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Krankenversicherung – Kostenübernahme für Lasik-Operation als notwendige Heilbehandlung

AG Schwabach, Az.: 2 C 1428/13, Urteil vom 27.01.2016

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.140,00 € zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 3.140,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Erstattung von Kosten für eine LASIK-Behandlung des Klägers.

Krankenversicherung – Kostenübernahme für Lasik-Operation als notwendige Heilbehandlung
Symbolfoto: Parilov/Bigstock

Der Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Die Beklagte hat nach den Versicherungsbedingungen nach Überschreitung einer Selbstbeteiligungsgrenze von 800 DM pro Geschäftsjahr 100 % der erstattungsfähigen Aufwendungen zu ersetzen. Die Selbstbeteiligungsgrenze hat der Kläger im hier maßgeblichen Jahr bereits überschritten. Im Jahr 2009 wurde von den behandelnden Ärzten des Klägers am rechten Auge eine Kurzsichtigkeit von -0,5 dptr. sowie eine Hornhautverkrümmung von 0,5 dptr. bei 90° und am linken Auge eine Kurzsichtigkeit von 0,75 dptr. sowie eine Hornhautverkrümmung von 0,5 dptr. bei 60° schriftlich bestätigt. Die behandelnden Ärzte empfahlen eine LASIK-Operation. Der Kläger bat mit Schreiben vom 05.10.2009 um Kostenerstattung für diese Operation bei der Beklagten. Mit Schreiben vom 15.10.2009 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab. Mit E-Mail vom 30.04.2012 bat der Kläger erneut um Kostenübernahme. Mit Schreiben vom 11.05.2012 erteilte die Beklagte erneut eine Absage. Am 27.06.2013 wurde der Kläger von Dr. med. C W v M mit dem Augenlaser behandelt. Die O E AG stellte als privatärztliche Verrechnungsstelle von Dr. med. C W v M unter dem 28.06.2013 eine Rechnung über 3.240 € für die LASIK-Behandlung. Am 01.97.2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erstattung dieser Kosten, was die Beklagte mit Schreiben vom 19.07.2013 ablehnte.

Der Kläger trägt vor, dass die Beklagte zur Erstattung der Kosten verpflichtet sei, da es sich um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung handele.

Der Kläger beantragt daher: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.140,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt hiergegen, Klageabweisung.

Sie führt hierzu aus, die O E AG sei eine bundesweit auftretende Betreiberin von Augenlaserzentren, die nicht zu den nach § 4 Abs. 1 (2) zugelassenen Behandlern zähle. Beim Beklagten läge keine Krankheit im Sinne der Versicherungsbedingungen vor. Die Kurzsichtigkeit des Klägers sei so geringgradig ausgeprägt, dass die damit einhergehende Beeinträchtigung der Sehqualität allenfalls den Charakter der Unannehmlichkeit hatte und nicht behandlungsbedürftig gewesen sei. Die von den Ärzten festgestellten Meßwerte sowie auch die Unverträglichkeit der Brille und der Kontaktlinsen werde bestritten.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Erholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens gemäß Beweisbeschluss vom 30.01.2014 (Bl. 33 d. A.), abgeändert durch Beschluss vom 06.03.2014 (Bl. 54 d. A.) sowie durch Erholung eines ergänzenden schriftlichen Sachverständigengutachtens gem. Beweisbeschluss vom 26.03.2015 (Bl. 103 d. A.). Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Sachverständigengutachten des Sachverständigen Prof. Dr. med. G M vom 23.01.205 (Bl. 59 ff d. A.) und das Ergänzungsgutachten vom 03.07.2015 (Bl. 105 ff d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger die Kosten seiner LASIK-Operation im Jahr 2013 zu erstatten in Höhe von 3.140 €.

Bei der Behandlung handelt es sich um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung.

Gemäß § 1 Ziffer I (1) a der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden AVB der Beklagten gewährt der Versicherer im Versicherungsfall den Ersatz von Aufwendungen für Heilbehandlungen. Versicherungsfall ist gemäß § 1 II der AVB die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit. Darunter ist nach ständiger Rechtsprechung zu verstehen, dass es nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung vertretbar ist, die Maßnahme des behandelnden Arztes als medizinisch notwendig anzusehen. Vertretbar ist eine Heilbehandlung dann, wenn sie in fundierter und nachvollziehbarer Weise das zugrunde liegende Leiden diagnostisch hinreichend erfasst und eine ihm adäquate geeignete Therapie anwendet (vgl. BGH VersR 1979, 221 BGH VersR 1987, 287; BGH VersR 1991, 987 OLG Köln r+s 1995, 431; OLG Köln r+s 1998, 34; OLG Koblenz r+s 2002, 173). Davon ist dann auszugehen, wenn eine Behandlungsmethode zur Verfügung steht und angewendet wird, die geeignet ist, die Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihrer Verschlimmerung entgegenzuwirken.

Der Kläger war vorliegend krank. Der Krankheitsbegriff wird als anomaler Körper- oder Geisteszustand, der eine nicht ganz unerhebliche Störung körperlicher oder geistiger Funktionen mit sich bringt (BGH VersR 87, 278 f.) definiert. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist anhand objektiver Kriterien zu bestimmen (BGH VersR 87, 278 f.).

Beim Kläger lag nach den Ausführungen des Sachverständigen vor der Behandlung eine geringe Ametropie bei Myopie (Kurzsichtigkeit) mit Refraktionswerten am rechten Auge von -0,5dpt-075 dpt/95° und am linken Auge von -0,25dpt-0,5dpt/80° vor. Die vorliegende Ametropie bedurfte, was die Fernsicht betraf, nach den Ausführungen des Sachverständigen zumindest der Korrektur durch eine Brille. Im Nahbereich war eine Korrektur nicht erforderlich. Die Beklagte hat auch bis zur Operation unbeanstandet die Kosten für eine Brille bezahlt und hat in ihren Ablehnungsschreiben auch selber auf die Möglichkeit der Versorgung mit einer Brille hingewiesen.

Die LASIK-Operation ist eine Heilbehandlung. Darunter ist jegliche ärztliche Tätigkeit anzusehen, die durch die betreffende Krankheit verursacht worden ist und die auf eine Heilung, Besserung oder Linderung einer Krankheit abzielt (st. Rspr., BGHZ 133, 208 Voit in: Prölls/Martin, § 192 VVG Rn. 49 m. w. N.). Linderung bedeutet die unmittelbare Besserung eines krankhaften Zustands. Die LASIK-Operation soll dazu führen, die Kurzsichtigkeit zu korrigieren oder ganz zu beheben. Sie diente auch im vorliegenden Fall jedenfalls der Linderung des Leidens, indem das Ausmaß der Fehlsichtigkeit vermindert werden sollte. Eine solche Linderung ist auch eingetreten, indem beim Kläger postoperativ keine Kurzsichtigkeit mehr vorlag. Vielmehr stellte der Sachverständige bei seiner Untersuchung am rechten Auge Werte von +0,5-0,25/30° und am linken Auge +0,5-0,25/122° fest.

Die Beklagte kann den Kläger auch nicht auf die Versorgung mit einer Brille oder mit Kontaktlinsen verweisen; denn die Versicherungsbedingungen kennen kein Prinzip der Nachrangigkeit. Ein Grundsatz, dass nur die kostengünstigere Behandlung notwendig ist, besteht nämlich versicherungsrechtlich nicht. Denn die Bestimmung in § 1 AVB stellt nur auf die medizinische und nicht auf die wirtschaftliche Notwendigkeit ab (BGH NJW 2003, 1596).

Soweit der gerichtliche Sachverständige trotz der eindeutigen Hinweise des Gerichtes bei der Frage der medizinischen Notwendigkeit eine Risikoabwägung zwischen einer LASIK-Behandlung und einer Versorgung mit Brille oder Kontaktlinsen vornimmt, war er danach gerade nicht gefragt. Dies spielt auch gerade keine Rolle bei der Frage der medizinischen Notwendigkeit einer Heilbehandlung. Der Kläger hat bisher keine Heilbehandlung gehabt; denn die Versorgung mit einer Brille oder mit Kontaktlinsen stellt keine Heilbehandlung dar sondern das zur Verfügung stellen eines Hilfsmittels, das lediglich geeignet ist, eine Ersatzfunktion wahrzunehmen, ohne den eigentlich regelwidrigen Körperzustand zu beseitigen. Die Ausführungen des Sachverständigen zur Risikoabwägung konnten daher bei der hier zu fällenden Entscheidung keine Berücksichtigung finden. Gegen die medizinische Notwendigkeit hätten andere Erkrankungen des Klägers sprechen können, die eine Kontraindikation begründet hätten. Allein das Risiko von Nebenwirkungen oder anderen Komplikationen lassen die medizinische Notwendigkeit nicht entfallen, da eine andere Behandlungsmethode derzeit gar nicht zur Verfügung steht.

Ebensowenig kam es darauf an, ob eine eine Brillen- oder Kontaktlinsenunverträglichkeit des Klägers vorlag, da auch hier darauf zu verweisen ist, dass es keine Nachrangigkeit gibt.

Die insoweit durchgeführte Heilbehandlung erfolgte auch durch einen niedergelassenen approbierten Arzt im Sinne des § 4 I (2) der Versicherungsbedingungen. Niedergelassener Arzt ist insoweit, wer sich öffentlich erkennbar zur Ausübung des ärztlichen Berufes in selbständiger Praxis bereitstellt. Nicht erfasst sind von diesem Begriff Ärzte, die nur gelegentlich tätig werden oder solche, die als angestellte Ärzte, nicht für ihre eigene Praxis oder die eines niedergelassenen – und dann abrechnenden – Arztes tätig werden. Vor diesem Hintergrund sind auch nicht erstattungsfähig Behandlungen unter Inanspruchnahme einer von einer juristischen Person getragenen Therapieeinrichtung. Die Behandlung selber hat Dr. med. C W v M durchgeführt. Dass die Rechnungsstellung durch die O E AG erfolgte ist daher ohne Belang. Für die Erstattungsfähigkeit kommt es nicht darauf an, ob der Rechnungssteller als Verrechnungsstelle als Inkassodienstleister nach dem RDG registriert ist.

Die Entscheidung über die Zinsen folgt aus §§ 280, 286, 288 ZPO.

Nach alldem war der Klage in vollem Umfang statt zu geben.

Kosten § 91 ZPO

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO.

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