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Krankentagegeldversicherung – verspätete Arbeitsunfähigkeitsanzeige

LG Oldenburg, Az.: 13 O 1756/12, Urteil vom 30.11.2012

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger, von Beruf selbstständiger Finanz- und Versicherungsmakler, beansprucht aus einer bei der Beklagten bestehenden Krankentagegeldversicherung ab dem 02.08.2011 ein Krankentagegeld. Versichert ist nach dem Tarif T 22/41 ab dem 22. Tag ein Krankentagegeld von 41,00 €/Kalendertag und nach dem Tarif KT 17/16 ab dem 43. Tag ein Tagegeld von 16,00 €/Tag. Dem Vertrag liegen die Tarifbedingungen (Anlage B1, Bl.30, 31) und die AVB (Anlage B2, Bl.32 ff.) zugrunde, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Die Beklagte hatte zunächst, nachdem der Kläger Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt hatte, vom 03.04.2009 bis 06.08.2010 die tariflichen Leistungen erbracht, die Zahlungen dann aber mit der Begründung eingestellt, ein Gutachter sei zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger berufsunfähig sei. In dem Verfahren 13 O 2580/10 des Landgerichts Oldenburg machte der Kläger einen bezifferten Anspruch auf ein Krankentagegeld für die Zeit vom 07.08.2010 bis 06.09.2010 geltend und einen Anspruch auf zukünftige Leistung ab 07.09.2010. Die Klage wurde abgewiesen, weil der Kläger nach dem Ergebnis eines vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachtens nicht zu 100 % arbeitsunfähig war. Die Frage, ob der Kläger berufsunfähig war, blieb offen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil in dem genannten Verfahren verwiesen. Seit dem 03.01.2012 zahlt die Beklagte erneut das vereinbarte Krankentagegeld. Streitig ist, ob dem Kläger auch für die Zeit ab 12.07.2011 ein Krankentagegeld zusteht. Die Beklagte beruft sich darauf, dass der Kläger keine Bescheinigungen eingereicht habe, hat aber 10 % der verlangten Leistung an den Kläger ausgezahlt.

Krankentagegeldversicherung - verspätete Arbeitsunfähigkeitsanzeige
Symbolfoto: Piotr Adamowicz/Bigstock

Der Kläger behauptet, er habe sich am 12.07.2011 von seinem Arzt eine Bescheinigung über eine Arbeitsunfähigkeit ausstellen lassen und habe diese der Beklagten übersandt. Er meint, schon aus diesem Grund sie die Beklagte zur Zahlung verpflichtet. Es sei der Beklagten aber auch nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf eine fehlende Krankmeldung zu berufen. Denn sowohl in dem vorigen Rechtsstreit, als auch in der außergerichtlichen Korrespondenz habe die Beklagte die Auffassung vertreten, dass er berufsunfähig sei. Dementsprechend habe die Beklagte ihm auch mit Schreiben vom 25.05.2010 (Anlage Bl.7) mitgeteilt, dass sein Versicherungsschutz im Krankentagegeldtarif ende, und habe die Umwandlung in eine Anwartschaftsversicherung angeboten. Beiträge habe die Beklagte nicht mehr gefordert. Nachdem er mit Schreiben vom 24.11.2011 (Bl.63) darauf hingewiesen habe, dass nach dem gerichtlichen Gutachten keine Berufsunfähigkeit vorliege, habe die Beklagte mit Schreiben vom 03.12.2011 (Bl.9) mitgeteilt, dass sie den Vertrag rückwirkend ab 07.08.2010 aufleben lassen und auch die Beiträge rückwirkend erheben werde. Nachdem er daraufhin im Januar 2012 Leistungen für die Zeit ab 12.07.2011 verlangt und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen beigefügt habe, habe die Beklagte Leistungen wegen verspäteter Meldung der Arbeitsunfähigkeit abgelehnt und nur 10 % ausgezahlt. Es treffe zwar zu, dass die Beklagte ihm schon mit Schreiben vom 31.08.2010 (Bl.43) mitgeteilt habe, dass sie ihre Entscheidung bezüglich der Berufsunfähigkeit zurückziehe. Da es darin aber weiter heiße, dass er von diesem Tag an kein Tagegeld mehr erhalten könne, da die Beklagte Beiträge nicht mehr vereinnahmt habe, und da die Beklagte selbst von einem Wiederaufleben gesprochen habe, sei also auch die Beklagte davon ausgegangen, dass die Tagegeldversicherung nicht mehr bestanden habe, und könne sich deshalb auch nicht darauf berufen, dass er Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht eingereicht habe.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.597,80 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 02.02.2012 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Kosten in Höhe von 661,16 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, dass sie die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 12.07.2011 erst am 03.01.2012 erhalten habe, so dass ein Leistungsanspruch erst ab diesem Zeitpunkt bestehe. Für den Zeitraum davor scheitere ein Anspruch daran, dass der Kläger seiner Obliegenheit gemäß § 9 MB/KT i.V.m. § 9 Abs.1 TB/KT, die Arbeitsunfähigkeit binnen 14 Tagen zu melden, nicht nachgekommen sei. Das sei grob fahrlässig. Ein Versicherungsnehmer sei nämlich verpflichtet, sich im Versicherungsfall über seine vertraglichen Obliegenheiten zu unterrichten. Die verspätete Meldung habe auch Einfluss auf ihre Möglichkeiten, Feststellungen zum Versicherungsfall zu treffen. Treu und Glauben stehe ihrem Berufen auf die verspätete Meldung nicht entgegen. In ihrem Schreiben vom 31.08.2010 sei eindeutig mitgeteilt, dass Berufsunfähigkeit nicht bestehe und dass der Leistungsanspruch entfalle, weil der Kläger nicht zu 100 % arbeitsunfähig sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet.

Dem Kläger steht ein weiterer Anspruch auf ein Krankentagegeld für die Zeit ab 12.07.2011 nicht zu.

Zwischen den Parteien besteht ein Versicherungsvertrag, in dem ein Krankentagegeld versichert ist. Dieser Vertrag bestand fortlaufend von Beginn an. Wenn die Beklagte sich auch vor dem Prozess auf eine Berufsunfähigkeit des Klägers berufen hat und offenbar der Ansicht war, der Vertrag habe wegen eingetretener Berufsunfähigkeit geendet, trifft diese Auffassung nicht zu. Es ist nicht festgestellt, dass der Kläger berufsunfähig war. Die Beklagte vertritt diese Auffassung im Prozess auch selbst nicht mehr.

Ein vertraglicher Anspruch auf ein Krankentagegeld für den Zeitraum ab 12.07.2011, in dem der Kläger unstreitig arbeitsunfähig war, besteht jedoch deshalb nicht, weil der Kläger seine Arbeitsunfähigkeit nicht unverzüglich angezeigt und nachgewiesen hat. Nach § 9 MB/KT ist die Arbeitsunfähigkeit unverzüglich, spätestens aber innerhalb der im Tarif festgesetzten Frist von 14 Tagen, durch Vorlage eines Nachweises anzuzeigen. Der Kläger behauptet zwar, ein ärztliches Attest über die Arbeitsunfähigkeit am 12.07.2011 an die Beklagte übersandt zu haben. Er hat für diese bestrittene Behauptung aber keinen Beweis angetreten, so dass eine unverzügliche Anzeige nicht festzustellen ist. Als der Kläger die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Januar 2012 an die Beklagte übersandte, war bereits ein halbes Jahr vergangen. Das ist nicht mehr unverzüglich.

Wegen der verspäteten Anzeige ist die Beklagte zu einer weiteren Leistung, die über bereits gezahlte 10 % des gesamten Anspruchs hinausgeht, nicht verpflichtet. Bei Verletzung der Obliegenheit zur unverzüglichen Anzeige ist der Versicherer nämlich nach § 10 MB/KT mit den in § 28 WG genannten Einschränkungen ganz oder teilweise von der Verpflichtung zur Leistung frei. Für den Fall der grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit bestimmt § 28 Abs.2 WG, dass der Versicherer berechtigt ist, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; der Verschuldensgrad der groben Fahrlässigkeit wird vermutet und ist vom Versicherungsnehmer zu entkräften. Eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung, die die völlige Leistungsfreiheit nach sich zieht, ist nicht gegeben. Der Kläger hat es vielmehr grob fahrlässig unterlassen, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu übersenden. Das führt hier zu einer Kürzung von 90 %, so dass die Beklagte ihre Leistungsverpflichtung mit Zahlung von 10 % erfüllt hat.

Von entscheidender Bedeutung ist, dass der Kläger die Obliegenheit der unverzüglichen Anzeige der Arbeitsunfähigkeit nicht nur deshalb kannte, weil sie in den Versicherungsbedingungen genannt ist, sondern dass sie ihm vor allem deshalb bekannt sein musste, weil er in der vergangenen Zeit schon Leistungen erhalten hatte. Dem entspricht auch das Vorbringen des Klägers, er habe sich noch am 12.07.2011 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen lassen und habe diese übersandt. Demgegenüber entlastet es den Kläger nicht, dass die Beklagte ihm am 25.05.2010 mitgeteilt hat, der Vertrag habe wegen Berufsunfähigkeit geendet. Denn schon am 31.08.2010 und damit etwa 1 Jahr vor dem hier streitigen Zeitpunkt hat die Beklagte ihre Ansicht revidiert und mitgeteilt, dass sie die „Entscheidung bezüglich der Berufsunfähigkeit zurückziehe. Dem Kläger, dem aus dem vorangegangenen Rechtsstreit bekannt war, welche Folgen eine Berufsunfähigkeit für die Krankentagegeldversicherung hat, musste damit klar sein, dass der Vertrag weiter besteht. Der weitere Teil des Schreibens, in dem Leistungen wegen einer Arbeitsunfähigkeit versagt werden, macht noch deutlicher, dass ein Vertrag weiterhin besteht. Denn die Leistung wird mit der Begründung abgelehnt, dass eine völlige Arbeitsunfähigkeit nicht mehr besteht. Aus dem gesamten Inhalt ist zu ersehen, dass ein Versicherungsvertrag weiterhin besteht und dass bei Vorliegen aller Anspruchsvoraussetzungen auch ein Anspruch auf ein Krankentagegeld gegeben ist. Aus der Tatsache, dass die Beklagte später mitgeteilt hat, sie werde den Vertrag wieder aufleben lassen, ergibt sich zwar, dass die Beklagte von einem Ruhen des Vertrages ausging; aber tatsächlich gibt es für ein Ruhen keinen Anlass. Zudem hatte sie durch das Schreiben vom 25.05.2010 unmissverständlich klargestellt, dass eine Berufsunfähigkeit nicht besteht. Ihre nachträglich mitgeteilte, nicht zutreffende Ansicht kann nicht herangezogen werden, um das frühere Verhalten des Klägers, der diese Mitteilung der Beklagten noch nicht kannte, anders zu beurteilen.

Die Schwere des Verschuldens wird allein dadurch gemildert, dass die Beklagte keine Beiträge zur Versicherung verlangt hat. Zwar lässt sich angesichts des Schreibens vom 25.05.2010 kein Anhaltspunkt dafür herleiten, dass ein Vertrag nicht besteht. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte den Kläger nicht zur Zahlung der Beiträge aufgefordert hat. Eine höhere Quote als 10 % kann diese Tatsache aber nicht begründen.

Aus den gleichen Gründen steht der Grundsatz von Treu und Glauben dem Vorbringen der Beklagten nicht entgegen. Durch das Schreiben vom 31.08.2010 ist jeglicher Anschein, dass ein Vertrag nicht bestehe, entkräftet worden. Dass der Kläger ein schützenswertes Vertrauen entwickelt hätte, ist auch nicht zu erkennen. Die Tatsache, dass er Leistungen ab 12.07.2011 beanspruchen wollte und nach seiner Behauptung auch ein ärztliches Attest übersandt hat, zeigt, dass er selbst von dem Bestehen eines Versicherungsvertrages ausging. Dann sind auch die Obliegenheiten zu erfüllen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Ziff.11, 711 ZPO.

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