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Krankenversicherung – Anspruchsverlust – Verzicht gegenüber gegnerischer Haftpflichtversicherung

Ein schwerer E-Bike-Unfall: Ein Mann, der sich mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung umfassend geeinigt hatte, erlebte eine unerwartete Wende. Seine private Krankenversicherung weigerte sich, die Kosten für dringend notwendige Folgeoperationen zu übernehmen. Vor dem Landgericht Saarbrücken wurde geklärt, ob der Vergleich mit dem Schädiger tatsächlich den eigenen Versicherungsschutz beendete.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 14 O 221/17 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: LG Saarbrücken
  • Datum: 22.11.2018
  • Aktenzeichen: 14 O 221/17
  • Rechtsbereiche: Versicherungsvertragsrecht, Zivilprozessrecht, Bürgerliches Recht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Ein Versicherungsnehmer einer privaten Krankenversicherung, der nach einem Verkehrsunfall Heilbehandlungskosten geltend machte. Er hatte zuvor einen umfassenden Abfindungsvergleich mit der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners geschlossen, wollte aber weiterhin Leistungen von seiner privaten Krankenversicherung.
  • Beklagte: Die private Krankenversicherung des Klägers. Sie verweigerte die weitere Erstattung unfallbedingter Kosten mit der Begründung, dass der Kläger durch den Vergleich auf seine Ansprüche gegen den Unfallgegner verzichtet habe.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Der Kläger erlitt bei einem Verkehrsunfall Verletzungen, deren Behandlungskosten zunächst von seiner privaten Krankenversicherung übernommen wurden. Später schloss der Kläger einen Vergleich mit der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners, der alle materiellen und immateriellen Ansprüche aus dem Unfall für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft als erledigt abgalt.
  • Kern des Rechtsstreits: Die Streitfrage war, ob die private Krankenversicherung (Beklagte) trotz des umfassenden Vergleichs des Klägers mit dem Unfallverursacher weiterhin für dessen unfallbedingte Heilbehandlungskosten leistungspflichtig ist. Es ging insbesondere um die Frage, ob der Vergleich eine vorsätzliche Verletzung der versicherungsrechtlichen Obliegenheiten des Klägers darstellt.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Die Klage des Klägers wurde abgewiesen. Das Gericht stellte fest, dass die private Krankenversicherung nicht verpflichtet ist, weitere unfallbedingte Krankenkosten zu übernehmen.
  • Begründung: Das Gericht begründete die Entscheidung damit, dass der vom Kläger mit der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners geschlossene Vergleich ausdrücklich alle zukünftigen Ansprüche abgalt. Durch diesen Verzicht hat der Kläger vorsätzlich eine Obliegenheit gemäß § 86 Abs. 2 Satz 2 VVG verletzt, da er den Ersatzanspruch gegen den Dritten nicht wahrte.
  • Folgen: Der Kläger muss die Kosten des Rechtsstreits tragen und erhält von seiner privaten Krankenversicherung keine weiteren Leistungen für die künftigen, unfallbedingten Behandlungskosten, da die Versicherung wegen der Obliegenheitsverletzung von ihrer Leistungspflicht befreit ist.

Der Fall vor Gericht


Krankenversicherung muss nach umfassendem Unfallvergleich nicht mehr zahlen

Ein Verkehrsunfall kann weitreichende Folgen haben – nicht nur gesundheitlich, sondern auch rechtlich, insbesondere wenn es um die Kostenübernahme durch Versicherungen geht. Das Landgericht Saarbrücken hatte in einem Urteil (Az.: 14 O 221/17 vom 22.11.2018) darüber zu entscheiden, ob eine private Krankenversicherung weiterhin für unfallbedingte Behandlungskosten aufkommen muss, nachdem der Versicherte mit der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers einen umfassenden Abfindungsvergleich geschlossen hatte. Kernfrage war dabei auch, ob dem Versicherten eine so schwerwiegende Pflichtverletzung vorzuwerfen ist, dass die Versicherung von ihrer Leistungspflicht befreit wird.

Der Unfall und der Streit mit der gegnerischen Versicherung

E-Bike Unfallopfer unterschreibt Vergleichsvertrag bei Anwälten im Büro
E-Bike Unfall, Verletzung und Vergleichsvertrag: Verletzter unterzeichnet Abfindung bei Anwalt im Anwaltsbüro. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Am 3. September 2015 wurde Herr K., der Kläger in diesem Verfahren, bei einem Zusammenstoß seines E-Bikes mit einem Auto verletzt. Herr K. ist bei der beklagten privaten Krankenversicherung (im Folgenden „die Versicherung“) versichert. Grundlage des Vertrages sind die Musterbedingungen für die Krankenkostenversicherung (MB/KK 2009), ein Standardregelwerk für solche Versicherungen. Die Verletzungen machten ärztliche Behandlungen notwendig, und es stand fest, dass zukünftig noch zwei Operationen zur Entfernung von Schrauben und Platten an Bein und Schlüsselbein erforderlich sein würden.

Zunächst übernahm die Versicherung von Herrn K. die Kosten für einige unfallbedingte Behandlungen. Dafür erhielt sie von der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners, also der Versicherung des Autofahrers, der den Unfall verursacht hatte, Erstattungen in Höhe von insgesamt über 21.000 Euro. Später führte Herr K. einen eigenen Rechtsstreit vor dem Landgericht Saarbrücken gegen die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners. In diesem Prozess forderte er Schadensersatz für materielle Schäden (also zum Beispiel Reparaturkosten oder Verdienstausfall), ein angemessenes Schmerzensgeld für seine erlittenen Verletzungen, den Ersatz von Anwaltskosten und die Feststellung, dass die gegnerische Haftpflichtversicherung ihm alle zukünftigen Schäden aus dem Unfall ersetzen muss.

Dieser Rechtsstreit endete am 11. April 2017 durch einen Vergleich. Ein Vergleich ist eine gütliche Einigung, mit der ein Rechtsstreit beendet wird, indem beide Seiten Zugeständnisse machen. Im Text dieses Vergleichs hieß es unter anderem: „Mit der Zahlung des in Ziffer 1. genannten Betrages [15.000 Euro weiteres Schmerzensgeld] sind sämtliche materiellen und immateriellen Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte [die gegnerische Haftpflichtversicherung] aus dem hier streitgegenständlichen Verkehrsunfall vom 3.9.2015 für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft endgültig erledigt und abgefunden. Dieser Abfindungsvergleich betrifft sämtliche Ansprüche, auch diejenigen, die hier nicht streitgegenständlich sind und nicht vorhersehbar sind.“ Beide Parteien verzichteten auf ihr Recht, diesen Vergleich zu widerrufen.

Die Reaktion der eigenen Krankenversicherung und der Gang vor Gericht

Kurz nach diesem Vergleich, am 12. April 2017, informierte Herr K. seine eigene private Krankenversicherung über die getroffene Vereinbarung. Daraufhin teilte ihm seine Versicherung mit Schreiben vom 11. Mai 2017 mit, dass ihm ab dem Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses keine weiteren Leistungsansprüche für Krankheitskosten im Zusammenhang mit dem Unfall mehr zustünden. Trotz dieser klaren Ansage bezahlte die Versicherung im Juni 2017 noch Rechnungen für Krankengymnastik und Lymphdrainage in Höhe von insgesamt 460 Euro. Ende Juni 2017 bekräftigte die Versicherung jedoch ihre Ablehnung weiterer Zahlungen für unfallbedingte Krankheitskosten.

Herr K. war damit nicht einverstanden und zog vor Gericht. Er war der Meinung, er habe ein sogenanntes Feststellungsinteresse. Das bedeutet, er wollte vom Gericht verbindlich klären lassen, dass seine Versicherung weiterhin für die unfallbedingten Kosten aufkommen muss, insbesondere für die noch anstehenden Operationen. Er argumentierte, er müsse nicht erst die Rechnungen für diese Operationen abwarten, um seine Rechte geltend zu machen. Seine Ansprüche gegen die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners seien, so seine Sicht, ohnehin schon nach § 86 Absatz 1 des Versicherungsvertragsgesetzes (kurz VVG) auf seine eigene Krankenversicherung übergegangen. Dieser Paragraph regelt, dass Ersatzansprüche des Versicherten gegen einen Dritten (hier den Unfallverursacher bzw. dessen Haftpflichtversicherung) auf den Versicherer übergehen, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. Für die private Krankenversicherung könne nichts anderes gelten als für die gesetzliche Krankenversicherung, wo eine ähnliche Regelung in § 116 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) existiert.

Weiterhin meinte Herr K., dass ein Leistungsausschluss gemäß § 86 Absatz 2 VVG nicht greife. Diese Vorschrift sieht vor, dass der Versicherer leistungsfrei werden kann, wenn der Versicherungsnehmer seinen Ersatzanspruch gegen den Dritten oder ein zur Sicherung dieses Anspruchs dienendes Recht aufgibt, ohne dazu verpflichtet zu sein. Herr K. sah hier keine sogenannte Obliegenheitsverletzung seinerseits. Eine Obliegenheit ist eine Art vertragliche Verhaltenspflicht des Versicherungsnehmers, deren Verletzung nachteilige Folgen haben kann. Die noch ausstehenden Krankheitskosten seien nicht von dem geschlossenen Vergleich mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung umfasst gewesen. Selbst wenn sie es wären, treffe ihn kein Verschulden. Insbesondere sei seine beauftragte Rechtsanwältin, Frau A., nicht als seine Repräsentantin für die Erfüllung versicherungsrechtlicher Pflichten anzusehen. Ein Verschulden der Anwältin könne ihm nicht nach § 278 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zugerechnet werden, einer Vorschrift, die die Haftung für Erfüllungsgehilfen regelt. Es komme allein auf sein eigenes Verschulden an, und ein Irrtum über schwierige Rechtsfragen schließe Vorsatz und Fahrlässigkeit aus, wenn man sich, wie durch das Einholen anwaltlichen Rats geschehen, um Klärung bemüht habe. Auf den Rat seiner Anwältin habe er vertrauen dürfen. Schließlich habe seine Versicherung durch die Zahlung der 460 Euro nach Kenntnis des Vergleichs ihre Eintrittspflicht anerkannt.

Die beklagte Versicherung beantragte, die Klage abzuweisen. Sie vertrat die Auffassung, der Vergleich mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung habe sehr wohl auch alle zukünftigen Krankheitskosten umfasst, da von „sämtlichen materiellen Ansprüchen“ die Rede sei. Zukünftige Ansprüche seien auch noch nicht nach § 86 Absatz 1 VVG auf sie, die Versicherung, übergegangen, da sie diese Kosten ja noch gar nicht bezahlt habe. Die Regelung für die gesetzliche Krankenversicherung (§ 116 SGB X) sei nicht übertragbar. Durch den Vergleich habe Herr K. gegen das sogenannte Aufgabeverbot verstoßen – er habe also Ansprüche gegen den Schädiger aufgegeben, die seiner Versicherung zugestanden hätten. Ob seine Anwältin als Repräsentantin anzusehen sei oder nicht, spiele keine Rolle, da der Vergleich mit Wissen und Wollen von Herrn K. geschlossen worden sei. Für einen Leistungsausschluss sei ein Verschulden des Versicherungsnehmers nicht einmal zwingend erforderlich; es genüge, dass der Anspruch gegen den Dritten untergegangen sei und der Versicherungsnehmer dies gewollt habe. Die Zahlung der 460 Euro sei kein Anerkenntnis gewesen, da aus den Rechnungen selbst nicht ersichtlich gewesen sei, dass es sich um unfallbedingte Kosten handelte.

Die Entscheidung des Landgerichts: Klage abgewiesen

Das Landgericht Saarbrücken wies die Klage von Herrn K. ab. Das bedeutet, Herr K. hat keinen Anspruch darauf, dass seine private Krankenversicherung für die zukünftigen, unfallbedingten Operationskosten aufkommt. Er muss zudem die Kosten des Rechtsstreits tragen.

Das Gericht erklärte die Klage zwar für zulässig. Das bedeutet, es gab keine formalen Gründe, die einer Entscheidung in der Sache entgegengestanden hätten. Herr K. hatte ein berechtigtes Interesse daran, die Frage der Leistungspflicht seiner Versicherung klären zu lassen, da weitere Operationen anstanden und die Versicherung ihre Leistungspflicht bestritt.

Die Klage war jedoch unbegründet. Das Gericht führte aus, dass Herr K. zwar grundsätzlich nach § 192 Absatz 1 VVG einen Anspruch auf Erstattung notwendiger Heilbehandlungskosten wegen Unfallfolgen gegen seine Versicherung hat. Dieser Anspruch sei im konkreten Fall aber wegen des Vergleichs mit der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners nach § 86 Absatz 2 Satz 2 VVG ausgeschlossen. Diese Vorschrift besagt, dass der Versicherer von seiner Leistungspflicht befreit ist, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich seinen Ersatzanspruch gegen einen Dritten oder ein zur Sicherung dieses Anspruchs dienendes Recht vereitelt.

Die detaillierte Begründung des Gerichts

Das Gericht begründete seine Entscheidung ausführlich und ging dabei auf mehrere zentrale Punkte ein:

1. Der Vergleich umfasste auch die zukünftigen Operationskosten

Zunächst prüfte das Gericht den Inhalt des Vergleichs, den Herr K. mit der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners geschlossen hatte. Bei der Auslegung von Verträgen kommt es darauf an, was die Parteien wirklich gewollt haben, wie es in §§ 133, 157 BGB steht. Bei einem Prozessvergleich, also einem Vergleich, der vor Gericht geschlossen wird, ist allein der protokollierte Inhalt maßgeblich. Die entscheidende Klausel lautete, dass „sämtliche materiellen und immateriellen Ansprüche … für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft endgültig erledigt und abgefunden“ seien und dies „sämtliche Ansprüche, auch diejenigen, die hier nicht streitgegenständlich sind und nicht vorhersehbar sind“ betreffe.

Das Gericht stellte fest: Dieser Wortlaut ist ausdrücklich und zweifelsfrei. Er besagt klar, dass mit dem Vergleich alle Ansprüche aus dem Unfall abgegolten sein sollen, egal ob sie zukünftig, nicht Teil des damaligen Prozesses oder nicht vorhersehbar waren. Die noch ausstehenden Operationen sind genau solche zukünftigen Ansprüche als Folge des Verkehrsunfalls. Herr K. hat also durch den Vergleich wirksam auf Ersatzansprüche gegen die gegnerische Haftpflichtversicherung auch bezüglich dieser zukünftigen Behandlungen verzichtet.

2. Kein vorheriger Übergang der Ansprüche auf die Krankenversicherung

Das Gericht verneinte auch, dass die Ansprüche auf Erstattung der Kosten für die zukünftigen Operationen bereits nach § 86 Absatz 1 VVG auf die Krankenversicherung von Herrn K. übergegangen waren. Nach dieser Vorschrift geht ein Ersatzanspruch des Versicherten gegen einen Dritten auf den Versicherer über, soweit dieser den Schaden ersetzt. Voraussetzung ist also eine tatsächliche Leistung des Versicherers. Für die noch nicht bezahlten Operationskosten war dies unstreitig nicht geschehen.

Die Argumentation von Herrn K., die Regelungen für Sozialversicherungsträger (§ 116 SGB X) müssten hier analog angewendet werden, wies das Gericht zurück. Nach der Rechtsprechung zu § 116 SGB X gehen Ansprüche bei Sozialleistungen oft schon im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses über. Der Gesetzgeber habe aber mit § 86 VVG für private Versicherungen und § 116 SGB X für Sozialleistungen bewusst unterschiedliche Regelungen geschaffen.

3. Keine Anerkennung der Leistungspflicht durch spätere Zahlungen

Auch in der Zahlung der 460 Euro für Krankengymnastik und Lymphdrainage nach der Mitteilung über den Vergleich sah das Gericht kein sogenanntes Anerkenntnis zukünftiger Leistungspflichten. Ein Anerkenntnis kann zwar auch stillschweigend erfolgen, aber entscheidend ist, wie ein objektiver Dritter das Verhalten der Versicherung verstehen durfte. Da die Rechnungen ohne Hinweis auf den Unfallzusammenhang eingereicht wurden und dieser Zusammenhang auch aus den Rechnungen selbst nicht hervorging, durfte ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer eine solch geringfügige Erstattung nicht als Anerkenntnis für weitere, weit höhere und noch unbezifferte Versicherungsleistungen ansehen.

4. Der entscheidende Punkt: Vorsätzliche Pflichtverletzung durch den Vergleichsabschluss

Der Kern der Begründung lag im Leistungsausschluss gemäß § 86 Absatz 2 Satz 2 VVG. Weil Herr K. im Vergleich mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung auf die Erstattung zukünftiger Unfallschäden verzichtet hatte, ist seine eigene Krankenversicherung von ihrer Leistungspflicht befreit. Der Abschluss des Vergleichs stellt nach Ansicht des Gerichts eine vorsätzliche sogenannte Obliegenheitsverletzung dar. Eine Obliegenheit ist eine Pflicht des Versicherungsnehmers, bestimmte Verhaltensregeln einzuhalten, um seinen Versicherungsschutz nicht zu gefährden.

  • Verstoß gegen das Aufgabeverbot: Gemäß § 86 Absatz 2 Satz 1 VVG ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, seinen Ersatzanspruch gegenüber dem Schädiger zu wahren. Dies verbietet jedes Handeln, das zum Verlust dieses Anspruchs führt oder dessen Durchsetzung behindert. Dazu zählt auch der Abschluss eines Vergleichs, der solche Ansprüche aufgibt. Man spricht hier vom „Aufgabeverbot“. Herr K. hätte seine Ansprüche nicht ohne Abstimmung mit seiner Versicherung aufgeben dürfen, da diese ein Interesse daran hat, sich das Geld vom Schädiger zurückzuholen (Regress).
  • Vorsätzlichkeit dieser Pflichtverletzung: Diese Obliegenheitsverletzung erfolgte nach Ansicht des Gerichts auch vorsätzlich. Vorsatz bedeutet, dass man die Pflichtverletzung will oder zumindest billigend in Kauf nimmt, obwohl man die entsprechende Verhaltensregel kennt. Die Aufgabe eines Anspruchs, wie sie im Vergleich erfolgte, beinhaltet das Wollen des die Pflicht verletzenden Handelns.

    Aber wie ist das mit dem Vorsatz, wenn Herr K. durch eine Anwältin vertreten wurde? Hier kommt § 85 Absatz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) ins Spiel. Die ZPO ist das Regelwerk für Gerichtsverfahren in Zivilsachen. § 85 Absatz 2 ZPO besagt, dass das Verschulden des Prozessbevollmächtigten (also des Anwalts) dem Verschulden der Partei gleichsteht. Das Gericht argumentierte, dass da es sich um einen Anwaltsprozess handelte (bei Landgerichten besteht Anwaltszwang), der Vergleich durch die Rechtsanwältin von Herrn K. abgeschlossen werden musste. Ihre Kenntnisse und ihr Wille sind Herrn K. zuzurechnen, als hätte er selbst gehandelt. Man müsse hier auf das Wissen und Wollen der Rechtsanwältin abstellen. Das Gericht betonte, dass diese Zurechnung für die gesamte Prozessführung des Anwalts, einschließlich des Vergleichsabschlusses, gilt. Eine frühere Entscheidung eines anderen Gerichts, wonach ein Anwalt nicht als Repräsentant für vorgerichtliche Pflichten angesehen wurde, sei hier nicht anwendbar. Im vorliegenden Fall des Prozessvergleichs im Anwaltsprozess gebe es eine „notwendige Verdrängung des Klägers als Versicherungsnehmer durch seine Rechtsanwältin“. Würde man § 85 Abs. 2 ZPO hier nicht anwenden, könnte dies zu Missbrauch führen.

  • Vorsätzliches Handeln der Rechtsanwältin: Die Rechtsanwältin von Herrn K. handelte nach Auffassung des Gerichts bei Abschluss des Vergleichs vorsätzlich. Sie führte die Verhandlungen und bewirkte bewusst den Verzicht auf weitere Ansprüche. Angesichts des eindeutigen Wortlauts des Vergleichs und der juristischen Kenntnisse, die man von einer Anwältin erwarten muss, gebe es keine Anhaltspunkte, dass dieses Ergebnis nicht gewollt war.
    Der Einwand von Herrn K., seine Anwältin sei davon ausgegangen, die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag würden nicht berührt, sei ein sogenannter mittelbarer Rechtsfolgenirrtum. Das bedeutet, sie irrte sich über die rechtlichen Konsequenzen ihres Handelns für den Versicherungsvertrag. Entscheidend für den Vorsatz sei aber, ob die Anwältin die Existenz der Pflicht zur Wahrung der Ansprüche (§ 86 Abs. 2 Satz 1 VVG) kannte und wusste, dass ein Verstoß dagegen zur Leistungsfreiheit der Versicherung führen kann (§ 86 Abs. 2 Satz 2 VVG). Da die Anwältin die Pflicht kannte und bewusst einen Vergleich abschloss, der offensichtlich einen Verstoß darstellte, könne sie sich nicht darauf berufen, die nachteilige Rechtsfolge nicht gekannt zu haben. Von einer Rechtsanwältin müsse die Kenntnis dieser direkt im Gesetz stehenden Regelungen sowie die Kenntnis von § 85 Absatz 2 ZPO erwartet werden.

Im Ergebnis führte dieser vorsätzliche Verzicht auf Ansprüche gegen den Schädiger dazu, dass die Krankenversicherung von Herrn K. ihrerseits nicht mehr für die zukünftigen unfallbedingten Behandlungskosten leisten muss.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil verdeutlicht, dass ein umfassender Vergleich mit einer gegnerischen Haftpflichtversicherung zum Verlust weiterer Krankenkassenansprüche führen kann. Wer einen Vergleich schließt, der „sämtliche Ansprüche für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“ umfasst, verzichtet damit vorsätzlich auf Erstattungsansprüche und befreit seine eigene Krankenversicherung von der Leistungspflicht für zukünftige unfallbedingte Behandlungen. Bei Vergleichsabschlüssen im Anwaltsprozess wird das Handeln des Anwalts dem Mandanten vollständig zugerechnet, auch wenn dieser die versicherungsrechtlichen Konsequenzen nicht überblickt hat.

Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.

Häufig gestellte Fragen zu versicherungsrechtlichen Themen

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Warum kann meine Krankenversicherung die Zahlungen einstellen, wenn ich mich mit dem Unfallverursacher geeinigt habe?

Wenn Sie nach einem Unfall verletzt werden und Ihre Krankenversicherung die Behandlungskosten übernimmt, hat sie grundsätzlich einen Anspruch darauf, diese Kosten vom Unfallverursacher zurückzufordern. Diesen Anspruch nennt man Regressanspruch. Ihre Krankenversicherung tritt dabei quasi in Ihre Rechte ein, um das Geld, das sie für Ihre Behandlung ausgegeben hat, vom Verursacher oder dessen Haftpflichtversicherung zurückzuerhalten.

Das Prinzip des Regresses der Krankenversicherung

Stellen Sie sich vor, jemand verursacht einen Unfall, bei dem Sie verletzt werden. Die Behandlungskosten können hoch sein. Ihre Krankenversicherung kommt zunächst für diese Kosten auf. Damit diese Leistungen nicht auf Dauer zu Lasten der Solidargemeinschaft gehen, hat die Krankenversicherung per Gesetz das Recht, sich das Geld vom Unfallverursacher (oder dessen Haftpflichtversicherung) wiederzuholen. Man spricht hier vom Übergang von Ansprüchen. Das bedeutet, dass der Anspruch auf Ersatz der Behandlungskosten, den Sie ursprünglich gegen den Unfallverursacher hatten, auf Ihre Krankenversicherung übergeht, sobald diese die Leistungen für Sie erbringt.

Die Tücke einer eigenen Einigung: Das „Aufgabeverbot“

Wenn Sie sich mit dem Unfallverursacher oder dessen Haftpflichtversicherung auf eine einmalige Abfindung (einen sogenannten Abfindungsvergleich) einigen und dabei auf alle Ihre Ansprüche aus dem Unfall verzichten, kann dies weitreichende Folgen haben. Für Sie mag es zunächst nach einer schnellen Lösung aussehen, um die Angelegenheit abzuschließen.

Das Problem dabei ist: Da die Krankenversicherung bereits einen Regressanspruch auf bestimmte Kosten hat oder noch haben wird, dürfen Sie als Geschädigter diesen Anspruch nicht vereiteln. Dies wird auch als „Aufgabeverbot“ bezeichnet. Es bedeutet, Sie dürfen nicht auf Ansprüche verzichten, die Ihre Krankenversicherung für ihren Regress benötigt. Insbesondere wenn der Abfindungsvergleich eine umfassende Erledigung aller zukünftigen Ansprüche beinhaltet und somit auch die Ansprüche der Krankenversicherung umfasst, ohne diese gesondert zu berücksichtigen, kann dies zu Schwierigkeiten führen.

Mögliche Folgen für Ihre Krankenversicherung

Wenn Sie durch Ihre Einigung den Regressanspruch Ihrer Krankenversicherung beeinträchtigen oder gar unmöglich machen, kann Ihre Krankenversicherung argumentieren, dass Sie gegen das Aufgabeverbot verstoßen haben. Die rechtliche Folge kann sein, dass Ihre Krankenversicherung dann nicht mehr verpflichtet ist, weitere unfallbedingte Behandlungskosten zu übernehmen. Im schlimmsten Fall könnte sie sogar bereits erbrachte Leistungen von Ihnen zurückfordern, da Sie ihr die Möglichkeit genommen haben, das Geld vom eigentlichen Verursacher zurückzuholen. Der Gedanke dahinter ist, dass die Kosten des Unfalls letztlich vom Verursacher getragen werden sollen und nicht von der Versichertengemeinschaft. Wenn Sie die Tür für den Regress der Krankenversicherung schließen, müssen Sie unter Umständen die finanziellen Konsequenzen tragen.


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Welche Auswirkungen hat ein Vergleich mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung auf zukünftige Behandlungskosten?

Ein Vergleich mit einer gegnerischen Haftpflichtversicherung ist eine vertragliche Vereinbarung, mit der Sie und die Versicherung einen Unfallschaden und die daraus resultierenden Ansprüche abschließend regeln. Das Ziel ist es, einen Rechtsstreit zu vermeiden oder zu beenden und eine schnelle Entschädigung zu erzielen.

Was ein Vergleich rechtlich bedeutet

Wenn Sie einen Vergleich abschließen, verzichten Sie im Gegenzug für eine bestimmte Zahlung oder Leistung der Versicherung auf alle weiteren Ansprüche, die aus dem Unfallereignis entstanden sind oder entstehen könnten. Häufig enthalten solche Vergleichsverträge eine umfassende Formulierung, die man als „Generalquittung“ oder „Erledigungsklausel“ bezeichnen kann. Diese Formulierung besagt, dass mit dem Vergleich alle Ansprüche – für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – als vollständig abgegolten gelten.

Das bedeutet für Sie: Selbst wenn zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses noch nicht alle möglichen Folgen Ihrer Verletzungen bekannt oder absehbar waren, sind diese zukünftigen Ansprüche in der Regel bereits durch den Vergleich mitumfasst. Die Versicherung möchte damit erreichen, dass die Angelegenheit endgültig und abschließend erledigt ist und keine neuen Forderungen mehr gestellt werden können.

Auswirkungen auf zukünftige Behandlungskosten

Die umfassenden Formulierungen in Vergleichen haben direkte Auswirkungen auf mögliche spätere Behandlungskosten. Sollten nach dem Abschluss des Vergleichs neue medizinische Behandlungsbedarfe entstehen oder sich Ihr Gesundheitszustand verschlechtern, und dies auf denselben Unfall zurückzuführen ist, können Sie dafür in der Regel keine weiteren Ansprüche gegenüber der Versicherung geltend machen. Diese Kosten gelten als bereits mit dem Vergleichsbetrag abgegolten.

Stellen Sie sich vor, Sie haben nach einem Unfall Schmerzen und schließen einen Vergleich über eine bestimmte Summe ab. Jahre später stellt sich heraus, dass eine schwerwiegende Spätfolge des Unfalls eine aufwendige Operation notwendig macht. Wenn der Vergleich eine solche Erledigungsklausel enthielt, sind die Kosten für diese Operation bereits vom damaligen Vergleich erfasst, selbst wenn die Notwendigkeit dieser Operation zum Zeitpunkt des Vergleichs noch nicht vorhersehbar war. Daher ist die Tragweite eines solchen Vergleichs für Sie als Geschädigten weitreichend.


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Was muss ich beachten, bevor ich einen Unfallvergleich unterschreibe, um meinen Krankenversicherungsschutz nicht zu verlieren?

Wenn Sie nach einem Unfall einen Vergleich unterschreiben möchten, ist es wichtig, die Rolle Ihrer Krankenversicherung zu verstehen. Nach einem Unfall, der von einer anderen Person verursacht wurde, übernimmt Ihre Krankenversicherung in der Regel die Kosten für Ihre medizinische Behandlung und andere Leistungen, die durch den Unfall entstanden sind.

Forderungsübergang an die Krankenversicherung

Sobald Ihre Krankenversicherung diese Kosten beglichen hat, gehen Ihre ursprünglichen Ansprüche gegen den Verursacher des Unfalls (oder dessen Haftpflichtversicherung) in Höhe der gezahlten Leistungen gesetzlich auf Ihre Krankenversicherung über. Das bedeutet, Ihre Krankenversicherung kann diese bereits von ihr getragenen Kosten direkt vom Unfallverursacher oder dessen Versicherung zurückfordern. Dies wird oft als Regressanspruch oder gesetzlicher Forderungsübergang bezeichnet und ist im Sozialgesetzbuch geregelt. Für Sie bedeutet das: Die Krankenversicherung tritt in Ihre „Schuhe“ bezüglich dieser speziellen Forderungen.

Die Gefahr eines „Globalvergleichs“ ohne Abstimmung

Ein Unfallvergleich, den Sie mit dem Unfallverursacher oder dessen Haftpflichtversicherung abschließen, beinhaltet oft eine „Abfindung aller Ansprüche“. Dies bedeutet, dass mit der Zahlung einer bestimmten Summe alle möglichen Forderungen aus dem Unfall abgegolten sind. Das kann auch jene Ansprüche einschließen, die Ihre Krankenversicherung bereits übernommen hat oder noch übernehmen wird. Wenn Sie einen solchen Vergleich ohne das Wissen und die ausdrückliche Zustimmung Ihrer Krankenversicherung unterschreiben, kann dies weitreichende Folgen haben.

Mögliche Folgen bei fehlender Abstimmung

Durch einen solchen Vergleich könnten Sie den Regressanspruch Ihrer Krankenversicherung gefährden oder sogar vereiteln. Das heißt, die Möglichkeit der Krankenversicherung, ihre Ausgaben vom Unfallverursacher zurückzuholen, kann durch Ihr Handeln eingeschränkt oder unmöglich gemacht werden.

In einem solchen Fall kann Ihre Krankenversicherung unter Umständen von Ihnen die Rückzahlung der von ihr geleisteten Kosten fordern, da Sie durch den Vergleich den ihr zustehenden Regressanspruch vereitelt haben. Ihr Krankenversicherungsschutz als solcher geht dadurch nicht zwingend verloren, aber die finanziellen Folgen können erheblich sein, da Sie die Kosten, die eigentlich der Unfallverursacher tragen sollte, plötzlich selbst tragen müssen. Es ist entscheidend zu wissen, welche Kosten Ihre Krankenversicherung bereits übernommen hat.

Vor der Unterschrift: Kommunikation ist entscheidend

Um sicherzustellen, dass Ihr Krankenversicherungsschutz nicht durch einen Unfallvergleich beeinträchtigt wird und Sie nicht unerwartet mit Rückforderungen konfrontiert werden, ist es äußerst wichtig, Ihre Krankenversicherung zu informieren und deren Zustimmung einzuholen, bevor Sie einen Unfallvergleich unterschreiben, der auch die medizinischen Kosten oder andere von der Versicherung getragene Leistungen umfasst. Klären Sie genau ab, welche Forderungen Ihre Krankenversicherung bereits hat und ob diese im Vergleich berücksichtigt werden.


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Hafte ich für Fehler meines Anwalts, die meinen Krankenversicherungsanspruch betreffen?

Grundsätzlich ja, die Handlungen und auch Fehler Ihres Anwalts, der Sie in einem Gerichtsverfahren oder bei der Durchsetzung von Ansprüchen vertritt, werden Ihnen rechtlich zugerechnet. Das bedeutet, dass die Folgen dieser Handlungen und Fehler direkt Sie als Mandanten betreffen. Dies ist ein wichtiger Grundsatz im deutschen Prozessrecht und wird als Zurechnung des Anwaltsverschuldens bezeichnet.

Was bedeutet „Zurechnung des Anwaltsverschuldens“?

Wenn Sie einen Anwalt beauftftragen, agiert dieser als Ihr Vertreter. Das Gesetz geht davon aus, dass die Erklärungen und Handlungen Ihres Anwalts in einem Prozess dieselbe Wirkung haben, als ob Sie diese selbst vorgenommen hätten. Selbst wenn Sie als Laie die rechtlichen Feinheiten oder die Bedeutung bestimmter Schritte nicht vollumfänglich überblicken, werden die Entscheidungen und das Vorgehen Ihres Anwalts Ihnen angelastet. Dies gilt auch für mögliche Fehler oder Versäumnisse.

Weitreichende Konsequenzen für den Krankenversicherungsanspruch

Dieses Prinzip kann erhebliche Auswirkungen auf Ihre Ansprüche haben, insbesondere im Zusammenhang mit einem Krankenversicherungsanspruch nach einem Unfall:

  • Versäumnis von Fristen: Verpasst Ihr Anwalt wichtige Fristen, um etwa Schadenersatzansprüche oder bestimmte Leistungen bei der Krankenversicherung geltend zu machen, kann dies dazu führen, dass Ihr Anspruch erlischt. Sie können ihn dann möglicherweise nicht mehr durchsetzen, auch wenn er ursprünglich berechtigt war.
  • Unvollständige Geltendmachung von Schäden: Wenn Ihr Anwalt bestimmte Schäden, die Ihren Krankenversicherungsanspruch betreffen (z.B. Kosten für nicht von der Kasse übernommene Behandlungen, Zuzahlungen, Fahrtkosten zu Therapien), nicht oder unvollständig geltend macht, können diese Beträge im Nachhinein verloren sein.
  • Einwilligung in ungünstige Vergleiche: Besonders bei gerichtlichen Vergleichen ist Vorsicht geboten. Ein gerichtlicher Vergleich ist ein bindender Vertrag, mit dem ein Rechtsstreit beendet wird. Stimmt Ihr Anwalt einem Vergleich zu, der beispielsweise eine pauschale Abgeltung „aller Ansprüche“ vorsieht, kann dies dazu führen, dass Sie spätere oder noch nicht bekannte Kosten, die Ihre Krankenversicherung betreffen, nicht mehr einfordern können. Das gilt selbst dann, wenn diese Kosten zum Zeitpunkt des Vergleichs noch nicht absehbar waren.

Für Sie bedeutet das, dass das Vorgehen und die Sorgfalt Ihres Anwalts im Prozess eine unmittelbare und entscheidende Rolle für den Erfolg und die Reichweite Ihrer eigenen Ansprüche spielt. Die Handlungen Ihres Anwalts werden rechtlich als Ihre eigenen betrachtet, mit allen daraus resultierenden Konsequenzen für Ihren Versicherungsschutz und Ihre sonstigen Ansprüche.


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Wann geht mein Anspruch auf Schadenersatz auf meine private Krankenversicherung über?

Ihr Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verursacher eines Schadens, zum Beispiel nach einem Unfall, geht auf Ihre private Krankenversicherung (PKV) über, sobald und soweit diese die entstandenen Behandlungskosten bereits für Sie bezahlt hat.

Stellen Sie sich vor, Sie erleiden einen Unfall, bei dem eine andere Person die Schuld trägt. Die dadurch entstehenden medizinischen Kosten werden zunächst von Ihrer privaten Krankenversicherung übernommen. In dem Moment, in dem Ihre private Krankenversicherung diese Kosten begleicht, tritt sie in Ihre Rechte gegenüber dem Unfallverursacher ein. Das bedeutet, Ihr ursprünglicher Anspruch auf Schadenersatz für genau diese bereits von der PKV bezahlten Kosten geht auf Ihre Versicherung über. Sie selbst können diese Kosten dann nicht mehr vom Unfallverursacher zurückfordern, da Ihre Versicherung diesen Anspruch nun hat.

Dies unterscheidet sich von der Regelung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Dort kann der Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verursacher oft schon dann auf die Krankenkasse übergehen, wenn der Leistungsanspruch entsteht, also bevor die Kasse überhaupt Zahlungen leistet. Bei der privaten Krankenversicherung ist der tatsächliche Leistungsfluss, also die Bezahlung der Kosten durch die Versicherung, der entscheidende Zeitpunkt für den Übergang des Anspruchs. Ihre PKV kann also nur das vom Verursacher zurückfordern, was sie tatsächlich an Sie oder für Sie ausgezahlt hat.

Dieses Prinzip ist im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) verankert und dient dazu, dass der Unfallverursacher für den Schaden aufkommt und gleichzeitig eine doppelte Entschädigung vermieden wird.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Abfindungsvergleich (Prozessvergleich)

Ein Abfindungsvergleich ist eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien eines Rechtsstreits, durch die der Streit durch gegenseitige Zugeständnisse endgültig beendet wird. Dabei verzichten beide Seiten auf weitere Forderungen aus dem streitgegenständlichen Sachverhalt, häufig auch auf zukünftige und unbekannte Ansprüche. Im vorliegenden Fall hat Herr K. mit der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers einen solchen Vergleich geschlossen, der alle materiellen und immateriellen Ansprüche aus dem Unfall abdeckt. Dadurch sind weitere Forderungen für zukünftige Behandlungskosten in der Regel ausgeschlossen.

Beispiel: Zwei Nachbarn streiten sich über einen Zaun und einigen sich darauf, dass einer den Zaun repariert, dafür verzichtet der andere auf weitere Ansprüche – ein Vergleich beendet den Streit verbindlich.


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Regressanspruch (Forderungsübergang)

Der Regressanspruch bezeichnet das gesetzliche Recht der Krankenversicherung, bereits geleistete Kosten von einem Dritten, hier dem Unfallverursacher oder dessen Haftpflichtversicherung, zurückzufordern. Sobald die Krankenversicherung die Behandlungskosten für den Versicherten übernimmt, treten ihre Ersatzansprüche gegen den Schädiger an die Stelle der ursprünglichen Ansprüche des Versicherten (Forderungsübergang nach § 86 Abs. 1 Versicherungsvertragsgesetz, VVG). Ziel ist es, eine doppelte Entschädigung des Versicherten zu vermeiden und die Kosten nicht auf der Versichertengemeinschaft lasten zu lassen.

Beispiel: Die private Krankenversicherung bezahlt Ihre Krankenhausrechnung nach einem Unfall und fordert dann das Geld vom Unfallverursacher zurück.


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Aufgabeverbot (§ 86 Absatz 2 Satz 1 VVG)

Das Aufgabeverbot ist eine vertragliche Obliegenheit des Versicherungsnehmers, wonach er seine Ersatzansprüche gegen Dritte (wie den Unfallverursacher) nicht aufgeben oder vereiteln darf, soweit diese Ansprüche auf den Versicherer übergehen oder übergegangen sind. Verstößt der Versicherte gegen dieses Verbot, etwa durch Abschluss eines umfassenden Vergleichs ohne Abstimmung mit seiner Krankenversicherung, kann der Versicherer von seiner Leistungspflicht befreit werden (§ 86 Abs. 2 Satz 2 VVG). Das Aufgabeverbot schützt das Rückforderungsrecht (Regressrecht) der Versicherung.

Beispiel: Wenn Sie Ihre Forderung gegenüber dem Unfallverursacher ohne Rücksprache mit der Krankenversicherung aufgeben, können Sie Ihren Versicherungsschutz für diesen Schaden verlieren.


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Obliegenheitsverletzung

Eine Obliegenheitsverletzung liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer seine vertraglichen Pflichten, die keine Hauptleistungspflichten sind, verletzt, was für den Versicherer nachteilige Folgen haben kann, etwa den Ausschluss der Leistungspflicht. Im Versicherungsrecht umfasst die Obliegenheit nach § 86 VVG insbesondere die Pflicht, Ersatzansprüche gegenüber Dritten zu sichern, also nicht aufzugeben (Aufgabeverbot). Eine vorsätzliche Verletzung bedeutet, dass der Versicherungsnehmer mit Wissen und Wollen gegen diese Pflicht verstößt. Im vorliegenden Fall wertete das Gericht den Abschluss des Vergleichs als vorsätzliche Obliegenheitsverletzung.

Beispiel: Wird bei einem Unfall der Anspruch gegen den Schädiger aufgegeben, ohne die Versicherung vorher zu informieren, verletzt der Versicherte seine Obliegenheit.


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Zurechnung des Anwaltsverschuldens (§ 85 Absatz 2 ZPO)

Nach § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) werden die Handlungen und der Verschulden eines Rechtsanwalts, der einen Kläger in einem Anwaltsprozess vertritt, dem Mandanten rechtlich zugerechnet. Das bedeutet, dass Fehler oder bewusste Entscheidungen des Anwalts als eigenes Verschulden des Mandanten gelten. Im vorliegenden Fall war der Vergleich, der zur Leistungsfreiheit der Krankenversicherung führte, von der Anwältin des Klägers abgeschlossen worden, sodass ihr Wissen und Wollen dem Herrn K. zugerechnet wurden. Dies ist wichtig, weil dadurch der Vorsatz der Obliegenheitsverletzung auch dem Versicherungsnehmer zugerechnet wird.

Beispiel: Wenn Ihr Anwalt einem Vergleich zustimmt, der Ihre Ansprüche mindert, gilt das rechtlich so, als hätten Sie selbst dem zugestimmt.


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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 86 Absatz 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG): Regelt den Übergang von Ersatzansprüchen des Versicherten gegen Dritte auf den Versicherer, soweit dieser den Schaden ersetzt hat. Der Versicherer tritt damit in die Rechte des Versicherten gegenüber dem Schuldner ein. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stellte fest, dass für die zukünftigen Operationskosten kein Übergang der Ersatzansprüche auf die private Krankenversicherung eingetreten ist, da diese Leistungen noch nicht bezahlt wurden.
  • § 86 Absatz 2 Satz 1 und 2 VVG: Enthält das sogenannte Aufgabeverbot, wonach der Versicherungsnehmer verpflichtet ist, seinen Ersatzanspruch gegen Dritte zu wahren und diesen nicht ohne Zustimmung des Versicherers aufzugeben; bei vorsätzlicher Verletzung wird der Versicherer von der Leistungspflicht frei. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Herr K. hat durch den Abschluss des umfassenden Vergleichs mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung vorsätzlich gegen diese Obliegenheit verstoßen, was die Leistungspflicht seiner privaten Krankenversicherung ausschloss.
  • § 85 Absatz 2 Zivilprozessordnung (ZPO): Bestimmt, dass das Verschulden des Prozessbevollmächtigten (Anwalts) der Partei zugerechnet wird, als habe sie selbst gehandelt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Zurechnung des vorsätzlichen Handelns der Rechtsanwältin beim Vergleichsschluss an Herrn K. verstärkt das Vorliegen einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung gemäß § 86 Abs. 2 VVG.
  • §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Regelungen zur Auslegung von Verträgen, die den wirklichen Willen der Parteien sowie Treu und Glauben berücksichtigen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht wertete den Vergleichstext nach diesen Vorschriften aus und entschied, dass der Verzicht auf sämtliche Ansprüche aus dem Unfall, einschließlich der zukünftig anfallenden Behandlungskosten, klar und umfassend vereinbart wurde.
  • § 192 Absatz 1 VVG: Begründet den Erstattungsanspruch des Versicherten gegenüber dem Versicherer für notwendige Heilbehandlungskosten infolge eines Unfalls. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Zwar besteht grundsätzlich ein Erstattungsanspruch, dieser wurde im konkreten Fall jedoch durch den Pflichtverletzungsvergleich gemäß § 86 Abs. 2 VVG ausgeschlossen.

Das vorliegende Urteil


LG Saarbrücken – Az.: 14 O 221/17 – Urteil vom 22.11.2018


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