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Krankenversicherung – überhöhte Beitragszahlung bei unterbliebener Beitragsanpassungsmitteilung

LG Essen – Az.: 18 O 321/17 – Urteil vom 30.01.2019

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.364,72 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 3.598,92 € ab dem 11.01.2018 zu zahlen.

2. a) Es wird ferner festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist dem Kläger die Nutzungen herauszugeben, die sie bis zum 11.1.2018 aus den vom Kläger vom 1.1.2015 bis 31.12.2016 gezahlten Prämien gezogen hat, soweit sie auf die Prämienerhöhung in der Krankenversicherung mit der Versicherungsnummer … im Tarif W um 92,28 € entfallen.

b) Es wird festgestellt, dass die nach Ziff. 2a herauszugebende Nutzung mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.01.2018 zu verzinsen sind.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 71%, die Beklagte zu 29%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten Rückzahlung zu viel erhobener Versicherungsprämien im Rahmen einer privaten Krankenversicherung.

Der Kläger schloss mit der Beklagten einen Vertrag über eine private Krankheitskostenversicherung (Versicherungsnummer …) ab. Dem Vertrag liegen u.a. die AVB 2009 der Beklagten zugrunde. Wegen der Einzelheiten des Versicherungsscheins und der dem Vertrag zugrunde liegenden Bedingungen wird auf die zur Akte gereichten Ablichtungen (Anlage zur Klageschrift, Bl. 15-44 d.A.) Bezug genommen.

Der Beitrag betrug zunächst monatlich 285,59 €, der vereinbarte Selbstbehalt 750,- € jährlich.

Zum 1. Januar 2011 erhöhte die Beklagte die Prämie um 59,09 € auf 344,68 € monatlich.

Ab 1. Januar 2015 verlangte die Beklagte einen um 94,15 € erhöhten Beitrag und setzte den jährlichen Selbstbehalt von 750,- € auf 900,- € hoch. Anfang Februar 2015 erhielt der Kläger zwei Mahnschreiben der Beklagten, die sich über die Differenz des nunmehr erhöhten Beitrags verhielten.

Der Kläger schrieb der Beklagten am 06.02.2015 und äußerte seine Verwunderung über die erfolgte Mahnung. Er teilte mit, einen Dauerauftrag erteilt zu haben und fragte an, ob sich der Beitrag erhöht habe. Hierzu erklärte er, bislang keine Informationen über eine Erhöhung erhalten zu haben. Wegen der weiteren Einzelheiten des Schreibens wird auf die zur Akte gereichte Ablichtung (Anlage zur Klageschrift, Bl. 56 d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte reagierte auf dieses Schreiben mit weiteren Mahnungen, weshalb der Kläger die geltend gemachten Beitragsrückstände unter Vorbehalt zahlte. Am 20.4.2015 rief der Kläger bei der Beklagten an und sprach mit einem Mitarbeiter der Beklagten, Herrn C. Der Kläger teilte Herrn C in dem Gespräch mit, dass er die Beitragsanpassung als unverschämt empfinde und ein Schreiben zur Beitragsanpassung nie erhalten habe. Herr C äußerte u.a., dass an der Beitragserhöhung festgehalten werde. Über das Telefongespräch fertigte der Mitarbeiter der Beklagten C einen Telefonvermerk (Bl. 195 d.A.). In diesem Telefonvermerk heißt es auszugsweise:

„Rolle Anrufer: Versicherungsnehmer

Kunde rief an, weil er die BAP für unverschämt empfindet. Ich hatte zu Anfangs die Adresse abgeglichen und diese stimmt, laut seiner Aussage. Dennoch sagt er, er habe nie ein Schreiben, Außer einer Zahlungsaufforderung erhalten. Er sieht uns in der Beweispflicht, das[s] er diese Informationen erhalten muss. Ich darauf hingewiesen, das[s] wir keinen Postrückläufer erhalten haben und somit nicht wissen können, das er keine Unterlagen erhält. Er will nun gerichtlich gegen uns vorgehen.“

Mit Schreiben vom November 2016 benachrichtigte die Beklagte den Kläger über eine weitere Beitragserhöhung zum 1.1.2017. Sie stützte ihre Beitragserhöhung dabei auf eine gestiegene Lebenserwartung, die Kapitalmarktsituation sowie die Entwicklung des Versichertenstandes. Hinsichtlich des genauen Wortlauts wird auf das zur Akte gereichte Erhöhungsschreiben vom (Anlage K8, Bl. 62 ff. d.A.) verwiesen.

Der Kläger behauptet, er habe bis zum 28.2.2018 keine Mitteilung von der Beklagten über die Beitragserhöhung und Heraufsetzung des Eigenanteils auf 900,- € erhalten. Die erhöhten Beiträge habe er lediglich unter Vorbehalt gezahlt.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die ihm seitens der Beklagten zugegangen Erhöhungsschreiben keine hinreichende Begründung im Sinne des § 203 Abs. 5 VVG enthalte und daher die geforderten Erhöhungen unwirksam seien.

Der Kläger hat ursprünglich behauptet, der Treuhänder, welcher den Erhöhungen in 2011 und 2015 zugestimmt habe, sei nicht unabhängig iSd § 203 VVG. Deshalb war der Kläger der Auffassung, er sei insgesamt – unabhängig von einer Mitteilung der Beklagten – nicht verpflichtet, den erhöhten Beitrag zu zahlen.

Der Kläger hat neben einem konkret bezifferten Zahlungsantrag in Höhe von 3.689,40 zuzüglich Zinsen ursprünglich beantragt, festzustellen, dass die Erhöhung der Monatsbeiträge zum 1.1.2015 um 94,15 € unwirksam ist und er nicht zur Zahlung des Erhöhungsbetrages verpflichtet ist. Hinsichtlich des genauen Wortlauts wird auf die Anträge in der Klageschrift vom 28.12.2017 (Bl. 9 d.A.) verwiesen. Mit Schriftsatz vom 17.3.2018 hat er seinen ursprünglichen Zahlungsantrag um 376,60 € auf 4.066,00 € zuzüglich Zinsen erhöht und einen Auskunftsantrag auf Nennung des Namens und Anschrift des Treuhänders im Sinne des § 203 Abs. 2 S. 1 VVG gestellt. Hinsichtlich des genauen Wortlauts wird auf die Anträge im Schriftsatz vom 17.3.2018 (Bl. 127-128 d.A.) verwiesen. Im Rahmen der Hauptverhandlung vom 11.4.2018 hat der Kläger die Klage in Höhe von 74,80 € zurückgenommen. Mit Schriftsatz vom 28.5.2018 hat der Kläger den Auskunftsantrag auf Nennung des Namens und Anschrift des Treuhänders im Sinne des § 203 Abs. 2 S. 1 VVG für erledigt erklärt, nachdem ihm der Name und die Anschrift des Treuhänders seitens der Beklagten mitgeteilt wurde. Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung angeschlossen. Mit Schriftsatz vom 10.9.2018 hat der Kläger den Antrag auf Feststellung, dass die Erhöhung der Monatsbeiträge zum 1.1.2015 um 94,15 € unwirksam sind und er nicht zur Zahlung des Erhöhungsbetrages verpflichtet ist, für erledigt erklärt, nachdem ihm seitens der Beklagten Unterlagen zur Berechnung der Beitragserhöhungen zum 1.1.2015 vorgelegt wurden. Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung des Klägers angeschlossen.

Der Kläger beantragt nach mehrmaliger Änderung seines Klageantrags,

(1) die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.268,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

(2) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Nutzungen herauszugeben, die sie bis zur Rechtshängigkeit aus den vom Kläger seit Januar 2015 gezahlten Prämien gezogen hat, soweit sie auf die Prämienerhöhung in der Krankenversicherung mit der Versicherungsnummer … im Tarif W um 92,28 € entfallen und

(3) weiter festzustellen, dass die nach Ziff. 2 herauszugebenden Nutzungen mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verzinsen sind.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dem Kläger sei eine Kopie des Schreibens zur Beitragsanpassung aus November 2014 mit Schreiben vom 11.3.2015 auf dessen Schreiben vom 6.2.2015 nochmals übersandt worden.

Von einer Zahlung unter Vorbehalt sei nicht auszugehen. Spätestens jedoch seit Zugang der Klageerwiderung mit dem Erhöhungsschreiben sei der Kläger zur Entrichtung der höheren Beiträge verpflichtet.

Die Beklagte beruft sich zudem auf Entreicherung. Hierzu behauptet sie, die Beiträge seien zur Deckung gestiegener Leistungsausgaben und zum Aufbau der Altersrückstellung verwendet worden. Nutzungen habe sie nicht gezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung und die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe zu.

1. Der Kläger hat erhöhte Versicherungsprämien an die Beklagte im Zeitraum 1.1.2015 bis 1.1.2017 geleistet, ohne das hierfür ein Rechtsgrund im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ersichtlich wäre.

Grundsätzlich steht der Beklagten das Recht zu vereinbarte Beiträge zu einer Krankheitskostenversicherung einseitig zu erhöhen (vgl. § 203 Abs. 2 VVG).

Nach § 8b der dem Vertrag zugrunde liegenden AVB (vgl. Bl. 27) ist eine jährliche Beitragsanpassung durch die Beklagte bei einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage möglich, die Prämie entsprechend den berichtigten Rechnungsgrundlagen auch für die bestehenden Versicherungsverhältnisse neu festzusetzen, sofern ein unabhängiger Treuhänder die technischen Berechnungsgrundlagen überprüft und der Prämienanpassung zugestimmt hat.

a. Nach § 8b Abs. 3 AVB werden beabsichtigte Prämienerhöhungen zu Beginn des zweiten Monats nach Benachrichtigung des Versicherungsnehmers wirksam. Die Beklagte konnte nicht zur Überzeugung der Kammer beweisen, dass dem Kläger im November 2014 ein Beitragserhöhungsschreiben mit Wirkung 1.1.2015 zugegangen war. Nach der insoweit durchgeführten persönlichen Anhörung des Klägers ist zur Überzeugung der Kammer offen geblieben, ob den Kläger ein solches Schreiben erreicht hat. Der Kläger hat überzeugend durchgängig schlüssig behauptet, dass er nie ein Erhöhungsschreiben, sondern nur eine Mahnung der Beklagten erhalten habe. Soweit die beweisbelastete Beklagte (so allgemein: Prölss/Martin, § 203 VVG, Rn. 49) behauptet hat, dass es keinen Postrücklauf gegeben habe und deswegen dem Kläger auch ein Beitragserhöhungsschreiben zugegangen sein muss, vermag dies die Überzeugung der Kammer nicht zu erschüttern. Eine allgemeine Beweisvermutung dahingehend gibt es nicht. Ebenso konnte die Beklagte nicht zur Überzeugung der Kammer beweisen, dass dem Kläger ein Beitragsanpassungsschreiben vom 11.3.2015 (Bl. 193 d.A.) zugegangen ist. Die Beklage ist insoweit beweisfällig geblieben.

Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, dass sich aus dem Telefonvermerk vom 20.4.2015 ergeben soll, dass Anlass für den Kläger, telefonisch Kontakt mit der Beklagten aufzusuchen, die nochmalige Übersendung des Beitragsanpassungsschreibens vom 11.3.2015 gewesen sein soll, stellt dieser Vermerk kein ausreichendes Indiz für den tatsächlichen Zugang eines entsprechenden Schreibens beim Kläger dar. Insoweit enthält ein Telefonvermerk üblicherweise nur einen zusammengefassten Sachverhalt. Ob tatsächlicher Anlass für den Kläger sich telefonisch mit dem Mitarbeiter der Beklagten in Verbindung zu setzen eine Beschwerde über die Beitragserhöhung – nach erhaltenem Beitragserhöhungsschreiben – oder ein fehlendes Beitragserhöhungsschreiben war, lässt sich dem Telefonvermerk aus der Sicht eines objektiven Empfängerhorizonts nicht entnehmen. Eine Pflicht die Beklagte erneut auf ein fehlendes Schreiben hinzuweisen, hatte der Kläger nicht.

Ein weiteres Beweismittel für den behaupteten Zugang hat die Beklagte nicht angegeben.

Dieses insoweit eingetretene Beweisergebnis geht zu Lasten der insoweit beweisbelasteten Beklagten.

b. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist auf deren Seite auch keine Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB eingetreten. Die Beklagte hat insoweit keinen Entreicherungstatbestand vorgetragen. Auch wenn die Beklagte die Beiträge dem Versicherungskollektiv gutschreibt, sind die Beiträge noch immer im Vermögen der Beklagten vorhanden.

c. Entgegen der Ansicht des Beklagten stellt der erlangte Versicherungsschutz als erlangter Vermögensvorteil auf Seiten des Klägers keinen Abzugsposten im Rahmen der Anwendung der Saldotheorie dar. Insoweit verkennt der Beklagte, dass es vorliegend nicht um die Rückabwicklung gekündigter/widerrufener Versicherungsverträge handelt, sondern die wirksame Beitragserhöhung zwischen den Parteien streitig ist. Dabei ist zu sehen, dass gerade der Beklagte das Risiko der unwirksamen Beitragserhöhung insoweit trägt, als dass er den Zugang eines entsprechenden Informationsschreibens darlegen und beweisen muss (vgl. in diesem Zusammenhang auch Palandt, BGB, 78. Aufl., § 818 Rn. 29)

2. Soweit der Kläger aus seiner Sicht zu viel gezahlte Krankenversicherungsbeiträge ab dem 1.1.2017 bis 2018 zurückverlangt, stand ihm ein weitergehender Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB nicht zu. Die ab dem 1.1.2017 geleisteten Beiträge an die Beklagte wurden nicht rechtsgrundlos geleistet.

Dem Kläger ist zwischen den Parteien unstreitig ein Erhöhungsschreiben der Beklagten vom November 2016 zugegangen.

a. Entgegen der Ansicht des Klägers genügt das Erhöhungsschreiben aus November 2016 auch den Begründungserfordernissen des § 203 Abs. 5 VVG. Nach § 203 Abs. 5 VVG sollen dem Versicherungsnehmer die „maßgeblichen Gründe“ für die Neufestsetzung der Prämie mitgeteilt werden. Aus dem Wortlaut folgt, dass die Beklagte nicht verpflichtet war dem Kläger sämtliche Kalkulationsgrundlagen für die von ihr angestrebte Beitragsanpassung mitzuteilen, die Gegenstand der Zustimmung durch den von ihr beauftragten Treuhänder waren. Insofern ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass es sich um ein Betriebsgeheimnis der jeweiligen Versicherung handelt, welches einen besonderen Schutz genießt und eine Verpflichtung zur Verschwiegenheit gemäß § 174 Abs. 3 GVG begründen kann (vgl. BGH, Urt. v. 9.12.2015 – IV ZR 272/15 – juris).

Welche konkreten Gründe als maßgeblich im Sinne des § 203 Abs. 5 VVG darüber hinaus anzusehen sind, ist umstritten.

aa. In Teilen der erstinstanzlichen Rechtsprechung und des Schrifttums (vgl. dazu etwa LG Neuruppin, VersR 2018, 469; LG Berlin, VersR 2018, 453 [457]; Klimke, VersR 2016, 22 [24]; Wendt, VersR 2018, 449 [453]) wird unter Heranziehung des Sinn und Zwecks der Vorschrift des § 203 Abs. 5 VVG abgeleitet, der Versicherungsnehmer müsse mindestens in die Lage versetzt werden, die konkrete Erhöhung anhand der Angaben des Versicherers unter die in § 203 Abs. 2 VVG genannten Voraussetzungen zu subsumieren. Nur so werde der Versicherungsnehmer in die Lage versetzt zumindest eine Plausibilitätskontrolle der Beitragserhöhung durchzuführen. Aufgrund der in § 203 Abs. 2 VVG genannten Voraussetzungen sei es daher erforderlich, dass dem Versicherungsnehmer mitgeteilt werde, welche der nach § 203 Abs. 2 S. 1 und 3 VVG möglichen Rechnungsgrundlagen sich verändert hätten, d.h. die Versicherungsleistungen oder die Sterbewahrscheinlichkeiten. Dazu müsse dem Versicherten auch die konkrete Höhe dieser Veränderung mitgeteilt werden, da der Versicherungsnehmer ansonsten nicht beurteilen könne, ob der sogenannte „auslösende Faktor“ (vgl. § 155 VAG) für eine Neukalkulation der Prämien erreicht ist. Teilweise wird gefordert, dass die Versicherung verpflichtet sei dem Versicherten auch den Namen des Treuhänders mitzuteilen, der der Prämienerhöhung zugestimmt hat (etwa Klimke, VersR 2006, 22 [23]).

bb. Eine andere Auffassung in der Rechtsprechung und Teilen der Literatur (vgl. hierzu etwa OLG Celle, Urt. v. 20.8.2018 – 8 U 57/18 – juris; Boetius in: MK/VVG, 2. Aufl., § 203 Rn. 1157; wohl auch Voit in: Pröls/Martin, 30. Aufl., VVG, § 203 Rn. 49) will § 203 Abs. 5 VVG nur eine Mitteilungspflicht dahingehend entnehmen, dass dem Versicherten nachvollziehbar wird, warum eine Prämienerhöhung erfolgt ist. Hieraus soll sich die Verpflichtung der Mitteilung der Rechnungsgrundlage ohne die konkrete zahlenmäßige Angabe der eingetretenen Veränderung. Auch die initiative Nennung des Namens des zustimmenden Treuhänders sei nicht erforderlich.

Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dem vorliegenden, hier streitrelevanten – dazu sogleich – Meinungsstreit ist, soweit ersichtlich, bisher nicht erfolgt (vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 19.12.2018 – IV ZR 255/17, Rn. 64).

cc. Im Ergebnis schließt sich die Kammer der letztgenannten Auffassung an. Dabei kommt es vorliegend auf eine Entscheidung des Streites an, da das hier maßgebliche Erhöhungsschreiben vom November 2016, das dem Kläger unstreitig zugegangen ist, zwar die veränderten Rechnungsgrundlagen mitteilt, aber keine konkrete Höhe der eingetretenen Veränderung in % mitteilt. Auch der Name des zustimmenden Treuhänders ist dem Kläger nicht initiativ durch die Beklagte mitgeteilt worden. Dahinstehen kann damit die Frage, ob wie die Beklagte meint, sich § 203 Abs. 5 VVG überhaupt ein Erfordernis entnehmen lässt, dass eine Versicherung im Fall des § 203 Abs. 2 VVG eine Prämienerhöhung gegenüber dem Versicherten mit den „maßgeblichen Gründen“ begründen muss. Insofern lässt sich § 203 Abs. 5 VVG durchaus eine Unterscheidung zwischen der bloßen „Mitteilung der Neufestsetzung“ i.S.d. § 203 Abs. 2 VVG und der Änderungen und der hierfür maßgeblichen Gründe im Sinne des § 203 Abs. 3 VVG entnehmen. Bereits die vorgenommene Unterscheidung spricht nach Auffassung der Kammer für ein eher geringeres Begründungserfordernis der Beklagten. Ebenso lässt sich dem Wortlaut ein konkretes Erfordernis der Benennung des Namens des zustimmenden Treuhänders bereits in dem Erhöhungsschreiben nicht entnehmen. Dabei ist bereits fraglich, ob die Benennung des Namens des zustimmenden Treuhänders zu den maßgeblichen Gründen im Sinne des § 203 Abs. 3 VVG zählen kann (so etwa LG Berlin, VersR 2018, 465). Eine solche Pflicht lässt sich auch nicht aus Rechtsschutzgründen ableiten, da bereits seit längerer Zeit anerkannt ist, dass dem Versicherten ein Auskunftsanspruch aufgrund einer vertraglichen Nebenpflicht aus § 242 BGB zustehe (so OLG Stuttgart, VersR 2007, 639). Aber auch das Erfordernis der Mitteilung der konkreten Höhe des auslösenden Faktors lässt sich dem Wortlaut des § 205 Abs. 5 VVG nicht entnehmen. Soweit dieses aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift hergeleitet wird, steht dem entgegen, dass auch in Kenntnis des auslösenden Faktors ein mathematisch durchschnittlich begabter Versicherungsnehmer – auch mit sachverständiger Hilfe – nicht ansatzweise in der Lage ist nachzuvollziehen, ob die beabsichtigte Prämienerhöhung plausibel ist (vgl. Brandt, VersR 2018, 453 [456]). Dafür wäre die Vorlage des gesamten Rechenwerks erforderlich, dem bereits die zuvor genannten Geheimhaltungsinteressen des Versicherers entgegenstehen. Soweit es sich um Informationen handelt, die für den Versicherten keinen Erkenntnisgewinn vermitteln, lässt sich hierauf keine Mitteilungspflicht begründen. Bestätigt wird diese Auffassung durch den Umstand, dass auch die Entstehungsgeschichte der Norm des § 203 Abs. 5 VVG den Versicherungsunternehmen keine wesentlich gesteigerten Begründungspflichten auferlegen wollte. Der Reformgesetzgeber von 2008 hat hierzu ausgeführt, dass die Vorschrift des § 203 Abs. 5 VVG „im Wesentlichen dem bisherigen § 178g Abs. 4 VVG“ entspreche [Begründung RegE BT-Drs. 16/3945, S. 114]. Die Vorgängernorm verlangte seitens der Versicherungen nur eine „Benachrichtigung“ wie sie durch die Verwendung des Wortlauts „Mitteilung der Neufestsetzung“ auch in der Vorschrift des § 203 Abs. 5 VVG findet. So lässt sich nach Auffassung der Kammer mit überzeugenden Argumenten vertreten, dass der Gesetzgeber soweit er eine stärkere Begründungspflicht der Versicherungen beabsichtigt hätte, diese in die Gesetzesbegründung aufgenommen hätte (so Brandt, VersR 2018, 453 [454]).

b. Der Rückforderungsanspruch des Klägers war auf den Zeitpunkt beschränkt, indem dem Kläger unstreitig ein weiteres Beitragserhöhungsschreiben im November 2016 mit Erhöhung zum 1.1.2017 zugegangen und damit eine Heilung des Begründungsmangels eingetreten war. Wird eine den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügende Begründung zur Prämienanpassung an den Versicherten übermittelt, wird dadurch die für die Wirksamkeit der Neufestsetzung der Prämie angeordnete Frist in Lauf gesetzt (vgl. BGH, Urt. v. 19.12.2018 – IV ZR 255/17, Rn. 66 ff.). Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt im Fall einer zunächst nicht ausreichend erfolgten Begründung einer Beitragsanpassung keine endgültige Unwirksamkeit einer solchen vor. Vielmehr kann eine unzureichende Begründung nachgeholt werden, mit der Folge, dass eine Heilung für die Zukunft eintritt (BGH, Urt. v. 19.12.2018 – IV ZR 255/17, Rn. 70).

Soweit dem Kläger im November 2016 ein Erhöhungsschreiben mit Wirkung vom 1.1.2017 zugegangen ist, stellt dies – entgegen der Auffassung des Klägers – eine taugliche (nachgeholte) Begründung für den ab 1.1.2017 zu zahlenden Versicherungsbeitrag des Klägers dar. Dabei umfasste die Begründung auch den Erhöhungsteil, der hier vorliegend ab 1.1.2015 im Streit stand. Insoweit war zu berücksichtigen, dass gemäß § 203 Abs. 2 S. 1 VVG der Beklagten ein Recht zur vollständigen Neufestsetzung eingeräumt wird. Auch wenn eine Neufestsetzung in der Regel zu höheren Prämien führt, ist § 203 Abs. 2 S. 1 VVG ebenso auf eine Prämiensenkung anwendbar (vgl. Voit in: Prölls/Martin, 30. Aufl., VVG, § 203 Rn. 49). Insoweit findet mit jeder Prämienanpassung insgesamt eine vollständige Neufestsetzung für den neuberechneten Zeitraum – hier ab 1.1.2017 – statt.

Die materiellen Voraussetzungen zur Beitragsanpassung zum 1.1.2015 sind seitens des Klägers zuletzt nicht mehr bestritten worden. Soweit der Kläger vorsorglich bestritten hat, dass die mit der Erhöhung zum 1.1.2017 erfolgte Beitragserhöhung aus materiellen Gründen unwirksam war, kam es darauf insoweit vorliegend nicht an, da Streitgegenstand nur die Beitragserhöhung zum 1.1.2015 gewesen ist.

c. In Höhe ergibt sich damit ein Zahlungsanspruch von 24 Monate x 92,28 € zuzüglich 150 € Selbsthalt für das Jahr 2015. Die Summe entspricht der tenorierten Forderung.

Der Anspruch auf Feststellung zur Herausgabe gezogener Nutzungen aus den rückforderbaren gezahlten 24 Monatsbeiträgen in Höhe von 92,28 € ergibt sich aus §§ 812 Abs. 1 S.1 Abs. 1, 818 Abs. 1, 2 BGB.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.

3. Die Kostenentscheidung stützt sich auch §§ 91a, 92 Abs. 1 S. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.

Soweit der Kläger die Klage im Termin vom 11.4.2018 in Höhe von 74,80 € zurückgenommen hat, waren diesem die Kosten gemäß § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO aufzuerlegen. Soweit die Parteien den Rechtsstreit teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt haben, waren die Kosten insoweit dem Kläger gemäß § 91a Abs. 1 ZPO aufzuerlegen. Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand hätte der für erledigt erklärte Feststellungsantrag zu Ziffer 2 der Klageschrift vom 28.12.2017 keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Durch das zwischen den Parteien unstreitig zugegangene Beitragserhöhungsschreiben mit Erhöhung zum 1.1.2017 ist die Beitragsanpassung formell ordnungsgemäß begründet worden. Auf eine materielle Unwirksamkeit – hinsichtlich der im Streit stehenden Beitragsanpassung – hat sich der Kläger zuletzt nicht mehr berufen. Ein in die Zukunft gerichteter ursprünglich zulässiger Feststellungsantrag hätte damit keine Aussicht auf Erfolg gehabt.

Soweit der Antrag zu 4) aus dem Schriftsatz vom 17.3.2018 nach Erteilung der begehrten Auskunft durch den Beklagten von den Parteien übereinstimmend für erledigt worden ist, hatte dieser Antrag nach dem bisherigen Sach- und Streitstand zwar Aussicht auf Erfolg. Die Kammer hat diesen Auskunftsanspruch mit pauschal 500 € bemessen. Angesichts des geringen Streitwerts hat dieser keine höheren Kosten verursacht, so dass im Rahmen der Entscheidung des § 91a der Rechtsgedanke des § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO anzuwenden war.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 709 S. 1, S. 2, 711 ZPO.

4. Der Streitwert wird bis zum 17.03.2018 auf 7.841,42 € [Antrag zu 1): 3.689,40 + Antrag zu 2): 3.954,30 + Antrag zu 3): (3.954.30×5%)];

ab 17.3.2018 bis zum 28.5.2018 auf 8.718,02 € [Antrag zu 1) 4.066 + Antrag zu 2): 3.954,30 + Antrag zu 3): (3.954.30×5%) + Antrag zu 4) pauschal 500 €];

ab 28.5.2018 bis 10.09.2018 auf 8.218,02 € (Antrag zu 1) 4.066 + Antrag zu 2): 3.954,30 + Antrag zu 3): (3.954.30×5%)

und vom 10.9.2018 auf 4.465,76 € (Antrag zu 1) 4.268,04 + (Antrag zu 2): (3.954,30×5%) festgesetzt.

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