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Krankenversicherung – Erstattungsfähigkeit manuelle Therapie und Krankengymnastikgerät

LG Dortmund – Az.: 2 S 10/17 – Urteil vom 30.11.2017

Das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 21.02.2017 wird abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.048,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 21.11.2015 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die am 00.00.1969 geborene Klägerin unterhielt bei der Beklagten seit 01.05.2005 eine Krankenversicherung mit dem Tarif VS 1200. Grundlage waren der Versicherungsschein vom 15.01.2007 (Anlage … 8, Blatt 119 a bis 121 a der Akten), die MBKK 94 (Blatt 10 bis 13 der Akten) und die Tarifbedingungen (Anlage B 1, Blatt 61 bis 63 der Akten) unter anderem mit folgenden Regelungen:

§ 1 Gegenstand, Umfang und Geltungsbereich des Versicherungsschutzes Teil I

(1) Der Versicherer … Er gewährt im Versicherungsfall

a) in der Krankheitskostenversicherung Ersatz von Aufwendungen für Heilbehandlung und …

(3) der Umfang des Versicherungsschutzes ergibt sich aus dem Versicherungsschein, späteren schriftlichen Vereinbarungen, den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (Musterbedingungen mit Anhang, Tarif mit Tarifbedingungen) sowie den gesetzlichen Vorschriften … .“

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin den Ersatz der ärztlich verordneten und durchgeführten manuellen Therapie und Krankengymnastik. In Rechnung gestellt wurden der Klägerin von der Firma N am

16.12.2014, Anlage K 2, Blatt 24 der Akten, 12 x 73,60 EUR = 883,20 EUR

08.05.2015, Anlage K 3, Blatt 25 der Akten, 12 x 73,60 EUR = 883,20 EUR

21.05.2015, Anlage K 4, Blatt 26 der Akten, 12 x 60,00 EUR = 720,00 EUR

07.07.2015, Anlage K 5, Blatt 28 der Akten, 12 x 73,60 EUR = 883,20 EUR

25.09.2015, Anlage K 6, Blatt 29 der Akten, 12 X 73,60 EUR = 883,20 EUR25.09.2015, Anlage K 7, Blatt 30 der Akten, 12 X 60,00 EUR = 720,00 EUR

Summe 4.972,80 EUR.

Krankenversicherung - Erstattungsfähigkeit manuelle Therapie und Krankengymnastikgerät
(Symbolfoto: Lopolo/Shutterstock.com)

Die Beklagte erstattete für die manuelle Therapie 29,00 EUR x 2 = 58,00 EUR und für die Krankengymnastik 44,00 EUR. Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Zahlung der rechnerisch unstreitigen Differenz in Höhe von 1.048,80 EUR.

Die Parteien streiten über die Üblichkeit der in Rechnung gestellten Vergütung.

Mit dem angefochtenen Urteil vom 21.02.2017 hat das Amtsgericht Dortmund die Klage ohne Beweisaufnahme abgewiesen mit der Begründung, erstattungsfähig sei die übliche Vergütung, die die Beklagte gezahlt habe.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Begründung, die in Rechnung gestellte Vergütung sei stillschweigend vereinbart worden und üblich.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des am 21.02.2017 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Dortmund, AZ: 434 C 6878/16, die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 1.048,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.11.2015 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 201,71 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.09.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wir auf das angefochtene Urteil und den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig und teilweise begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen versicherungsvertraglichen Anspruch auf Zahlung von 1.048,80 EUR nebst Verzugszinsen.

Zwischen den Parteien besteht unstreitig ein Krankheitskostenversicherungsvertrag.

Ein Leistungsanspruch in der Krankheitskostenvollversicherung setzt nach § 1 (1) a) MBKK den Anfall von Aufwendungen für Heilbehandlungen voraus. Aufwendungen entstehen durch das Eingehen von Verbindlichkeiten (BGH IV ZR 278/01, Urteil vom 12.03.2003, Bach/Moser, PKV, 5. Auflage, MBKK § 1 Rn. 15 und 16). Der Versicherer ist zum Ersatz derjenigen Aufwendungen verpflichtet, die dem Versicherungsnehmer zur Erfüllung von berechtigten Ansprüchen Dritter erwachsen sind.

Die Klägerin schuldete der Firma N die vereinbarte Vergütung (§ 611 Abs. 1 BGB). Die Höhe der Vergütung wird in folgender Reihenfolge bestimmt (Palandt, BGB, 76. Auflage, § 612 Rn. 7):

1. Ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung

2. taxmäßige Vergütung,

3. übliche Vergütung.

Eine Kostenbegrenzung enthalten die Versicherungs- und Tarifbedingungen nicht.

Zwischen der Klägerin und der Firma N ist eine stillschweigende Vereinbarung über die Vergütung in Höhe von 73,60 EUR für die Leistung „manuelle Therapie“ und in Höhe von 60,00 EUR für die Leistung „Krankengymnastikgerät“ zustande gekommen.

Willenserklärungen können nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent abgegeben werden. Bei konkludenten Willenserklärungen findet das Gewollte nicht unmittelbar in einer Erklärung seinen Ausdruck, sondern in einer Handlung, die mittelbar einen Schluss auf einen bestimmten Rechtsfolgenwillen zulässt, z. B. durch die Inanspruchnahme einer entgeltlichen Leistung und/oder die widerspruchslose Fortsetzung eines Vertrages nach Bekanntgabe der Bedingungen (Palandt, a.a.O., vor § 116 Rn. 6, § 311 Rn. 5).

Dies ist vorliegend der Fall. Die Klägerin hat sämtliche Rechnungen der Firma N unstreitig widerspruchslos vollständig bezahlt und die Leistungen der Firma N in Kenntnis der von der Firma N geforderten und in Rechnung gestellten Vergütung widerspruchslos fortgesetzt. Die Firma N durfte diese Handlungen der Klägerin nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (dazu Palandt § 133 Rn. 11) ohne weiteres dahin verstehen, dass die Klägerin mit der von der Firma N für ihre Leistungen geforderten Vergütungen einverstanden ist.

Die Klägerin und die Firma N haben sich mithin stillschweigend über die Höhe der Vergütung geeinigt, so dass es nicht darauf ankommt, ob die von der Firma N in Rechnung gestellte Vergütung üblich ist.

Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus § 288 BGB.

Die rechtsschutzversicherte Klägerin hat keinen Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, denn der Anspruch ist nach § 86 VVG auf die Rechtsschutzversicherung der Klägerin mit der Bezahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten übergegangen (Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 29. Auflage, § 86 Rn. 19).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO und die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision aus § 543 Abs. 2 ZPO, dessen Voraussetzungen nicht vorliegen.

 

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