, welche sich ihrerseits hier klar und verständlich aus dem Antrag auf Abschluss der Anwartschaftsversicherung ergibt, er diesen Wegfall der Beklagten binnen drei Monaten anzeigen muss, damit gemäß § 4 Nr. 1 S. 1 AWG der Versicherungsschutz des als Anwartschaft geführten Tarifes zum Ersten des Monats, in dem die Voraussetzung weggefallen ist, wieder auflebt. Eigene rechtliche Überlegungen für das Verständnis der Klausel muss ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer dabei hingegen nicht anstellen. Insbesondere muss er hierfür – und wird er regelmäßig – auch nicht komplizierte rechtliche Überlegungen im Sinne einer Differenzierung nach einer Pflicht zur Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V) einerseits und einer gesetzlichen Pflicht zur Krankenversicherung (privat oder gesetzlich) andererseits (§ 188 Abs. 4 S. 2 SGB V) anstellen.

Die Klausel § 4 Nr. 1 S. 1 SGB V ist und kann daher auch nicht gemäß § 305c Abs. 2 BGB gemäß dem von der Klägerin vorliegend argumentierten Verständnis ausgelegt werden, wonach letztlich entgegen der hier ganz konkret im Antrag auf Abschluss der Anwartschaftsversicherung aufgenommenen Voraussetzung für die große Anwartschaft – nämlich gesetzliche Krankenversicherungspflicht der Klägerin wegen Arbeitslosigkeit – auch im Falle einer wegen § 188 Abs. 4 S. 2 SGB V faktisch bestehenden Weiterversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung die Voraussetzung für die große Anwartschaft weiterhin und zwar solange fortbestehen soll, bis die Beklagte der Klägerin den ursprünglichen Versicherungsschutz ohne Gesundheitsprüfung wieder gewährt und damit der Austritt der Klägerin aus der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 188 Abs. 4 S. 2 SGB V wirksam wird. Ein solches Verständnis würde die Regelung in § 4 Nr. 1 S. 1 SGB V vielmehr ad absurdum führen. Die Dreimonatsfrist des § 4 Nr. 1 S. 1 SGB V würde, wie bereits oben ausgeführt, ins Leere laufen und faktisch nie zu laufen beginnen, da nach dem von der Klägerin zugrundegelegten Verständnis das Wiederaufleben des ursprünglichen Versicherungsschutzes (ohne Gesundheitsprüfung) zur Voraussetzung des Wegfalls des Anwartschaftsgrundes gemacht würde und nicht umgekehrt.

2.2 Die in § 4 Nr. 1 S. 1 AWG und § 4 Nr. 6 S. 1 AWG bestimmte Dreimonatsfrist stellt auch keine unangemessene Benachteiligung der Klägerin i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB dar.

Sinn und Zweck einer Anwartschaftsversicherung ist es, dem ursprünglich privat krankenversicherten Versicherungsnehmer zu ermöglichen, auch nach einer Zeit, während der er aufgrund der besonderen Umstände seine Person betreffend gesetzlich krankenversichert ist, seine private Krankenversicherung wieder fortzuführen und ihm die Aufrechterhaltung der Altersrückstellungen zu ermöglichen, damit er später auf die aufgebauten Rückstellungen zurückgreifen kann. Dabei ist jedoch auch das berechtigte Interesse des Versicherers zu berücksichtigen, durch die Vereinbarung von Fristen – wie hier in § 4 Nr. 1 S. 1 AWG – sich Planungssicherheit darüber zu verschaffen, bis wann mit der Geltendmachung der Anwartschaft durch den Versicherungsnehmer der Anwartschaftsversicherung zu rechnen ist. Eine solche Planungssicherheit für den Versicherer ist entgegen der Auffassung der Klägerin sehr wohl und gerade mit Blick auf die Versichertengemeinschaft geboten. Auch verschafft sich die Beklagte hierdurch nicht einen unangemessenen Vorteil. Eine Frist von drei Monaten ist zudem angemessen, um dem Versicherungsnehmer nach Wegfall der Voraussetzung für die vereinbarte Anwartschaft – hier die gesetzliche Krankenversicherungspflicht der Klägerin wegen Arbeitslosigkeit – ausreichend Bedenk- und ggf. Organisationszeit für seine Entscheidung zu geben, ob er die Anwartschaft gegenüber dem privaten Krankenversicherer geltend machen und den ursprünglichen Versicherungsschutz wieder aufleben lassen möchte oder nicht.

2.3 Die Klausel § 4 Nr. 6 S. 1 AWG ist auch nicht gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 32 S. 1 VVG unwirksam.

Gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung in AGB – hier also den AWG der Beklagten – mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.§ 32 S. 1 VVG bestimmt, dass von den §§ 19 bis 28 Abs. 4 und § 31 Abs 1 S. 2 VVG nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden kann.

Eine Regelung, die entgegen § 32 S. 1 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers abweichen würde, enthält § 4 Nr. 6 S. 1 VVG indes nicht. Zwar trifft es zu, dass der Gesetzgeber im VVG für den Fall, dass der Versicherungsnehmer eine gesetzliche oder vertragliche Obliegenheit verletzt, abschließende Sonderregelungen bezüglich der Rechtsfolgen der Obliegenheitsverletzung im VVG getroffen hat. Vorliegend regelt § 4 Nr. 1 S. 1 AWG eine vertragliche Obliegenheit des Versicherungsnehmers der Anwartschaftsversicherung, den Wegfall der Voraussetzung des Anwartschaftsgrundes binnen drei Monaten der Beklagten anzuzeigen. § 4 Nr. 6 S. 1 VVG regelt als Rechtsfolge für den Fall, dass diese Obliegenheit verletzt wird, also der Wegfall der Voraussetzung für die Anwartschaft erst nach Ablauf von drei Monaten vom Versicherungsnehmer angezeigt wird, dass die Beklagte das Aufleben des ursprünglichen Versicherungsschutzes von der Vereinbarung neuer Risikozuschläge, Wartezeiten oder Leistungsausschüssen abhängig machen kann. Mit dieser Regelung wird jedoch nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers von dem vom Gesetzgeber vorgesehenen Rechtsfolgenregime im Falle von Obliegenheitsverletzungen durch den Versicherungsnehmer abgewichen, sondern es handelt sich vielmehr um ein „Minus“ gegenüber den vom Gesetzgeber vorgesehenen Rechtsfolgen, d.h. eine weniger einschneidende Rechtsfolge als etwa eine Leistungsfreiheit des Versicherers (§ 28 Abs. 2 VVG). Die Regelung in § 4 Nr. 6 S. 1 VVG nimmt dem Versicherungsnehmer der Anwartschaftsversicherung im Übrigen auch nicht etwa sein Recht als solches, die ursprüngliche Krankenversicherung bei der Beklagten wieder zu aktivieren, sondern lediglich das Recht, dass das Aufleben der Krankenversicherung ohne eine erneute Gesundheitsprüfung und ohne Leistungsausschlüsse oder – wie hier – Risikozuschläge erfolgt.

2.4 Nach alledem ist die Beklagte somit vorliegend berechtigt, das Aufleben des ursprünglichen Versicherungsschutzes der Klägerin, sowohl betreffend die Krankheitskostenvollversicherung als auch die Krankentagegeldversicherung, von der Vereinbarung neuer Risikozuschläge, Wartezeiten oder Leistungsausschüssen abhängig zu machen. Die Klageanträge zu I. und II. waren daher als unbegründet abzuweisen.

3. Ein Anspruch der Klägerin auf die mit dem Klageantrag zu III. geltend gemachte Nebenforderung (vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen) besteht mangels Begründetheit der Hauptforderungen ebenfalls nicht.

II.

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

2. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.

III.

Der Streitwert war gemäß § 9 ZPO auf 22.108,55 € festzusetzen. Davon entfallen auf den Klageantrag zu I.: 19.796,45 € ((3,5 x 12 x 589,18 €) – 20 %) und auf den Klageantrag zu II.: 2.312,10 € ((3,5 x 12 x 68,81 €) – 20 %; vgl. OLG München, Beschluss vom 14.07.2020 – 25 W 587/20). Der Klageantrag zu III. war nicht streitwerterhöhend, § 4 ZPO.

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