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Krankenversicherung – Beratungspflicht Anwartschaftsversicherung

LG Frankfurt – Az.: 2-23 S 12/15 – Urteil vom 02.08.2018

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 30. April 2015 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.

Dieses Urteil und das mit der Berufung angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Fortführung einer privaten Krankenversicherung für den Sohn des Klägers.

Zwischen dem Kläger und der Beklagten (als Rechtsnachfolgerin der (…) AG) besteht ein privater Krankenversicherungsvertrag, in den ursprünglich, neben anderen Personen, (…) und (…), beide Kinder des Klägers, als versicherte Personen einbezogen waren (Versicherungsschein vom (…) (im Folgenden jeweils „Tochter bzw. Sohn des Klägers“). Der Sohn des Klägers hat einen erheblichen Hüftschaden.

Der Kläger beantragt zuletzt, unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 30. April 2015 (Az. 32 C 1/15 (86)),

– den Krankenversicherungsvertrag, Versicherungsnummer (…) unter Einschluss des (…), geb. (…), nach den Tarifen (…) und (…) mit dem Kläger zu den bisherigen bis zum (…) geltenden Konditionen fortzuführen;

– an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 1.171,67 nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen, da im Hinblick auf den Berufungswert und die Nichtzulassung der Revision ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist.

II.

Die Berufung hat im Ergebnis keinen Erfolg.

Die Berufung ist indes zulässig. Dies gilt auch für den in der mündlichen Verhandlung vom 19. Juli 2018 gestellten Klageantrag zu 1), der auf Fortführung des Krankenversicherungsvertrages unter Einschluss des Sohnes des Klägers gerichtet ist. Hierin fehlt es zwar an einem vollständigen Datum hinsichtlich der im Klagebegehren anzuwendenden Tarife. Des Weiteren fehlt ein Anfangsdatum, ab welchem der Krankenversicherungsvertrag fortgeführt werden soll.

Dies führt aber nicht zur Unzulässigkeit der Berufung wegen der Unbestimmtheit des Antrags. Für das Verständnis eines Klageantrags ist nicht am buchstäblichen Wortlaut des Antrags zu haften. Klageanträge sind vom Gericht auszulegen. Es ist vom Gericht zu erforschen, was im Zweifel gewollt ist, unter Berücksichtigung der Klagebegründung, dem Prozessziel und der Interessenlage der Parteien (BAG, Urteil vom 17. März 2015 – 9 AZR 702/13 -, juris ). Die für Willenserklärungen geltenden Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) sind für die Auslegung von Klageanträgen heranzuziehen.

Die danach vorzunehmende Auslegung des zuletzt gestellten Klageantrags ergibt, dass der Kläger auf die zuletzt zwischen den Parteien geltenden Bedingungen Bezug nehmen will und diese zur Grundlage des – nach seinem Willen – fortzuführenden Krankenversicherungsvertrags machen möchte. Darüber hinaus begehrt er – dies ergibt sich aus dem zwischenzeitlich gestellten und wieder zurück genommenen Klageantrag aus der mündlichen Verhandlung vom 18. Januar 2018 – eine Weiterführung des (ursprünglichen) Vertrages ab dem 1. August 2013.

Der Klageantrag zu 1) ist in dieser Auslegung gemäß § 264 Nr. 1 und 2 ZPO zulässig, auch wenn dieser abweichend vom Hilfsklageantrag zu 3 aus der ersten Instanz formuliert wurde. Es handelt sich bei der Neuformulierung des jetzigen Klageantrags zu 1) lediglich um eine Klarstellung des von Anfang an der Sache nach verfolgten Schadensersatzanspruchs. Es ging dem Kläger mit seinem ursprünglichen Hilfsantrag materiell erkennbar immer um die Weiterführung des ursprünglichen Versicherungsschutzes und damit des Versicherungsvertrages mit der Beklagten. Das gleiche Rechtsschutzziel verfolgt der Kläger auch mit seinem geänderten Klageantrag weiter, wobei er im Rahmen des angepassten Klageantrags die anwendbaren Tarife präzisiert hat.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht in der Sache abgewiesen und auch der zuletzt gestellte geänderte Klageantrag ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf (Neu-)Abschluss eines Krankenversicherungsvertrages zu den alten Bedingungen im Wege der Naturalrestitution wegen eines Beratungsverschuldens der Beklagten nach Ausspruch der Kündigung des Vertrages durch den Kläger. Die Beklagte hat keinen Schadensersatz gegenüber dem Kläger zu leisten. Sie traf keine besondere Beratungspflicht, die sie verletzt hätte.

Eine Beratungspflichtverletzung der Beklagten ergibt sich insbesondere nicht schon daraus, dass die Beklagte den Kläger nicht auf die Möglichkeit einer Anwartschaftsversicherung hingewiesen hat, obwohl sie im Zeitpunkt der durch den Kläger ausgesprochenen Kündigung wusste, dass der Sohn des Klägers ein erhebliches Hüftleiden hat, das eine (Wieder-)Aufnahme in die private Krankenversicherung jedenfalls erheblich erschweren würde. Allein dieser Umstand und das Wissen darum, dass der studierte Sohn des Klägers am Anfang seiner Berufslaufbahn stand, haben für die Beklagte keine besondere Beratungspflicht begründet.

Es kann dabei dahinstehen, gegenüber wem die Beklagte grundsätzlich Beratungspflichten zu erfüllen hätte. In Frage kommt dabei neben dem Kläger als Versicherungsnehmer der Sohn des Klägers, der als versicherte Person in den beendeten Versicherungsvertrag einbezogen war. Die Beklagte hat indes unstreitig nicht beraten.

Die Beklagte hatte, anders als der Kläger meint, im Zeitpunkt der Kündigungserklärung indes keinen Anlass, hinsichtlich einer Anwartschaftsversicherung zu beraten.

Zwar ist allgemein anerkannt, dass Probleme bei der Umstellung von einem privaten in ein gesetzliches Krankenversicherungsverhältnis (und umgekehrt) erhebliche Beratungspflichten des Versicherers auslösen können (vgl. Wendt in Veith/Gräfe/Gebert, Versicherungsprozess, 3. Aufl., § 11 Rz. 36).

Grundsätzlich bestand gemäß § 13 Abs. 8 der Beklagten-AVB (i. V. m. § 204 Abs. 4 VVG, Art. 1 Abs. 1 EGVVG) für den Kläger bzw. dessen Sohn auch im Zeitpunkt der erklärten Kündigung des Versicherungsvertrages das Recht, bei der Beklagten eine Anwartschaftsversicherung abzuschließen. Dabei dient in der Krankheitskostenversicherung die Anwartschaftsversicherung der Erhaltung der Altersrückstellungen (soweit vorhanden), dem Erhalt des Eintrittsalters für die Prämienberechnung und der Verhinderung einer erneuten Gesundheitsprüfung (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 14. März 2012 – 5 U 358/11 – 48 -, juris).

Die Beklagte war auch nicht von der Beratungspflicht enthoben, weil der streitige Sachverhalt die Beendigung eines bereits bestehenden Versicherungsvertrags betraf. Eine Versicherung kann auch im laufenden Versicherungsvertrag eine Beratungspflicht treffen. Prinzipiell hat ein Versicherer den Versicherungsnehmer gemäß § 6 Abs. 1 VVG, soweit hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 VVG gilt diese Verpflichtung nicht nur bei Vertragsschluss, sondern auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist. Dies führt in bestimmten Situationen angesichts des Schutzbedürfnisses des Versicherungsnehmers einer- und der Fachkompetenz der Versicherung andererseits zu einer Beratungspflicht (vgl. OLG München, Urteil vom 22. Juni 2012 – 25 U 3343/11 -, juris).

Von einer solchen Beratungspflicht der Beklagten kann aber auch unter Berücksichtigung der zu § 6 VVG bei Versicherungswechsel ergangenen Rechtsprechung nicht ausgegangen werden. Dem Amtsgericht sind bei der Bewertung der Beratungspflichten der Beklagten keine Rechtsfehler unterlaufen. Allein die Kenntnis des (jungen) Alters des Sohnes des Klägers und seiner Hüfterkrankung im Zeitpunkt der Kündigung des privaten Krankenversicherungsvertrages führt nicht zu einer Beratungs- oder Aufklärungspflicht der Beklagten zu möglichen Schwierigkeiten beim (Rück-)Wechsel in die private Krankenversicherung. Die bloße grundsätzliche Möglichkeit, dass die spätere berufliche Karriere des Sohnes des Klägers eine Rückkehr in die private Krankenversicherung ermöglichen könnte, macht die Beklagte nicht beratungspflichtig. Dies würde der Bejahung einer allgemeinen Beratungspflicht beim Wechsel der Krankenversicherung bezüglich der (gesetzlichen) Möglichkeit des Abschlusses einer Anwartschaftsversicherung gleichkommen (vgl. zum Fehlen allgemeiner Beratungspflichten: OLG Celle, Urteil vom 07. Februar 2008 – 8 U 189/07 -, juris (keine Pflicht, ungefragt und umfassend über die Vor- und Nachteile des Wechsel von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung zu beraten); Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 06. April 2011 – 5 U 428/10 – 68 -, juris, OLG Köln, Urteil vom 07. November 2014 – I-20 U 115/14 (keine grundsätzliche Pflicht zur vorsorgenden umfassenden Rechtsberatung bei Beihilfeänderung); OLG Hamm, Beschluss vom 08. Mai 2017 – I-6 U 62/16 -, juris)

Insofern unterscheidet sich der hiesige Sachverhalt von dem der Entscheidung des OLG Hamm, Urteil vom 24. Juni 2015 – I-20 U 116/13 -, juris, zugrundeliegenden Sachverhalt. Dort nahm das Gericht eine besondere Beratungspflicht beim Wechsel in die private Krankenversicherung wegen der langfristigen und ggfs. nachteiligen Folgen an, wenn es sich um einen älteren Versicherungsnehmer handelt (56 Jahre alt). Dort, anders als hier, stand ein konkreter Wechsel an, der greifbare Schwierigkeiten für den dortigen Versicherungsnehmer mit sich brachte. Im vorliegenden Fall war ein solcher konkreter (Rück-)Wechsel in die private Krankenversicherung durch den Sohn des Klägers gerade aufgrund der vom Kläger ausgesprochenen Kündigung des privaten Krankenversicherungsvertrages nicht konkret oder zeitnah zu erwarten.

Der hiesige Fall ist auch nicht mit einem Wegzug des Versicherungsnehmers ins Ausland zu vergleichen, bei dem das Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 14. März 2012 – 5 U 358/11 -, juris bzw. das LG Stuttgart, VersR 2002, 835 davon ausgingen, dass der Versicherer bei Anzeige eines Wegzugs ins Ausland verpflichtet sei, den Versicherungsnehmer über die Möglichkeiten der Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes, vor allem jene einer Anwartschaftsversicherung, zu beraten. Dabei wurde die Beratungspflicht der dortigen Versicherungen vor allem auf die Notwendigkeit eines durchgängigen Versicherungsschutzes gestützt, der im Ausland erkennbar nicht zwingend gewährleistet sei. Letzteres ist im hiesigen Fall aber unproblematisch, da der Sohn des Klägers ununterbrochen Versicherungsschutz genoss (§ 205 Abs. 6 Satz 2 VVG).

Gegen eine Beratungspflicht der Beklagten im Zeitpunkt der Kündigung durch den Kläger spricht auch, dass der Kläger unstreitig von der grundsätzlichen Möglichkeit einer Anwartschaftsversicherung aufgrund des Angebote der Beklagten im Hinblick auf seiner Tochter wusste, mag dies auch in der Situation des Wegfalls der Beihilfeberechtigung geschehen sein(…). Insofern wäre dieses Wissen im Zweifel auch dem Sohn des Klägers zuzurechnen (§ 166 BGB), wenn man annehmen wollte, dass diesem neben dem Kläger ein eigener Beratungsanspruch zustehen würde.

Eine Beratungspflicht der Beklagten ergibt sich aus nicht aus § 242 BGB aus dem Umstand, dass die Beklagte offensichtlich bei von ihr ausgehenden Angeboten auf Abschluss von Anwartschaftsversicherungen aufgrund einer Kündigung eines Krankenversicherungsvertrages unterscheidet, ob der Versicherungsnehmer relevante Vorerkrankungen hat oder nicht. Da die Beklagte in diesem Fall keine allgemeine Beratungspflicht trifft, darf sie hinsichtlich des Erhalts und der Werbung (zukünftiger) Mitglieder durchaus krankheitsbedingt differenzieren, ohne dass sie hierdurch gegen Treu und Glauben verstoßen würde. Eine weitergehende Verpflichtung zur Gleichbehandlung trifft die Beklagte nicht.

Soweit der Kläger geltend macht, dass das Interesse am Erhalt der Altersrückstellungen das Angebot einer Anwartschaftsversicherung erforderlich mache, ist nicht hinreichend dargetan, dass solche Altersrückstellungen von der Beklagten bereits für den Sohn des Klägers gebildet wurden. Eine Beratungspflicht hinsichtlich einer Anwartschaftsversicherung ergibt sich hieraus jedenfalls nicht.

Die Beklagte hat auch nicht deshalb eine Beratungspflicht gegenüber dem Kläger verletzt, weil sie von der vorübergehenden Natur des Anstellungsverhältnisses Kenntnis hatte, wie der Kläger behauptet. Zwar wäre in diesem Fall unter Zugrundelegung der der Beklagten insgesamt bekannten Fakten – vorübergehende Natur des Anstellungsverhältnisses, Alter und Hüfterkrankung des Sohnes des Klägers – von einer Beratungspflicht der Beklagten hinsichtlich der Möglichkeit einer Anwartschaftsversicherung auszugehen. Indes konnte der Kläger nicht beweisen, dass die Beklagte Kenntnis davon hatte, dass die Kündigung nur wegen eines befristeten Anstellungsverhältnisses seines Sohnes im Rahmen des Studiums erfolgte. Wie das Amtsgericht in seiner Entscheidung überzeugend ausgeführt hat, war die befristete Natur des Anstellungsverhältnisses weder aus der vorgelegten Kündigung noch aus dem Begleitschreiben zur Übersendung der Mitgliedsbescheinigung der (…) Krankenkasse zu erkennen.

Soweit der Kläger nun erstmalig in der mündlichen Berufungsverhandlung weiter vorträgt, dass sich die Kenntnis der Beklagten hinsichtlich der Befristung des Arbeitsverhältnisses daraus ergibt, dass der der Beklagten zurechenbare Versicherungsvertreter (…) hiervon informiert gewesen sei und Beweis durch Vernehmung des Versicherungsvertreters anbietet, war dieser Beweis nicht einzuholen. Dieses neue Angriffsmittel war gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Die Information des Versicherungsvertreters über die vorübergehende Natur des Anstellungsverhältnisses ist zwischen den Parteien streitig und die Übrigen Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO, die die Zulassung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel rechtfertigen würden, liegen nicht vor.

Die Beklagte hat das dem (neuen) Beweisantritt zugrundeliegende Vorbringen („Herr (…) wurde über die vorübergehende Natur des Arbeitsverhältnisses informiert“) zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten (§ 138 Abs. 4 ZPO). Die Beklagte hat hierüber keine eigenen Erkenntnisse und sie ist ihrer aus § 138 Abs. 2 und 4 ZPO obliegenden Erkundigungspflicht nachgekommen, ohne dass dies zu weiteren Erkenntnissen geführt hätte.

Für die Beurteilung, ob ein Bestreiten mit Nichtwissen zulässig ist, kommt es grundsätzlich darauf an, ob eine Partei die ihr zugänglichen Informationen von denjenigen Personen eingeholt hat, die unter ihrer Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung tätig geworden sind (BGH, Urteil vom 19. April 2001 – I ZR 238/98 -, juris). Dies hat die Beklagte auch getan, wie sie in ihrem nachgelassen Schriftsatz vom (…) erklärt hat.

Hierbei gereicht es der Beklagten auch nicht zu dem Nachteil, dass ihr ehemalige Versicherungsvertreter sich nach seiner Auskunft an den Vorgang im Zusammenhang mit der Kündigung des Klägers nicht mehr erinnern kann. Dies führt nicht dazu, dass die Beklagte den vom Kläger behaupteten Vortrag nicht mit Nichtwissen bestreiten könnte. Vermag die Person, auf deren Kenntnis es ankommt, sich etwa an einen lange zurückliegenden Vorgang – nach der Lebenserfahrung glaubhaft – nicht mehr zu erinnern, ist es zulässig, dass sie diesen gemäß § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen bestreitet (BGH, Urteil vom 19. April 2001 – I ZR 238/98 -, juris).

Nachdem die Beklagte die Tatsache, von der Befristung des Arbeitsverhältnisses Kenntnis gehabt zu haben, zulässigerweise bestritten hat, war der hierzu angebotene Zeugenbeweis nicht einzuholen, weil die Voraussetzungen hierfür gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht vorlagen. Hiernach sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel in der Berufungsinstanz nur zuzulassen, wenn sie einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.

Der nunmehr erstmals angebotene Zeugenbeweis ist als neuer Beweisantrag Angriffs- und Verteidigungsmittel im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO (vgl. Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 531 ZPO).

Dieser betrifft keinen Gesichtspunkt, der von dem Gericht der ersten Instanz übersehen oder für unerheblich gehalten wurde. Das Gericht hat in seinem Urteil vielmehr Ausführungen dazu gemacht, dass der Kläger hinsichtlich der Behauptung, die Beklagte sei darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass die Kündigung der Mitversicherung des Sohnes des Kläger im Hinblick auf ein befristetes Praktikum erfolgt sei, beweisfällig geblieben ist.

Das Angebot zur Einvernahme des Zeugen (…) ist auch nicht aufgrund eines Verfahrensmangels nicht geltend gemacht worden (§ 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Ein solcher wäre anzunehmen, wenn das erstinstanzliche Gericht einen Hinweis nach § 139 ZPO unterlassen hätte und deshalb Vortrag ausgeblieben wäre. Dies ist hier aber nicht der Fall, denn das Gericht musste auf die Entscheidungserheblichkeit der Kenntnis der Beklagten von der Befristung des Arbeitsverhältnisses nicht hinweisen. Dies war bereits umfassend Gegenstand der schriftsätzlichen Auseinandersetzung der Parteien und klar erkennbar entscheidungserheblich, was auch aus den Entscheidungsgründen des Amtsgerichts ersichtlich ist.

Im Übrigen stellt die Benennung des Zeugen (…) erst in der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts eine Nachlässigkeit im Sinne von § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO dar. Nachlässigkeit liegt immer dann vor, wenn eine Partei fahrlässig in der 1. Instanz einen Umstand nicht vorgetragen hat; hierzu zählt jedes Versäumnis des Vortrags, das gegen die allgemeine Prozessförderungspflicht des § 282 verstößt (Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 531 ZPO). Nach diesem Maßstab handelte der Kläger nachlässig im Sinne von § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO. Der Umstand, dass der Zeuge (…) von der Befristung des Arbeitsverhältnisses informiert war, war bereits in der ersten Instanz bekannt, ebenso wie der Name des (ehemaligen) Versicherungsvertreters des Klägers. Insofern entspricht es nicht der Prozessförderungspflicht der Parteien, wenn der Zeuge für die bestrittene Tatsache erst in der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz benannt wird und hierzu konkretisierender Sachvortrag erfolgt.

Darauf, ob die Beweisaufnahme den Rechtsstreit verzögern würde, kommt es im Übrigen nicht an (§ 531 ZPO). Die Verzögerung des Rechtsstreits spielt im gesamten Anwendungsbereich der Vorschrift keine Rolle (Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 531 ZPO).

Aus den oben genannten Gründen kann dahingestellt bleiben, ob sich das in der Berufungsinstanz noch aufrecht erhaltene Klagebegehren überhaupt im Rahmen eines Schadensersatzes verwirklichen ließe. Die vermisste Beratung hätte dem Kläger zunächst nur eine bloße Chance eröffnet, eine Anwartschaftsversicherung abzuschließen (vgl. § 13 Abs. 8 der Beklagten-AVB, Bl. 118 d. Akten). Allein der Wegfall dieser Abschlussmöglichkeit bedeutet aber noch keinen Vermögensschaden (vgl. Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 01. September 2016 – 41 U 36/16 -, juris). Darauf, ob der Kläger eine Anwartschaftsversicherung verbunden mit dem Vorteil eines günstigeren Tarifs (und einer nicht mehr zu wiederholenden Gesundheitsprüfung) zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich abgeschlossen hätte und in der Zwischenzeit das Anwartschaftsrecht auch ausgeübt hätte, kommt es mangels Entscheidungserheblichkeit nicht an.

Die Nebenforderung teilt das Schicksal der Hauptforderung.

Die Kostentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 S. 1 u. 2, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen. Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts, § 543 ZPO. Im vorliegenden Rechtsstreit war keine klärungsbedürftige Rechtsfrage zu entscheiden, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist.

Der Umfang der die Beklagte treffenden Aufklärungspflicht war einzelfallbezogen und von den im konkreten Einzelfall streitigen Tatsachen abhängig.

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