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Krankenversicherung – Nichtigkeit eines mit einer Privatklinik abgeschlossenen Behandlungsvertrags

OLG Zweibrücken – Az.: 1 U 42/17 – Urteil vom 14.11.2018

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 16.02.2017, Az. 3 O 82/16, abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.925,72 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.11.2015 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt von dem beklagten Krankenversicherungsverein Erstattung von restlichen Behandlungskosten in Höhe von 7.925,72 € wegen einer in der … durchgeführten Operation und eines damit verbundenen stationären Aufenthalts.

Die Parteien sind durch einen Krankenversicherungsvertrag miteinander verbunden (Nachtrag zum Versicherungsschein vom 25.02.2011, Bl. 44 d.A., Tarif Esprit, Bl. 54 ff. d.A.). Dieser sieht bei stationären Behandlungen des Versicherungsnehmers eine Erstattungsfähigkeit von Allgemeinen Krankenhausleistungen, Wahlleistungen im Zweibettzimmer und Krankentransporten zu 100 % vor (Ziffer 1.2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (Teil III) im Tarif Esprit, Stand: 01.01.2012).

Der Kläger schloss am 21.11.2011 mit der … den auf Bl. 39 d.A. vorgelegten Behandlungsvertrag ab. Am 13.01.2012 wurde beim Kläger in der … ein operativer Eingriff durchgeführt, bei dem an der linken Hüfte eine schenkelhalserhaltende Prothese Typ Silent/Pinnacle implantiert wurden. Zu den übrigen an der linken Hüfte des Klägers durchgeführten operativen Maßnahmen wird auf den Operationsbericht (Bl. 40 d.A.) Bezug genommen. Die Versorgung war medizinisch notwendig und wurde ordnungsgemäß erbracht.

Die … stellte dem Kläger für dessen stationären Aufenthalt vom 12.01. bis 20.01.2012 mit Rechnung vom 24.01.2012 (Bl. 43 d.A.) insgesamt 15.163,61 € in Rechnung. Der Beklagte erstattete hiervon 7.237,89 €. Die Differenz macht der Kläger hier geltend.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 7.925,72 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.11.2015 zu zahlen;

2. den Beklagten zu verurteilen, ihm vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 729,23 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.11.2015 zu erstatten.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, dass die zwischen dem Kläger und der … getroffene Vereinbarung gegen § 17 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) verstoße. Zwischen der … und dem Plan-Krankenhaus … bestehe eine organisatorische und räumliche Verbundenheit, so dass die … nach § 17 Abs. 1 Satz 5 KHG Behandlungen, die nach dem 01.01.2012 stattgefunden hätten, auf der Grundlage des DRG-Systems und nicht auf der Grundlage von selbst gewählten Fallpauschalen abzurechnen habe. Danach seien dem Kläger die Kosten in Höhe von 7.237,89 € erstattet worden, die angefallen wären, wenn die streitgegenständliche Behandlung in der … (Plankrankenhaus) durchgeführt worden wäre (Anlage B 6).

Hilfsweise sei einzuwenden, dass aus dem Rechnungsbetrag 19 % Mehrwertsteuer heraus zu kürzen seien. Nach § 4 Nr. 14 b UStG seien Umsätze für Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts bzw. von zugelassenen Krankenhäusern gemäß § 108 SGB V erbracht würden, umsatzsteuerfrei. Privatkliniken, die nicht nach § 4 Nr. 14 b UStG steuerbefreit seien, könnten sich unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 b) der Mehrwertsteuerrichtlinie berufen. Die … erbringe ihre Heil- und Krankenhausbehandlungsleistungen in sozialer Hinsicht unter vergleichbaren Bedingungen wie die Krankenhäuser, die in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft stünden oder nach § 108 SGB V zugelassen seien.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Vergütungsvereinbarung gemäß § 17 Abs. 1 Satz 5 KHG auf die Höhe der zulässigen Pauschalierung begrenzt und, soweit sie darüber hinaus gehe, gemäß § 134 BGB wegen eines Verstoßes gegen § 17 Abs. 1 Satz 5 KHG nichtig sei. Diese Vorschrift sei anwendbar, weil eine organisatorische und räumliche Nähe der … zur … (Plankrankenhaus) gegeben sei. Die Vorschrift sei auch weder formell noch materiell verfassungswidrig.

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen und den Einzelheiten der rechtlichen Beurteilung wird auf Tatbestand und Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Der Kläger verfolgt mit der Berufung seine erstinstanzlichen Ansprüche weiter. Er vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt vor, dass der Behandlungsvertrag aus dem Jahr 2011 stamme und das Rechtsverhältnis damit nicht der Vorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 5 KHG unterliege, weil diese erst zum 01.01.2012 in Kraft getreten sei. Da es an einer Übergangsregelung fehle, sei die Vorschrift auf Behandlungsverträge, die vor dem 01.01.2012 geschlossen worden seien, nicht anwendbar.

Der Kläger beantragt, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und den Beklagten gemäß den Schlussanträgen erster Instanz zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die landgerichtliche Entscheidung und trägt vor, dass die Behandlung im Jahr 2012 erfolgt sei. Das Entgelt könne erst bei Fälligkeit verlangt werden. Fälligkeit könne nicht vor Durchführung der Operationsleistung eingetreten sein. Daher beurteile sich der Fall nach neuer Rechtslage.

Auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Urkunden wird zur Ergänzung des Tatbestands Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Hauptsache Erfolg. Hinsichtlich der Nebenforderungen ist sie nur hinsichtlich der Verzugszinsen auf die Hauptforderung begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen restlichen Erstattungsanspruch in Höhe von 7.925,72 € aus dem bestehenden Krankenversicherungsvertrag (Ziffer 1.2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (Teil III) im Tarif Esprit, Stand: 01.01.2012) wegen seiner stationären Behandlung in der … vom 12. bis 20.01.2012.

1.

Entgegen der Meinung des Landgerichts und der Berufungserwiderung ist der streitgegenständliche Behandlungsvertrag vom 21.11.2011 nicht gemäß § 134 BGB wegen eines Verstoßes gegen § 17 Abs. 1 Satz 5 KHG teilweise nichtig. Diese Vorschrift ist auf den Behandlungsvertrag vom 21.11.2011 in zeitlicher Hinsicht nicht anwendbar.

Nach § 17 Abs. 1 Satz 5 KHG darf eine Einrichtung, die in räumlicher Nähe zu einem Krankenhaus liegt und mit diesem organisatorisch verbunden ist, für allgemeine, dem Versorgungsauftrag des Krankenhauses entsprechende Krankenhausleistungen keine höheren Entgelte verlangen, als sie nach den Regelungen des KHG, des Krankenhausentgeltgesetzes und der Bundespflegesatzverordnung zu leisten wären. Die Vorschrift ist gemäß Art. 15 Abs. 1 des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes vom 22.12.2011 (BGBl I 2011 S. 2983) mit Wirkung zum 01.01.2012 in Kraft getreten. Der hier streitgegenständlichen Behandlungsvertrag wurde am 21.11.2011 und damit vor Inkrafttreten der vorgenannten Vorschrift geschlossen. Eine Überleitungsvorschrift besteht nicht.

Der Senat ist der Auffassung, dass das Verbotsgesetz des § 17 Abs. 1 Satz 5 KHG für den vor dessen Inkrafttreten geschlossenen Behandlungsvertrag nicht gilt, so dass die zwischen dem Kläger und der … getroffene Vergütungsabrede wirksam ist und dem Kläger gegen den Beklagten aus dem Versicherungsvertrag ein entsprechender Erstattungsanspruch zusteht (vgl. ebenso OLG Bamberg Urt. v. 28.03.2018 – 1 U 128/17, S. 9 ff.; OLG Hamburg, Urt. v. 13.06.2017 – 9 U 242/16, dort. S. 8 f., jeweils Anlagenband zum Schriftsatz des Klägers v. 01.08.2018).

§ 17 Abs. 1 Satz 5 KHG ist auf den streitgegenständlichen Behandlungsvertrag nicht anwendbar.

a) Die Vorschrift stellt nach allgemeiner Meinung ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB dar. Vereinbarungen über Entgelte mit den in der Vorschrift genannten Einrichtungen sind daher insoweit nichtig, als die vereinbarten Entgelte die in den Regelungen des KHG, des Krankenhausentgeltgesetzes und der Bundespflegesatzverordnung bestimmten Entgelte übersteigen (vgl. OLG Saarbrücken Urt. v. 20.12.2017 – 5 U 36/17, juris Rn. 38; OLG Karlsruhe Urt. v. 28.03.2017 – 12 U 143/16, juris Rn.60; OLG Karlsruhe Urt. v. 19.07.2017 – 10 U 2/17, juris Rn. 29; OLG Stuttgart Beschl. v. 28.7.2017 – 7 U 46/17, Bl. 580 d.A.). § 134 BGB ist auf den Fall zugeschnitten, dass das gesetzliche Verbot schon beim Abschluss des Rechtsgeschäfts bestand und deshalb die Vornahme des Rechtsgeschäfts – sei es als solche, sei es wegen dessen verbotenen Inhalts – gegen das gesetzliche Verbot verstieß (BGH Urt. v. 04.04.1966 – VIII ZR 20/64, juris Rn. 53). Ob auch dann von der Nichtigkeit nach § 134 BGB auszugehen ist, wenn ein gesetzliches Verbot erst nach Vornahme des Rechtsgeschäfts erlassen ist, sich aber gegen die noch fortdauernden Wirkungen aus dem Rechtsgeschäft richtet, hat der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung bezweifelt, letztlich aber offengelassen (BGH aaO.).

Maßgebend für die Beantwortung dieser Frage sind in Ermangelung einer Überleitungsvorschrift die allgemeinen Rechtsgrundsätze. Danach beurteilt sich die Rechtsgültigkeit eines zur Zeit des früheren Rechts abgeschlossenen Rechtsgeschäfts nach diesem Recht (Staudinger/Hönle/Hönle, BGB, Neubearb. 2013, Art. 170 EGBGB Rn. 12, vgl. OLG Hamburg Urt. v. 13.06.2017 – 9 U 242/16, S. 8, Anlagenband). Dieser allgemeine Grundsatz ergibt sich aus Art. 170 EGBGB (vgl. BVerfG Beschl. v. 20.10.2010 – 1 BvR 2062/09, juris Rn. 30 mwN). Entsprechend diesem Grundsatz wirkt ein Gesetz, das nach der Vornahme eines im Zeitpunkt der Vornahme rechtmäßigen Rechtsgeschäfts erlassen ist und das Rechtsgeschäfte dieser Art verbietet, grundsätzlich nur für die Zukunft (Staudinger/Sack/Seibl, BGB, Neubearb. 2017, § 134 Rn. 55). Durch die Anknüpfung an die alte Rechtslage wird das Vertrauen der Parteien geschützt, die ihr Schuldverhältnis einem bekannten gesetzlichen Regelungsplan unterstellt haben, und verhindert, dass bereits erworbene Vertragsrechte durch eine Gesetzesänderung wieder entzogen werden (OLG Hamburg aaO.).

Vor diesem Hintergrund teilt der Senat die von der Berufungserwiderung für sich in Anspruch genommene gegenteilige Meinung nicht, nach der das ursprünglich rechtmäßige Rechtsgeschäft nach Inkrafttreten des Verbotsgesetzes nicht mehr vollzogen werden dürfe, weil in analoger Anwendung von § 275 BGB keine Erfüllungsansprüche mehr bestünden (so Staudinger/Sack/Seibl, BGB, Neubearb. 2017, § 134 Rn. 55; Canaris, DB 2002, 930, 931).

Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Beschluss, der die Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 5 KHG zum Gegenstand hat, festgestellt, dass sich die Ansicht, die Regelung greife in laufende Vertragsverhältnisse mit den Patienten der betroffenen Privatklinken ein, oder berühre bereits entstandene Vergütungsforderungen, soweit sie den Schutz von Art. 14 Abs. 1 GG genießen, nicht ohne Weiteres mit den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts vereinbaren lasse, wonach Schuldverhältnisse dem Recht unterstehen, das zur Zeit der Verwirklichung ihres Entstehungstatbestandes galt (BVerfG Beschl. v. 20.08.2013 – 1 BvR 2402/12, 1 BvR 2684/12, juris Rn. 39). Dementsprechend hat es beispielsweise Provisionsforderungen von Immobilienmaklern gegenüber Mietwohnungssuchenden, die durch bis zum Inkrafttreten des Mietrechtsnovellierungsgesetzes vom 21.04.2015 wirksam geschlossene Maklerverträge begründet wurden, auch nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes, das solche Abreden verbietet, als uneingeschränkt erfüllbar eingestuft (BVerfG Beschl. v. 29.06.2016 – 1 BvR 1015/15, juris Rn. 93 aE).

b) Dieser Rechtsgedanke gilt auch für den auf den streitgegenständlichen Behandlungsvertrag vom 21.11.2011 gestützten Vergütungsanspruch der …, da vorliegend der gesamte Entstehungstatbestand des Schuldverhältnisses bis zum Inkrafttreten des Verbotsgesetzes verwirklicht wurde (ebenso OLG Hamburg Urt. v. 13.06.2017 – 9 U 242/16, S. 8, Anlagenband) und der Gesetzgeber diesem nicht ausdrücklich und in verfassungsrechtlich zulässiger Weise Rückwirkung beigelegt hat (vgl. zu diesem Erfordernis MünchKommBGB/Armbrüster, 7. Aufl., § 134 Rn. 20).

Der Behandlungsvertrag wurde am 21.11.2011 und damit vor Inkrafttreten des § 17 Abs. 1 Satz 5 KHG geschlossen. Der Kläger hat über den Behandlungsvertrag vom 21.11.2011 hinaus die von ihm und den liquidationsberechtigten Ärzten der … ebenfalls unter dem 21.11.2011 unterzeichnete Wahlleistungsvereinbarung vorgelegt (Anlagenband zum Schriftsatz vom 01.08.2018), in der die Zuschläge betreffend die wahlärztlichen Leistungen betragsmäßig konkretisiert sind. Außerdem hat er unter dem 21.11.2011 bekannt, den Behandlungsvertrag, die allgemeinen Vertragsbedingungen und die Wahlleistungsvereinbarung erhalten zu haben (Anlagenband zum Schriftsatz vom 01.08.2018). Auch die Aufklärung über die Unterschiede zwischen den beiden … hat er unter dem 21.11.2011 unterzeichnet (Anlagenband zum Schriftsatz vom 01.08.2018).

Danach steht fest, dass der Kläger und die zur Liquidation berechtigten Personen der … sämtliche für die spätere stationäre Versorgung des Klägers und für den Vergütungsanspruch der … erforderlichen Vertragsdokumente bereits im Jahr 2011 unterzeichnet haben. Der Entstehungstatbestand des den Vergütungsanspruch begründenden Schuldverhältnisses ist damit noch vor Inkrafttreten des § 17 Abs. 1 Satz 5 KHG vollständig verwirklicht worden (vgl. zu vergleichbaren Fällen OLG Bamberg Urt. v. 28.03.2018 – 1 U 128/17, S. 9 ff.; OLG Hamburg, Urt. v. 13.06.2017 – 9 U 242/16, dort. S. 8 f., jeweils Anlagenband zum Schriftsatz des Klägers v. 01.08.2018).

Die vom Kläger weiter vorgelegte Vereinbarung zwischen ihm und der … vom 20.12.2011/09.01.2012 (Anlagenband zum Schriftsatz vom 01.08.2018) befasst sich weder mit der Behandlung des Klägers noch mit der Begründung des Vergütungsanspruchs der … gegen den Kläger. In ihr ist vielmehr eine Stundung des vom Kläger der Klinik geschuldeten Entgelts geregelt, soweit die private Krankenversicherung (hier der Beklagte) die Zahlung verweigert. Der Umstand des Abschlusses einer solchen Stundungsvereinbarung lässt darauf schließen, dass Kläger und … seinerzeit übereinstimmend von einer bereits entstandenen Vergütungsforderung der … ausgegangen sind.

2.

Die über insgesamt 15.163,61 € getroffene Entgeltvereinbarung ist nicht nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.

Die … war bis zum Inkrafttreten der Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 5 KHG zum 01.01.2012 als Privatklinik hinsichtlich der Vereinbarung von Vergütungen bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit frei (vgl. OLG Bamberg Urt. v. 28.03.2018 – 1 U 128/17, S. 10). Anhaltspunkte dafür, dass die vereinbarte und abgerechnete Entgeltpauschale der Höhe nach gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig ist, bestehen nicht und werden von der Beklagten auch nicht aufgezeigt.

3.

Dem Kläger steht gegen die … entgegen der Meinung der Beklagten zudem kein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB wegen eines Verstoßes gegen die wirtschaftliche Aufklärungspflicht der … in Höhe der Klageforderung zu, den der Beklagte dem Erstattungsanspruch des Klägers entgegenhalten halten könnte.

Bei der Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung handelt es sich um eine Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag. Sie soll den Patienten vor finanziellen Überraschungen schützen. Zwar obliegt es der Behandlungsseite weder, den Patienten umfassend wirtschaftlich zu beraten, noch muss sie sich etwa Kenntnisse über den Inhalt und Umfang seines privaten Versicherungsschutzes verschaffen. Es gehört jedoch zu ihren Pflichten, den Patienten vor unnötigen Kosten und unverhältnismäßigen finanziellen Belastungen zu bewahren, soweit sie über bessere Kenntnisse und ein besseres Wissen verfügt. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Behandlungsseite positive Kenntnis von der Unsicherheit der Kostenübernahme durch den Krankenversicherer hat, oder wenn sich aus den Umständen zumindest hinreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten nicht gesichert ist. Auch eine der Behandlungsseite bekannte Nichtanerkennungspraxis der Krankenversicherer kann – ob berechtigt oder nicht – eine entsprechende Aufklärungspflicht begründen (zum Ganzen OLG Stuttgart Urt. v. 08.01.2013 – 1 U 87/12, juris Rn. 5).

Eine nach diesen Grundsätzen bestehende Aufklärungspflicht hat die … vorliegend erfüllt. Sie hat den Kläger bereits in dem Behandlungsvertrag ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Patient als Vertragspartner der … dieser gegenüber unabhängig davon zahlungspflichtig ist, ob und inwieweit die private Krankenversicherung die Behandlungskosten erstattet. Darüber hinaus hat der Kläger gegenüber der … in einem separaten Aufklärungsdokument durch seine Unterschrift vom 21.11.2011 bestätigt, dass er über die Unterschiede der … und der … aufgeklärt und dabei ausdrücklich auf die Unterschiede in der Preisgestaltung, der Wartezeit, der Zimmerbelegung, der Leistung und des Komforts hingewiesen wurde. Schließlich hat der Kläger am 20.12.2011 und damit ebenfalls vor der stationären Aufnahme in der … eine weitere Vereinbarung (Anlagenband zum Schriftsatz vom 01.08.2018) mit der … getroffen, in der es ausdrücklich heißt, dass die Krankenversicherung des Patienten „ … “ die Kostenübernahme auf der Grundlage der aktuellen Entgelte der … voraussichtlich nicht übernehmen wird. Danach hat die … ihre gegenüber dem Kläger in wirtschaftlicher Hinsicht bestehenden Aufklärungspflichten in ausreichendem Umfang und in hinreichend deutlichem Maß erfüllt.

4.

Der Beklagte beruft sich weiter ohne Erfolg auf die zwischen dem Kläger und der … getroffene Vereinbarung über eine Stundung des streitgegenständlichen Behandlungsentgelts vom 20.12.2011/09.01.2012 (Anlagenband zum Schriftsatz vom 01.08.2018). Diese steht einer Fälligkeit der streitgegenständlichen Erstattungsforderung des Klägers nicht entgegen.

Grundlage der Stundungsvereinbarung war gemäß § 1 der Vorbemerkung der Vereinbarung der Umstand, dass der Beklagte („….“) die Kostenübernahme auf der Basis der aktuellen Entgelte der … voraussichtlich ablehnen werde. Die Leistungsverweigerung des Beklagten war allerdings entsprechend den vorstehenden Ausführungen unberechtigt. Aus diesem Grund ist die Stundungsabrede erst durch ein vertragswidriges Abrechnungsverhalten des Beklagten veranlasst worden. Ihm ist es daher nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich wegen der Stundungsvereinbarung auf die fehlende Fälligkeit des Vergütungsanspruchs zu berufen (vgl. OLG Hamburg Urt. v. 13.06.2017 – 9 U 242/16, S. 10, Anlagenband). Denn diese hat im Ergebnis er selbst veranlasst.

Ob der Kläger die streitgegenständliche Rechnung der … bezahlt hat, ist unerheblich. Denn der Beklagte ist nach Nr. 23 seiner Bedingungen (Bl. 48 d.A.) verpflichtet, seine Leistungen auch auf nicht bezahlte Rechnungen zu erbringen.

5.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der klägerische Anspruch auf Zahlung des restlichen Behandlungsentgelts nicht um die Umsatzsteuer zu kürzen. Kläger und … haben eine Bruttopreisabrede getroffen, so dass der beklagte Krankenversicherer dem Kläger das vereinbarte Bruttoentgelt zu erstatten hat.

a) Privatkliniken, die die Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 lit b) der Richtlinie 2006/112/EG (Mehrwertsteuersystemrichtlinie) erfüllen, können sich zwar direkt auf diese Richtlinie berufen und sind in diesem Fall nicht umsatzsteuerpflichtig, da der deutsche Gesetzgeber diese Richtlinie unionsrechtswidrig umgesetzt hat (BFH Urt. v. 18.03.2015 – XI R 38/13, juris Leitsatz). Selbst wenn man mit dem Beklagten weiter davon ausgeht, dass die … die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt, ergibt sich daraus aber nur ein Wahlrecht für die Klinik. Sie kann sich alternativ auf die nationale Regelung (§ 4 Nr. 14 b UStG) berufen und danach Umsatzsteuer abführen (vgl. zutr. AG Heidelberg Urt. v. 28.07.2016 – 28 C 288/15, juris Rn. 27 mwN.). In welcher Weise die … von diesem Wahlrecht Gebrauch gemacht hat, ist in dem hier zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Krankenversicherer bestehenden Rechtsstreit allerdings ohne Bedeutung. Denn von der Frage der Umsatzsteuerpflichtigkeit der … gegenüber dem Fiskus ist die Frage zu unterscheiden, ob der Krankenversicherer seinem Versicherungsnehmer die diesem gegenüber von der Klinik in Rechnung gestellte Umsatzsteuer zu erstatten hat. Eine solche Erstattungspflicht ist hier deswegen anzunehmen, weil der Kläger mit der … eine Bruttopreisvereinbarung getroffen hat (vgl. OLG Hamm Beschl. v. 27.03.2017 – I-6 U 104/16, 6 U 104/16, juris Rn. 17 ff.).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die bei einem Verkauf anfallende Umsatzsteuer beim Fehlen gegenteiliger Vereinbarungen grundsätzlich unselbständiger Bestandteil des vereinbarten bürgerlich-rechtlichen Entgelts (BGH Urt. v. 24.02.1988 – VIII ZR 64/87, juris Rn. 11; BGH Urt. v. 11.05.2011 – V ZR 492/99, juris Rn. 6). Anderes gilt nur dann, wenn die Parteien einen „Nettopreis“ vereinbart haben, wofür auch ein Handelsbrauch oder eine Verkehrssitte maßgeblich sein kann (BGH Urt. v. 11.05.2011 – V ZR 492/99, juris Rn. 6). Diese zu Kaufverträgen ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung ist nach Auffassung des Senats auf die Entgeltforderung einer nicht nach § 108 SGB V zugelassenen Klinik zu übertragen, die sich auf Art. 132 Abs. 1 lit b) der Mehrwertsteuersystemrichtlinie berufen kann (ebenso OLG Hamm Beschl. v. 27.03.2017 – I-6 U 104/16, 6 U 104/16, juris Rn. 18 ff.).

Bei einer Bruttopreisabrede sind beide Vertragsbeteiligte dem Risiko eines unzutreffenden Umsatzsteueransatzes ausgesetzt mit der Folge, dass die Vergütungsvereinbarungen für beide Vertragsparteien – trotz einer der Klinik unterlaufenen Fehleinschätzung über die Umsatzsteuerpflicht – bindend sind (OLG Hamm Beschl. v. 27.03.2017 – I-6 U 104/16, 6 U 104/16, juris Rn. 20). Hat der Leistungserbringer eine zu hohe Umsatzsteuer oder zu Unrecht Umsatzsteuer ausgewiesen, trägt das Risiko grundsätzlich derjenige, der die Leistung in Anspruch nimmt, zumal der Leistungserbringer nach Umsatzsteuerrecht auch zu deren Abführung verpflichtet ist. Deshalb ist derjenige, der die Leistung in Anspruch nimmt, ebenso wenig zu einer Herabsetzung des vereinbarten Preises befugt wie der Leistungserbringer zu einer Nachforderung bei zu niedrig kalkulierter Umsatzsteuer (vgl. BSG Urt. v. 17.07.2008 – B 3 KR 16/07, juris Rn. 25). Unerheblich ist dabei, ob nur die Höhe des Umsatzsteuersatzes oder, wie hier, die Steuerbarkeit eines Umsatzes überhaupt in Frage steht (vgl. BGH Urt. v. 24.02.1988 – VIII ZR 64/87, juris Rn. 20).

b) Bei der hier zwischen Kläger und … abgeschlossenen Entgeltvereinbarung handelt es sich um eine Bruttopreisvereinbarung im vorgenannten Sinne.

Der Kläger hat zum Abschluss einer solchen Vereinbarung zwar keinen ausdrücklichen Vortrag gehalten. Er hat aber die streitgegenständliche Rechnung der … vorgelegt (Bl. 43 d.A.). Aus dieser lässt sich anhand des ausdrücklichen Vermerks entnehmen, dass in dem Rechnungsbetrag 19 % Umsatzsteuer enthalten ist. Danach ist von der Vereinbarung eines Bruttopreises auszugehen. Eine konkludente Einigung hierfür genügt (vgl. BGH Urt. v. 24.02.1988 – VIII ZR 64/87, juris Rn. 11; BSG Urt. v. 17.07.2008 – B 3 KR 16/07, juris Rn. 25). Da die Umsatzsteuer danach unselbständiger Bestandteil des vereinbarten bürgerlich-rechtlichen Entgelts ist, hat der Beklagte das vereinbarte Entgelt insgesamt, also einschließlich der Umsatzsteuer, zu erstatten.

6.

Verzugszinsen aus § 288 Abs. 1, § 286 BGB kann der Kläger seit dem 07.11.2015 beanspruchen. Der Beklagte befindet sich aufgrund der ihm mit Schreiben der klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 23.10.2015 (Bl. 58 f. d.A.) gesetzten Zahlungsfrist ab dem 07.11.2015 in Verzug. Danach kann er ab diesem Tag Verzugszinsen in der gesetzlichen Höhe (§ 288 Abs. 1 BGB) aus der Hauptforderung beanspruchen.

7.

Ein Anspruch auf Zahlung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 729,23 € aus § 280 Abs. 2, § 286 BGB steht dem Kläger demgegenüber nicht zu.

Der Kläger hat seine Prozessbevollmächtigte ausweislich der vorgelegten Prozessvollmacht (Bl. 38 d.A.) bereits am 10.05.2015 mit der Beitreibung der Forderung bevollmächtigt. Er hat nicht vorgetragen, dass sich der Beklagte bereits zu diesem Zeitpunkt in Verzug befand. Verzug des Beklagten lag erst mit Ablauf der ihm mit Schreiben vom 23.10.2015 (Bl. 58 f. d.A.) gesetzten Zahlungsfrist ab dem 07.11.2015 vor (s.o.). Die zeitlich vorher erfolgte Mandatierung stellt danach keinen Verzugsschaden dar.

Darüber hinaus ergibt sich aus der vom Kläger vorgelegten „Prozessvollmacht“ vom 10.05.2015, dass er seiner Prozessbevollmächtigten keinen auf die außergerichtliche Vertretung beschränkten Auftrag bzw. nur einen bedingten Prozessauftrag für den Fall des Scheiterns einer außergerichtlichen Einigung erteilt hatte (vgl. BGH Urt. v. 28.05.2013 – XI ZR 421/10, juris Rn. 33). Aus der Vollmachtsurkunde lässt sich vielmehr entnehmen, dass er seine Prozessbevollmächtigte von vornherein ohne Einschränkungen mit der Prozessführung beauftragte. Ein unbegrenzter Auftrag in diesem Sinne steht der Ersatzfähigkeit vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten entgegen. Eine Gebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG kann in einem solchen Fall deswegen nicht beansprucht werden, weil die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG auch Tätigkeiten umfasst, welche die Klage oder die Rechtsverteidigung vorbereiten (vgl. OLG Celle Urt. v. 23.06.2016 – 11 U 9/16, juris Rn. 85 mwN).

8.

Dem Antrag des Klägers auf Aussetzung der Verhandlung nach § 148 ZPO wegen einer anhängigen Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17.05.2018 (Az. III ZR 195/17) ist nicht zu entsprechen. Auf die Beantwortung der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Entgeltbindung von Privatkliniken, die mit einem für die Behandlung durch Krankenkassen zugelassenen Krankenhaus, insbesondere mit einem Plankrankenhaus, räumlich und organisatorisch verbunden sind, kommt es hier nicht an, da die Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 5 KHG vorliegend in zeitlicher Hinsicht nicht anzuwenden ist (s.o. 1.).

9.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

10.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, weil die Voraussetzungen hierfür (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegen. Der Senat weicht nicht von obergerichtlicher oder höchstrichterlicher Rechtsprechung ab.

 

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