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Krankentagegeldversicherung – Kündigung bei Verfälschung von Einkommensunterlagen

Krankentagegeldversicherung: Konsequenzen der Verfälschung von Einkommensnachweisen

In einem bemerkenswerten Fall, der vor dem Kammergericht Berlin verhandelt wurde, ging es um die Kündigung einer Krankentagegeldversicherung aufgrund der Verfälschung von Einkommensunterlagen durch den Versicherungsnehmer. Das Kernproblem dieses Falles war die Frage, ob die außerordentliche Kündigung des Versicherers aufgrund der vorgelegten verfälschten Einkommensnachweise rechtens war.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 6 U 6/18 >>>

Die Hintergründe des Falles

Der Kläger legte im Zuge einer Anspruchsprüfung veränderte Kopien seiner Steuerbescheide für die Jahre 2007 bis 2010 vor. Ziel war es, eine Herabsetzung des vertraglich festgelegten Tagessatzes der Krankentagegeldversicherung zu verhindern. Das Landgericht Berlin hatte zuvor entschieden, dass die Kündigung der Krankentagegeldversicherung durch den Versicherer rechtens war, da der Kläger durch die Verfälschung der Unterlagen eine arglistige Täuschung begangen hatte.

Die rechtlichen Grundlagen

Gemäß § 314 Abs. 1 BGB können Dauerschuldverhältnisse, zu denen auch die Krankentagegeldversicherung gehört, von jeder Vertragspartei aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden. Ein solcher wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Versicherer die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände nicht zugemutet werden kann. Insbesondere bei arglistiger Täuschung oder dem Versuch, Leistungen zu erschleichen, kann eine solche Kündigung gerechtfertigt sein.

Das Vertrauensverhältnis als zentrales Element

Ein entscheidender Aspekt in diesem Fall war das durch die Verfälschung der Unterlagen nachhaltig gestörte Vertrauensverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer. Der Kläger hatte durch sein Verhalten gezeigt, dass er bereit war, die Beklagte arglistig zu täuschen. Dieses Verhalten war nicht nur ein einmaliger Fehltritt, sondern zielte darauf ab, den Versicherer in einer für ihn nachteiligen Weise zu beeinflussen.

Das Urteil und seine Konsequenzen

Das Kammergericht Berlin bestätigte die Entscheidung des Landgerichts und wies die Berufung des Klägers zurück. Es wurde klargestellt, dass die Verfälschung von Einkommensunterlagen eine schwerwiegende Vertragsverletzung darstellt, die eine außerordentliche Kündigung des Versicherungsvertrags rechtfertigt. Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung von Ehrlichkeit und Transparenz in der Beziehung zwischen Versicherungsnehmern und -gebern.

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Das vorliegende Urteil

KG Berlin – Az.: 6 U 6/18 – Beschluss vom 14.02.2020

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Zivilkammer 7 des Landgerichts Berlin vom 04. Dezember 2017 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, weil der Senat nach Vorberatung der Auffassung ist, dass die zulässige Berufung in der Sache offensichtlich unbegründet ist (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die weiteren Voraussetzungen für eine entsprechende Verfahrensweise vorliegen.

Gründe

I.

Die Berufung kann gemäß § 513 Abs. 1 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder gemäß § 529 ZPO zu berücksichtigende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Beide Voraussetzungen liegen offensichtlich nicht vor.

Der Kläger verfolgt mit seiner Berufung seinen auf die Feststellung gerichteten Klageantrag, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene Krankentagegeldversicherungsvertrag durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 18.12.2013 nicht beendet wurde, sondern fortbesteht, weiter. Das Landgericht hat die Klage jedoch zu Recht abgewiesen. Dabei kommt es auf die vom Kläger monierte, im Tatbestand und den Entscheidungsgründen nicht ganz zutreffend verwendete Begrifflichkeit, dass der Kläger in den Steuerbescheiden die Angaben zu seinem „Nettoeinkommen“ verfälscht habe, nicht entscheidend an, sondern darauf, dass in der Sache die fristlose Kündigung wegen der unstreitigen Verfälschung der Zahlen zu den zu versteuernden Einkünften aus selbständiger Tätigkeit in den der Beklagten vorgelegten Kopien berechtigt war.

1. Dauerschuldverhältnisse, wie auch die Krankentagegeldversicherung, können gemäß § 314 Abs. 1 BGB von jeder Vertragspartei aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden. Der in § 206 Abs. 1 S. 2 bis 4 VVG für die Krankentagegeldversicherung geregelte Kündigungsausschluss steht dem nicht entgegen. Denn er ist im Wege der Auslegung – wie der in § 206 Abs. 1 VVG geregelte Kündigungsausschluss für die Krankheitskostenversicherung – teleologisch dahin zu reduzieren, dass er zwar ausnahmslos eine außerordentliche Kündigung des Versicherers wegen Prämienverzugs verbietet, während eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund des Versicherers wegen sonstiger schwerer Vertragsverletzungen unter den Voraussetzungen des § 314 BGB möglich ist (vgl. BGH, Urteile vom 07.12.2011 – IV ZR 50/11 –, VersR 2012, 219, und – IV ZR 105/11 –, VersR 2012, 304, jeweils Rz. 13 ff. nach juris). Voraussetzung für eine solche Kündigung ist, dass dem Versicherer die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zugemutet werden kann. Bei der Kündigung eines Krankenversicherungsvertrages sind an diese Feststellung hohe Anforderungen zu stellen (BGH, Urteil vom 07.12.2011 – IV ZR 50/11 – a.a.O., Rz. 29 nach juris). Sie kommt nur bei Vorliegen besonders schwerwiegender Umstände des Einzelfalles in Betracht. Das kann insbesondere anzunehmen sein, wenn der Versicherungsnehmer Leistungen erschleicht oder zu erschleichen versucht (BGH a.a.O.) oder auch bei tätlichen Angriffen des Versicherungsnehmers auf einen Mitarbeiter des Versicherers (BGH a.a.O. – IV ZR 105/11 –, Rz. 38 nach juris). Entscheidend ist, ob durch ein dem Versicherungsnehmer zuzurechnendes Verhalten das Vertrauensverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer nachhaltig und auf Dauer gestört ist (BGH a.a.O.).

Diese Voraussetzungen liegen hier aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils vor. Das Vertrauensverhältnis der Parteien ist wesentlich dadurch erschüttert worden, dass der Kläger unstreitig verfälschte Unterlagen eingereicht und damit zugleich verfälschte Angaben zu seinem Einkommen gemacht hat. Sein Verhalten war auf eine arglistige Täuschung der Beklagten ausgerichtet.

Eine arglistige Täuschung setzt das Vorspiegeln falscher oder das Verschweigen wahrer Tatsachen gegenüber dem Versicherer zum Zwecke der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums voraus. Der Versicherungsnehmer muss dabei vorsätzlich handeln, indem er bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt. Eine Bereicherungsabsicht des Versicherungsnehmers ist nicht erforderlich. Es reicht aus, dass er einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgt, etwa indem er Schwierigkeiten bei der Durchsetzung berechtigter Deckungsansprüche ausräumen will und weiß, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadenregulierung möglicherweise beeinflussen kann (BGH, Urteil vom 04.05.2009 – IV ZR 62/07 -, Rz. 9 nach juris, VersR 2009, 968; Urteil vom 28. Februar 2007 – IV ZR 331/05, Rz. 8 nach juris, VersR 2007, 785). Einen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass bewusst unrichtige Angaben auf vom Versicherer gestellte Fragen immer und nur in der Absicht erfolgen, auf den Willen des Versicherers einzuwirken, gibt es zwar nicht (BGH, Urteil vom 04.05.2009 a.a.O., Rz. 10; Armbrüster: in Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., § 22 Rn. 43). Wegen der Schwierigkeit der Darlegung und der Beweisführung des Versicherers in dieser Frage trifft den Versicherungsnehmer, wenn er objektiv falsche Angaben gemacht hat, allerdings eine sekundäre Darlegungslast. Er hat darzulegen, dass er andere Gründe als eine eigennützige Einwirkung auf den Willen des Versicherers hatte; er muss plausibel erklären, wie und weshalb sonst es zu den objektiv falschen Angaben gekommen ist (BGH, Urteil vom 11. Mai 2011 – IV ZR 148/09 –, Rn. 16, juris m.w.N., VersR 2011, 909). Kann der Versicherungsnehmer nicht plausibel darlegen, dass ihn andere Gründe geleitet haben, ist für die Entscheidung des Gerichts von Arglist auszugehen.

Die Voraussetzungen für die Annahme eines wichtigen Grundes i.S.v. § 314 Abs. 1 BGB nach diesen Grundsätzen sind im vorliegenden Fall gegeben.

a) Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass der Kläger eine arglistige Täuschung begangen hat, indem er der Beklagten auf deren Verlangen im Zuge ihrer Anspruchsprüfung Kopien von Steuerbescheiden für die Jahre 2007 bis 2010 eingereicht hatte, auf denen die vom Finanzamt festgestellte Höhe seiner Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit verändert war, und dass der Kläger diese manipulierten Unterlagen eingereicht hatte, um für den aktuell gemeldeten Leistungsfall eine Herabsetzung des vertraglich festgelegten Tagessatzes durch die Beklagte nach § 4 Abs. 4 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankentagegeldversicherung, die den Musterbedingungen MB/KT 78 entsprachen, zu verhindern. Die dagegen mit der Berufung erhobenen Einwände des Klägers führen zu keiner abweichenden Beurteilung.

Die objektiven Fakten – Antrag auf Versicherungsleistungen wegen Arbeitsunfähigkeit vom 07.02.2012, anschließende Anforderung von Einkommensunterlagen (betriebswirtschaftliche Auswertungen sowie Steuerbescheide für die Jahre 2007 bis 2010) seitens der Beklagten mit Schreiben vom 12.03.2012 (Anlage B 2 der Klageerwiderung im Rechtsstreit gleichen Rubrums vor dem Landgericht Berlin 7 O 359/12, gerichtet auf Krankentagegeld für die Zeit vom 20.3.2012 bis zum 16.4.2012 = 6 U 211/13 KG Berlin) und daraufhin erfolgte Übersendung von Kopien der jeweils ersten Seite der Bescheide mit vom Kläger abgeänderten Zahlen zu den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit seitens des Klägers mit Schreiben vom 19.03.2012 (Anlagen B 3 bis B 7 a.a.O.) sowie Abgabe einer Selbstauskunft des Klägers gegenüber der Beklagten zur Höhe seines durchschnittlichen Nettoeinkommens ebenfalls vom 19.3.2012 (Anlagenkonvolut B 1 a.a.O.) – sind unstreitig. Das Ziel des Klägers, mit den verfälschten Zahlen zu seinen Einkünften aus selbständiger Tätigkeit auf die Entscheidung der Beklagten über den geltend gemachten Leistungsantrag bewusst und willentlich zu seinem Vorteil einzuwirken, ist als unstreitig zu behandeln. Denn mit seinem Vortrag in der Berufungsbegründung, S. 3 Abs. 3 f.: „Die Angaben des Klägers in den Kopien der Steuerbescheide erfolgten allein zur Darstellung der Betriebseinnahmen des Klägers“, und: „ Im Gegenteil beabsichtigte der Kläger, einen Irrtum über die Höhe des für die Auszahlung des Krankentagegeldes relevanten Nettoeinkommens i.S.v. § 4 Abs. 2 MB/KT 78, mithin der Höhe der Betriebseinnahmen, bei der Beklagten gerade nicht aufkommen zu lassen“, trägt der Kläger selbst vor, dass er die Kopien zum Zwecke der Beeinflussung der Beklagten verändert hatte. Entgegen seiner Auffassung fehlt es nicht etwa deshalb an einem vorsätzlichen Hervorrufen von falschen Vorstellungen in dem Bewusstsein, dass dieser Irrtum für die Willenserklärung des anderen bestimmend ist, weil er – wie er weiter geltend macht – wegen des Verhaltens der Beklagten in der Zeit seit 2006, in der er bereits mehrfach Krankentagegeld erhalten hatte, nämlich der Anforderung von Unterlagen zu den Betriebseinnahmen (betriebswirtschaftliche Auswertungen und Gewinn- und Verlustrechnungen), berechtigt habe annehmen dürfen, dass die zutreffende Berechnungsgrundlage für die Überprüfung des Nettoeinkommens gemäß § 4 Abs. 2 MB/KT 78 die Betriebseinnahmen und nicht das sich aus den Steuerbescheiden ergebende zu versteuernde Einkommen sei. Denn wie oben ausgeführt, kommt es für eine arglistige Täuschung auf eine Bereicherungsabsicht nicht an. Die Wahrnehmung eigener Rechte innerhalb eines Vertragsverhältnisses erfolgt unter redlichen Vertragspartnern nicht dadurch, dass man dem Vertragsgegner verfälschte Unterlagen vorlegt, um diesen bei der Prüfung der zu erbringenden Leistung zu einem aus eigener Sicht richtigen Ergebnis zu führen. Bei dieser grob vertragswidrigen und strafrechtlich relevanten Vorgehensweise war dem Kläger vollauf bewusst, dass er der Beklagten durch den bloßen Austausch der Zahlen auf der ersten Seite der Feststellungsbescheide vorgaukelt, zu versteuernde Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe der – sein Vorbringen unterstellt – reinen Betriebseinnahmen ohne Abzüge erzielt zu haben, was in keinem Fall dem steuerrechtlichen Begriff der Einkünfte aus selbständiger Arbeit entspricht. Unter Zugrundelegung seines eigenen Vorbringens wollte er sich damit die Durchsetzung seiner eigenen Rechte „auf kurzem Wege“ erleichtern. Sein möglicherweise berechtigtes Ziel, dass die Beklagte für die Prüfung des Nettoeinkommens die reinen Betriebseinnahmen zugrunde legt, kann diese rechtswidrigen Mittel weder rechtfertigen noch entschuldigen. Dem Kläger hätten alle Möglichkeiten offen gestanden, dieses Ziel auf legalem Wege zu erreichen, indem er darauf hinweist, dass nach seiner Ansicht und der bisherigen Handhabung der Beklagten von den sich aus den betriebswirtschaftlichen Auswertungen ergebenden Umsatzerlösen bzw. dem dort ausgewiesenen Rohertrag weder betriebliche Kosten abzuziehen noch steuermindernde Tatbestände wie Abschreibungen und Rückstellungen zu berücksichtigen seien. Dazu hätte er entweder Kopien der kompletten Bescheide vorlegen können, aus denen sich die Zahlen zur Ermittlung des zu versteuernden Einkommens ergeben hätten, oder er hätte geltend machen können, dass er für deren Vorlage ohne weitere Begründung keinen Anlass sehe. Denn es ist jedermann – erst recht einem Unternehmensberater wie dem Kläger – einleuchtend und einsichtig, dass die Wahrnehmung eigener Interessen innerhalb eines Vertragsverhältnisses nicht dadurch erfolgen darf, dass man dem Vertragspartner verfälschte Steuerunterlagen vorlegt. Es liegt damit eine besonders schwerwiegende Vertragsverletzung als Voraussetzung einer außerordentlichen Kündigung des Vertragsverhältnisses vor.

b) Das Landgericht hat auch zutreffend festgestellt, dass der Beklagten die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zugemutet werden kann.

Soweit der Kläger sich auf die langjährige Vertragsdauer seit 1992 und die soziale Funktion des Krankentagegeldes beruft, überwiegt vorliegend das Interesse der Beklagten an einer Vertragsbeendigung angesichts der besonders schwerwiegenden Vertragsverletzung. Denn es ist der Beklagten nicht zumutbar, ein Vertragsverhältnis mit einem Versicherungsnehmer fortzuführen, der ihr zum Zwecke der Wahrnehmung eigener Interessen – seien sie berechtigt oder nicht – vorsätzlich verfälschte Steuerunterlagen vorlegt. Bei einem derart schwerwiegenden Verhalten bedarf es auch keiner Abmahnung, weil durch nachfolgendes Wohlverhalten das zerstörte Vertrauen nicht wieder hergestellt werden kann. Der Kläger hätte allenfalls noch die Möglichkeit gehabt, von sich aus seinen Fehltritt offen zu legen, nachdem die Beklagte einen entsprechenden Verdacht geäußert hatte. Diese Chance hat er aber nicht ergriffen. Denn nachdem die Beklagte durch ihren Mitarbeiter gegenüber dem damaligen anwaltlichen Vertreter des Klägers telefonisch auf die „krummen oder schiefen Zahlen“ hingewiesen hatte, ließ der Kläger mit anwaltlichen Schreiben vom 20.6.2012 (Anlage B 3 der Berufungserwiderung) mitteilen, ihm sei nicht erklärlich, was der Mitarbeiter der Beklagten damit gemeint haben könnte.

Das Interesse des Klägers an dem Fortbestand des Vertrages überwiegt auch nicht im Hinblick darauf, dass nach der später ergangenen Rechtsprechung des BGH die Klausel in § 4 Abs. 4 MB/KT 2009 (die § 4 Abs. 4 MB/KT 78 entspricht) zur Herabsetzung des Krankentagegeldes wegen gesunkenen Nettoeinkommens im Hinblick auf den nicht näher definierten Begriff des Nettoeinkommens intransparent und damit unwirksam ist (Urteil vom 6.7.2016 – IV ZR 44/15, VersR 2016, 1177, Rn. 40 bis 43). Denn der Kläger hat nicht etwa wegen der Intransparenz dieses Begriffs überhöhte Angaben zu seinem Einkommen gemacht, sondern er hat – wie ausgeführt und unstreitig – wissentlich und willentlich verfälschte erste Seiten von Steuerbescheiden über sein zu versteuerndes Einkommen vorgelegt, um hierdurch die Beklagte zu veranlassen, bei – von ihm befürchteter – Zugrundelegung dieses Einkommens für die Prüfung nach § 4 Abs. 2 und 4 MB/KT 78 unwissentlich doch seine reinen Betriebseinnahmen als Berechnungsgrundlage zu verwenden. Eine solche beabsichtigte Überlistung der Beklagten wiegt ungleich schwerer als die der Beklagten zuzurechnende Verwendung von allgemein gebräuchlichen Versicherungsbedingungen, die zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt wegen Intransparenz für unwirksam erachtet werden. Die von dem Kläger begangene Tat lässt sich hierdurch nicht aufwiegen, auch wenn der Kläger rückwirkend gesehen zur Aufklärung seines Nettohinkommens aufgrund der Unwirksamkeit der Klausel über die Herabsetzung des Krankentagegeldes in § 4 Abs. 4 MB/KT 78 nicht verpflichtet gewesen sein sollte. Wegen der bei der Verfälschung von vier Steuerbescheiden aufgebrachten erheblichen kriminellen Energie des Klägers fällt auch nicht maßgeblich zu seinen Gunsten ins Gewicht, dass er zum Zeitpunkt seiner Tat nicht wusste, dass die Beklagte die Steuerbescheide lediglich zur Überprüfung der Plausibilität seiner Angaben in den bis dahin vorgelegten betriebswirtschaftlichen Auswertungen und den Gewinn- und Verlustrechnungen anforderte, zumal sich die Befürchtung des Klägers, die Beklagte werde nunmehr das sich aus den Steuerbescheiden ergebende zu versteuernde Einkommen zugrunde legen, bei offener Korrespondenz mit der Beklagten ohne weiteres hätte klären lassen können.

Gegen eine Unzumutbarkeit der Fortführung des Versicherungsverhältnisses spricht auch nicht, dass die Beklagte Leistungen an den Kläger nur bis zum 20.03 2012 erbracht hatte. Denn abgesehen davon, dass auch dies nicht die Vorlage verfälschter Steuerbescheide rechtfertigen würde, hatte er die verfälschten Unterlagen bereits mit Schreiben vom 19.3.2012 übersandt gehabt. Der vorliegende Sachverhalt ist nicht mit dem Fall vergleichbar, der der vom Kläger angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18.07.2007 (IV ZR 129/06, VersR 2007, 1260) zugrunde lag. Dort sprach entscheidend gegen die Unzumutbarkeit der Fortführung des Vertrags durch den Versicherer, dass dieser seine Leistungen ohne vorliegende Verdachtsgründe gegen den Versicherungsnehmer eingestellt hatte, so dass der dortige Kündigungsgrund – die Ausübung beruflicher Tätigkeiten durch den Versicherungsnehmer – in einem milderen Licht erschien, weil von dem (selbständig tätigen) Versicherungsnehmer in dieser Situation, auch wegen der Gefährdung des Fortbestands seines Betriebs, nicht erwartet werden konnte, sich jeglicher beruflichen Tätigkeit zu enthalten. Im Gegensatz dazu erfolgte die Leistungseinstellung hier gerade nachdem die Beklagte wegen des Verdachts der Manipulation der vom Kläger eingereichten Unterlagen mehrfach vergeblich die Vorlage der Originale oder beglaubigter Kopien oder einer Schweigepflichtentbindungserklärung des Klägers gegenüber dem Finanzamt gefordert hatte.

2. Die Kündigung ist auch nicht verfristet.

Nach § 314 Abs. 3 BGB kann der Berechtigte nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er von dem Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat. Eine starre Frist i.S. einer Ausschlussfrist enthält die Norm nicht. § 314 Abs. 3 BGB beruht vielmehr auf der Erwägung, dass der andere Teil in angemessener Zeit Klarheit darüber erhalten soll, ob von einer Kündigungsmöglichkeit Gebrauch gemacht wird, und dass der Kündigungsberechtigte mit längerem Abwarten zu erkennen gibt, dass für ihn die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses trotz des Vorliegens eines Grundes zur fristlosen Kündigung nicht unzumutbar ist (BGH, Urteil vom 25. November 2010 – Xa ZR 48/09 –, Rn. 28, juris). Die für den Beginn der Frist maßgebliche Kenntnis vom Kündigungsgrund liegt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zur außerordentlichen Kündigung eines Dienstverhältnisses gemäß § 626 BGB, die übertragbar ist, vor, wenn der Kündigungsberechtigte eine sichere und umfassende Kenntnis von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen erlangt hat, d.h. wenn alles in Erfahrung gebracht ist, was als notwendige Grundlage für die Entscheidung über den Fortbestand oder die Auflösung des Vertragsverhältnisses anzusehen ist (BGH, Urteil vom 26.02.1996 – II ZR 114/95 –, Rz. 9 nach juris, NJW 1996, 1403).

Gemessen daran war die Kündigungserklärung der Beklagten vom 18.12.2013 noch rechtzeitig. Im Hinblick darauf, dass der Krankenversicherer den Versicherungsvertrag durch eine außerordentliche Kündigung nur beenden darf, wenn die Fortführung des Vertragsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles für ihn unzumutbar ist, lag eine sichere und umfassende Kenntnis von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen bei der Beklagten nicht vor, solange die strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Kläger andauerten. Gerade weil der Kläger eine Aufklärung der von der Beklagten festgestellten Auffälligkeiten an den Kopien der Steuerbescheide durch diese selbst verhinderte, vorgerichtlich sogar geleugnet hatte (vgl. das Schreiben vom 20.06.2012), durfte die Beklagte abwarten, welche Erkenntnisse sich insoweit aus dem Zivilprozess vor dem Landgericht Berlin zum Aktenzeichen 7 O 359/12 um das Krankentagegeld für die Zeit vom 20.3.2012 bis zum 16.4.2012 oder aus den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergeben.

Die vorgenannten Akten des Landgerichts Berlin 7 O 359/12 (6 U 211/13 Kammergericht), auf die sich beide Parteien in ihren Schriftsätzen bezogen haben, lagen dem Senat zur Information vor.

II. Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind erfüllt. Weder kommt der Rechtssache nach den vorstehenden Ausführungen grundsätzliche Bedeutung zu (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO), noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung vorliegend eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO), weshalb auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).

III. Dem Kläger wird Gelegenheit gegeben, binnen zweier Wochen ab Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen oder – schon aus Kostengründen – eine Berufungsrücknahme zu erwägen. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass sich im Falle der Berufungsrücknahme die Gerichtskosten auf die Hälfte reduzieren würden (vgl. KV 1222 zum GKG, dort Anlage 2).

Im Übrigen wird den Parteien aufgegeben, mitzuteilen, ob der Kläger gegenüber der Beklagten aus der streitgegenständlichen Krankentagegeldversicherung Versicherungsleistungen geltend gemacht hat, die den Zeitraum nach der Kündigungserklärung bis zur Einlegung der hiesigen Berufung betrifft, und die nicht bereits Gegenstand der anderen zwischen den Parteien geführten Rechtsstreite sind.

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