Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Streit um Gesundheitsfragen: Wenn die Versicherung den Vertrag anficht
- Der Weg durch die Instanzen: Zwei Gerichte, eine Entscheidung
- Die Kernfragen des Streits: Was musste das Gericht klären?
- Die Beweisaufnahme: Ein Puzzle aus E-Mails, Zeugen und Gutachten
- Die Begründung des Gerichts: Ein klares Urteil gegen die Klägerin
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet es, wenn meine Versicherung den Vertrag wegen falscher Gesundheitsangaben anficht?
- Welche Gesundheitsinformationen muss ich meiner Versicherung vor Vertragsabschluss mitteilen?
- Worin liegt der Unterschied zwischen einem Versehen und einer absichtlichen Täuschung bei Gesundheitsfragen?
- Welche Folgen hat es, wenn meine Versicherung später feststellt, dass ich Gesundheitsinformationen verschwiegen habe?
- Wie lange nach Vertragsabschluss kann meine Versicherung Gesundheitsangaben noch beanstanden?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 11 U 149/16 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Brandenburg
- Datum: 21.12.2018
- Aktenzeichen: 11 U 149/16
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Versicherungsrecht, Bürgerliches Recht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eine Person, die die Feststellung des Fortbestandes ihrer Krankentagegeldversicherung begehrte und gegen die Abweisung ihrer Klage durch das Landgericht Berufung einlegte. Sie argumentierte, dass die Fragen zu ihrem Gesundheitszustand nicht ordnungsgemäß gestellt wurden und ihr keine arglistige Täuschung vorgeworfen werden könne.
- Beklagte: Ein Versicherungsunternehmen, das den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten und hilfsweise gekündigt hatte. Sie verteidigte die ursprüngliche Klageabweisung und behauptete, die Klägerin habe die Gesundheitsfragen wahrheitswidrig beantwortet und den vollständigen Antrag erhalten.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Die Klägerin schloss eine Krankentagegeldversicherung bei der Beklagten ab. Die Beklagte focht den Vertrag später wegen arglistiger Täuschung an und erklärte hilfsweise den Rücktritt sowie die Kündigung. Die Klägerin begehrte daraufhin gerichtlich die Feststellung, dass der Versicherungsvertrag weiterhin gültig ist.
- Kern des Rechtsstreits: Zentral war die Frage, ob die Klägerin ihre Vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt und die Beklagte arglistig über ihren Gesundheitszustand getäuscht hatte. Insbesondere ging es darum, ob die Klägerin Migräne und Psychotherapien bei der Antragstellung verschwiegen hatte und ob dies zur wirksamen Anfechtung des Versicherungsvertrages durch die Beklagte berechtigte.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts, das die Klage abgewiesen hatte, wurde zurückgewiesen. Die Klägerin muss die Kosten des Berufungsverfahrens tragen.
- Begründung: Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin wesentliche, ausdrücklich erfragte und gefahrerhebliche Gesundheitsumstände verschwiegen hatte. Sie hatte die Gesundheitsfragen im Antragsformular unrichtig beantwortet und die Beklagte dadurch objektiv getäuscht, obwohl sie ordnungsgemäß über die Folgen der Anzeigepflicht belehrt worden war. Das Gericht sah die arglistige Täuschung als gegeben an, da die Relevanz der verschwiegenen Angaben für die Entscheidung des Versicherers offensichtlich war.
- Folgen: Der Versicherungsvertrag ist aufgrund der wirksamen Anfechtung wegen arglistiger Täuschung von Anfang an als nichtig anzusehen. Die Klägerin kann daher keine Ansprüche auf Krankentagegeld geltend machen.
Der Fall vor Gericht
Streit um Gesundheitsfragen: Wenn die Versicherung den Vertrag anficht
Jeder, der schon einmal eine private Versicherung, etwa für Berufsunfähigkeit oder Krankheitstage, abschließen wollte, kennt sie: die Gesundheitsfragen. Man muss detailliert Auskunft über frühere Erkrankungen, Behandlungen und den allgemeinen Gesundheitszustand geben. Doch was passiert, wenn man dabei – absichtlich oder unabsichtlich – wichtige Informationen verschweigt und die Versicherung später davon erfährt? Genau mit dieser Frage musste sich das Oberlandesgericht Brandenburg beschäftigen. Im Zentrum stand eine Frau, die eine Krankentagegeldversicherung abgeschlossen hatte, eine Versicherung, die bei längerer Krankheit ein tägliches Geld auszahlt, um den Verdienstausfall auszugleichen.

Die Versicherung kündigte den Vertrag jedoch nicht einfach, sondern erklärte die sogenannte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Eine Anfechtung ist ein scharfes juristisches Schwert. Sie bedeutet, dass der Versicherer den Vertrag so behandelt, als hätte es ihn nie gegeben. Er will damit sagen: „Wir wurden von Anfang an getäuscht und hätten diesen Vertrag bei Kenntnis der wahren Umstände niemals abgeschlossen.“ Die Frau sah das anders und zog vor Gericht. Sie wollte festgestellt haben, dass ihr Versicherungsvertrag weiterhin gültig ist.
Der Weg durch die Instanzen: Zwei Gerichte, eine Entscheidung
Zunächst landete der Fall beim Landgericht Potsdam. Dieses erste Gericht prüfte den Sachverhalt und wies die Klage der Frau ab. Die Richter waren überzeugt, dass die Versicherung im Recht war. Der Grund: Die Frau habe ihre vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt. Das ist die gesetzliche Pflicht jedes Versicherungsnehmers, vor Vertragsabschluss alle Fragen der Versicherung wahrheitsgemäß zu beantworten (§ 19 Versicherungsvertragsgesetz, kurz VVG). Nach Ansicht des Gerichts hatte die Frau bei ihrem Antrag im Dezember 2013 mehrere erhebliche Gesundheitsprobleme nicht angegeben: fast tägliche Migräne mit Aura, eine frühere Ausschabung (eine gynäkologische Operation) und vor allem regelmäßige Psychotherapien, die sie seit 1992 alle zwei Jahre bei demselben Therapeuten in Anspruch nahm.
Das Landgericht ging von einer bewussten, also arglistigen Täuschung aus. Es argumentierte, dass jemand, der einen Antrag unterschreibt, auch für dessen Inhalt verantwortlich ist – selbst wenn er behauptet, die entscheidenden Seiten mit den Gesundheitsfragen nie gesehen zu haben. Die Frau hatte nämlich vorgetragen, sie habe den Antrag quasi „blind“ unterschrieben, ohne dass ihr die Gesundheitsfragen überhaupt gestellt worden seien. Das Gericht ließ das nicht gelten. Wer so handle, müsse damit rechnen, dass der Antrag möglicherweise falsch ausgefüllt ist und trotzdem für die Angaben haften.
Mit diesem Urteil wollte sich die Frau nicht zufriedengeben und legte Berufung ein. Damit ging der Fall in die nächste, höhere Instanz, zum Oberlandesgericht Brandenburg. Dieses musste nun den gesamten Fall noch einmal von vorne aufrollen und prüfen, ob das Landgericht richtig entschieden hatte.
Die Kernfragen des Streits: Was musste das Gericht klären?
Das Oberlandesgericht musste sich mit mehreren zentralen Streitpunkten auseinandersetzen, die die Frau in ihrer Berufung vorgebracht hatte.
Die erste und wichtigste Frage war: Wie genau lief der Antragsprozess ab? Die Frau behauptete, eine Versicherungsvertreterin habe ihr nur drei Seiten des Antrags per E-Mail geschickt, und zwar nur die Seiten, auf denen sie unterschreiben musste. Die Seite mit den Gesundheitsfragen sei gar nicht dabei gewesen. Auch am Telefon seien ihr die Fragen nicht gestellt worden. Wenn das stimmt, könnte man ihr schwerlich vorwerfen, Fragen falsch beantwortet zu haben, die ihr nie gestellt wurden. Die Versicherung hingegen behauptete, die Vertreterin habe der Frau am Telefon jede einzelne Gesundheitsfrage vorgelesen und ihre Antworten eingetragen. Anschließend habe sie ihr den kompletten, ausgefüllten Antrag als PDF-Datei zur Kontrolle zugeschickt.
Die zweite Frage knüpfte daran an: Selbst wenn die Frau falsche Angaben gemacht hat, war dies eine bewusste Täuschung, also Arglist? Arglist bedeutet mehr als nur ein Versehen oder eine Nachlässigkeit. Man handelt arglistig, wenn man bewusst lügt, um einen Vorteil zu erlangen – hier den Abschluss des Versicherungsvertrags, den man sonst vielleicht nicht bekommen hätte. Die Frau argumentierte: Wie kann man mir Arglist vorwerfen, wenn ich die Fragen gar nicht kannte?
Und schließlich die dritte Frage: Waren die verschwiegenen Krankheiten überhaupt so relevant? Juristen sprechen hier von Gefahrerheblichkeit. Eine Information ist dann gefahrerheblich, wenn die Versicherung bei Kenntnis dieser Information den Vertrag entweder gar nicht oder nur zu anderen Bedingungen, zum Beispiel mit einem höheren Beitrag oder einem Risikoausschluss, abgeschlossen hätte. Die Frau meinte, ihre Migräne und die psychotherapeutischen Gespräche ohne Medikamente seien für eine Krankentagegeldversicherung nicht so wichtig.
Die Beweisaufnahme: Ein Puzzle aus E-Mails, Zeugen und Gutachten
Um diese Fragen zu beantworten, führte das Oberlandesgericht eine umfangreiche Beweisaufnahme durch. Das bedeutet, es hörte sich alle Beteiligten persönlich an und prüfte die vorgelegten Beweismittel. Dies ist vergleichbar mit einem Detektiv, der alle Spuren sammelt, um ein Puzzle zusammenzusetzen.
Wem schenkte das Gericht Glauben?
Auf der einen Seite standen die Aussagen der Klägerin (der Frau) und ihres Lebensgefährten, der als Zeuge aussagte. Auf der anderen Seite standen die Versicherungsvertreterin, ebenfalls als Zeugin, sowie ein IT-Mitarbeiter der Versicherung und ein unabhängiger IT-Sachverständiger.
Die Versicherungsvertreterin schilderte detailliert und glaubhaft, wie sie der Frau am Telefon die Fragen vorgelesen und den vollständigen Antrag mehrfach per E-Mail als PDF geschickt habe. Das Gericht fand ihre Aussage überzeugend und nachvollziehbar. Ein mögliches Provisionsinteresse, also ihr finanzielles Interesse am Vertragsabschluss, machte sie in den Augen des Gerichts nicht unglaubwürdig. Im Gegenteil: Ein erfahrener Vermittler wisse, dass Verträge, die auf falschen Angaben beruhen, später angefochten werden und die Provision dann zurückgefordert wird.
Die Aussagen der Frau und ihres Partners überzeugten das Gericht hingegen nicht. Ihre Geschichte wies Widersprüche auf. So hatte die Frau zum Beispiel zunächst behauptet, sie hätte nur eine einzige Seite unterschrieben. Als die Versicherung dann drei verschiedene Unterschriftenseiten vorlegte, änderte sie ihre Geschichte, ohne dies plausibel erklären zu können.
Die digitalen Spuren als Schlüssel
Entscheidend waren am Ende die digitalen Beweise. Das Gericht zog einen IT-Sachverständigen hinzu, der die strittigen E-Mails untersuchte. Sein Gutachten bestätigte die Version der Versicherung. Er stellte fest, dass die verschickten E-Mails tatsächlich den vollständigen, 10-seitigen Antrag als Anhang enthielten. Besonders die Dateigröße des PDF-Anhangs von etwa 72 Kilobyte passte zu einem 10-seitigen Dokument, nicht aber zu den nur drei Seiten, die die Frau angeblich erhalten hatte.
Zudem gab es eine E-Mail der Vertreterin an die Frau, in der sie sich beklagte, dass bei einem Faxversuch noch Seiten fehlten. Die Frau antwortete darauf und bat um erneute Zusendung des „vollständigen Antrags“, da ihr Lebensgefährte die Unterlagen wohl entsorgt habe. Sie beschwerte sich also nicht, nur Teile erhalten zu haben, sondern ging selbst von einem vollständigen Dokument aus. Für das Gericht war dies ein klares Indiz dafür, dass ihre spätere Behauptung, sie habe die Gesundheitsfragen nie gesehen, nicht der Wahrheit entsprach.
Die Begründung des Gerichts: Ein klares Urteil gegen die Klägerin
Auf Basis dieser Beweisaufnahme kam das Oberlandesgericht Brandenburg zu einem klaren Ergebnis: Die Berufung der Frau wurde zurückgewiesen. Der Versicherungsvertrag ist und bleibt ungültig. Die Begründung des Gerichts folgte einer klaren juristischen Logik.
Täuschung durch Verschweigen
Das Gericht war überzeugt, dass die Frau die Gesundheitsfragen im Antrag falsch beantwortet hatte. Sie hatte schwerwiegende und langjährige Erkrankungen verschwiegen. Damit hat sie ihre vorvertragliche Anzeigepflicht nach § 19 VVG objektiv verletzt.
Auch die Form war nach Ansicht des Gerichts gewahrt. Wenn die Fragen am Telefon vorgelesen und das ausgefüllte Formular anschließend zur Kontrolle und Unterschrift in Textform – hier als PDF – zur Verfügung gestellt wird, ist das ausreichend. Die Frau hatte die Möglichkeit, alles in Ruhe zu lesen, bevor sie ihre Unterschrift leistete.
Das Handeln war arglistig
Das Gericht sah auch die Arglist als bewiesen an. Arglistig handelt, wer weiß oder zumindest damit rechnet, dass der Vertragspartner bei Kenntnis der Wahrheit den Vertrag anders oder gar nicht abschließen würde. Den Richtern erschien es offensichtlich, dass chronische Migräne und jahrzehntelange Psychotherapien für eine Krankentagegeldversicherung von höchster Bedeutung sind. Das Risiko, dass jemand mit solchen Vorerkrankungen einmal längere Zeit krankgeschrieben wird, ist naturgemäß höher.
Besonders ins Gewicht fiel, dass die Frau von Beruf Krankenschwester war. Aufgrund ihrer beruflichen Ausbildung und Erfahrung musste ihr die Relevanz dieser Gesundheitsinformationen für eine Versicherung klar sein. Einem Laien mag man vielleicht noch abnehmen, dass er die Bedeutung bestimmter Diagnosen unterschätzt, einer Krankenschwester jedoch nicht. Das Gericht ging daher davon aus, dass sie die Krankheiten bewusst verschwieg, um den Versicherungsschutz zu erhalten, den sie sonst nicht bekommen hätte.
Die Folgen der Anfechtung: Der Vertrag gilt als nie geschlossen
Da die Versicherung den Vertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten hat, wird er rechtlich so behandelt, als wäre er von Anfang an nichtig gewesen (§ 142 Bürgerliches Gesetzbuch). Das bedeutet, er hat niemals rechtlich existiert. Folglich kann die Frau aus diesem Vertrag auch keinerlei Leistungen, also kein Krankentagegeld, fordern. Die Entscheidung des Landgerichts Potsdam war damit korrekt, und die Frau musste auch die Kosten für das Berufungsverfahren tragen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil macht deutlich, dass bei Versicherungsanträgen absolute Ehrlichkeit über die Gesundheit entscheidend ist – selbst kleine Verschleierungen können zur kompletten Vertragsungültigkeit führen. Wer Gesundheitsfragen falsch beantwortet, obwohl er es eigentlich besser wissen müsste, handelt arglistig und verliert jeglichen Versicherungsschutz rückwirkend. Besonders Menschen mit medizinischen Fachkenntnissen werden vom Gericht strenger beurteilt, da sie die Tragweite ihrer Angaben besser einschätzen können sollten. Die Entscheidung zeigt auch, dass Ausreden wie „Ich habe die Fragen nie gesehen“ vor Gericht nur dann Bestand haben, wenn sie durch klare Beweise untermauert werden können – digitale Spuren und glaubwürdige Zeugenaussagen entlarven solche Schutzbehauptungen schnell.
Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet es, wenn meine Versicherung den Vertrag wegen falscher Gesundheitsangaben anficht?
Wenn Ihre Versicherung einen Vertrag wegen falscher Gesundheitsangaben anficht, bedeutet das einen tiefgreifenden Einschnitt. Im juristischen Sinne wird der Vertrag durch die Anfechtung so behandelt, als hätte er von Anfang an niemals existiert. Das ist ein entscheidender Unterschied zu einer normalen Kündigung.
Was „Anfechtung“ konkret bedeutet
Stellen Sie sich vor, der Vertrag wurde rückwirkend für nichtig erklärt. Die Grundlage dafür ist meist eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht. Das bedeutet, dass Sie bei Abschluss des Versicherungsvertrags nicht alle Fragen zu Ihrem Gesundheitszustand vollständig oder wahrheitsgemäß beantwortet haben, obwohl die Versicherung danach gefragt hat. Solche Gesundheitsfragen sind für die Versicherung wichtig, um das Risiko korrekt einschätzen und den richtigen Beitrag berechnen zu können.
Der Unterschied zur Kündigung
Eine normale Kündigung beendet einen Vertrag nur für die Zukunft. Das bedeutet, bis zum Zeitpunkt der Kündigung war der Vertrag gültig und Leistungen wären im Bedarfsfall erbracht worden. Die Anfechtung wirkt jedoch rückwirkend. Der Vertrag wird so behandelt, als wäre er nie wirksam zustande gekommen.
Die weitreichenden Folgen für Sie
Die Anfechtung hat für Sie als Versicherungsnehmer erhebliche Konsequenzen:
- Keine Leistungsansprüche: Da der Vertrag als nie existent gilt, bestehen keinerlei Leistungsansprüche aus diesem Vertrag. Wenn ein Versicherungsfall eingetreten ist (z.B. eine Krankheit bei einer Krankenversicherung), wird die Versicherung keine Zahlungen leisten.
- Gezahlte Prämien: In der Regel haben Sie keinen Anspruch auf Rückzahlung der von Ihnen gezahlten Versicherungsprämien. Die Versicherung kann argumentieren, dass sie im Glauben an einen gültigen Vertrag das Risiko getragen hat und Verwaltungskosten entstanden sind. Es gibt hierbei jedoch auch Ausnahmen und Besonderheiten, abhängig von den Umständen der Anfechtung.
Die Anfechtung ist somit ein sehr ernstes Instrument, das Versicherungen einsetzen, wenn bei Vertragsabschluss wesentliche Informationen, insbesondere zum Gesundheitszustand, nicht korrekt oder vollständig angegeben wurden.
Welche Gesundheitsinformationen muss ich meiner Versicherung vor Vertragsabschluss mitteilen?
Vor dem Abschluss eines Versicherungsvertrags, insbesondere bei Personenversicherungen wie Kranken-, Lebens- oder Berufsunfähigkeitsversicherungen, sind Sie als zukünftiger Versicherungsnehmer dazu verpflichtet, der Versicherungsgesellschaft alle bekannten gefahrerheblichen Umstände mitzuteilen. Diese Pflicht wird als vorvertragliche Anzeigepflicht bezeichnet und ist gesetzlich in § 19 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) geregelt.
Was bedeutet „gefahrerheblich“?
„Gefahrerheblich“ sind alle Umstände, die für die Risikoeinschätzung der Versicherung von Bedeutung sind oder sein könnten. Die Versicherung muss wissen, welche Risiken sie mit Ihnen eingeht, um den passenden Vertrag und die korrekten Beiträge kalkulieren zu können. Es geht darum, dass die Versicherung eine fundierte Entscheidung treffen kann, ob und zu welchen Konditionen sie den Vertrag mit Ihnen abschließt.
Welche Gesundheitsinformationen sind mitteilungspflichtig?
Dies umfasst nicht nur schwere oder chronische Krankheiten, sondern auch vermeintlich harmlose Beschwerden, regelmäßige Behandlungen oder vergangene Erkrankungen, wenn sie relevant für die Einschätzung Ihres Gesundheitszustands sind. Stellen Sie sich vor, die Versicherung würde fragen: „Gibt es etwas über Ihre Gesundheit, das unsere Entscheidung beeinflussen könnte, Sie zu versichern oder Ihnen einen bestimmten Preis zu berechnen?“ Alles, was Sie daraufhin ehrlich beantworten würden, ist wahrscheinlich gefahrerheblich.
Beispiele für mitteilungspflichtige Gesundheitsinformationen können sein:
- Bestehende Krankheiten: Dazu gehören chronische Leiden wie Diabetes, Asthma, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch Allergien oder psychische Erkrankungen.
- Vergangene Erkrankungen und Behandlungen: Auch wenn eine Krankheit geheilt ist, können frühere Operationen, schwere Verletzungen, längere Krankenhausaufenthalte oder Therapien (z.B. Physiotherapie, Psychotherapie) relevant sein.
- Regelmäßige Medikamenteneinnahme: Wenn Sie dauerhaft bestimmte Medikamente einnehmen, ist dies ebenfalls eine wichtige Information.
- Häufige oder wiederkehrende Beschwerden: Selbst scheinbar harmlose, aber regelmäßig auftretende Probleme wie häufige Kopfschmerzen, Rückenschmerzen oder Verdauungsprobleme können mitteilungspflichtig sein, wenn sie chronisch sind oder regelmäßige Behandlungen erfordern.
- Beabsichtigte oder bereits begonnene Behandlungen/Diagnostiken: Wenn Sie wissen, dass in naher Zukunft eine Operation, eine spezielle Untersuchung oder eine Therapie ansteht, sollte dies ebenfalls mitgeteilt werden.
Warum ist die vollständige Mitteilung so wichtig?
Die Versicherungsgesellschaft stellt Ihnen im Rahmen des Antragsprozesses detaillierte Gesundheitsfragen. Es ist entscheidend, diese Fragen vollständig und wahrheitsgemäß zu beantworten. Die Fragen sind darauf ausgelegt, alle gefahrerheblichen Umstände abzufragen. Sollten Sie relevante Informationen wissentlich oder unwissentlich nicht angeben, kann dies später zu ernsten Konsequenzen führen. Im schlimmsten Fall kann die Versicherung den Vertrag anfechten oder kündigen, oder die Leistung im Versicherungsfall verweigern oder kürzen.
Es geht darum, der Versicherung ein klares und vollständiges Bild Ihres Gesundheitszustandes zu vermitteln, damit sie ihre Verpflichtungen Ihnen gegenüber richtig einschätzen und eingehen kann. Im Zweifel ist es immer besser, einen Umstand anzugeben, selbst wenn Sie unsicher sind, ob er gefahrerheblich ist. Die Versicherung kann dann entscheiden, ob diese Information für sie relevant ist.
Worin liegt der Unterschied zwischen einem Versehen und einer absichtlichen Täuschung bei Gesundheitsfragen?
Der Unterschied zwischen einem Versehen, also einer Fahrlässigkeit, und einer absichtlichen Täuschung ist juristisch sehr wichtig und hat weitreichende Folgen, insbesondere bei Versicherungsverträgen wie Krankenversicherungen. Es geht darum, ob eine falsche Angabe bei Gesundheitsfragen bewusst und gewollt oder unabsichtlich gemacht wurde.
Was ist ein Versehen oder eine Fahrlässigkeit?
Ein Versehen oder eine Fahrlässigkeit liegt vor, wenn jemand unabsichtlich falsche oder unvollständige Angaben macht. Hierbei fehlt die bewusste Absicht, die andere Partei (zum Beispiel eine Versicherung) zu täuschen.
- Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie füllen einen Gesundheitsfragebogen für eine Versicherung aus und vergessen dabei eine kleinere Erkrankung aus Ihrer Kindheit, wie etwa eine Windpocken-Erkrankung, die keinerlei Spätfolgen hatte. Oder Sie erinnern sich an eine frühere Verletzung nicht ganz genau, obwohl Sie sich ehrlich bemühen. Sie wussten zum Zeitpunkt der Angabe nicht, dass Ihre Aussage unvollständig oder nicht ganz präzise war, oder haben es einfach vergessen. Es gibt keine Täuschungsabsicht.
- Folgen: Bei einem Versehen oder Fahrlässigkeit hat die Versicherung unter bestimmten Umständen das Recht, den Vertrag anzupassen oder innerhalb einer Frist zu kündigen oder vom Vertrag zurückzutreten. Die gesetzlichen Regelungen hierzu sind streng und schützen den Versicherungsnehmer bis zu einem gewissen Grad, insbesondere wenn die fehlerhafte Angabe keine wesentliche Rolle für den Vertragsschluss spielte.
Was ist eine absichtliche Täuschung (Arglist)?
Eine absichtliche Täuschung, juristisch oft als „Arglist“ bezeichnet, ist das genaue Gegenteil eines Versehens. Hierbei werden bewusst und gewollt unwahre oder unvollständige Angaben gemacht, um die andere Partei zu einem Vertragsabschluss zu bewegen, den diese sonst nicht oder nur zu schlechteren Bedingungen eingegangen wäre.
- Beispiel: Angenommen, Sie wissen genau, dass Sie an einer chronischen, schweren Krankheit leiden und diese Erkrankung für eine Krankenversicherung relevant ist. Sie verschweigen diese Krankheit jedoch absichtlich im Gesundheitsfragebogen, weil Sie befürchten, sonst keine Versicherung zu bekommen oder höhere Beiträge zahlen zu müssen. Ihr Ziel ist es, die Versicherung durch die Lüge dazu zu bringen, Ihnen einen Vertrag zu gewähren, den sie bei Kenntnis der Wahrheit ablehnen oder nur zu deutlich ungünstigeren Konditionen anbieten würde. Hier liegt eine klare Absicht vor, die Versicherung zu betrügen.
- Folgen: Die Konsequenzen einer arglistigen Täuschung sind wesentlich gravierender. Die Versicherung kann den Vertrag in der Regel anfechten. Eine Anfechtung führt dazu, dass der Vertrag von Anfang an als nichtig angesehen wird. Das bedeutet, er wird so behandelt, als hätte er nie existiert. Dies kann dazu führen, dass der Versicherungsschutz entfällt und die Versicherung auch für bereits eingetretene Schäden, die vor der Entdeckung der Täuschung lagen, nicht leisten muss. Zudem sind die Fristen für die Anfechtung bei Arglist länger als bei einem bloßen Versehen.
Warum ist diese Unterscheidung wichtig?
Die Unterscheidung ist entscheidend für die rechtlichen Konsequenzen. Während ein unabsichtlicher Fehler oft noch zu einer Lösung führen kann, die den Versicherungsnehmer nicht völlig schutzlos dastehen lässt (z.B. Vertragsanpassung), führt eine bewusste Lüge (Arglist) fast immer zum vollständigen Verlust des Versicherungsschutzes und kann weitreichende finanzielle Folgen haben. Es geht also um das „Wissen und Wollen“ bei der falschen Angabe. Für Sie als Versicherungsnehmer bedeutet dies, dass Sie alle Fragen wahrheitsgemäß und so genau wie möglich beantworten sollten, um spätere Probleme zu vermeiden.
Welche Folgen hat es, wenn meine Versicherung später feststellt, dass ich Gesundheitsinformationen verschwiegen habe?
Wenn eine Versicherung feststellt, dass beim Abschluss des Vertrages wichtige Gesundheitsinformationen nicht oder falsch angegeben wurden, kann dies gravierende Konsequenzen für Ihren Versicherungsschutz und bereits erbrachte Leistungen haben. Die genauen Folgen hängen maßgeblich davon ab, warum die Informationen verschwiegen wurden – ob absichtlich (arglistig) oder unabsichtlich (fahrlässig).
Die Unterscheidung zwischen absichtlichem und unabsichtlichem Verschweigen
Das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) unterscheidet, wie die Versicherung auf das Verschweigen von Informationen reagieren darf:
- Fahrlässiges Verschweigen: Dies liegt vor, wenn Sie die Informationen unabsichtlich, also aus Versehen, Vergesslichkeit oder mangelnder Sorgfalt, nicht angegeben haben. Hierbei gibt es noch die Unterscheidung zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit, die die Reaktionsmöglichkeiten der Versicherung beeinflussen kann.
- Arglistige Täuschung: Dies ist der schwerwiegendste Fall. Hierbei haben Sie die Informationen bewusst und absichtlich verschwiegen, um die Versicherung zu täuschen und einen Vorteil zu erlangen (z.B. einen günstigeren Tarif oder überhaupt Versicherungsschutz zu bekommen). Die Beweislast für Arglist liegt bei der Versicherung.
Konsequenzen bei fahrlässigem Verschweigen (unabsichtlich)
Wird festgestellt, dass Sie Informationen fahrlässig verschwiegen haben, kann die Versicherung in der Regel folgende Maßnahmen ergreifen:
- Rücktritt vom Vertrag: Die Versicherung kann den Vertrag beenden. Das bedeutet, der Vertrag endet ab dem Zeitpunkt des Rücktritts und es besteht kein Versicherungsschutz mehr. Für die Zeit vor dem Rücktritt, in der der Vertrag bestand, können Sie – sofern kein Leistungsfall eintrat, der mit den verschwiegenen Informationen zusammenhängt – unter Umständen noch Schutz gehabt haben.
- Kündigung des Vertrages: Eine Kündigung beendet den Vertrag zu einem bestimmten zukünftigen Zeitpunkt, ähnlich einer normalen Vertragskündigung.
- Anpassung des Vertrages: Hat die Versicherung den Vertrag auch mit den korrekten Informationen, aber zu anderen Bedingungen (z.B. höheren Prämien oder dem Ausschluss bestimmter Risiken) abgeschlossen, kann sie den Vertrag auch nachträglich an diese Bedingungen anpassen. Das bedeutet, Ihr Vertrag läuft unter den neuen Konditionen weiter, als wären diese von Anfang an vereinbart worden.
- Leistungsausschluss: Tritt ein Versicherungsfall ein, der direkt mit der verschwiegenen Gesundheitsinformation zusammenhängt, kann die Versicherung die Leistung für diesen spezi Fall verweigern, selbst wenn der Vertrag bestehen bleibt. Dies ist oft der Fall, wenn der Versicherungsfall durch die verschwiegene Krankheit verursacht wurde.
Konsequenzen bei arglistiger Täuschung (absichtlich)
Wenn die Versicherung eine arglistige Täuschung nachweisen kann, sind die Folgen weitreichender:
- Anfechtung des Vertrages: Die Versicherung kann den Vertrag anfechten. Das bedeutet, der Vertrag wird so behandelt, als hätte er von Anfang an nie existiert. Für Sie bedeutet das, dass Sie zu keinem Zeitpunkt Versicherungsschutz hatten. Dies ist die schwerwiegendste Folge.
Auswirkungen auf bereits gezahlte Prämien und Leistungsansprüche
Die Art des Verschweigens hat auch direkte Auswirkungen auf Ihre bereits gezahlten Beiträge und mögliche Leistungsansprüche:
- Bei fahrlässigem Verschweigen (Rücktritt/Kündigung/Anpassung):
- Prämien: Bei einem Rücktritt oder einer Kündigung haben Sie in der Regel Anspruch auf eine anteilige Rückzahlung der Prämien für den Zeitraum, in dem kein Versicherungsschutz mehr besteht.
- Leistungsansprüche: Leistungen für Versicherungsfälle, die vor dem Rücktritt oder der Kündigung eintraten und nicht direkt mit den verschwiegenen Informationen zusammenhängen, können weiterhin bestehen. Handelt es sich um einen Leistungsausschluss, wird nur für den spezifischen Fall nicht gezahlt.
- Bei arglistiger Täuschung (Anfechtung):
- Prämien: Da der Vertrag als nie existent gilt, kann die Versicherung die bereits gezahlten Prämien vollständig einbehalten. Sie gelten dann als Entgelt für die Bearbeitung und das Risiko, das die Versicherung (unwissentlich) getragen hat.
- Leistungsansprüche: Es besteht kein Anspruch auf Leistungen, auch nicht für bereits erfolgte Zahlungen durch die Versicherung. Die Versicherung kann im Falle einer Anfechtung bereits erbrachte Leistungen zurückfordern.
Es ist wichtig zu wissen, dass Versicherungen bestimmte Fristen einhalten müssen, um ihre Rechte geltend zu machen, nachdem sie von der Pflichtverletzung erfahren haben. Diese Fristen variieren je nach Art des Verschuldens.
Wie lange nach Vertragsabschluss kann meine Versicherung Gesundheitsangaben noch beanstanden?
Ihre Versicherung kann Gesundheitsangaben, die Sie beim Abschluss des Vertrags gemacht haben, nicht unbegrenzt lange überprüfen oder beanstanden. Das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) legt hierfür klare Fristen fest. Für Sie als Versicherungsnehmer bedeutet das, dass Sie nach Ablauf bestimmter Zeiträume Rechtssicherheit haben und Ihre Angaben als „sicher“ gelten.
Grundsätzlich gibt es zwei Szenarien, die unterschiedliche Fristen zur Folge haben:
Fristen bei unrichtigen Angaben
Wenn die Versicherung feststellt, dass Ihre Gesundheitsangaben bei Vertragsabschluss unrichtig waren oder wichtige Informationen gefehlt haben, kann sie unter bestimmten Voraussetzungen reagieren.
- Bei unabsichtlichen oder fahrlässigen Fehlern (Verletzung der Anzeigepflicht):
Wenn Sie versehentlich oder aus Nachlässigkeit wichtige Gesundheitsinformationen nicht oder nicht vollständig angegeben haben, kann die Versicherung in der Regel innerhalb einer bestimmten Frist vom Vertrag zurücktreten oder diesen kündigen. Dies ist meist innerhalb von einem Monat, nachdem die Versicherung von der Unrichtigkeit erfahren hat, möglich. Spätestens aber fünf Jahre nach Vertragsabschluss verjährt dieses Recht der Versicherung. Das bedeutet: Nach fünf Jahren kann die Versicherung wegen solcher unabsichtlichen Fehler in Ihren Gesundheitsangaben in der Regel nichts mehr unternehmen. - Bei absichtlicher Täuschung (Arglist):
Sollte die Versicherung nachweisen können, dass Sie absichtlich und bewusst falsche Angaben gemacht oder wichtige Fakten verschwiegen haben (juristisch als „Arglist“ bezeichnet), so hat sie längere Möglichkeiten zur Beanstandung. In diesem Fall kann die Versicherung den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten. Die Frist hierfür beträgt ein Jahr, nachdem die Versicherung von der arglistigen Täuschung erfahren hat. Dieses Recht erlischt jedoch spätestens zehn Jahre nach Vertragsabschluss, unabhängig davon, wann die Versicherung von der Täuschung Kenntnis erlangt hat.
Was dies für Ihre Rechtssicherheit bedeutet
Diese Fristen dienen dazu, ein Gleichgewicht zwischen den Interessen der Versicherung und Ihrer Sicherheit zu schaffen. Für Sie als Versicherungsnehmer bedeutet dies, dass Ihre Gesundheitsangaben nach Ablauf der genannten Fristen im Normalfall nicht mehr wegen Fehlern oder Lücken angegriffen werden können. Ihre Versicherungspolice genießt dann eine höhere Beständigkeit.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Anfechtung
Die Anfechtung ist ein rechtliches Mittel, mit dem ein Vertrag rückwirkend für nichtig erklärt wird. Das bedeutet, so als hätte der Vertrag von Anfang an nie bestanden. Sie wird im Fall einer arglistigen Täuschung bei Vertragsabschluss angewandt, wenn eine Partei bewusst falsche oder unvollständige Angaben gemacht hat, um einen Vorteil zu erlangen. Für Versicherungsverträge regelt dies § 142 BGB in Verbindung mit spezialgesetzlichen Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG). Beispiel: Wenn jemand seine schweren Vorerkrankungen absichtlich verschweigt, kann die Versicherung den Vertrag anfechten und muss keine Leistungen zahlen.
Vorvertragliche Anzeigepflicht
Die vorvertragliche Anzeigepflicht verpflichtet den Antragsteller, der Versicherung alle für die Risikobewertung wichtigen Gesundheitsinformationen vor Vertragsabschluss vollständig und wahrheitsgemäß mitzuteilen (§ 19 VVG). Sie dient dazu, der Versicherung eine genaue Einschätzung des Risikos zu ermöglichen, um korrekte Beiträge und Konditionen festzulegen. Verstöße gegen diese Pflicht können zu Anfechtung oder Anpassung des Vertrags führen. Beispiel: Wird eine chronische Migräne nicht angegeben, obwohl danach gefragt wurde, verletzt der Versicherte diese Pflicht.
Arglistige Täuschung (Arglist)
Arglist ist die bewusste und vorsätzliche Täuschung einer Vertragspartei durch falsche oder verschleierte Angaben, um sich einen unrechtmäßigen Vorteil zu verschaffen. Im Versicherungsrecht führt Arglist in der Regel dazu, dass die Versicherung den Vertrag anfechten kann (§ 123 BGB), da sie ohne die Täuschung den Vertrag nicht oder nur unter anderen Bedingungen abgeschlossen hätte. Arglist unterscheidet sich von Fahrlässigkeit dadurch, dass hier das Wissen und der Wille zur Täuschung vorliegen. Beispiel: Bewusstes Verschweigen von regelmäßigen Psychotherapie-Behandlungen, um die Versicherung zu täuschen.
Gefahrerheblichkeit
Gefahrerheblichkeit bezeichnet den Grad, in dem eine Information für die Versicherung bei Vertragsabschluss relevant ist, um das Risiko richtig einzuschätzen (§ 19 Abs. 3 VVG). Eine Information ist gefahrerheblich, wenn sie die Entscheidung der Versicherung, den Vertrag abzuschließen, dessen Prämienhöhe oder andere Vertragsbedingungen beeinflussen würde. Nur solche Umstände müssen offengelegt werden. Beispiel: Chronische Krankheiten wie Migräne sind für eine Krankentagegeldversicherung gefahrerheblich, weil sie das Krankheitsrisiko erhöhen.
Beweisaufnahme
Die Beweisaufnahme ist ein gerichtliches Verfahren, bei dem das Gericht Fakten und Umstände durch das Sammeln von Beweismitteln ermittelt, um einen Rechtsstreit zu entscheiden. Dies umfasst Zeugenaussagen, Urkunden, Gutachten und sonstige Beweise (§§ 286 ff. ZPO). In Versicherungsstreitigkeiten dient die Beweisaufnahme dazu, etwa die Wahrheit über den Ablauf des Antragprozesses oder das Vorliegen von Arglist festzustellen. Beispiel: Ein IT-Gutachten bestätigt, dass der vollständige Gesundheitsfragebogen per E-Mail verschickt wurde, und unterstützt so die Versicherungsaussage.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 19 Versicherungsvertragsgesetz (VVG): Regelt die vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers, wonach er alle gefahrerheblichen Umstände wahrheitsgemäß und vollständig anzugeben hat. Die Pflicht dient dem Schutz des Versicherers vor Risiken, die das versicherte Risiko erhöhen und damit den Vertragsabschluss beeinflussen können. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Klägerin hat ihre Anzeigepflicht verletzt, indem sie mehrfache Gesundheitsprobleme verschwiegen hat, was zur Anfechtung des Vertrags führte.
- § 123 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – Anfechtung wegen Täuschung: Bestimmt, dass ein Vertrag angefochten werden kann, wenn dieser durch arglistige Täuschung zustande gekommen ist. Eine Anfechtung führt dazu, dass der Vertrag als von Anfang an nichtig gilt (§ 142 BGB). | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die beruft sich auf diese Vorschrift, um den Vertrag aufgrund des bewusst falsch dargestellten Gesundheitszustands der Klägerin zu beseitigen.
- § 142 BGB – Wirkung der Anfechtung: Verbietet die Rechtswirkungen eines Vertrages, der erfolgreich angefochten wurde, sodass dieser als nie geschlossen gilt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht bestätigt, dass der Versicherungsvertrag aufgrund der Anfechtung nichtig ist, wodurch die Klägerin keine Ansprüche aus dem Vertrag geltend machen kann.
- Grundsätze der Beweiswürdigung (§ 286 Zivilprozessordnung, ZPO): Erlaubt Gerichten, nach freier Überzeugung unter Würdigung aller Beweismittel einen Sachverhalt festzustellen. Dabei sind Glaubwürdigkeit und Widerspruchsfreiheit der Zeugenaussagen zentral. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Oberlandesgericht stützt sich auf die schlüssigen und widerspruchsfreien Aussagen der Versicherungsvertreterin sowie das IT-Gutachten zur Entscheidung gegen die Klägerin.
- Gefahrerheblichkeit bei Versicherungsverträgen (§ 19 VVG i.V.m. Entscheidungsgründen): Entscheidend ist, ob die verschwiegenen Informationen für den Versicherer von erheblicher Bedeutung für die Risikoabschätzung und Vertragsbedingungen sind. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Chronische Migräne und langjährige Psychotherapien wurden als erhebliche Risiken eingestuft, deren Verschweigen die Anfechtung rechtfertigt.
- Sorgfaltspflicht beim Vertragsabschluss und Umfang der Aufklärung: Versicherungsnehmer müssen den Antrag gründlich prüfen und sind auch für die Richtigkeit der Angaben verantwortlich, selbst wenn sie behaupten, den Antrag nicht vollständig gelesen zu haben. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Klägerin haftet trotz ihrer Behauptung, die Gesundheitsfragen nicht gesehen zu haben, da sie die Möglichkeit zur Prüfung und Korrektur hatte und den Antrag dennoch unterschrieb.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 11 U 149/16 – Urteil vom 21.12.2018
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