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Krankenversicherung – Behandlungskostenübernahme in gemischter Anstalt

LG Saarbrücken – Az.: 14 S 2/20 – Urteil vom 03.11.2020

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Neunkirchen vom 13.02.2020 – 20 C 360/18 (76) – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.284,89 € festgesetzt.

Tatbestand

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Krankenversicherung auf Zahlung von Behandlungskosten in der Hochwaldklinik in … in Anspruch.

Wegen des Sach- und Streitstands im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.284,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 201,71 € zu zahlen.

Die Beklagte hat auf Klageabweisung angetragen.

Durch die angefochtene Entscheidung hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass kein Anspruch auf Kostenübernahme nach § 4 Abs. 5 AVB bestehe. Da es sich bei der Hochwaldklinik unstreitig um eine gemischte Anstalt handele wäre ein Anspruch nur herzuleiten, wenn die Beklagte dem Kläger gegenüber vorher eine Kostenzusage erteilt hätte. Dies ist nicht der Fall. Ein Anspruch auf Erteilung einer Zusage bestehe nicht.

Bei der Entscheidung der Beklagten handele sich um eine Ermessensentscheidung, die nur auf einen Ermessensmissbrauch hin überprüfbar sei. Dieser könne nur angenommen werden, wenn die Entscheidung des Versicherers krass fehlerhaft und abwegig war und sich dies dem Versicherer geradezu aufdrängen musste. Hiervon könne allenfalls beim Vorliegen eines akuten Notfalls ausgegangen werden. Entsprechendes gelte, wenn ein Behandlungserfolg nur in der betreffenden gemischten Anstalt erzielt werden könne.

Von einem akuten Notfall könne nicht ausgegangen werden. Zwar behauptet der Kläger, dass eine akute Behandlungsbedürftigkeit vorgelegen habe, ein substantiierter Vortrag hierzu sei jedoch auch nach Hinweis des Gerichts nicht erfolgt. Entsprechendes gelte hinsichtlich der Frage, ob ein Behandlungserfolg nur in der Hochwaldklinik … erzielt werden könnte.

Auch aus § 3.4.13 Vertragsgrundlage 210 (Bl. 52 ff. GA) könne der Kläger keinen Anspruch herleiten. Eine dort enumerativ aufgezählte Anschlussbehandlung habe nicht vorgelegen, sodass sich eine Leistungspflicht allenfalls aus einer akuten Behandlungsbedürftigkeit ergeben könnte. Auch hierzu fehle es an substantiiertem Vortrag des Klägers. Es sei nicht bekannt, welcher Behandlung sich der Kläger der Hochwaldklinik … unterzogen habe. Im Gegenteil spreche sogar die Klagebegründung gegen eine akute Behandlungsbedürftigkeit, wenn die Kostenübernahme für eine stationäre Anschlussheilbehandlung begehrt werde.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.

Der Kläger macht geltend, er habe in verschiedenen Schriftsätzen ausdrücklich vorgetragen, dass eine akute Behandlungsbedürftigkeit vorgelegen habe. Dies ergebe sich eindeutig aus der Bescheinigung des Chefarztes des SHG Klinikums …. Dieser sei vorsorglich als Zeuge benannt worden und ein Sachverständigengutachten angeboten worden.

In der Bescheinigung vom 28.05.2018 habe Professor … ausdrücklich ausgeführt, dass nach der Entlassung aus der SHG Klinik … weiterhin akute Behandlungsbedürftigkeit bestehe. Er führe wörtlich aus: „diesem Umstand wurde durch Einleitung einer stationären Reha-Therapie Rechnung getragen. Entsprechende Behandlung war notwendig zur Konsolidierung des OP-Ergebnisses zur allgemeinen Roborierung nach langdauernder Katabolsituation.“

Der Kläger beantragt: Unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Neunkirchen vom 13.02.2020 – 20 C 360/18 (76) – die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.284,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 201,71 € zu zahlen.

Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Berufung.

Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung unter Wiederholung des bisherigen Vortrags. Sie macht geltend, eine akute Behandlungsbedürftigkeit sei nicht schlüssig dargelegt. Diese habe offenkundig nicht vorgelegen. Um dies zu erkennen bedürfe es keines Sachverständigengutachtens. Bestätigt sei das Fehlen eines akuten Behandlungsbedarfs bereits mit der ärztlichen Bescheinigung vom 28.05.2020, die auf eine Reha-Therapie abstelle zur Konsolidierung des OP-Ergebnisses und zur allgemeinen Roborierung nach lang dauernder Katabolsituation. Bei einer Konsolidierungstherapie handele es sich um eine solche zur Aufrechterhaltung des herbeigeführten Ergebnisses. Roborierung bedeute Kräftigung. Bereits die Behandlungsziele stünden somit einer akuten Behandlungsbedürftigkeit entgegen. Überdies bedeute akut in der Medizin „unvermittelt auftretend, schnell und heftig verlaufend“. Diese Voraussetzungen lägen offenkundig nicht vor.

Im Übrigen erkläre sich auch nicht, weshalb der Kläger, wenn er von einem akuten Behandlungsfall ausgehe, kein Akutkrankenhaus aufgesucht habe sondern eine gemischte Krankenanstalt.

Entscheidungsgründe

II.

Krankenversicherung - Behandlungskostenübernahme in gemischter Anstalt
(Symbolfoto: Von hxdbzxy /Shutterstock.com)

Die gemäß §§ 511 Abs. 2 Nr. 1, 513, 517, 519 und 520 ZPO zulässige, form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist unbegründet.

1. Das Amtsgericht hat einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung von Behandlungskosten zu Recht verneint.

Einem Anspruch des Klägers, der sich vorliegend nur aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag ergeben kann, steht der Leistungsausschluss des § 4 Nr. 5 AVB/KK 2008 entgegen. Nach dieser Bestimmung werden die tariflichen Leistungen für medizinisch notwendige Heilbehandlungen in Krankenanstalten, die auch Kuren bzw. Sanatoriumsbehandlungen durchführen oder Rekonvaleszenzen aufnehmen, im Übrigen aber die Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 AVB/KK 2008 erfüllen (sog. gemischte Anstalten), nur dann gewährt, wenn der Versicherer diese vor Beginn der Behandlung schriftlich zugesagt hat. Bei der Hochwaldklinik handelt es sich um eine solche gemischte Anstalt. Unstreitig ist auch, dass eine Zustimmung des Beklagten zu dem Aufenthalt des Klägers nicht erteilt worden ist. Vielmehr lässt der Kläger selbst vortragen, sich vor dem Aufenthalt mit Schreiben vom 26.04.2018 um eine Leistungszusage bemüht zu haben, welche ihm seitens der Beklagten jedoch – ebenfalls noch vor Antritt des Aufenthaltes – mit Schreiben vom 02.05.2018 verweigert worden sei.

a) § 4 Nr. 5 AVB/KK 2008 stellt nach allgemeiner Auffassung die Leistungszusage des Versicherers auf Übernahme der Behandlungskosten in sogenannten gemischten Anstalten in dessen freies Ermessen (BGH, Urteil vom 29. 1. 2003 – IV ZR 257/01). Gegen die Zulässigkeit dieser Regelung bestehen keine Bedenken (BGH, a.a.O.; OLG Hamm, VersR 1999, 1138; Beckmann in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrecht, 3. Aufl. 2015, § 10 Rn. 119). Zweck der Vorschrift ist es, Streit zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer über die medizinische Notwendigkeit von Aufenthalten in gemischten Anstalten von vornherein zu vermeiden und den Versicherer von dem erhöhten Risiko der Inanspruchnahme solcher Behandlungen zu befreien. Daraus folgt, dass dem Versicherungsnehmer gerade nicht der Beweis offen steht, dass die von ihm vorgenommene Behandlung eine medizinisch notwendige war (BGH, a.a.O.).

Da der Leistungsanspruch des Versicherungsnehmers erst mit der Leistungszusage des Versicherers entsteht, erst die Zusage einen Anspruch überhaupt begründet, ist der Ermessensspielraum des Versicherers auch nicht dahingehend zu begrenzen, dass der Versicherer seine Entscheidung nur auf sachgerechte Gründe stützen dürfte. Deshalb ist es auch unerheblich, warum der Beklagte gerade im vorliegenden Falle die Leistung verweigert hat. Unerheblich ist insoweit, ob der Aufenthalt des Klägers in der gemischten Anstalt möglicherweise medizinisch notwendig war und dass er sich von einem Aufenthalt in einer gewöhnlichen Krankenanstalt nicht unterschieden haben mag.

b) Auch eine im Einzelfall von der Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben anerkannte teleologische Reduktion der Vorschrift mit der Folge, dass der Beklagten die Berufung auf den vertraglich vereinbarten Leistungsausschluss versagt wäre, kommt vorliegend nicht in Betracht. Vor dem Hintergrund des mit der Regelung verfolgten Zwecks wird dem Versicherer die Berufung auf den Leistungsausschluss des § 4 Nr. 5 AVB/KK 2008 versagt, wenn eine Gefährdung seiner Interessen im Wesentlichen ausscheidet und auf der anderen Seite der Versicherungsnehmer ein überwiegendes Interesse an der Behandlung in einer gemischten Anstalt vorweisen kann. Dabei kann es sich nur um besondere Ausnahmefälle handeln, da anderenfalls die grundsätzlich nicht zu beanstandende Regelung des § 4 Nr. 5 AVB/KK 2008 ausgehöhlt würde. Dementsprechend hat die Rechtsprechung einen Leistungsanspruch des Versicherten trotz Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des Leistungsausschlusses im Einzelfall namentlich dann bejaht, wenn sich die Kureinrichtungen in der gemischten Anstalt auf das behandelte Leiden keinesfalls beziehen können, wenn der Behandlungszweck ausnahmsweise nur in der betreffenden Einrichtung erreicht werden konnte oder wenn die Einlieferung in die gemischte Anstalt aus akutem Anlass erfolgt ist und eine vorherige Anzeige des Aufenthaltes nicht in Betracht kam (Stormberg in: Beckmann/Matusche-Beckmann, a.a.O., § 44, Rn. 180 ff.).

Dass ein solcher Fall hier gegeben war, ist jedoch nicht ersichtlich.

Das Amtsgericht hat auch zu Recht keinen Beweis erhoben, weder durch Vernehmung des Chefarztes … als Zeugen noch durch Sachverständigengutachten.

Denn der Aufenthalt des Klägers in der Hochwaldklinik war im Voraus geplant. Der Kläger hatte dementsprechend Gelegenheit, bei der Beklagten im Vorfeld um eine Leistungszusage nachzusuchen. Er hat dies auch getan und er hat, trotz noch rechtzeitig zuvor erklärter Ablehnung durch die Beklagte, den Aufenthalt gleichwohl in Kenntnis dieses Umstandes in Anspruch genommen. Folglich hat das Amtsgericht zu Recht einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung verneint.

Auch aus § 3.4.13 Vertragsgrundlage 210 (Bl. 52 ff. GA) kann der Kläger keinen Anspruch herleiten. Eine dort enumerativ aufgezählte Anschlussbehandlung hat nicht vorgelegen, sodass sich eine Leistungspflicht allenfalls bei Aufnahme infolge eines Unfalls oder einer akuten Behandlungsbedürftigkeit ergeben könnte.

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts kommt es nicht nur darauf an, ob eine akute Behandlungsbedürftigkeit vorlag, sondern ob – wie bei einem Unfall – gerade aus diesem Grund die Aufnahme erfolgte.

Der Kläger wurde dagegen weder wegen eines Unfalls noch wegen einer akuten Behandlungsbedürftigkeit in die Hochwald Klinik aufgenommen, sondern er trat dort 5 Tage nach der Entlassung aus einem Krankenhaus eine Anschlussheilbehandlung an, was nicht als akut im Sinne der Klausel angesehen werden kann. Ebenso wie bei der Einlieferung wegen eines Unfalls muss bei der Einlieferung wegen einer akuten Behandlungsbedürftigkeit ein derartiger Notfall vorliegen, dass eine Einlieferung in ein Krankenhaus zeitlich nicht mehr möglich ist. Nur so kann ein verständiger Versicherungsnehmer diese Erweiterung des Anwendungsbereichs verstehen, denn andernfalls würde die Klausel § 3.4.13 Vertragsgrundlage 210 bei jeder akuten Behandlungsbedürftigkeit eingreifen und der Ausschluss für die gemischte Anstalt liefe dauerhaft leer. Eine derartige Auslegung scheidet folglich aus.

Ein Anspruch des Klägers auf Übernahme von Kosten ist demnach bereits im Ansatz nicht schlüssig dargelegt. Die angefochtene Entscheidung erweist sich daher jedenfalls im Ergebnis als zutreffend.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 3, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Es bestand für die Kammer kein Anlass die Revision zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO).

 

 

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