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Krankenversicherung – selbständiges Beweisverfahren – Notwendigkeit einer Behandlung

Plötzlich stoppte die private Krankenversicherung die Zahlungen für seine Krebsbehandlung. Ein Patient wollte daraufhin die „medizinische Notwendigkeit“ der Therapie durch ein Gutachten klären lassen. Nun ordnete ein Gericht an, dass ein Experte die Behandlung prüfen soll.

Übersicht

Zum vorliegenden Urteil Az.: 25 W 622/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht München
  • Datum: 23.05.2022
  • Aktenzeichen: 25 W 622/22
  • Verfahrensart: sofortige Beschwerde im selbständigen Beweisverfahren
  • Rechtsbereiche: Versicherungsrecht (private Krankheitskostenversicherung), Zivilprozessrecht

Beteiligte Parteien:

  • Antragsteller: Ein Versicherungsnehmer, der bei der Antragsgegnerin eine private Krankheitskostenversicherung unterhält und die Kostenübernahme für eine medizinische Behandlung (Hyperthermie) begehrt. Er beantragte ein Gutachten zur Klärung der medizinischen Notwendigkeit und Eignung der Behandlung.
  • Antragsgegner: Eine private Krankheitskostenversicherung, die die Übernahme der Kosten für die Fortführung einer hyperthermischen Behandlung im Jahr 2020 ablehnte und dem Antrag auf Einholung eines Gutachtens im selbständigen Beweisverfahren nicht zustimmte.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Der Antragsteller litt an einem Prostatakarzinom und unterzog sich 2015 einer Operation sowie u.a. einer hyperthermischen Behandlung. Die Versicherung (Antragsgegner) lehnte 2020 die Kostenübernahme für die Fortsetzung dieser Behandlung ab. Der Antragsteller beantragte daraufhin gerichtlich die Einholung eines Sachverständigengutachtens (selbständiges Beweisverfahren), um klären zu lassen, ob die Behandlung medizinisch notwendig und geeignet war. Das Landgericht Ingolstadt wies diesen Antrag zunächst zurück. Dagegen legte der Antragsteller sofortige Beschwerde ein.
  • Kern des Rechtsstreits: Es ging darum, ob die Voraussetzungen für die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens vorlagen. Konkret stritten die Parteien darüber, ob der Antragsteller ein rechtliches Interesse daran hat, die medizinische Notwendigkeit und Eignung der Behandlung durch einen Gutachter klären zu lassen, auch wenn die Versicherung dem nicht zustimmt und keine Gefahr besteht, dass Beweismittel verloren gehen. Ziel des Antragstellers war es, durch das Gutachten einen möglichen späteren Prozess um die Kostenerstattung vorzubereiten oder zu vermeiden.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Oberlandesgericht München hob die Entscheidung des Landgerichts Ingolstadt auf und ordnete an, dass das beantragte Sachverständigengutachten eingeholt werden muss.
  • Begründung: Das Gericht stellte fest, dass zwar die Voraussetzungen für ein selbständiges Beweisverfahren nach § 485 Abs. 1 ZPO (Zustimmung des Gegners oder Gefahr des Beweismittelverlusts) nicht gegeben seien. Jedoch lägen die Voraussetzungen nach § 485 Abs. 2 Satz 1 ZPO vor. Der Antragsteller habe ein berechtigtes rechtliches Interesse daran, die medizinische Notwendigkeit und Eignung der strittigen Behandlung gutachterlich klären zu lassen. Eine solche Klärung könne dazu dienen, einen aufwändigen Rechtsstreit über die Kostenübernahme zwischen ihm und der Versicherung zu vermeiden. Das Gutachten soll klären, ob die durchgeführte Behandlung zum damaligen Zeitpunkt medizinisch vertretbar als notwendig angesehen werden konnte und ob sie geeignet war, die Krankheit zu lindern oder ihre Verschlimmerung zu verhindern.
  • Folgen: Das Landgericht Ingolstadt muss nun einen Sachverständigen beauftragen, der die im Antrag des Antragstellers genannten Fragen zur medizinischen Notwendigkeit und Eignung der hyperthermischen Behandlung beantwortet.

Der Fall vor Gericht


Streit um Kostenübernahme für Krebsbehandlung

Ein Patient, der an Prostatakrebs erkrankt war, befand sich im Streit mit seiner privaten Krankenversicherung.

Mann liest Brief privater Krankenversicherung. Leistungsanspruch/Kostenerstattung Arztpraxis.Mann liest Brief privater Krankenversicherung. Leistungsanspruch/Kostenerstattung Arztpraxis.
Streit um Kostenerstattung bei Krebsbehandlung | Symbolbild: KI-generiertes BildStreit um Kostenerstattung bei Krebsbehandlung | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Nach einer Operation im Jahr 2015 unterzog er sich unter anderem einer hyperthermischen Behandlung. Als er diese Therapie im Jahr 2020 fortsetzen wollte, lehnte seine Versicherung die Übernahme der weiteren Kosten ab.

Der Antrag auf ein selbständiges Beweisverfahren

Um die medizinische Notwendigkeit der Behandlung klären zu lassen, ohne direkt Klage erheben zu müssen, stellte der Patient einen Antrag beim Landgericht Ingolstadt. Er beantragte ein sogenanntes selbständiges Beweisverfahren. Ziel war es, durch ein Sachverständigengutachten feststellen zu lassen, ob die Fortführung der Hyperthermie-Behandlung medizinisch vertretbar und notwendig war.

Was ist ein selbständiges Beweisverfahren?

Dieses Verfahren nach § 485 der Zivilprozessordnung (ZPO) ermöglicht es, Beweise (oft durch Sachverständige) zu sichern, noch bevor ein eigentlicher Rechtsstreit begonnen hat. Es soll klären helfen, ob ein späterer Prozess Aussicht auf Erfolg hat oder ob eine Einigung möglich ist, und dient oft der Vermeidung langwieriger Gerichtsverfahren.

Die Entscheidung des Landgerichts

Das Landgericht Ingolstadt wies den Antrag des Patienten zunächst zurück (Az. 21 OH 1682/21 Ver). Es sah die Voraussetzungen für ein solches Verfahren als nicht gegeben an. Insbesondere verneinte es das Vorliegen der Bedingungen nach § 485 Abs. 1 ZPO, da weder die Versicherung zustimmte noch die Gefahr bestand, dass Beweismittel verloren gehen könnten.

Die Beschwerde beim Oberlandesgericht München

Gegen diese Entscheidung legte der Patient sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) München ein. Er hielt an seinem Antrag fest, die Notwendigkeit der Behandlung durch einen unabhängigen Gutachter klären zu lassen. Das Landgericht half der Beschwerde nicht ab, sodass das OLG München entscheiden musste.

Die Entscheidung des OLG München

Das OLG München gab der Beschwerde des Patienten statt (Az.: 25 W 622/22). Es hob den Beschluss des Landgerichts auf und ordnete an, dass das beantragte Sachverständigengutachten einzuholen ist. Das Gericht übertrug die weiteren notwendigen Schritte zurück an das Landgericht Ingolstadt.

Rechtliche Begründung der OLG-Entscheidung

Das OLG stimmte dem Landgericht zwar zu, dass die Voraussetzungen des § 485 Abs. 1 ZPO (Zustimmung des Gegners oder Gefahr des Beweismittelverlusts) nicht vorlagen. Es stellte jedoch fest, dass die Bedingungen des § 485 Abs. 2 ZPO erfüllt sind.

Voraussetzungen nach § 485 Abs. 2 ZPO

Nach dieser Vorschrift kann ein Sachverständigengutachten auch dann beantragt werden, wenn noch kein Rechtsstreit anhängig ist, aber ein rechtliches Interesse an der Feststellung besteht. Dies gilt insbesondere für den Zustand einer Person (§ 485 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Ein solches rechtliches Interesse wird angenommen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann (§ 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

Weite Auslegung des „rechtlichen Interesses“

Das OLG München betonte, dass der Sinn und Zweck des selbständigen Beweisverfahrens darin liege, die Gerichte zu entlasten und den Parteien eine schnelle, kostensparende Einigung zu ermöglichen. Daher müsse das Merkmal des „rechtlichen Interesses“ grundsätzlich weit ausgelegt werden.

Keine Prüfung der Erfolgsaussichten im Beweisverfahren

Ein entscheidender Punkt der OLG-Argumentation: Im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens darf das Gericht grundsätzlich keine Schlüssigkeits- oder Erheblichkeitsprüfung vornehmen. Das bedeutet, es prüft nicht vorab umfassend, ob der eigentliche Anspruch (hier: auf Kostenerstattung) am Ende erfolgreich sein wird.

Nur in Ausnahmefällen Ablehnung möglich

Ein rechtliches Interesse könne nur in völlig eindeutigen Fällen verneint werden, in denen offensichtlich ist, dass der behauptete Anspruch unter keinen Umständen bestehen kann. Eine solche Eindeutigkeit lag hier nach Ansicht des OLG München nicht vor. Der Patient hatte somit ein berechtigtes Interesse an der Klärung der medizinischen Notwendigkeit.

Was der Gutachter klären soll

Der vom Landgericht nun zu beauftragende Sachverständige soll im Kern prüfen:

  1. War es zum Behandlungszeitpunkt aufgrund objektiver medizinischer Befunde vertretbar, die Fortführung der Hyperthermie-Behandlung als medizinisch notwendig anzusehen?
  2. Eignet sich die durchgeführte Therapie nach medizinischen Erkenntnissen dazu, die Krebserkrankung des Patienten zu lindern oder ihre Verschlimmerung zu verhindern?

Wert des Beschwerdeverfahrens

Das OLG setzte den Wert des Beschwerdeverfahrens auf 19.974,29 Euro fest. Dieser Betrag dürfte den Kosten der strittigen Behandlungsphase entsprechen, um die es im Kern geht.

Bedeutung des Urteils für Versicherte

Gestärktes Recht auf frühzeitige Klärung

Dieses Urteil stärkt die Position von privat Versicherten, die sich mit ihrer Krankenversicherung über die Notwendigkeit einer Behandlung streiten. Es bestätigt, dass das selbständige Beweisverfahren ein wichtiges Instrument ist, um medizinische Fragen frühzeitig und unabhängig klären zu lassen, bevor ein möglicherweise langwieriger und teurer Prozess angestrengt wird.

Niedrige Hürden für das Beweisverfahren

Die Entscheidung unterstreicht, dass die Gerichte die Hürden für die Einleitung eines solchen Verfahrens nicht zu hoch ansetzen dürfen. Solange nicht völlig ausgeschlossen ist, dass ein Anspruch bestehen könnte, und das Gutachten helfen kann, einen Prozess zu vermeiden, besteht in der Regel das erforderliche rechtliche Interesse.

Fokus auf Streitvermeidung

Das OLG rückt den Zweck des Verfahrens – die Entlastung der Gerichte und die Förderung von Einigungen – in den Vordergrund. Versicherte können auf Basis eines neutralen Gutachtens besser einschätzen, ob eine Klage sinnvoll ist, oder eine Grundlage für Vergleichsverhandlungen mit der Versicherung schaffen.

Relevanz bei Streit um Behandlungsmethoden

Gerade bei Auseinandersetzungen um die medizinische Notwendigkeit von Therapien, insbesondere wenn es sich um neuere oder nicht allgemein etablierte Methoden handelt, bietet das selbständige Beweisverfahren eine wichtige Möglichkeit zur objektiven Tatsachenfeststellung durch Experten. Die Entscheidung erleichtert Versicherten den Zugang zu diesem Klärungsweg.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil verdeutlicht, dass Versicherte ein selbstständiges Beweisverfahren nutzen können, um die medizinische Notwendigkeit ihrer Behandlungen durch Sachverständigengutachten feststellen zu lassen, ohne gleich einen kompletten Prozess führen zu müssen. Für die Zulässigkeit eines solchen Verfahrens genügt bereits die Möglichkeit, dass dadurch ein späterer Rechtsstreit vermieden werden könnte, wobei das rechtliche Interesse weit auszulegen ist. Das Gericht darf dabei keine voreilige Prüfung der Erfolgsaussichten vornehmen – ein wichtiger Vorteil für Versicherte im Konflikt mit ihrer Krankenversicherung.

Benötigen Sie Hilfe?

Sicherung Ihrer Rechte bei Streit um medizinische Behandlungskosten

Wer sich nach einer schweren Erkrankung mit seiner privaten Krankenversicherung über die Kostenübernahme neuer oder fortgeführter Therapien auseinandersetzt, steht häufig vor komplexen medizinischen und rechtlichen Fragen. Besonders wenn Unsicherheit über die medizinische Notwendigkeit einer bestimmten Behandlung besteht, kann die Klärung durch ein unabhängiges Gutachten entscheidend sein.

Unsere Kanzlei begleitet Sie zuverlässig bei der Durchsetzung Ihres Interesses an einer objektiven Klärung im Vorfeld eines Prozesses. Wir unterstützen Sie bei der Vorbereitung und Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens, um relevante medizinische Fragen strukturiert abklären zu lassen und damit Ihre Position gegenüber der Versicherung zu stärken.

Ersteinschätzung anfragen

Häufig gestellte Fragen zu versicherungsrechtlichen Themen

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet „medizinische Notwendigkeit“ im Zusammenhang mit meiner privaten Krankenversicherung und einer Krebsbehandlung?

Der Begriff „medizinische Notwendigkeit“ ist ein zentraler Punkt in Ihrem Vertrag mit der privaten Krankenversicherung (PKV). Ihre Versicherung ist grundsätzlich dazu verpflichtet, die Kosten für medizinisch notwendige Heilbehandlungen zu erstatten. Was genau darunterfällt, ist oft entscheidend dafür, ob die Kosten für eine bestimmte Krebsbehandlung übernommen werden.

Vereinfacht gesagt, gilt eine Behandlung als medizinisch notwendig, wenn sie nach objektiven medizinischen Befunden und anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung geeignet und angemessen ist, um Ihre Krebserkrankung zu diagnostizieren, zu heilen, zu lindern oder eine Verschlimmerung zu verhindern.

Was umfasst die medizinische Notwendigkeit genau?

Wichtig ist: Medizinische Notwendigkeit bedeutet nicht nur lebensrettende Maßnahmen. Auch Behandlungen, die darauf abzielen:

  • Ihre Lebensqualität zu verbessern (z.B. durch Schmerzlinderung),
  • Die Symptome der Krebserkrankung oder der Therapie zu lindern,
  • Eine Verschlimmerung Ihres Zustandes zu verhindern oder hinauszuzögern,

können medizinisch notwendig sein. Es geht darum, die Krankheit aus medizinischer Sicht zielgerichtet anzugehen.

Nach welchen Kriterien wird die Notwendigkeit beurteilt?

Die Beurteilung erfolgt nicht willkürlich. Entscheidend sind vor allem:

  • Objektive medizinische Befunde: Ihr individueller Gesundheitszustand und die spezifische Diagnose.
  • Anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse: Die Behandlungsmethode muss grundsätzlich als wirksam und geeignet anerkannt sein. Sie muss das Potential haben, das angestrebte Behandlungsziel (Heilung, Linderung etc.) zu erreichen.
  • Vertretbarkeit: Die Behandlung muss aus medizinischer Sicht vertretbar sein. Es muss nicht zwingend die einzige oder die kostengünstigste Methode sein, solange sie medizinisch sinnvoll ist.
  • Ihre Versicherungsbedingungen: Ihr individueller Vertrag kann bestimmte Regelungen enthalten, die aber nicht den Kern der medizinischen Notwendigkeit einschränken dürfen.

Die Beurteilung, ob eine Behandlung notwendig ist, trifft zunächst Ihr behandelnder Arzt. Die Versicherung prüft diese Einschätzung dann anhand der genannten Kriterien. Bei Meinungsverschiedenheiten entscheiden letztlich oft Gerichte auf Basis von Sachverständigengutachten.

Wie wirkt sich der medizinische Fortschritt aus?

Gerade in der Krebsforschung gibt es ständig neue Entwicklungen. Der Begriff der medizinischen Notwendigkeit ist daher nicht statisch, sondern dynamisch. Was heute als experimentell gilt, kann morgen bereits zum anerkannten Standard gehören.

Das bedeutet: Auch neuere oder innovative Behandlungsmethoden können medizinisch notwendig sein, selbst wenn sie noch nicht flächendeckend etabliert sind. Entscheidend ist, ob es bereits ausreichende wissenschaftliche Belege für ihre Wirksamkeit und Eignung im konkreten Fall gibt. Die Versicherungsbedingungen müssen so ausgelegt werden, dass sie dem medizinischen Fortschritt Rechnung tragen. Die Beurteilung erfolgt immer bezogen auf den Zeitpunkt der Behandlung.


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Was genau ist ein „selbständiges Beweisverfahren“ und wie kann es mir helfen, wenn meine private Krankenversicherung eine Krebsbehandlung nicht bezahlen will?

Ein selbständiges Beweisverfahren ist ein gerichtliches Verfahren, das noch vor einer eigentlichen Klage stattfinden kann. Sein Hauptzweck ist es, bestimmte Tatsachen oder den Zustand einer Sache oder Person durch einen unabhängigen Sachverständigen feststellen zu lassen. Man könnte es als eine Art „vorgezogene Beweisaufnahme“ bezeichnen.

Gerade bei Auseinandersetzungen mit der privaten Krankenversicherung über die Kostenübernahme für eine Krebsbehandlung geht es oft um komplexe medizinische Fragen: War die Behandlung medizinisch notwendig? Entsprach sie dem anerkannten Stand der Wissenschaft? Gab es günstigere, gleichwertige Alternativen? Genau hier setzt das selbständige Beweisverfahren an.

Wie läuft ein selbständiges Beweisverfahren ab?

  1. Antragstellung: Sie oder die Versicherung stellen beim zuständigen Gericht einen Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens. In diesem Antrag müssen Sie genau benennen, welche medizinischen Fragen durch einen Sachverständigen geklärt werden sollen. Zum Beispiel: „War die durchgeführte Chemotherapie X zur Behandlung der Krebserkrankung Y medizinisch notwendig?“
  2. Auswahl des Sachverständigen: Das Gericht wählt einen unabhängigen medizinischen Sachverständigen (z.B. einen erfahrenen Onkologen) aus und beauftragt ihn mit der Erstellung eines Gutachtens zu den gestellten Fragen.
  3. Gutachtenerstellung: Der Sachverständige prüft die medizinischen Unterlagen, eventuell untersucht er den Patienten (falls erforderlich und relevant für die Fragestellung) und beantwortet die vom Gericht gestellten Fragen in einem schriftlichen Gutachten.
  4. Stellungnahme: Beide Seiten – also Sie und Ihre Versicherung – erhalten das Gutachten und können dazu Stellung nehmen oder dem Sachverständigen weitere Fragen stellen.

Welche Vorteile kann ein selbständiges Beweisverfahren haben?

  • Fokus auf die Kernfrage: Das Verfahren konzentriert sich rein auf die Klärung der strittigen (oft medizinischen) Tatsachen. Andere rechtliche Fragen stehen zunächst im Hintergrund.
  • Objektive Klärung: Ein gerichtlich bestellter, unabhängiger Gutachter beurteilt die Situation. Das Ergebnis hat oft mehr Gewicht als ein privat eingeholtes Gutachten.
  • Möglichkeit einer schnelleren Einigung: Liegt ein klares Gutachten vor, das beispielsweise die medizinische Notwendigkeit Ihrer Behandlung bestätigt, kann dies die Versicherung zum Einlenken bewegen, ohne dass Sie eine vollständige Klage einreichen müssen. Das kann Zeit, Nerven und möglicherweise auch Kosten sparen, verglichen mit einem langen Rechtsstreit.
  • Bessere Einschätzung der Erfolgsaussichten: Das Gutachten gibt Ihnen eine fundierte Grundlage, um die Erfolgsaussichten einer eventuell doch notwendigen Klage besser einschätzen zu können.

Wie hilft das bei Streit mit der Krankenversicherung wegen einer Krebsbehandlung?

Wenn Ihre private Krankenversicherung die Kostenübernahme für eine Krebsbehandlung ablehnt, weil sie die medizinische Notwendigkeit oder die Zweckmäßigkeit der Therapie anzweifelt, kann ein selbständiges Beweisverfahren sehr hilfreich sein.

Ein positives Gutachten eines unabhängigen medizinischen Sachverständigen, das die Notwendigkeit und Angemessenheit Ihrer Behandlung bestätigt, stärkt Ihre Position gegenüber der Versicherung erheblich. Es liefert ein objektives Argument, das die Versicherung nur schwer ignorieren kann.

Im besten Fall führt das Gutachten dazu, dass die Versicherung ihre Haltung überdenkt und die Kosten doch noch übernimmt. Damit kann ein möglicherweise langwieriger und belastender Gerichtsprozess vermieden werden. Sollte es dennoch zu einer Klage kommen, kann das im selbständigen Beweisverfahren erstellte Gutachten als wichtiger Beweis im Hauptverfahren verwendet werden.


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Wann habe ich ein „rechtliches Interesse“ an der Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens, auch wenn meine Versicherung nicht zustimmt?

Ein „rechtliches Interesse“ an einem selbständigen Beweisverfahren haben Sie immer dann, wenn Sie einen nachvollziehbaren und vernünftigen Grund dafür haben, bestimmte Tatsachen durch ein gerichtliches Gutachten feststellen zu lassen. Dies gilt auch dann, wenn die Gegenseite, wie zum Beispiel Ihre Versicherung, damit nicht einverstanden ist. Die Zustimmung der Gegenseite ist für die Beantragung eines solchen Verfahrens nicht erforderlich.

Was bedeutet „rechtliches Interesse“ genau?

Das Gesetz und die Gerichte legen den Begriff „rechtliches Interesse“ bewusst weit aus. Das Ziel ist es, Streitigkeiten möglichst frühzeitig und ohne einen langwierigen Hauptprozess zu klären oder die Chancen dafür zu verbessern.

Es bedeutet konkret:

  • Sie müssen nicht beweisen, dass ein Rechtsstreit bereits unmittelbar bevorsteht oder unausweichlich ist.
  • Es reicht aus, wenn das Gutachten dazu dienen kann, einen möglichen zukünftigen Rechtsstreit zu vermeiden. Zum Beispiel, weil durch das Gutachten die Sachlage geklärt wird und eine Einigung mit der Versicherung wahrscheinlicher wird.
  • Es reicht auch aus, wenn das Gutachten Ihnen hilft, die Erfolgsaussichten einer möglichen Klage besser einzuschätzen.

Wann liegt ein solches Interesse typischerweise vor (Beispiele im Kontext Krebsbehandlung)?

Gerade im Zusammenhang mit der Kostenerstattung für Behandlungen, wie etwa bei Krebstherapien, kann ein rechtliches Interesse oft begründet sein. Hier einige typische Situationen:

  • Klärung medizinischer Notwendigkeit: Wenn Ihre Versicherung die Kostenübernahme für eine bestimmte Krebsbehandlung ablehnt, weil sie deren medizinische Notwendigkeit oder wissenschaftliche Anerkennung anzweifelt, können Sie ein Interesse daran haben, genau diese Punkte durch einen unabhängigen medizinischen Sachverständigen klären zu lassen. Das Gutachten kann dann als Grundlage für weitere Gespräche oder eine Klage dienen.
  • Komplexe medizinische Sachverhalte: Oft sind die medizinischen Fragen bei Krebserkrankungen und deren Behandlung sehr komplex. Ein Gutachten kann hier die notwendige Klarheit schaffen, ob eine Behandlungsmethode dem aktuellen Stand der Wissenschaft entspricht oder im konkreten Fall die beste Option war.
  • Unsicherheit über Erfolgsaussichten: Wenn Sie überlegen, die Versicherung auf Kostenübernahme zu verklagen, aber unsicher sind, wie die medizinischen Fragen von einem Gericht bewertet würden, kann ein vorheriges Gutachten Ihnen eine wichtige Entscheidungsgrundlage liefern.
  • Vermeidung von Beweisverlust: In manchen Fällen ist es wichtig, einen bestimmten Gesundheitszustand oder die Auswirkungen einer Behandlung schnell festzuhalten, bevor sich dieser Zustand verändert (z.B. durch den weiteren Krankheitsverlauf oder andere Behandlungen). Ein selbständiges Beweisverfahren sichert diese Beweise für einen möglichen späteren Prozess.

Warum ist die Zustimmung der Versicherung nicht nötig?

Das selbständige Beweisverfahren ist ein eigenständiges Verfahren vor Gericht. Sie stellen den Antrag direkt beim zuständigen Gericht. Das Gericht prüft dann, ob die Voraussetzungen – insbesondere Ihr rechtliches Interesse – vorliegen. Die Versicherung wird zwar vom Gericht angehört, ihre Zustimmung ist aber keine Voraussetzung dafür, dass das Gericht das Verfahren durchführt und einen Gutachter beauftragt. Entscheidend ist allein, ob Sie Ihr Interesse gegenüber dem Gericht nachvollziehbar begründen können.


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Welche Kosten entstehen mir durch ein selbständiges Beweisverfahren und wer trägt diese Kosten?

Ein selbständiges Beweisverfahren dient dazu, bestimmte Tatsachen (z.B. die medizinische Notwendigkeit einer Behandlung) durch ein gerichtliches Gutachten klären zu lassen, oft bevor ein eigentlicher Prozess beginnt. Dabei können verschiedene Kosten anfallen.

Welche Kostenarten gibt es?

In einem selbständigen Beweisverfahren können hauptsächlich drei Kostenarten entstehen:

  1. Gerichtskosten: Das sind Gebühren für die Tätigkeit des Gerichts. Sie richten sich nach dem Gerichtskostengesetz (GKG) und werden meist anhand eines geschätzten Streitwerts berechnet. Für das Beweisverfahren selbst fällt oft eine pauschale Gebühr an.
  2. Sachverständigenkosten: Dies ist häufig der größte Kostenblock. Er umfasst die Vergütung für den vom Gericht beauftragten Sachverständigen (z.B. einen medizinischen Gutachter). Die Höhe richtet sich nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) und hängt vom Zeitaufwand, dem Fachgebiet und den Auslagen des Sachverständigen ab.
  3. Anwaltskosten: Wenn Sie sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, fallen dessen Gebühren an. Diese berechnen sich entweder nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) oder aufgrund einer individuellen Honorarvereinbarung.

Wer muss die Kosten zuerst bezahlen (Kostenvorschuss)?

In der Regel müssen Sie als Antragsteller des Beweisverfahrens die voraussichtlichen Gerichts- und Sachverständigenkosten zunächst vorstrecken. Das Gericht wird normalerweise erst tätig und beauftragt den Gutachter, wenn dieser Kostenvorschuss bei der Gerichtskasse eingegangen ist. Ihre eigenen Anwaltskosten müssen Sie ebenfalls erst einmal selbst tragen.

Wer trägt die Kosten am Ende?

Die Entscheidung darüber, wer die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens endgültig tragen muss, fällt meist nicht im Beweisverfahren selbst, sondern erst in einem möglichen nachfolgenden Hauptsacheverfahren (also dem eigentlichen Prozess, z.B. um die Kostenerstattung für die Krebsbehandlung gegen die Versicherung).

  • Im Hauptsacheverfahren gilt meist: Wer den Prozess verliert, trägt die Kosten – dazu gehören dann auch die Kosten des vorangegangenen Beweisverfahrens (Gerichts-, Sachverständigen- und notwendige Anwaltskosten beider Seiten).
  • Gewinnen Sie also den Hauptprozess, weil das Gutachten beispielsweise die medizinische Notwendigkeit Ihrer Behandlung bestätigt und die Versicherung zur Zahlung verurteilt wird, muss die gegnerische Seite (z.B. die Versicherung) in der Regel auch die Kosten des Beweisverfahrens erstatten.
  • Findet kein Hauptsacheverfahren statt, kann das Gericht auf Antrag gesondert über die Kosten des Beweisverfahrens entscheiden. Dies geschieht nach „Billigkeit“, also nach Abwägung der Umstände. Oft orientiert sich das Gericht daran, wer voraussichtlich im Hauptprozess gewonnen hätte.
  • Erstattung durch die Versicherung: Eine direkte Erstattung der Kosten des Beweisverfahrens durch die gegnerische Versicherung (z.B. Ihre Krankenversicherung) erfolgt also typischerweise nur, wenn diese im Hauptsacheverfahren unterliegt oder sich im Rahmen einer Einigung (Vergleich) dazu verpflichtet. Ein positives Gutachten stärkt Ihre Verhandlungsposition hierfür erheblich, führt aber nicht automatisch zur Kostenerstattung.

Gibt es finanzielle Unterstützung (Prozesskostenhilfe)?

Ja, wenn Sie die Kosten des Verfahrens aufgrund Ihrer finanziellen Situation nicht selbst tragen können, besteht die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe (PKH) zu beantragen.

  • Voraussetzungen: Sie müssen nachweisen, dass Sie die Kosten nach Ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen können. Außerdem muss das Gericht das Verfahren für hinreichend erfolgversprechend halten und es darf nicht mutwillig erscheinen (also nicht offensichtlich unnötig oder aussichtslos).
  • Umfang: PKH kann die Gerichtskosten, die Sachverständigenkosten und die Kosten für Ihren eigenen, vom Gericht beigeordneten Anwalt abdecken. Je nach Einkommen und Vermögen kann PKH als vollständige Übernahme oder als zinsloses Darlehen mit Ratenzahlung gewährt werden.
  • Antrag: Der Antrag auf PKH muss beim zuständigen Gericht gestellt werden, am besten zusammen mit dem Antrag auf Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens. Entsprechende Formulare sind bei den Gerichten erhältlich oder online abrufbar. Das Gericht prüft dann Ihre Angaben und entscheidet über den Antrag.

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Was kann ich tun, wenn meine private Krankenversicherung die Kosten für eine Krebsbehandlung ablehnt, obwohl ein Gutachten die medizinische Notwendigkeit bestätigt?

Wenn Ihre private Krankenversicherung (PKV) die Übernahme der Kosten für eine Krebsbehandlung ablehnt, obwohl bereits ein Gutachten aus einem sogenannten selbständigen Beweisverfahren die medizinische Notwendigkeit dieser Behandlung bestätigt hat, stehen Ihnen weitere Schritte offen. Die Weigerung der Versicherung bedeutet nicht das Ende Ihrer Bemühungen.

Die Bedeutung des Gutachtens

Ein positives Gutachten zur medizinischen Notwendigkeit aus einem selbständigen Beweisverfahren ist ein starkes Argument für Ihre Position. Es wurde von einem unabhängigen Sachverständigen erstellt und bestätigt in der Regel fachlich fundiert, dass die Behandlung aus medizinischer Sicht erforderlich ist.

Dieses Gutachten kann eine gute Grundlage für erneute Gespräche oder Verhandlungen mit der Versicherung bilden. Auch wenn die Versicherung zunächst ablehnt, kann das Gutachten sie zum Umdenken bewegen.

Entscheidender ist jedoch: Ein solches Gutachten verbessert Ihre Ausgangslage erheblich, falls Sie gerichtliche Schritte einleiten. Es dient als wichtiges Beweismittel vor Gericht.

Der Weg über das Gericht

Bleibt die Versicherung bei ihrer Ablehnung, ist der nächste denkbare Schritt die Einreichung einer Klage bei Gericht. Mit einer Klage können Sie versuchen, die Versicherung zur Übernahme der Behandlungskosten zu verpflichten.

Das Gericht prüft dann den gesamten Fall, insbesondere den Versicherungsvertrag, die medizinische Notwendigkeit der Behandlung und die Begründung der Versicherung für die Ablehnung. Das bereits vorliegende Gutachten spielt hierbei eine zentrale Rolle und wird vom Gericht als wichtiger Beweis gewertet.

Kosten des Gutachtens

Ein wichtiger Punkt sind die Kosten, die für das selbständige Beweisverfahren und das Gutachten entstanden sind. Wenn Sie mit Ihrer Klage gegen die Versicherung Erfolg haben, muss die Versicherung in der Regel auch die Kosten für das vorangegangene selbständige Beweisverfahren übernehmen. Diese Kosten werden dann als Teil der gesamten Verfahrenskosten betrachtet, die die unterlegene Partei zu tragen hat.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Auch nach einer Ablehnung trotz positivem Gutachten gibt es Möglichkeiten, Ihren Anspruch auf Kostenerstattung weiterzuverfolgen, wobei das Gutachten Ihre Position stärkt.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

selbständiges Beweisverfahren

Ein selbständiges Beweisverfahren ist ein gerichtliches Verfahren, das vor einem eigentlichen Prozess stattfinden kann. Es dient dazu, Beweise zu sichern oder den Zustand einer Sache oder Person festzustellen, oft durch einen Sachverständigen (§ 485 Zivilprozessordnung – ZPO). Im konkreten Fall wollte der Patient damit klären lassen, ob seine Behandlung medizinisch notwendig ist, um besser entscheiden zu können, ob eine Klage gegen die Versicherung sinnvoll wäre. Ziel ist oft, einen Rechtsstreit zu vermeiden oder vorzubereiten.

Beispiel: Ihr Nachbar baut sehr nah an Ihre Grenze und Sie befürchten, dass Ihr Haus Risse bekommt. Sie können ein selbständiges Beweisverfahren beantragen, damit ein Gutachter den Zustand Ihres Hauses jetzt feststellt, noch bevor Sie möglicherweise Klage auf Schadensersatz einreichen.


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sofortige Beschwerde

Die sofortige Beschwerde ist ein Rechtsmittel, mit dem eine Partei eine schnelle Überprüfung einer gerichtlichen Entscheidung durch die nächsthöhere Instanz verlangen kann. Sie ist nur gegen bestimmte, im Gesetz (§§ 567 ff. Zivilprozessordnung – ZPO) festgelegte Entscheidungen zulässig, oft solche, die das Verfahren betreffen und keine Endurteile sind. Im vorliegenden Fall legte der Patient sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht ein, weil das Landgericht seinen Antrag auf das selbständige Beweisverfahren abgelehnt hatte.


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§ 485 Abs. 2 ZPO

Diese Vorschrift der Zivilprozessordnung (ZPO) regelt eine besondere Möglichkeit, ein selbständiges Beweisverfahren durchzuführen. Sie erlaubt die Einholung eines Sachverständigengutachtens auch dann, wenn die Gegenseite nicht zustimmt und keine Gefahr besteht, dass Beweise verloren gehen (dies wären die Voraussetzungen nach § 485 Abs. 1 ZPO). Stattdessen genügt nach Absatz 2 ein rechtliches Interesse an der Feststellung, beispielsweise über den Gesundheitszustand einer Person (wie hier beim Patienten) oder über Ursache und Höhe eines Schadens, insbesondere wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann. Das OLG München stützte seine Entscheidung genau auf diesen Absatz.


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rechtliches Interesse

Das rechtliche Interesse ist eine Voraussetzung für bestimmte gerichtliche Verfahren, wie das selbständige Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO. Es bedeutet, dass der Antragsteller ein schutzwürdiges, rechtlich begründetes Interesse an der beantragten Feststellung (z.B. durch ein Gutachten) haben muss; bloße Neugier oder rein wirtschaftliche Motive genügen nicht. Im Kontext des selbständigen Beweisverfahrens liegt ein solches Interesse insbesondere dann vor, wenn die Klärung der Fakten dazu dienen kann, einen späteren Rechtsstreit zu vermeiden (§ 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Das OLG München betonte, dass dieses Interesse im Sinne der Prozessvermeidung grundsätzlich weit auszulegen ist.


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Schlüssigkeitsprüfung

Eine Schlüssigkeitsprüfung ist eine vorläufige Prüfung durch das Gericht. Dabei wird bewertet, ob der von einer Partei vorgetragene Sachverhalt – als wahr unterstellt – den geltend gemachten Anspruch rechtlich überhaupt begründen kann. Es geht darum, ob der Antrag oder die Klage „schlüssig“, also in sich logisch und rechtlich nachvollziehbar ist. Im Kontext des selbständigen Beweisverfahrens hat das OLG München betont, dass eine solche Prüfung grundsätzlich nicht stattfindet. Das Gericht soll also nicht vorab umfassend prüfen, ob der eigentliche Anspruch (hier: Kostenübernahme) wahrscheinlich erfolgreich sein wird, es sei denn, er ist offensichtlich und eindeutig völlig haltlos.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 1 Abs. 1 VVG (Versicherungsvertragsgesetz): Dieser Paragraph definiert den Versicherungsvertrag, durch den der Versicherer gegen Prämienzahlung ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers übernimmt und bei Eintritt des Versicherungsfalls eine vereinbarte Leistung erbringt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Hier geht es um den bestehenden privaten Krankenversicherungsvertrag zwischen dem Antragsteller und der Versicherung, der die Grundlage für den Anspruch auf Kostenübernahme der medizinischen Behandlung bildet.
  • § 192 Abs. 1 VVG (Versicherungsvertragsgesetz): Diese Norm konkretisiert die Leistungspflicht des privaten Krankenversicherers und verpflichtet diesen, für Aufwendungen für medizinisch notwendige Heilbehandlungen und sonstige vereinbarte Leistungen aufzukommen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Kern des Falls dreht sich um die Frage, ob die hyperthermische Behandlung als medizinisch notwendig einzustufen ist und die private Krankenversicherung daher zur Kostenübernahme verpflichtet ist.
  • § 485 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO (Zivilprozessordnung): Diese Vorschrift ermöglicht ein selbstständiges Beweisverfahren zur schriftlichen Begutachtung durch einen Sachverständigen vor einem eigentlichen Rechtsstreit, wenn ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Zustands einer Person besteht. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Antragsteller nutzt das selbstständige Beweisverfahren, um durch ein Sachverständigengutachten die medizinische Notwendigkeit der Behandlung klären zu lassen und so die Grundlage für eine mögliche Klage gegen die Versicherung vorzubereiten oder diese zu vermeiden.
  • Rechtliches Interesse im Sinne des § 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO: Ein rechtliches Interesse an der Beweiserhebung im selbstständigen Beweisverfahren ist gegeben, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann. Dies wird von den Gerichten weit ausgelegt, um eine frühzeitige Klärung strittiger Fragen zu ermöglichen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht bejaht hier das rechtliche Interesse des Antragstellers, da die Begutachtung durch einen Sachverständigen dazu dienen kann, die Auseinandersetzung mit der Versicherung über die Kostenerstattung außergerichtlich oder in einem späteren Hauptsacheverfahren zu klären und möglicherweise einen Rechtsstreit zu vermeiden.
  • Grundsatz der Beweislast im Zivilprozess (§ 363 ZPO): Grundsätzlich trägt im Zivilprozess jede Partei die Beweislast für die Tatsachen, die ihren Anspruch oder ihr Verteidigungsvorbringen begründen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Im Falle eines späteren Rechtsstreits um die Kostenübernahme läge die Beweislast für die medizinische Notwendigkeit der Behandlung beim Antragsteller. Das selbstständige Beweisverfahren dient der Beweissicherung und -erleichterung für den Antragsteller in Bezug auf diese Beweislast.

Hinweise und Tipps

Praxistipps für Privatversicherte bei Streitigkeiten über die Kostenübernahme für medizinische Behandlungen

Ihre private Krankenversicherung (PKV) übernimmt die Kosten für eine wichtige Behandlung nicht oder stellt die Zahlungen plötzlich ein? Sie sind unsicher, ob die Begründung der Versicherung – oft die fehlende „medizinische Notwendigkeit“ – haltbar ist? Solche Situationen sind belastend, besonders wenn es um ernste Erkrankungen geht.

Hinweis: Diese Praxistipps stellen keine Rechtsberatung dar. Sie ersetzen keine individuelle Prüfung durch eine qualifizierte Kanzlei. Jeder Einzelfall kann Besonderheiten aufweisen, die eine abweichende Einschätzung erfordern.

Tipp 1: Ablehnung genau prüfen und begründen lassen
Fordern Sie von Ihrer Versicherung immer eine detaillierte schriftliche Begründung für die Ablehnung der Kostenübernahme an. Vergleichen Sie die Argumentation der Versicherung genau mit den Regelungen in Ihrem Versicherungsvertrag und den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB). Prüfen Sie, ob die Begründung nachvollziehbar ist und auf korrekten Fakten basiert.


Tipp 2: Medizinische Notwendigkeit unabhängig klären lassen
Wenn die Versicherung die medizinische Notwendigkeit einer Behandlung anzweifelt, können Sie die Klärung dieser Frage gerichtlich erzwingen – noch bevor Sie Klage auf Zahlung erheben. Mit einem Antrag auf ein selbständiges Beweisverfahren bei Gericht kann ein unabhängiger medizinischer Sachverständiger beauftragt werden, die Notwendigkeit und Eignung der Therapie zu beurteilen. Wie der Fall des OLG München zeigt, ist dafür nicht die Zustimmung der Versicherung erforderlich; es genügt Ihr rechtliches Interesse, die Erfolgsaussichten einer späteren Klage zu klären oder diese durch das Gutachten vielleicht sogar zu vermeiden.

⚠️ ACHTUNG: Ein selbständiges Beweisverfahren ist mit Kosten verbunden (Gerichts- und Gutachterkosten). Zwar kann das Gutachten Ihre Position stärken, es garantiert aber nicht, dass die Versicherung danach zahlt oder dass Sie einen anschließenden Prozess gewinnen. Es dient primär der Beweissicherung und Einschätzung der Chancen.


Tipp 3: Ärztliche Stellungnahmen einholen und sammeln
Bitten Sie Ihre behandelnden Ärzte um detaillierte Stellungnahmen, die klar begründen, warum die betreffende Behandlung aus medizinischer Sicht notwendig, geeignet und alternativlos oder anderen Methoden überlegen ist. Sammeln Sie alle Befunde, Arztbriefe und Gutachten, die Ihre Position stützen. Diese Dokumente sind entscheidend für die Argumentation gegenüber der Versicherung und in einem möglichen Gerichtsverfahren.


Tipp 4: Laufende Behandlung nicht vorschnell abbrechen
Brechen Sie eine ärztlich empfohlene und bereits begonnene Behandlung nicht ohne Rücksprache mit Ihrem Arzt ab, nur weil die Versicherung die weitere Kostenübernahme ablehnt. Besprechen Sie die medizinischen Risiken eines Abbruchs. Klären Sie parallel die Finanzierung bzw. die rechtlichen Schritte zur Durchsetzung der Kostenübernahme.


Tipp 5: Frühzeitig spezialisierten Rechtsrat suchen
Bei Auseinandersetzungen mit der PKV über die Kostenübernahme, insbesondere bei teuren oder langfristigen Behandlungen wie Krebs- oder alternativen Therapien, sollten Sie frühzeitig anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen. Ein Fachanwalt für Versicherungsrecht kann die Erfolgsaussichten prüfen, Sie zu Optionen wie dem selbständigen Beweisverfahren beraten und Ihre Ansprüche gegenüber der Versicherung durchsetzen.


Weitere Fallstricke oder Besonderheiten?
Achten Sie genau auf die Definition der „medizinischen Notwendigkeit“ in Ihren Versicherungsbedingungen (AVB). Diese kann von der reinen ärztlichen Einschätzung abweichen. Gerade bei neueren oder wissenschaftlich noch nicht breit anerkannten Methoden (wie z.B. Hyperthermie im besprochenen Fall) legen Versicherer oft strengere Maßstäbe an. Das OLG München hat jedoch klargestellt, dass das Interesse des Versicherten, die medizinische Notwendigkeit durch ein Gutachten klären zu lassen, auch ohne Zustimmung der Versicherung und ohne drohenden Beweismittelverlust für ein selbständiges Beweisverfahren ausreichen kann, wenn dies der Vorbereitung eines Hauptprozesses dient.

Checkliste: Kostenübernahme durch die private Krankenversicherung

  • Ablehnung der Kostenübernahme erhalten? Schriftliche, detaillierte Begründung der Versicherung angefordert?
  • Eigene Versicherungsbedingungen (AVB) zur „medizinischen Notwendigkeit“ und Leistungsumfang geprüft?
  • Ausführliche ärztliche Stellungnahmen zur Notwendigkeit und Eignung der Behandlung eingeholt?
  • Möglichkeit eines selbständigen Beweisverfahrens zur Klärung der medizinischen Notwendigkeit geprüft?
  • Fachanwalt für Versicherungsrecht zur Prüfung der Ansprüche und Strategie kontaktiert?

Das vorliegende Urteil


OLG München – Az.: 25 W 622/22 – Beschluss vom 23.05.2022


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