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Krankenversicherung – Kostenübernahme Behandlungskosten im Wege einstweiligen Rechtsschutzes

OLG Düsseldorf – Az.: I-4 U 6/15 – Urteil vom 28.07.2016

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11.12.2014 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg – Einzelrichter – abgeändert.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Verfügungskläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Der Verfügungskläger ist bei der Verfügungsbeklagten privat krankenversichert. Auf den Versicherungsvertrag (vgl. Versicherungsschein vom 22.04.2014, Bl. 9 f. GA) finden die MB-KK 2009 Anwendung (Bl. 15 ff. GA). § 4 dieser Bedingungen regelt den Umfang der Leistungspflicht und lautet in Abs. 4 wie folgt:

Bei medizinisch notwendiger stationärer Heilbehandlung hat die versicherte Person freie Wahl unter den öffentlichen und privaten Krankenhäusern, die unter ständiger ärztlicher Leitung stehen, über ausreichend diagnostische und therapeutische Möglichkeiten verfügen und Krankengeschichten führen.

Im Juni 2013 erlitt der Verfügungskläger eine Schädelbasisfraktur nach Trauma. Er wurde am I. N. Institut H. (im Folgenden: INI H.) operiert. Der Verfügungskläger trägt unter Vorlage ärztlicher Stellungnahmen weiter bestehende Beschwerden vor und möchte sich deshalb erneut im INI H. stationär behandeln lassen. Ein anderes Institut sei nicht in der Lage, eine entsprechende Heilbehandlung durchzuführen. Er selbst könne die Kosten nicht übernehmen, da er Arbeitslosengeld II beziehe. Das INI H. macht die stationäre Aufnahme von einer Kostenzusage der Krankenversicherung abhängig (vgl. Bl. 124 GA). Ausweislich der Kostenvorschläge der INI H. fallen (jedenfalls) Kosten in Höhe von 5.381,20 EUR (Bl. 176 GA) und 4.000,- EUR (Bl. 177 GA) für eine stationäre Behandlung an.

Mit seinem am 11.12.2014 verkündeten Urteil, auf das wegen der weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird (Bl. 214 ff. GA), hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg – Einzelrichter – die Verfügungsbeklagte im Wege der einstweiligen Verfügung verpflichtet, eine Heilbehandlung des Verfügungsklägers im I. N. Institut H. im Hinblick auf die infolge der vom Verfügungskläger erlittenen Schädelbasisfraktur aufgetretenen Komplikationen im Bereich der Schädelkalotte und der Entfernung der Flüssigkeitskollektion sowie die weiteren erforderlichen Maßnahmen im Bereich des Schädels, insbesondere die Entfernung der Liquorfistel zuzustimmen, sowie allen weiteren medizinisch notwendigen Maßnahmen, die zur weiteren Versorgung des im Juni 2013 erlittenen Schädel-Hirn-Traumas erforderlich sind, zuzustimmen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäß den §§ 935 ff. ZPO sei zulässig und begründet. Der Verfügungskläger habe hinreichend dargelegt und durch eidesstattliche Versicherung vom 27.11.2014 glaubhaft gemacht, dass er einen Anspruch auf die begehrte Heilbehandlung habe. Nach den ärztlichen Bescheinigungen sei davon auszugehen, dass der Verfügungskläger derzeit trotz intensivster medikamentöser Behandlung mit Opiaten unter ganz intensiven Schmerzen leide, kurzfristig die Beschwerden deutlich zugenommen hätten, der Verfügungskläger das rechte Auge verloren habe sowie unter Liquorverlust leide, so dass eine stationäre Aufnahme in einer Spezialklinik sofort notwendig sei. Als Spezialklinik hätten die Ärzte das INI in H. bezeichnet. Die ganz konkrete nähere Bestimmung der vorzunehmenden Behandlungen müsse den Ärzten vorbehalten bleiben. Der Verfügungskläger habe glaubhaft gemacht, die Kosten der Behandlung nicht selbst tragen zu können. Die Beklagte sei verpflichtet, der Behandlung am INI H. zuzustimmen. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der INI H. nicht um eine Einrichtung im Sinne des § 4 Abs. 4 der MB/KK handele, habe sie weder dargetan noch sonst vorgetragen. Der Verfügungskläger begehre auch nicht bereits jetzt entgegen § 1 Abs. 1 a) MB/KK Freistellung oder Bezahlung von erst noch anfallenden Kosten, sondern lediglich die Zustimmung in eine Heilbehandlung und damit die Zusage, die Kosten auf spätere Abrechnung zu bezahlen.

Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung sei zwar eine Leistungsverfügung, die nur ausnahmsweise zulässig sei. Die Voraussetzungen dafür lägen jedoch vor.

Gegen dieses dem Vertreter der Verfügungsbeklagten am 11.12.2014 zugestellte Urteil hat er mit einem beim Oberlandesgericht Düsseldorf am 12.01.2015 (Montag) eingegangenen Schriftsatz die Berufung eingelegt und sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 11.03.2015 mit einem am 10.03.2015 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Verfügungsbeklagte begehrt die Zurückweisung des Antrags auf Erlass der einstweiligen Verfügung. Das eigentliche Begehren des Klägers richte sich nicht auf eine Zustimmung zu seiner Heilbehandlung, sondern auf eine vorherige Kostenzusage für die Behandlung in einer bestimmten Klinik. Dem Verfügungskläger stünden zahlreiche Krankenhäuser, die dem sogenannten Klinik-Card-Verfahren angeschlossen seien, für die Behandlung zur Verfügung. Er habe nicht dargelegt, dass die geplante Behandlung nur in der INI Klinik in H. durchgeführt werden könne. Auch lasse sich dem Vorbringen des Klägers nur schwer ein medizinisch nachvollziehbarer Behandlungsverlauf entnehmen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt, das angefochtene Urteil des Landgerichts Duisburg abzuändern und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Der Verfügungskläger beantragt, die Berufung der Verfügungsbeklagten zurückzuweisen.

Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags verteidigt er das landgerichtliche Urteil als zutreffend. Mit Schriftsatz vom 20.05.2016 legt er u.a. Stellungnahmen des Facharztes Dr. H. und des Chefarztes der Neurochirurgie der Kliniken D., Prof. M. Sch., zu einer Behandlung durch das INI H. vor, auf die wegen des Inhalts Bezug genommen wird (Bl. 305 ff. GA).

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Berufungsbegründung der Beklagten vom 10.03.2015 (Bl. 269 ff. GA) und auf die Berufungserwiderung des Verfügungsklägers vom 15.04.2015 (Bl. 286 ff. GA) sowie seinen Schriftsatz vom 20.05.2016 (Bl. 302 f. GA) Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung der Verfügungsbeklagten ist begründet.

I.

Der klägerische Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, seiner Heilbehandlung im INI H. zuzustimmen, ist nicht statthaft.

1. Der Verfügungskläger begehrt – wovon auch das Landgericht ausgegangen ist – den Erlass einer Leistungsverfügung.

In der Antragsschrift vom 20.11.2014 (Bl. 7 GA) hat er vorgetragen, dass er selbst nicht in der Lage sei, die Behandlung im INI H. vornehmen zu lassen und bei Nichtübernahme der Kosten in eine Notlage gerate. Materiell ist das Klagebegehren des Verfügungsklägers daher darauf gerichtet ist, verbindlich zu regeln, dass die Antragsgegnerin eine Heilbehandlung in der INI Klinik H. erstatten muss. Der Verfügungskläger will daher die Kostenzusage der Beklagten, wobei dahinstehen kann, ob dieses Klageziel durch die Tenorierung des Landgerichts erreicht wird.

2. Eine Leistungsverfügung, gerichtet auf Kostenerstattung bzw. hier stationärer Behandlung in einem bestimmten Krankenhaus, ist nur unter besonderen Voraussetzungen statthaft. Sie kommt nur bei einer existentiellen Notlage und nur dann in Betracht, wenn fest steht, dass der Versicherungsnehmer die Kosten einer lebenserhaltenden Behandlung nicht selbst tragen kann, die Behandlung als solche eilbedürftig ist und der Versicherer diese Kosten mit hoher Wahrscheinlichkeit wird erstatten müssen (vgl. OLG Bremen, NJW-RR 2012, 1177; OLG Köln, NJW-RR 1995, 546; OLG Jena, NJW-RR 2012, 862; OLG Koblenz, NJOZ 2009, 130; OLG Hamm, NJW 2006, 1201 und NJW 2012, 321).

a) Dabei ist im Ausgangspunkt zu berücksichtigen, dass in der privaten Krankenversicherung kein Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses besteht, sie ist eine Passivenversicherung und verpflichtet den Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer grundsätzlich nur zum Ersatz derjenigen Aufwendungen, die diesem in Bezug auf das versicherte Risiko zur Erfüllung von Verpflichtungen aus berechtigten Ansprüchen Dritter erwachsen (vgl. BGH, VersR 1998, 350, OLG Karlsruhe, BeckRS 2008, 06708). Die Verpflichtung zur Kostentragung vor Behandlungsbeginn im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ist bereits deshalb nur ganz ausnahmsweise möglich. Gleiches gilt, wenn – wie hier – die grundsätzliche Verpflichtung zur Übernahme stationärer Behandlungskosten in einem bestimmten Krankenhaus begehrt wird.

b) Der Verfügungsantrag ist nicht statthaft, weil nicht ersichtlich ist, dass dem Verfügungskläger eine ausreichende medizinische Behandlung, auch im Wege der stationären Versorgung, nicht zur Verfügung steht.

Auch nach Hinweis in der prozessleitende Verfügung vom 07.04.2010 (Bl. 293 GA) hat der Verfügungskläger nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass eine medizinische Behandlung ausschließlich in der INI H. vorgenommen werden kann. Dafür genügt nicht, dass die Klinik über eine ausreichende Expertise verfügt und den Verfügungskläger bereits behandelt hat. Es mag für den Verfügungskläger zwar wünschenswert sein, dort erneut behandelt zu werden. Dass das medizinisch zwingend als einzige Möglichkeit geboten ist, hat er jedoch nicht glaubhaft gemacht. Eine zwingende medizinische Notwendigkeit, sich nur im INI H. behandeln zu lassen, ergibt sich auch nicht aus den nunmehr vorgelegten Stellungnahmen. Prof. Dr. St., Direktor der Neurochirurgischen Klinik K. hat in seiner e-mail vom 21.12.2014 nur ganz allgemein ausgeführt, er halte eine Vorstellung beim Voroperateur am sinnvollsten (Bl. 305 GA). Aus der Antwort ergibt sich nicht, dass andere neurochirurgischen Kliniken, so auch das Klinikum K., für eine entsprechenden Untersuchung und Behandlung nicht ausreichend qualifiziert sind. Auch der niedergelassene Facharzt für Neurochirurgie Dr. H. hat in seiner e-mail vom 21.12.2014 (Bl. 307 GA) lediglich ausgeführt, der Verfügungskläger solle sich „vertrauensvoll“ an seinen Operateur wenden. Prof. Dr. Sch., Chefarzt der Neurochirurgie D. hat ebenfalls nur allgemein ausgeführt, der Verfügungskläger sei bei Prof. Sa. „sicherlich in hervorragender Betreuung“ und es mache immer Sinn, sich in der vorbehandelnden Klinik vorzustellen (Bl. 309 GA). Gleiches gilt für die Aussage des Oberarztes B. (Bl. 312).

Allen Stellungnahmen ist gemein, dass sie es zwar für sinnvoll, nicht aber für zwingend notwendig halten, sich an den Voroperateur zu wenden. Aus ihnen ergibt sich nicht, dass einzig vertretbar die Behandlung in der INI Klinik H. ist. Das ist auch nach den Erkenntnissen des Senats aus anderen Verfahren, in denen Chefärzte neurochirurgischer Kliniken Gutachten erstattet haben und angehört wurden, gänzlich unwahrscheinlich. Es ist vom Verfügungskläger in keiner Weise vorgetragen worden, aus welchem Grunde die INI H. über eine Expertise verfügt, die bei der doch allgemeineren, wenn auch sehr schwerwiegenden Erkrankung, die beim Verfügungskläger bestehen soll, nur dort die Behandlung ermöglicht. Der Verfügungskläger hat weder ausreichend vorgetragen, dass dies mit nur dort gegebenen Fähigkeiten des Operateurs zusammenhängt, noch, dass sich dies aus einer entsprechenden apparativen Ausstattung der Klinik ergibt.

c) Hinzu kommt, dass die Beklagte, ohne dass der Verfügungskläger dem entgegen getreten ist, vorgetragen hat dass er den neurochirurgischen Eingriff auch ohne Vorleistung in Krankenhäusern, die dem sogenannten Klinik-Card-Verfahren angeschlossen sind, vornehmen lassen kann. Die Klinik-Card dient als Nachweis der Versicherung und als Ermächtigung für das Krankenhaus, angefallene oder noch anfallende Leistungen direkt mit der Krankenversicherung abzurechnen. Sie führt damit zu einer Kostenübernahme des Versicherers gegenüber dem Krankenhaus. Im Ergebnis ist damit sichergestellt, dass sich der Verfügungskläger auch bei den dem Verfahren angeschlossenen Krankenhäusern behandeln lassen kann.

d) Stehen dem Verfügungskläger aber ausreichende Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, bestehen keine drohenden und schwerwiegenden Nachteile für die Gesundheit. Damit fehlt es an einer im Rahmen der Leistungsverfügung erforderlichen existenziellen Notlage.

Sie ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass die Behandlung in der INI H. nach § 4 Abs. 4 der MB/KK grundsätzlich – im Rahmen der vereinbarten tariflichen Leistungen – erstattungsfähig sein kann. Gerade deshalb, weil durch die Leistungsverfügung die Hauptsache vorweggenommen wird und sich die Verpflichtung der privaten Krankenkostenversicherung dann nicht mehr auf den nachträglichen Ersatz von Aufwendungen erstreckt, fehlt das Bedürfnis für eine Kostenzusage für ein bestimmtes Krankenhaus, wenn der Verfügungskläger ausreichend in anderen Krankenhäusern behandelt werden kann. Dem Verfügungskläger stehen dann andere Möglichkeiten, drohende gesundheitliche Nachteile abzuwenden, zur Verfügung.

Damit kann der Verfügungskläger aber im Wege der einstweiligen Verfügung (Leistungsverfügung) nicht erreichen, dass die Beklagte bereits jetzt die Zustimmung zu einer entsprechenden Behandlung in der Klinik erklärt, weil er gesundheitliche Nachteile auch dadurch vermeiden kann, dass er sich in einer anderen Klinik behandeln lässt.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die übrigen Nebenentscheidungen aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Es bestehen keine Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Streitwert für die Berufungsinstanz: bis 13.000 Euro.

 

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