Skip to content

Krankenversicherung – Umfang der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit des Versicherungsnehmers

LG Offenburg – Az.: 2 S 6/18 – Urteil vom 21.02.2020

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Wolfach vom 10.07.2018, Az. 1 C 148/17, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass durch die Rücktrittserklärung der Beklagten vom 18. April 2016 das Krankenversicherungsverhältnis nicht beendet wurde, sondern zu den im Versicherungsschein Nr. *******777 festgestellten Bedingungen bezüglich der versicherten Person G., geboren am … 2008, fortbesteht.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren zu bezahlen in Höhe von 147,56 Euro.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 3.691,83 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Parteien streiten über den Fortbestand eines Versicherungsverhältnisses.

Der Kläger beantragte mit Anträgen vom 11.01. und 22.01.2015 die Erweiterung seiner privaten Krankenversicherung auf sein minderjähriges Pflegekind G. (im Folgenden: „der Versicherte“), wobei er als Versicherungsvermittler der Beklagten den Antrag selbst in das Computersystem der Beklagten eingab. Die Fragen der Beklagten in deren Antragsformular nach dem Bestehen einer Pflegebedürftigkeit, nach dem Bestehen einer Ataxie in den letzten 5 Jahren sowie nach ambulanten oder stationären Behandlungen wegen einer psychischen Erkrankung in den letzten 12 Monaten beantwortete der Kläger für den Versicherten mit „Nein“ (Anlage K1). Der Vertrag wurde sodann von der Beklagten mit Versicherungsbeginn zum 01.02.2015 policiert. Den Antrag des Klägers auf Erweiterung der Krankenversicherung auch auf den 15 Monate jüngeren Bruder des Versicherten, der ebenfalls seit 2010 in der Familie des Klägers lebt, lehnte die Beklagte dagegen ab, da bei diesem – was vom Kläger im Versicherungsantrag auch angegeben wurde – bereits Jahre zuvor ein fetales Alkoholsyndrom diagnostiziert wurde.

Am 07.05.2015 wurde der Versicherte von seiner Pflegemutter bei Herrn Dr. med B. vom Klinikum L. „zur Mitbeurteilung bezüglich fetaler Alkoholspektrumstörung“ vorgestellt. Dort wurde beim Versicherten sodann ebenfalls ein fetales Alkoholsyndrom mit Mikrozephalie diagnostiziert (Bl. 213 ff. d.A.). Mit Bescheid vom …06.2015 wurde beim Versicherten vom Landratsamt O. darüber hinaus ein Grad der Behinderung von 70% aufgrund einer psychomotorischen Entwicklungsstörung festgestellt. Im Dezember 2015 wurde dem Versicherten sodann der Pflegegrad 0 zuerkannt (Bl. 347 d.A.). Nachdem der Beklagten das diesbezügliche Pflegegutachten des Medizinischen Dienstes Anfang April 2016 per Fax übermittelt wurde, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 18.04.2016 den Rücktritt vom Versicherungsvertrag mit der Begründung, dass der Kläger im Versicherungsantrag das fetale Alkoholsyndrom und die Mikrozephalie nicht angegeben habe (Bl. 111 d.A.). Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.05.2016, zugegangen per Fax am gleichen Tag, übermittelte der Kläger – wie von der Beklagten angefordert – diverse Arztberichte, u.a. den Bericht des Kinderpsychologen Dr. T. vom 31.07.2012, der bereits im Sommer 2012 eine kombinierte Entwicklungsstörung i.S.v. F83 nach ICD-10-WHO beim Versicherten diagnostiziert hatte, sowie das erste Pflegegutachten des Medizinischen Dienstes aus Juli 2015, infolge dessen dem Versicherten noch kein Pflegegrad zuerkannt wurde. Mit Schreiben vom 01.09.2016 erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger erneut den Rücktritt. Dieses Mal mit der Begründung, dass der Kläger im Antrag die kombinierte Entwicklungsstörung des Versicherten nicht angegeben habe (Bl. 423 d.A.).

Der Kläger hat behauptet, dass ihm die Erkrankungen des Versicherten zum Zeitpunkt der Antragsstellung noch nicht erkennbar waren. Ein fetales Alkoholsyndrom sowie die Mikrozephalie seien vor Antragsstellung auch von keinem Arzt diagnostiziert worden.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass er die von der Beklagten gestellten Gesundheitsfragen seinerzeit wahrheitsgemäß beantwortet habe, sodass der Rücktritt der Beklagten unwirksam sei.

Der Kläger hat beantragt,

1. Es wird festgestellt, dass durch die Rücktrittserklärung der Beklagten vom 18. April 2016 das Krankenversicherungsverhältnis nicht beendet wurde, sondern zu den im Versicherungsschein Nr. *******777 festgestellten Bedingungen bezüglich der versicherten Person G., geboren am … 2008, fortbesteht.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren zu bezahlen in Höhe von 147,56 Euro.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, dass die Leiden des Versicherten so offenkundig waren, dass diese dem Kläger bei Antragsstellung bewusst waren. Dies zudem vor dem Hintergrund, dass der jüngere Bruder des Versicherten nachweislich unter einem fetalen Alkoholsyndrom leidet, sodass sich auch ein Alkoholkonsum der leiblichen Mutter in der Schwangerschaft mit dem Versicherten für den Kläger geradezu hätte aufdrängen müssen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass der Kläger die Gesundheitsfragen nach der Ataxie und nach psychischen Erkrankungen des Versicherten bewusst falsch beantwortet habe. Jedenfalls habe ihm nach § 242 BGB eine spontane Anzeigepflicht hinsichtlich des fetalen Alkoholsyndroms und der Mikrozephalie gegenüber der Beklagten oblegen.

Das Amtsgericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 24.04.2018 informatorisch befragt sowie das Untersuchungsheft des Versicherten hinsichtlich der Einträge der U7a (durchgeführt am 04.02.2011) im Original in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 24.04.2018 (Bl. 571 ff d.A.) verwiesen.

Das Amtsgericht hat die Klage mit am 10.07.2018 verkündeten Urteil, welches dem Kläger am 13.07.2018 zugestellt wurde, abgewiesen, da der Rücktritt der Beklagten vom 18.04.2016 das Vertragsverhältnis beendet habe. Der Kläger habe seine Wahrheitspflicht gemäß § 19 Abs. 2 VVG grob fahrlässig verletzt, indem er keine Angaben zu möglichen Entwicklungsstörungen oder psychischen Erkrankungen des Versicherten gemacht habe. Hierzu sei er nach Gesundheitsfrage Nr. 3 und aus dem Gebot von Treu und Glauben i.S.v. § 242 BGB verpflichtet gewesen. Die spontane Anzeigepflicht des Klägers ergäbe sich aus den außergewöhnlichen Umständen des Einzelfalls. So sei dem Kläger bei Antragsstellung im Hinblick auf den erhöhten Förderungsbedarf des Versicherten durch Logopädie, Ergotherapie, Besuch eines Kinderpsychiaters im Jahr 2013 etc. bewusst gewesen, dass der Versicherte nicht vollständig gesund war. Weiterhin wäre ihm ersichtlich gewesen, dass der Fragenkatalog der Beklagten erkennbar auf Krankheiten zugeschnitten war, die vorrangig im Erwachsenenalter zu finden seien. Der Kläger sei zudem nur der Pflegevater des Versicherten, sodass er auf seine nur eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten aufgrund des fehlenden Miterlebens der ersten Lebensmonate des Versicherten hätte hinweisen müssen. Des Weiteren sei dem Kläger als Versicherungsvermittler der Beklagten positiv bekannt gewesen, dass das fetale Alkoholsyndrom sowie die Mikrozephalie Krankheiten sind, die den Abschluss einer entsprechenden Versicherung ausschließen. Dies zudem vor dem Hintergrund, dass bei dem 15 Monate jüngeren Bruder des Versicherten ein fetales Alkoholsyndrom bereits Jahre zuvor diagnostiziert wurde, sodass sich ein Alkoholgenuss der leiblichen Mutter auch während der Schwangerschaft mit dem Versicherten für den Kläger geradezu hätte aufdrängen müssen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger mit am 09.08.2018 bei Gericht eingegangenen Schriftsatzes Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 15.10.2018 an eben diesem Tag begründet (Bl. 35 ff d. Berufungsakte).

Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.

Der Kläger beantragt,

1. Das Urteil des Amtsgerichts Wolfach vom 10. Juli 2018, Az. 1 C 148/17 wird abgeändert.

2. Es wird festgestellt, dass durch die Rücktrittserklärung der Beklagten vom 18. April 2016 das Krankenversicherungsverhältnis nicht beendet wurde, sondern zu den im Versicherungsschein Nr. *******777 festgestellten Bedingungen bezüglich der versicherten Person G., geboren am … 2008, fortbesteht.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren zu bezahlen in Höhe von 147,56 Euro.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.01.2020 (Bl. 197 d.A.) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.

1.) Das streitgegenständliche Versicherungsverhältnis wurde weder durch die Rücktrittserklärung der Beklagten vom 18.04.2016 noch durch deren Rücktrittserklärung vom 01.09.2016 noch aus sonstigem Grund beendet, sondern besteht nach wie vor unverändert fort.

Im Einzelnen:

a) Der Rücktritt der Beklagten vom 18.04.2016 gestützt auf das vorgebliche Verschweigen des fetalen Alkoholsyndroms sowie der Mikrozephalie beim Versicherten ist unwirksam.

Das Rücktrittsrecht des Versicherers nach § 19 Abs. 2 VVG setzt eine Verletzung der Anzeigepflicht i.S.v. § 19 Abs. 1 VVG voraus. Nach dieser Vorschrift hat der Versicherungsnehmer bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen.

aa) Nach diesen Maßstäben war der Kläger bei Antragstellung nicht nach § 242 BGB spontan zur Anzeige der bereits vor Antragsstellung diagnostizierten Entwicklungsstörung sowie des Verdachts einer irgendwie gearteten Alkoholspektrumstörung verpflichtet, da im Rahmen des § 19 VVG angesichts der vorgenannten gesetzlichen Vorgaben auch über erkennbar gefahrerhebliche Umstände nicht ungefragt Angaben zu machen sind. Vielmehr hat es der Versicherer nach der gesetzlichen Konzeption in der Hand, sich vorvertraglich durch konkrete Fragen an den späteren Versicherungsnehmer vor einer ihm als unsachgemäß empfundenen Inanspruchnahme zu schützen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.06.2009 – I-4 W20/09, 4 W 20/09 – juris Rn. 16; OLG Karlsruhe, Urt. v. 20.04.2018 – 12 U 156/16, r+s 2018, 313 Rn. 31 ff.; Lutz, VuR 2008, 170). Daher kommt es vorliegend bei der Prüfung der Rücktrittsvoraussetzungen allein auf die Frage an, inwieweit von der Beklagten gestellte Gesundheitsfragen schuldhaft falsch durch den Kläger beantwortet wurden und wenn ja, ob die Beklagte gemäß § 21 VVG ihren Rücktritt innerhalb der Monatsfrist erklärt und hinreichend begründet hatte.

bb) Nach dem Vorliegen eines fetalen Alkoholsyndroms sowie einer Mikrozephalie bei der zu versichernden Person hat die Beklagte in deren Antragsformular nicht gefragt, obwohl sowohl das fetale Alkoholsyndrom als grundsätzlicher wie auch die Mikrozephalie als kategorischer Ablehnungsgrund bei der Beklagten im EDV-System hinterlegt sind, vgl. Anlage B12. Gefragt wurde von ihr unter Gesundheitsfrage Nr. 1 vielmehr nur nach einer Pflegebedürftigkeit, unter Gesundheitsfrage Nr. 2 nach dem Bestehen einer Ataxie in den letzten 5 Jahren sowie unter Gesundheitsfrage Nr. 3 nach ambulanten oder stationären Behandlungen wegen einer psychischen Erkrankung (vgl. das Antragsformular unter Anlage K1).

(1) Es kann offen bleiben, ob der Kläger die Gesundheitsfrage Nr. 1 der Beklagten nach der Pflegebedürftigkeit des Versicherten schuldhaft falsch beantwortet hat, da die Beklagte jedenfalls ihren Rücktritt vom 18.04.2016 nicht nach § 21 Abs. 1 S. 3 VVG auf die schuldhafte Falschbeantwortung dieser Gesundheitsfrage gestützt hat. Die Angabe des fetalen Alkoholsyndroms und der Mikrozephalie im Rücktrittsschreiben vom 18.04.2016 begründet keinen Rücktritt wegen der Falschbeantwortung der Frage nach der Pflegebedürftigkeit, da nicht jede hieran leidende Person pflegebedürftig sein muss, wie auch die vorläufige Ablehnung eines Pflegegrades beim Versicherten im Sommer 2015 zeigt.

(2) Es kann weiterhin offen bleiben, ob der Kläger die Gesundheitsfrage Nr. 2 der Beklagten nach dem Bestehen einer Ataxie in den letzten 5 Jahren im Hinblick auf die bereits im Jahr 2012 vom Kinderpsychologen Dr. T. diagnostizierten „großmotorischen Defizite“ objektiv falsch beantwortet hat, da die Beklagte ebenfalls ihren Rücktritt vom 18.04.2016 nicht nach § 21 Abs. 1 S. 3 VVG auf die schuldhafte Falschbeantwortung dieser Frage gestützt hat. Das Nachschieben der Ataxie als Rücktrittsgrund in der Klageerwiderung vom 05.01.2018 (Bl. 259 d.A.) war nicht mehr fristgerecht, da die Beklagten durch die Übersendung der maßgeblichen medizinischen Unterlagen seitens des Klägervertreters am 17.05.2016 per Fax hinreichende Kenntnis hatte und die Frist des § 21 Abs. 1 S. 1 VVG im Jahr 2018 somit abgelaufen war.

(3) Des Weiteren kann offen bleiben, ob es sich bei dem fetalen Alkoholsyndrom und der Mikrozephalie um psychische Erkrankungen im Sinne der Gesundheitsfrage Nr. 3 handelt, deretwegen der Versicherte zusätzlich in den letzten 12 Monaten in ambulanter oder stationärer Behandlung gewesen sein muss, da für eine Anzeigepflichtverletzung positive Kenntnis von den gefahrerhöhenden Umständen bestehen muss. Eine positive Kenntnis des Klägers von einer psychischen Erkrankung zum Zeitpunkt der Erfüllung der Anzeigepflicht ist aber nicht ersichtlich. Im Übrigen hätte der Kläger als medizinischer Laie im Hinblick darauf, dass die Diagnosen erst nach Antragsstellung durch einen Facharzt gestellt wurden, allenfalls den Verdacht eines fetalen Alkoholsyndroms oder den Verdacht einer Mikrozephalie bei Antragsstellung haben müssen. Dies vor dem Hintergrund, dass selbst andere Ärzte, insbesondere der Kinderpsychologe Dr. T. im Jahr 2012, weder ein fetales Alkoholsyndrom noch eine Mikrozephalie des Versicherten zuvor erkannt hatten. Bloße Verdachtsmomente in der Person des Klägers, insbesondere im Hinblick auf das diagnostizierte Alkoholsyndrom beim jüngeren Bruder, reichen im Übrigen nicht (BGH, Urt. v. 02.03.1994 – IV ZR 99/93, NJW-RR 1994, 666, 667).

b) Auch der Rücktritt der Beklagten vom 01.09.2016 gestützt auf die vorgeblich verschwiegene kombinierte Entwicklungsstörung des Versicherten beendete das Vertragsverhältnis nicht.

Es kann dabei offen bleiben, ob die bei dem Versicherten bereits im Jahr 2012 diagnostizierte kombinierte Entwicklungsstörung i.S.v. F83 eine psychische Krankheit (in Abgrenzung zur psychischen Störung) im Sinne der dritten Gesundheitsfrage der Beklagten darstellt und wenn ja, ob der Kläger die vorgenannte Gesundheitsfrage schuldhaft falsch beantwortet hat, da der Rücktritt der Beklagten erst am 01.09.2016 und damit jedenfalls nicht innerhalb der Monatsfrist des § 21 Abs. 1 S. 1 VVG erklärt wurde. Von vorgenannter Störungen hatte die Beklagte nämlich bereits aufgrund der am 17.05.2016 per Fax zugegangenen Unterlagen, insbesondere dem beigefügten Bericht des Kinderpsychologen Dr. T. vom 31.07.2012 (Anlage K8), positive Kenntnis. Ein Rücktritt, gestützt auf die vorgenannte Entwicklungsstörung als verschwiegene psychische Erkrankung hätte daher von der Beklagten nur bis 17.06.2016 erklärt werden können (vgl. zur Fristberechnung: MüKoVVG/Muschner, 2. Aufl. 2016, § 21 Rn. 24).

c) Das streitgegenständliche Versicherungsverhältnis ist auch nicht aus sonstigem Grund beendet.

Eine Anfechtung der auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung nach § 123 Abs. 1 BGB wurde von der Beklagten nicht erklärt. Eine Umdeutung der beiden Rücktrittserklärungen in eine Anfechtungserklärung ist aufgrund der unterschiedlichen Rechtsfolge der beiden Gestaltungsrechte nicht möglich (BGH, Urt. v. 09.04.1997 – IV ZR 73/96, r+s 1997, 294, 295; BeckOK VVG/Spuhl, 6. Ed. 15.10.2019, § 21 Rn. 10).

2.) Folglich besteht auch der Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 147,56 €.

a) Der vorgenannte Schadensersatzanspruch ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1 und 2 BGB i.V.m. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts war im Hinblick auf den unwirksamen Rücktritt der Beklagten vom Versicherungsvertrag zweckmäßig und erforderlich.

b) Dem Klägervertreter steht für seine außergerichtliche Tätigkeit nach §§ 2, 13 RVG, Nr. 2300 VV-RVG zumindest die beantragte 1,3-Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 747,60 € (= monatlicher Beitrag in Höhe von 17,80 € x 12 Monate x 3,5 Jahre) zzgl. Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV-RVG in Höhe von 20,00 € und Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV-RVG zu. Dies ergibt einen Gesamtbetrag in Höhe von 147,56 €.

III.

1.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, da das eingelegte Rechtsmittel erfolgreich war.

2.) Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

3.) Der Streitwert setzt sich zusammen aus dem 3,5-fachen Wert der Jahresprämien abzüglich eines Feststellungsabschlags von 20%, sog. Regelbeschwer. Dies ergibt einen Betrag in Höhe von 598,08 €. Daneben sind angekündigte Leistungsansprüche des Klägers aus dem Versicherungsverhältnis mit 50% in die Wertfestsetzung einzustellen (BGH, Beschl. v. 09.11.2011 – IV ZR 37/11, NJOZ 2012, 895; Beschl. v. 03.05.2000 – IV ZR 258/99, NJW 2000, 2750). Außergerichtlich hatte der Kläger jedenfalls Ansprüche auf Pflegetagegeld für 275 Tage (Juli 2015 bis März 2016) von der Beklagten eingefordert, vgl. Anlage BK7. Bei einem Pflegetagegeld von 22,50 € für die Pflegestufe I ambulant (vgl. Anlage BK4) ergibt dies einen Betrag von 6.187,50 € (= 22,5 €/Tag x 275 Tage), wovon 50%, d.h. 3.093,75 €, der Regelbeschwer in Höhe von 598,08 € hinzuzurechnen sind. Dies ergibt insgesamt 3.691,83 €.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Versicherungsrecht

Egal ob Ihre Versicherung die Zahlung verweigert oder Sie Unterstützung bei der Schadensregulierung benötigen. Wir stehen Ihnen zur Seite.

 

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Versicherungsrecht

Urteile aus dem Versicherungsrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!