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Krankenversicherung – Kostenerstattung für physiotherapeutische Maßnahmen

LG Hamburg – Az.: 314 O 69/16 – Urteil vom 01.08.2018

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.223,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf € 3.291,00 seit 27.05.2016, auf weitere € 770,00 seit dem 18.08.2016, auf weitere € 805,00 und € 1.075,00 seit dem 19.10.2016 und auf weitere € 2.282,00 seit dem 3.4.2017 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 40 % und die Beklagte 60% zu tragen.

3. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags für die Beklagte ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 13.591,20 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem privaten Krankenversicherungsvertrag für physiotherapeutische Leistungen.

Zwischen den Parteien besteht ein privater Krankenversicherungsvertrag nach dem Tarif KNA. Dem Vertrag liegen die Versicherungsbedingungen 2009 gem. Anlage K1 zugrunde. Nach § 2. 1d der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) sind unter anderem Heilmittel erstattungsfähig. Nach Teil II. § 5 Abs. 3 zu § 4 RB/KK 2009 der AVB gelten als Heilmittel die in der Gebührenordnung für Ärzte unter Abschnitt E „physikalisch-medizinische Leistungen„ aufgeführten Leistungen. Nach § 1 Abs. 2 der AVB ist der Versicherungsfall die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen.

Der Kläger hat nach Einsatz einer Knieplastik umfangreiche physiotherapeutische Behandlungen in Anspruch genommen. Dem Kläger wurden von seinem behandelnden Arzt Dr. M. S. regelmäßig physiotherapeutische Behandlungen verschrieben, die der Kläger beim ST A. T. W. GmbH (im folgenden ST) vornehmen lässt. Die Behandlungen umfassten unter anderem eine ambulante Reha, manuelle Therapie, Lymphdrainage, Krankengymnastik, Krankengymnastik am Gerät und Fangopackung. Die Beklagte erstattete die verordneten Behandlungen zunächst dem Grunde nach in vollem Umfang, allerdings nur in Höhe der beihilfefähigen Sätze, später reduzierte sie auch die Erstattung der verordneten Behandlungen dem Grunde nach, weil sie die verordneten Maßnahmen aufgrund eines von ihr eingeholten Gutachtens nicht mehr für medizinisch notwendig hielt.

Der Kläger ist der Auffassung, sämtliche verordneten physiotherapeutischen Behandlungen seien medizinisch notwendige Heilbehandlungen gewesen. Die medizinischen Befunde und Erkenntnisse seien jedenfalls im Zeitpunkt der Behandlung vertretbar gewesen und daher als notwendig anzusehen. Nach Einsatz der Knieprothese sei es auch wegen postoperativer Vernarbungen zu einem verzögerten Heilungsverlauf mit anhaltender Schwellung, Taubheit, Bewegungsschmerz, Muskelminderung und erheblichen Funktionseinschränkungen gekommen, so dass die verordneten Maßnahmen notwendig gewesen sein und auch weiterhin notwendig seien. Die Beurteilung des Gutachters der Beklagten sei nicht aussagekräftig, sie beruhe nicht auf einer eigenen Untersuchung, sondern lediglich auf der Auswertung von Unterlagen der berichtenden Ärzte und Physiotherapeuten. Die diagnostizierten geringen Restbeschwerden seien falsch. Vielmehr hätten der behandelnde Arzt Dr. S. und das ST bestätigt, dass noch erhebliche Restbeschwerden vorliegen, die die verordneten Maßnahmen als erforderlich ansehen lassen.

Die Beklagte schulde auch Ersatz der in Rechnung gestellten Beträge in voller Höhe, sie sei nicht berechtigt die Erstattungen auf die beihilfefähigen Sätze zu reduzieren. Eine solche Begrenzung ergebe sich nicht aus dem Versicherungsvertrag. Bei physiotherapeutischen Behandlungen gebe es anders als bei ärztlichen Leistungen keine Gebührenordnung, so dass jedenfalls die übliche Vergütung geschuldet sei. Diese habe die Versicherung zu erstatten. Eine Grenze bestehe lediglich bei überhöhten Vergütungen. Die von ST berechneten Preise lägen alle innerhalb der ortsüblichen Spanne. Soweit in den AVB die Erstattungssätze auf die GOÄ begrenzt sein, sei diese Begrenzung unwirksam, auch habe die Beklagte auf ihre Anwendung verzichtet.

Es seien nach den Versicherungsbedingungen auch die Behandlungen von Physiotherapeuten zu erstatten. Dies folge bereits daraus, dass der Physiotherapeut eine weitergehende Ausbildung als ein Masseur oder medizinischer Bademeister habe und sämtliche Leistung durchführen dürfe die auch dieser durchführt. Auch habe der Kläger darauf vertrauen dürfen, dass die Beklagte sich nicht auf die Vorschrift in den AVB berufen würde. Schließlich habe sie anstandslos über längere Zeit die Leistungen dieser Therapeuten bezahlt. Außerdem erfolge die Behandlung des Klägers im ST unter Überwachung und Begleitung eines anwesenden Facharztes für Orthopädie und Sportmedizin. Die Klausel sei auch nicht wirksam, da sie überraschend sei. Die Beklagte erwecke den Eindruck, dass sie ein besonders umfangreiches Leistungsangebot habe. Offensichtlich hätten nicht einmal die Sachbearbeiter der Beklagte mit einem solchen Leistungsausschuss gerechnet, da sie diesen in der Vergangenheit nie geltend gemacht hätten.

Der Kläger begehrte daher zunächst Zahlung der Kürzungen der Rechnungen gem. Anlagen K2 bis K9 in Höhe von Euro 3.591,20 (Restbetrag von € 4.691,20 abzüglich des Selbstbehalts von € 1.100,00 für 2015). Weiterhin begehrt der Kläger die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist die Kosten für die physiotherapeutischen Behandlungen bei dem Kläger in Höhe der ortsüblichen Sätze zu erstatten und alle ärztlich verordneten physiotherapeutischen Behandlungen als erstattungsfähig zu behandeln. Das Feststellungsinteresse begründe sich daraus, dass die Beklagte sich generell weigere, die vom Kläger begehrten Erstattungssätze und die medizinische Notwendigkeit weiterer physiotherapeutischer Maßnahmen anzuerkennen.

Im Laufe des Rechtsstreits hat der Kläger die Klage um weitere eingereichten Rechnungen gemäß Anlagenkonvolut K 21 – K 23, K 26, K 28, K 29 und K 31 – K 34 erweitert.

Der Kläger beantragt zuletzt,

1. die Beklagte wird verurteilt an den Kläger 8.619,22 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.591,20 € seit Rechtshängigkeit, aus weiteren 777,00 € seit Zustellung des Schriftsatzes vom 8. August 2016, aus weiteren 894,02 € seit Zustellung des Schriftsatzes vom 9. September 2016, aus weiteren 1075,00 € seit Zustellung des Schriftsatzes vom 9. Oktober 2016 und aus weiteren 2282,00 € seit Zustellung des Schriftsatzes vom 25.3.2017 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für physiotherapeutische Behandlungen bei dem Kläger pro Behandlung in folgender Höhe zu erstatten: Krankengymnastik 27,00 €, Krankengymnastik am Gerät: 45,00 € Fango: 15,50 €, Lymphdrainage 30: 28,00 €, manuelle Therapie: 31,00 €. Es wird weiter festgestellt, dass diese Sätze im Laufe der Jahre entsprechend der ortsüblichen Entwicklung der Preise für solche Behandlungen zu erhöhen sind.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, betreffend den Kläger alle für ärztlich verordneten physiotherapeutischen Behandlungen (Krankengymnastik, Krankengymnastik am Gerät, Fango, Lymphdrainage, manuelle Therapie) als erstattungsfähig zu behandeln.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält die Klage für unbegründet. Sie ist der Auffassung, dass sie die Kosten für sämtliche medizinisch notwendige Behandlungen in ausreichendem Umfang erstattet habe, darüber hinausgehende Ansprüche bestünden nicht.

Die Beklagte hält die Kosten für manuelle Therapie grundsätzlich für nicht erstattungsfähig. Gemäß § 5 Abs. 3 der Allgemeinen Bedingungen sein erstattungsfähig nur diejenigen Heilmittel, die im Gebührenverzeichnis der geltenden Gebührenverordnung für Ärzte unter Abschnitt E „physikalisch-medizinische Leistungen“ aufgeführt sein. Hierzu gehöre die manuelle Therapie nicht. Darüber hinaus seien sämtliche dort aufgeführte Leistungen nur dann erstattungsfähig, wenn sie von einem Arzt oder Heilpraktiker verordnet werden, bzw. von einem staatlich geprüften Masseur oder von einem staatlich geprüften Bademeister erbracht worden seien. Dieser Nachweis sei von der Klägerseite nicht geführt worden. Die Behandlung durch Physiotherapeuten sei nach den Bedingungen nicht erstattungspflichtig. Soweit die Beklagte entgegenkommenderweise freiwillig dennoch diese Leistungen bezahlt habe, habe sie diese zulässigerweise auf die beihilfefähigen Höchstsätze beschränkt. Sie erstatte demgemäß für Krankengymnastik am Gerät 35,00 €, für Krankengymnastik 19,50 € für Fango 11,80 € für manuelle Therapie 22,50 € und für Lymphdrainage 19,50 €. Diese Begrenzung sei rechtlich wirksam und sei dem Kläger auch mitgeteilt worden.

Im Übrigen hätten die physiotherapeutischen Behandlungen das medizinisch notwendige Maß überschritten. Soweit die Heilbehandlungen nicht erstattet worden seien, seien sie medizinisch nicht notwendig gewesen. Die medizinische Notwendigkeit sei jeweils zum Verordnungszeitpunkt zu beurteilen. Diese sei nicht nachgewiesen.

Zuletzt hat die Beklagte bestritten, dass der Kläger die abgerechneten Behandlungen überhaupt erhalten hat.

Die Beklagte hält die Feststellungsanträge gemäß Ziffer 2 und 3 für unzulässig. Ein Rechtsschutzbedürfnis sei nicht ersichtlich. Der Klageantrag zu 2 sei zu unbestimmt und bereits deshalb unzulässig. Jedenfalls müsse der Anspruch auf bedingungsgemäß zu erstattende Leistungen begrenzt werden. Auch sei die Beklagte nicht zur Erbringung von Leistungen für künftige Behandlung verpflichtet, sondern lediglich für tatsächlich durchgeführte Behandlungen. Der Klageantrag zu 3 sei schon deshalb unzulässig, da die Beklagte niemals bestritten habe, dass sie verpflichtet sei dem Kläger nach Maßgabe der vereinbarten Vertragsbedingungen die tariflich versprochenen Leistungen zu erbringen. Jedenfalls reiche für die Erstattungspflicht nicht bereits die ärztliche Verordnung, Voraussetzung sei weiterhin die medizinische Notwendigkeit.

Hinsichtlich des Parteivortrags im Übrigen wird verwiesen auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf die schriftlichen Gutachten vom 3.5.2017 (Blatt 72 ff. d. A.), vom 19.12.2017 (Blatt 131 ff. d. A.) und den mündlichen Erläuterungen in der Sitzung vom 20.6.2018 Blatt 173 ff. d. A.).

Entscheidungsgründe

Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

1. Zahlungsanspruch:

Es ist ein Zahlungsanspruch in Höhe von € 8.223,00 begründet. Dieser ergibt sich aus dem tariflichen Anspruch nach den geltenden Versicherungsbedingungen.

Erstattungsfähig sind grundsätzlich Kosten für medizinisch notwendige Heilmittel die ärztlich verordnet wurden. Die ärztliche Verordnung der abgerechneten Hilfsmittel ist unstreitig.

Nach den geltenden Versicherungsbedingungen Teil II: § 5 Abs. 3, § 4 Abs. 2 sind erstattungsfähig diejenigen Heilmittel, die in der GOÄ genannt sind und von einem Arzt, einem Heilpraktiker oder einem staatlichen Masseur oder einem medizinischen Bademeister erbracht werden. In der GOÄ sind die manuelle Therapie und die AR EAP-PR sowie der Isokinetiktest nicht aufgeführt. Diese Leistungen sind daher grundsätzlich nicht erstattungsfähig, bzw. die Begrenzung der Erstattungsfähigkeit ist zulässig.

Grundsätzlich bestimmen die Vertragspartner auch im Versicherungsrecht den Inhalt ihres Vertrages selbst. Soweit der Versicherer verschiedene Tarife mit unterschiedlichen Leistungsinhalten vorhält, kann der potentielle Versicherungsnehmer auswählen, welche Leistungen zu welchen Konditionen er benötigt. Vorformulierte Versicherungsbedingungen müssen zwar mit dem Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbar sein, ein solcher Verstoß ist hier aber nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Klausel nicht überraschend. Ein vernünftiger Versicherungsnehmer wird davon ausgehen, dass das allgemein weit gesteckte Leistungsversprechen näherer Ausgestaltung bedürfen und auch Einschränkungen unterliegen. Darauf wird der Versicherte unter § 4, „Umfang der Leistungspflicht“ ausdrücklich hingewiesen. In Teil II § 5 Abs. 3 zu § 4 der AVB ist ausgeführt, dass als Heilmittel nur die im Gebührenverzeichnis der geltenden Gebührenordnung für Ärzte unter Abschnitt E „physikalisch-medizinische Leistungen“ aufgeführten Leistungen zu verstehen sind. Eine Erwartungshaltung, ihm würden die Aufwendungen für jede Behandlung ersetzt, kann der Versicherte daraus vernünftigerweise nicht entwickeln (vgl. insoweit auch BGH , Urteil vom 27.10.2004, IV ZR 141/03; HansOlG, Beschluss vom 5.4.2016, 9 U 1/16). Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte diese Leistungen freiwillig erstattet. Insoweit erfolgt die Leistung freiwillig und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht. Die Erstattung der Auslagen in bestimmter Höhe ist damit nicht zugesagt. Im Gegenteil, zugesagt sind lediglich Leistungen in Höhe des beihilfefähigen Satzes, die die Beklagte auch erstattet hat. Darüber hinausgehende Verpflichtungen bestehen nach den Versicherungsbedingungen nicht.

Die Kosten für andere Behandlungen, insbesondere Krankengymnastik, Krankengymnastik am Gerät, Lymphdrainage und Fangeopackungen sind Leistungen, die in der GOÄ grundsätzlich vorgesehen sind. Unschädlich ist insoweit, dass diese Leistungen hier durch einen Physiotherapeuten und nicht durch einen Arzt oder einen Masseur durchgeführt wurden. Nach den Versicherungsbedingungen sind diese Leistungen ersatzfähig, wenn sie durch einen Masseur erbracht werden. Ein Physiotherapeut darf jedoch unbestritten alle Leistungen durchführen, die ein Masseur durchführen kann, seine Ausbildung beinhaltet diejenige eines Masseurs. Daher können die Versicherungsbedingungen aus der Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers nur so zu verstehen sein, dass die Leistungen auch dann erstattet werden, wenn ein höher qualifizierter Therapeut, der Leistungen eines Masseurs erbringen kann, diese Behandlungen durchführt.

Nach Durchführung der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die verordneten und abgerechneten Leistungen erbracht wurden und medizinisch notwendige Heilbehandlungen darstellten.

Für die meisten abgerechneten Heilmittel legt der Kläger neben Kopien der ärztlichen Verordnungen die auf der Rückseite der Rezepte unterschriebenen Behandlungstermine und die dazugehörigen Rechnungen vor. Weiterhin hat der Kläger in seiner Anhörung glaubhaft versichert, dass alle abgerechneten Behandlungen erbracht und auch bezahlt wurden. Soweit der Kläger Rezepte nicht mehr vorlegen kann, hat er glaubhaft versichert, dass er die Rezepte bei der Beklagten im Original eingereicht hat. Dies ist auch nicht streitig. Es wäre daher Sache der Beklagten eine Verordnung und Behandlung substantiiert zu bestreiten. Da sie die Verordnung und die Behandlung während des gesamten Prozesses zunächst nicht bestritten hat, ist ein letztendliches Bestreiten unsubstantiiert. Soweit das Gericht zunächst für zwei Behandlungstermine am 13.7. und 15.7.2016 in den Rechnungen P. und P. eine Doppelberechnung vermutet hat, ergibt sich aus der Rückseite des Rezeptes vom 11.05.2016, dass die letzten zwei berechneten Behandlungen nicht am 13.7. und 15.7.2016, sondern am 6.7. und 8.7.2016 stattgefunden haben. Insoweit liegt keine Doppelberechnung vor.

Krankenversicherung - Kostenerstattung für physiotherapeutische Maßnahmen
(Symbolfoto: Von Photographee.eu/Shutterstock.com)

Der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. P. hat in seinen Gutachten vom 3.5.2017 und 19.12.2017 und insbesondere in der mündlichen Erläuterung der Gutachten für das Gericht auch nachvollziehbar die medizinische Notwendigkeit der abgerechneten Heilmittel, insbesondere Krankengymnastik, Krankengymnastik am Gerät, Lymphdrainage und Fangopackungen in vollem Umfang bestätigt. Er hat insbesondere nachvollziehbar erläutert, wozu die parallelen unterschiedlichen Behandlungen dienten.

Die Lymphdrainage dient dazu, die vorhanden gewesene Schwellung zu reduzieren. Dass eine Schwellung bei dem Kläger zu den jeweiligen Verordnungszeitpunkten noch vorlag, schloss der Gutachter nachvollziehbar zum einen aus dem Schreiben der A. Orthopädie vom 21.7.2015 (Anlage K 13) sowie aus den Ergebnissen seiner eigenen Untersuchung, wonach zum Zeitpunkt der eigenen Untersuchung am 3.5.2017 noch eine Restschwellung vorhanden war und zu diesem Zeitpunkt sogar noch 2 – 3 Lymphdrainagebehandlungen erforderlich waren. Bei einer ausgeprägten Schwellung hielt der Gutachter eine Behandlung zweimal die Woche, bei einer reduzierten Schwellung eine wöchentliche Behandlung für erforderlich. Der Gutachter konnte zwar keine Beurteilungen zu den jeweiligen Verordnungszeitpunkten aus eigener Wahrnehmung abgeben, er hat jedoch nachvollziehbar dargelegt, dass aufgrund des Zustandes des Knies zum Untersuchungszeitpunkt mit der vorhandenen Restschwellung auszuschließen sei, dass der Zustand vorher so viel besser war, dass die verschriebenen Maßnahmen nicht erforderlich gewesen seien. Der Kläger hat für August bis Dezember 2015 noch 36 Behandlungen und für 2016 63 Behandlungen erhalten. Das entspricht ungefähr einer Behandlungsintensität wie sie nach Erläuterung des Gutachters noch bei einer leichten Schwellung erforderlich ist. Daher ist für das Gericht die medizinische Notwendigkeit der verordneten Lymphdrainagebehandlungen im verordneten Umfang bewiesen.

Gleiches gilt für die verordneten Fangopackungen im gleichen Umfang. Der Gutachter hat nachvollziehbar dargelegt, dass vor jeder Lymphdrainagebehandlung vorbereitend die Fangopackungen zum Rückgang der Schwellung notwendig ist, so dass dann der Therapeut besser an die Lymphe herankommt und somit die Lymphdrainage effektiver durchführen kann.

Es steht auch zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die jeweils 36 in 2015 und 63 bzw. 61 in 2016 weiter verordneten Krankengymnastikbehandlungen und Krankengymnastik an Gerät medizinisch notwendig waren. Der Gutachter hat in seiner mündlichen Erläuterung hierzu ausgeführt, dass Krankengymnastik und Krankengymnastik am Gerät 2 unterschiedliche Therapieansätze verfolgen. Die Krankengymnastik dient dazu die Beweglichkeit des Knies zu erhöhen, in dem die Muskeln gelockert und mobilisiert werden, die Krankengymnastik am Gerät dient vorwiegend dem Muskelaufbau. Solange die Beweglichkeit des Knies eingeschränkt ist und der Muskelaufbau nicht abgeschlossen ist, sind beide Behandlungen parallel notwendig. Die Krankengymnastik am Gerät war zur Aufbau der Muskulatur notwendig, da die Muskulatur durch die Operation und den Einbau der Prothese geschrumpft war, sodass der untere Prothesenteil wackelte. Die Krankengymnastik am Gerät diente daher dazu diese Muskeln wieder aufzubauen. Der Gutachter hat nachvollziehbar ausgeführt, dass aus der Röntgenaufnahme vom 15.10.2015 folgt, dass der Muskelaufbau an der Prothese noch nicht abgeschlossen war. Zu diesem Zeitpunkt hielt er sogar eine Krankengymnastik am Gerät für zweimal wöchentlich für erforderlich. Auch aufgrund seiner eigenen Untersuchungen hat sich zum Untersuchungszeitpunkt für das Knie mit der Knieprothese ein deutlich verminderter Muskelumfang ergeben, sodass jedenfalls für den vergangenen Zeitraum die medizinische Notwendigkeit einer wöchentlichen Krankengymnastik am Gerät für das Gericht nach den Ausführungen des Sachverständigen nachvollziehbar jedenfalls als vertretbar erscheint. Gleiches gilt für die Krankengymnastik. Auch hier führt der Sachverständige nachvollziehbar aus, dass er aus dem Zustand zum Zeitpunkt seiner Untersuchung den Rückschluss ziehen kann, dass im vorangegangenen Zeitraum eine wöchentliche Mobilisation des Klägers durch Krankengymnastik erforderlich war um die Muskulatur zu lockern und die Mobilisation zu steigern.

Die Rechnungen sind auch in voller Höhe zu erstatten und sind nicht auf die beihilfefähigen Sätze begrenzt. Eine Begrenzung auf die Beihilfesätze ist nach Auffassung des Gerichts nach den Versicherungsbedingungen nicht vereinbart. Zur Höhe regeln die Bedingungen in Teil II § 5 Abs.1 zu § 4 RB/KK 2009, dass Gebühren erstattungsfähig sind, die den jeweils geltenden Gebührenordnungen entsprechen. Wenn die Höchstsätze der jeweiligen Gebührenordnung überschritten sind, besteht insoweit keine Erstattungsfähigkeit.

Eine Gebührenordnung für Physiotherapeuten bzw. Masseure existiert jedoch nicht. Die GOÄ findet zwar für Ärzte aber nicht für andere Therapeuten Anwendung (vgl. auch LG Frankfurt, Urteil vom 17.11.2016, 2-23 O 71/16; LG Köln, Urteil vom 17.6.2009, 23 O 380/08; vgl. auch LG Coburg, Urteil vom 13.11.2014, 32 S 57/14). Daher greift lediglich die Grenze gemäß § 5 Abs.2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen ein, wonach Aufwendungen nur dann nicht erstattet werden, wenn die Aufwendungen für die Heilbehandlung oder sonstigen Leistungen in einem auffälligen Missverhältnis zu den erbrachten Leistungen stehen. Ein auffälliges Missverhältnis vermag das Gericht hier bei den Sätzen der ST nicht zu erkennen. Insoweit kommt es für den Vergleich auf die Preise für Privatversicherte und Selbstzahler an. Der Bereich der Abrechnungspraxis in der gesetzlichen Krankenversicherung hat außer Betracht zu bleiben, weil es dort keine Vergütungsvereinbarung zwischen Behandler und Patient gibt und zum anderen die Abrechnung der Leistung unter Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte unter Beteiligung des Gesetzgebers festgelegt wird (vgl. LG Frankfurt, Urteil vom 20.3.2002, 2/1 S 124/01). Auf die Ortsüblichkeit kommt es insoweit nicht an (vgl. auch AG Dortmund, Urteil vom 18.07.2017, 425 C 2687/17).

Danach ergeben sich folgende noch zu erstattende Beträge:

  • – Rechnr. P.: keine zusätzliche Erstattung, die Begrenzung auf den beihilfefähigen Satz ist hier zulässig, da die Leistung freiwillig erfolgte.
  • – Rechnr. P.: € 241,00 für Lymphdrainage
  • – Rechnr. P.: € 100,00 für Krankengymnastik am Gerät
  • – Rechnr. P.: € 197,00 für Lymphdrainage , Krankengymnastik am Gerät und Fangopackung
  • – Rechnr. P.: € 51,00, keine Erstattung für Mehrbeträge Manuelle Therapie
  • – Rechnr. P.: € 85,00, keine Erstattung für Mehrbeträge Manuelle Therapie
  • – Rechnr. P.: € 163,00 für Lymphdrainage , Krankengymnastik am Gerät und Fangopackung
  • – Rechnr. P.: € 100,00 für Krankengymnastik am Gerät
  • – Rechnr. P.: € 510,00 für Lymphdrainage , Krankengymnastik und Fangopackung
  • – Rechnr. P.: € 100,00 für Krankengymnastik am Gerät
  • – Rechnr. P.: € 510,00 für Lymphdrainage , Krankengymnastik und Fangopackung
  • – Rechnr. P.: € 100,00 für Krankengymnastik am Gerät
  • – Rechnr. P.: € 705,00 für Lymphdrainage , Krankengymnastik und Fangopackung
  • – Rechnr. P.: € 240,00 für Krankengymnastik am Gerät, den Selbstbehalt von jährlich insgesamt € 1.100,00 hat der Kläger am ende in voller Höhe selbst abgezogen.
  • – Rechnr. P.: € 425,00 für Krankengymnastik und Fangopackung
  • – Rechnr. P.: € 100,00 für Krankengymnastik am Gerät, für die überschießende Erstattung für den Therapeutenbericht hat der Kläger keine rechtliche Grundlage dargelegt und eine solche ist nicht ersichtlich
  • – Rechnr. P.: € 280,00 für Lymphdrainage
  • – Rechnr. P.: € 204,00 für Lymphdrainage , Krankengymnastik und Fangopackung
  • – Rechnr. P.: € 306,00 für Lymphdrainage , Krankengymnastik und Fangopackung
  • – Rechnr. P.: € 677,00 für Lymphdrainage , Krankengymnastik und Fangopackung
  • – Rechnr. P.: € 100,00 für Krankengymnastik am Gerät
  • – Rechnr. P.: keine Erstattung, es ist nicht ersichtlich oder dargetan, dass es sich bei dem Isokinetiktest um eine nach der GOÄ zu erstattende Leistung handelt.
  • – Rechnr. P.: € 100,00 für Krankengymnastik am Gerät
  • – Rechnr. P.: € 280,00 für Lymphdrainage
  • – Rechnr. P.: € 425,00 für Krankengymnastik und Fangopackung
  • – Rechnr. P.: € 370,00 für Krankengymnastik am Gerät
  • – Rechnr. P.: € 425,00 für Krankengymnastik und Fangopackung
  • – Rechnr. P.: € 280,00 für Lymphdrainage
  • – Rechnr. P.: € 425,00 für Krankengymnastik und Fangopackung
  • – Rechnr. P.: € 280,00 für Lymphdrainage
  • – Rechnr. P.: € 450,00 für Krankengymnastik am Gerät
  • – Rechnr. P.: € 425,00 für Krankengymnastik und Fangopackung
  • – Rechnr. P.: € 450,00 für Krankengymnastik am Gerät
  • – Rechnr. P.: € 252,00 für Lymphdrainage

Damit ergibt sich unter Berücksichtigung des von dem Kläger selbst abgezogenen Selbstbehalts von € 1.100,00 für 2105 ein restlicher Forderungsbetrag in Höhe von insgesamt € 8.223,00.

2. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 BGB.

3. Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für physiotherapeutische Behandlungen bei dem Kläger pro Behandlung in bestimmter Höhe zu erstatten und diese Sätze im Laufe der Jahre entsprechend der ortsüblichen Entwicklung der Preise für solche Behandlungen zu erhöhen sind, ist der Feststellungsantrag unbegründet. Bei der hier bestehenden Krankheitskostenvollversicherung sind für physiotherapeutische Behandlungen grundsätzlich nicht bestimmte Sätze geschuldet, da es für diese Behandlungen keine Gebührenordnung gibt. Daher sind, wie oben erläutert, die von den Therapeuten für erstattungsfähige Heilmittel jeweils konkret berechneten Gebühren in den Grenzen des § 5 Abs. 2 der AVB zu erstatten. Diese können von Therapeut zu Therapeut variieren. Ein Anspruch auf Erstattung bestimmter Sätze für alle physiotherapeutischen Behandlungen bei dem Kläger – unabhängig davon in welcher Höhe der Therapeut die verordneten Leistungen berechnet hat – schuldet die Beklagte daher nicht.

4. Der Feststellungsantrag zu 4. ist unbegründet bzw. unzulässig. Die Beklagte ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zur Erstattung aller ärztlich verordneten physiotherapeutischen Behandlungen verpflichtet. Aus dem Versicherungsvertrag und den zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen ergibt sich eine Leistungsverpflichtung lediglich für die medizinisch notwendigen Heilmittel. Insoweit bedarf es im Einzelfall der Überprüfung der medizinischen Notwendigkeit. Ihre grundsätzliche tarifliche Leistungspflicht im Rahmen der medizinischen Notwendigkeit lehnt die Beklagte nicht ab. Insoweit fehlt es für einen solchen Feststellungsantrag an einem Feststellungsinteresse.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91,92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 709, 708 Ziff. 11, 711 ZPO. Der Streitwert für die Klage beträgt € 13.619,22. Dabei fällt auf den Zahlungsantrag € 8.619,22, auf die beiden Feststellungsanträge jeweils € 2.500,00.

 

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