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Krankenversicherung – Augenoperation mit Femto-Laser – Kostenerstattungsanspruch

AG Charlottenburg, Az.: 238 C 184/17, Urteil vom 09.11.2018

1.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 656,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3.3.2017 zu zahlen.

2.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 147,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.9.2017 zu zahlen.

3.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

4.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

5.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger macht gegenüber der Beklagten die Erstattung von Kosten einer Augenoperation geltend.

Der Kläger unterzog sich am 17.1.2017 wegen der Trübung seiner Augenlinse (Katarakt) einer Operation unter Einsatz eines Femto-Lasers. Die ihm gegenüber am 25.1.2017 gelegte Rechnung des Augenarztes in Höhe von 2.676,04 € (Blatt 6 f. der Akte) reichte er bei der Beklagten, seiner privaten Krankenversicherung, am 2.2.2017 ein. Mit Leistungsabrechnung vom 8.2.2017 rechnete die Beklagte dem Kläger gegenüber ab und kürzte die vorgenannte Rechnung um 656,44 € mit der Begründung, dass es sich bei dem Einsatz des Lasers nur um eine Ausführungsvariante der Operation handele, weshalb hierfür nur ein Zuschlag nach GOÄ Nr. 441 in Höhe von 67,49 € gerechtfertigt wäre (Blatt 53 f. der Akte). Mit Schreiben vom 2.3.2017 lehnte die Beklagte die Erstattung des verbleibenden Betrages ab (Blatt 8 ff. der Akte). Auch auf die Mahnung des jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 6.6.2017 (Blatt 11 f. der Akte) wurde eine Erstattung des offenen Restbetrages am 20.6.2017 abgelehnt.

Für die vorgerichtliche Tätigkeit seines jetzigen Prozessbevollmächtigten verlangt der Kläger die Erstattung eines Betrages von 214,20 €, der ihm von seiner Rechtsschutzversicherung nicht erstattet worden ist.

Der Kläger behauptet, bei dem Einsatz des Femto-Lasers bei seiner Katarakt-Operation handele es sich um eine selbstständige ärztliche Leistung, die unter Ziffer 5855 analog der GOÄ abzurechnen sei.

Aufgrund der schwierigen Materie und des Zeitaufwands sei im Rahmen der vorgerichtlichen Tätigkeit seines jetzigen Prozessbevollmächtigten eine 2,0 Geschäftsgebühr gerechtfertigt.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag von 656,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3.3.2017 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 214,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, dass es sich bei dem Lasereinsatz um keine eigenständige Leistung handele, sodass nur ein Zuschlag hierfür von 67,49 € gerechtfertigt sei. Es liege nur eine Variante einer einheitlichen Operation vor, wobei hier lediglich der chirurgischen Schnitt ersetzt werde.

Die Klageschrift ist der Beklagten am 22.9.2017 zugestellt worden.

Das Gericht hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 22.12.2017 (Blatt 86 der Akte) Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten der Sachverständigen … vom 29.5.2018 (Blatt 96 ff. der Akte) sowie die Ergänzung vom 19.7.2018 (Blatt 116 f. der Akte) verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle vom 17.11.2017 (Blatt 80 f. der Akte) und 19.10.2018 (Blatt 131 f. der Akte) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Krankenversicherung – Augenoperation mit Femto-Laser - Kostenerstattungsanspruch
Symbolfoto: looking2thesky/Bigstock

Die Klage ist im ausgeurteilten Umfang begründet.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erstattung des vollständigen Rechnungsbetrages, mithin des noch offenen Betrages in Höhe von 656,44 €, aus dem zwischen den Parteien bestehenden privaten Krankenversicherungsvertrag zu.

Die Abrechnung vom 25.1.2017 ist nicht zu beanstanden. Zu Recht wurde hierbei der Einsatz des Femto-Lasers unter die Position GOÄ 5855 analog mit insgesamt 723,93 € abgerechnet.

Hierzu führt das Amtsgericht Reutlingen in ihrem Urteil vom 26.06.2015, 5 C 1396/14, sachverständig beraten folgendes aus:

„Der medizinische Sachverständige Dr. med. … hat in seinem mündlichen Gutachten am 29.4.2015 nachvollziehbar ausgeführt, dass die Abrechnung der Leistung unter Anwendung der Ziff. 5855 GOÄ analog geboten ist. Die Abrechnung ist aus gutachterlicher Sicht medizinisch gerechtfertigt und statthaft. …

Erste Voraussetzung für eine Analogberechnung nach § 6 Abs. 2 GOÄ ist die Selbstständigkeit einer ärztlichen Leistung (hierzu: Haberstroh, VersR 2001, S. 1064 f. m.w.N.). Selbstständige Leistung sind nur solche, die nicht Bestandteil einer im Gebührenverzeichnis genannten umfassenden Leistung sind (i.S.e. „Planwidrigen Lücke“, nach der allgemein juristischen Methodenlehre).

Die Methode ist neuartig, weswegen allein sie nicht ins Gebührenverzeichnis aufgenommen ist. Der Sachverständige konnte darlegen, dass die Katarakt-Operation „mit einem Laser“ nicht im Tatbestand der Ziff. 1375 enthalten ist. Richtig ist das schon deswegen, weil die Operation erst seit wenigen Jahren durchgeführt werden kann, im Jahr 1996 konnte das Gebührenverzeichnis der GOÄ diese Operation noch nicht erfassen, da die technischen Voraussetzungen nicht existent waren. Nach der Auskunft des medizinischen Sachverständigen handelt es sich bei den Operationen um eine wissenschaftlich anerkannte und nach den Regeln der ärztlichen Kunst für eine medizinisch notwendige und „richtige“ ärztliche Versorgung erforderliche Operationsmethode, besonders im Blick auf den Grundsatz, bei der ärztlichen Methodenwahl den sichersten und dabei schonendsten Weg zu wählen.

Durch die Schilderung der medizinisch-technischen Entstehungsgeschichte, der einzelnen Operationsschritte und der augenheilkundlichen Besonderheiten konnte der Sachverständige in der Hauptverhandlung überzeugend darlegen, dass hier nicht bloß eine andere Operationstechnik, eine „alternative Methode“ oder gar eine dem Zeitgeist oder einem Medizin- oder Wellnesstrend geschuldete Behandlung gesondert und ohne Grund zusätzlich abgerechnet wurde. …

b. Die Selbstständigkeit der Leistung und die Nichtaufnahme in das Gebührenverzeichnis stellen die äußeren Voraussetzungen der Analogberechnung dar. Sie bestimmen das „Ob“ einer solchen Berechnung. Das „Wie“ bestimmt sich -wertend- nach der Gleichwertigkeit der erbrachten mit einer geregelten Leistung (i.S.d. nach der allgemein jur. Methodenlehre für eine Analogie geforderten „vergleichbare Interessenlage“). Der Begriff der Gleichwertigkeit ist zum einen ergebnisbezogenen; am Ende des (abstrakten) Vergleichs verschiedener Leistungen soll einangemessener Gebührenwert für die nicht geregelte Leistung stehen. Er ist zum anderen auf die Art der Leistung, ihrem medizinischen Charakter, bezogen.

Dabei wird nicht übersehen, dass die angewendete Ziffer in der GoÄ unter „besonders aufwendige Bestrahlungstechniken“ geführt wird. Der Sachverständige konnte sehr eindrücklich beschreiben, dass die Operation unter Einsatz eines Lasers der in der Ziff. 1375 geregelten traditionellen Operationsmethode deutlich überlegen ist und der Lasereinsatzes, ausgehend von Aufwand, Vorhalte- und Investitionskosten, Schulungsaufwand und ärztlicher Kunstfertigkeit, der Ziff. 5855 zwanglos unterfällt. Auch mit der medizinischen Sachkunde eines Laien erschließt sich dem Richter, dass Operationen am Auge durch den Einsatz der (computerunterstützten) Lasertechnik präziser, sicherer und medizinisch erfolgsversprechender durchgeführt werden können.

c. Mit dem Verweis auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2010 geht die Beklagte aus tatsächlichen Gründen fehl.

Der Sachverständige konnte überzeugend erläutern, dass der Laser einen medizinischen Mehrwert, fast schon zwangsläufig, wegen der Unzulänglichkeiten eines jeden menschlichen Operateurs, mit sich bringt. Kurz: der Laser ersetzt hier nicht bloß das „von der Hand geführte Skalpell“. Der programmierbare Laser ermöglicht nach der Bewertung des Sachverständigen Manipulationen und Behandlungen am Auge, die so oder so präzise mit einem Skalpell nicht durchführbar sind. Es liegt mithin nicht nur eine Gleichwertigkeit zu den generellen Leistungen vor, sondern darüber hinaus eine höherwertige, wissenschaftlich anerkannte und neuartige Leistung.“

Das Gericht schließt sich nach eigener Prüfung und sachverständig beraten den vorgenannten Ausführungen an, die im Ergebnis auch im Urteil des VG München vom 8.12.2016, M 17 K 16.483, bestätigt werden (a.A. AG Düsseldorf, Urteil vom 3.8.2017,43 C 157/15).

Die Sachverständige bestätigt hier, dass es sich bei dem Einsatz des Femto-Lasers um eine medizinisch notwendige und zusätzliche Leistung im Rahmen der Katarakt-Operation handelt, bei der über das Ziel der einfachen Operation hinaus der Astigmatismus korrigiert wird. Der Eingriff unter Einsatz des Lasers ist mit geringeren Risiken verbunden und schonender. Das dabei die Sachverständige auf englische Literatur zurückgegriffen hat, beruht darauf, dass der größte Teil der medizinischen Literatur seit Jahrzehnten auf Englisch ist und es auch keinen Grundsatz gibt, wonach nur deutsche Publikationen in einem Gutachten verwendet werden dürfen.

Die Verzinsung der Klageforderung folgt aus Verzug. Hieraus ergibt sich auch die Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten, die unstreitig von der Rechtsschutzversicherung der Klägerin nicht bezahlt wurden.

Der Höhe nach hält jedoch das Gericht die vom Klägervertreter angesetzte erhöhte Geschäftsgebühr von 2,0 für nicht gerechtfertigt, da hier weder eine schwierige Materie noch ein überdurchschnittlicher Zeitaufwand für die Bearbeitung des Verfahrens bestand. Bei Beginn der Tätigkeit des Anwalts lag schon eine umfangreiche Stellungnahme der Beklagten zu der Sach- und Rechtslage vor und die anschließende Prüfung war weder schwierig noch aufwendig in Bezug auf die Beurteilung des streitgegenständlichen Eingriffs.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91,92 ZPO. Die Zuvielforderung des Klägers war geringer als 10 % und hat keine weiteren Kosten veranlasst.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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