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Krankentagegeldversicherung – Bewilligung einer Berufsunfähigkeitsrente

LG Nürnberg-Fürth – Az.: 8 O 10129/10 – Urteil vom 09.06.2011

1. Der Beklagten wird verurteilt, an die Klägerin 50.304,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.06.2010 zu zahlen.

2. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.761,08 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 09.02.2011 zu zahlen.

3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss: Der Streitwert wird auf 50.304,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rückerstattung geleisteten Krankentagegeldes.

Der Beklagte unterhielt bei der Klägerin eine Krankentagegeldversicherung, der (u.a.) die MB/KT 1978 und entsprechende Tarifbedingungen zu Grunde lagen. Versichert war ein Krankentagegeld in Höhe von 76,80 EUR täglich. In § 15 MB/KT heißt es unter Buchstabe a.):

„Das Versicherungsverhältnis endet hinsichtlich der betroffenen versicherten Personen bei Wegfall einer im Tarif bestimmten Vorraussetzung für die Versicherungsfähigkeit zum Ende des Monats, in dem die Voraussetzung weggefallen ist….“.

In Teil II („Tarif mit Tarifbedingungen“) heißt es unter „Versicherungsfähigkeit und Aufnahmefähigkeit“:

„Versicherungsfähig sind Selbstständige und …., die eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausüben, aus dieser Tätigkeit regelmäßige Einkünfte haben und noch keine Rente wegen einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit beziehen oder beanspruchen können.“

Vom 10.03.2008 bis 16.03.2010 erbrachte die Klägerin an den Beklagten die vertraglich vereinbarten Krankentagegeldleistungen. Der Kläger hält bei einer anderen Versicherungsgesellschaft eine weitere Krankentagegeldversicherung und eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Aus letzterer erhielt er am 26.04.2010 rückwirkend zum 01.04.2008 eine monatliche Berufsunfähigkeitrente in Höhe von ca. 2.050,00 EUR (Anlage K4). Mit Schreiben vom 19.05.2010 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass wegen der rückwirkend bewilligten Berufsunfähigkeitsrente ein Versicherungsvertrag mit Krankentagegeldanspruch nur bis 30.06.2008 bestanden habe. Dem Beklagten war gleichzeitig angeboten worden, die Krankentagegeldversicherung ab 01.07.2008 als große Anwartschaftsversicherung fortzuführen, was er auch annahm. Die Klägerin forderte die erbrachten Leistungen für die Zeit vom 01.07.2008 bis 16.04.2010 in Höhe von 50.304,00 EUR vom Beklagten zurück. Mit Schreiben vom 13.06.2010 lehnte der Beklagte die Rückzahlung ab.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass das Versicherungsverhältnis nach § 15 a) MB/KT wegen des Bezugs der Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung geendet habe. Die darüber hinaus erfolgten Zahlungen von Krankentagegeld könnten deshalb zurück gefordert werden. Dies gelte ungeachtet des Umstandes, dass die Berufsunfähigkeitsrente „nur“ rückwirkend bewilligt worden sei. Die Klägerin beansprucht darüber hinaus wegen der Leistungsverweigerung des Beklagten die verzugsbedingt erforderlich gewordenen Kosten für die Inanspruchnahme des vorgerichtlich eingeschalteten Prozessbevollmächtigten.

Die Klägerin beantragt:

1. Den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 50.304,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.06.2010 zu zahlen;

2. Den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.761,08 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

Der Beklagte beantragt: Klageabweisung

Der Kläger behauptet, dass sein anderer Krankentagegeldversicherer, anders als die Klägerin, trotz der durch jenen erbrachten Berufsunfähigkeitsleistungen die seinerseits erbrachten Krankentagegeldleistungen nicht zurückgefordert habe. Berufsunfähigkeit sei beim Beklagten erst ab 17.02.2010 als dem Zeitpunkt der Untersuchung zur Ermittlung der Berufsunfähigkeit aus dem entsprechenden Berufsunfähigkeits-Versicherungsvertrag eingetreten. Entsprechend habe die zum Leistungsbezug bei der Klägerin berechtigende Dauer der Arbeitsunfähigkeit bis 17.02.2010 gedauert. Die Klägerin könne aus dem Vertrag des Beklagten beim anderen Versicherer keine Rückforderungsansprüche zu ihren eigenen Gunsten herleiten. Die den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag beendende Berufsunfähigkeit sei nach § 15 b) MB/KT also erst zum 17.02.2010 eingetreten. Maßgeblich für den Eintritt der Berufsunfähigkeit sei der Leistungsbezug, der erstmals mit Zahlungen des anderen Versicherers zum 17.03.2010 eingetreten sei. Jedenfalls sei die entsprechende Klausel unwirksam, da sie unklar auszulegen sei, wenn entweder der Geldeingang oder der denkbare Rechtsanspruch mit fiktivem Beginn als maßgeblicher Zeitpunkt zu Grunde gelegt werden könne.

Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen. Die Klage ist dem Beklagten am 08.02.2011 zugestellt worden.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.

A.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten nach § 11 S. 2 MB/KT 78 einen Rückforderungsanspruch für die erbrachten 50.304,00 EUR Krankentagegeld.

I. Nach § 11 MB/KT sind beide Teile des Versicherungsvertrages verpflichtet, die für die Zeit nach Beendigung des Versicherungsverhältnisses empfangenen Leistungen einander zurückzugewähren, wenn der Versicherer von dem Wegfall einer im Tarif bestimmten Voraussetzung für die Versicherungsfähigkeit erst später Kenntnis erlangt. Diese Klausel regelt die geschuldete Rückabwicklung für den Fall, dass nach einer Vertragsbeendigung noch beiderseits Leistungen erbracht wurden (BGH 22.1.1992 – IV ZR 59/91, VersR 1992, 477).

§ 15 MB/KT sieht für alle dort normierten Tatbestände die automatische Beendigung des Versicherungsvertrages vor; es bedarf hierzu keiner entsprechenden Erklärung (Rogler in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG § 15 MB/KT 2009 Rn. 1). Der Bezug einer Rente führt in diesem Zusammenhang nur dann zum Wegfall der Versicherungsfähigkeit, wenn dies in den Bedingungen ausdrücklich geregelt ist (BGH 30.6.2010 – IV ZR 163/09, VersR 2010, 1171; OLG Köln 22.12.2003 – 5 U 114/03, VersR 2005, 822). § 15 a) ist allerdings nach § 307 BGB unwirksam, da er dem Versicherungsnehmer bei endgültiger Beendigung des Versicherungsvertrages keine reelle Möglichkeit bietet, bei Wegfall des Beendigungstatbestandes gleichwertigen Versicherungsschutz zu erhalten (BGH 22.1.1992 – IV ZR 59/91, VersR 1992, 477; BGH 26.2.1992 – IV ZR 339/90, VersR 1992, 479; OLG Saarbrücken 15.12.1999 – 5 U 539/99-37, VersR 2001, 318). Die Klausel kann deshalb nur dann Bestand haben, wenn dem Versicherungsnehmer die Option offensteht, z.B. über eine Anwartschaftsversicherung, seine Ansprüche zu bewahren (BGH 22.1.1992 – IV ZR 59/91, VersR 1992, 477; BGH 27.2.2008 – IV ZR 219/06, VersR 2008, 628; OLG Köln 22.12.2003 – 5 U 114/03, VersR 2005, 822; OLG Karlsruhe 6.7.2006 – 12 U 89/06, VersR 2007, 51). Dies ist hier durch das erfolgte Angebot zum Abschluss einer Anwartschaftsversicherung, das der Beklagte auch unstreitig angenommen hat, geschehen. Gegen den Beendigungstatbestand bestehen deshalb keine rechtlichen Bedenken.

In diesem Zusammenhang sei noch dem Einwand des Beklagten begegnet, dass die Klägerin aus der Anwartschaftsversicherung noch entsprechende Prämienansprüche gegenüber dem Beklagten hat. Bei der sog. großen Anwartschaftsversicherung wird im Voraus ein bestimmter Versicherungsschutz ab einem späteren Zeitpunkt zugesagt, auch wenn sich der Gesundheitszustand des Versicherten nach Abschluss des Vertrages, aber vor Beginn des eigentlichen Versicherungsschutzes, verschlechtert. Dabei richtet sich der Beitrag für die später auflebende Versicherung nach dem Alter zu Beginn der Anwartschaftsversicherung, der Anwartschaftsbeitrag enthält also auch die Sparprämie zum Aufbau der Alterungsrückstellung (Rogler in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG § 192 Rn. 5). Im Einzug der entsprechenden Prämien kann deshalb keinesfalls das seitens des Beklagten behauptete Zugeständnis eines volle Leistungsansprüche des Versicherten begründenden Versicherungsvertrages hergeleitet werden.

Sind die Klauseln nach dem Vorstehenden wirksam, ist der Versicherer für die Dauer des Beendigungstatbestandes leistungsfrei – ggf. auch rückwirkend, wie eben bei rückwirkender Rentenbewilligung (Rogler in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG § 15 MB/KT 2009 Rn. 2). In Unkenntnis erbrachte Leistungen können dann nach § 11 S. 2 zurückgefordert werden (BGH 22.1.1992 – IV ZR 59/91, VersR 1992, 477; OLG Karlsruhe 6.7.2006 – 12 U 89/06, VersR 2007, 51).

II. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die Klägerin für den streitgegenständlichen Krankentagegeldversicherungsvertrag damit rückwirkend zum 01.07.2008 leistungsfrei – mit der Folge eines Rückforderungsanspruchs – geworden.

1. Maßgeblich für die Tatbestandswirkung des § 15 a) MB/KT des Versicherungsvertrages sind alleine, die dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag zu Grunde liegenden Versicherungsbedingungen. Vor diesem Hintergrund kann bereits dem Einwand des Beklagten nicht gefolgt werden, wonach die Klägerin aus Bedingungen bzw. den Verträgen des Beklagten bei dem anderen Krankentagegeldversicherer eine günstige Rechtsposition herzuleiten versuche. Die Klägerin stützt sich einzig und alleine auf § 15 a MB/KT ihres eigenen, des streitgegenständlichen Versicherungsvertrages. Dessen Vorraussetzungen liegen vor. Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang auf die Regelung des § 15 b) MB/KT Bezug nimmt, ist dies für den Rückforderungsanspruch irrelevant. Die Berufsunfähigkeit bzw. deren Eintritt und der daran anknüpfende Bezug der entsprechenden Rente spielen ausschließlich im Rahmen des Tatbestandes des § 15 a) MB/KT eine Rolle.

2. Nach § 15 a) MB/KT enden die Hauptleistungspflichten des Versicherungsverhältnisses, wenn eine tariflich bestimmte Voraussetzung für die Versicherungsfähigkeit weggefallen ist (vorbehaltlich eines entsprechenden und zwischen den Parteien auch unstreitigen Nachleistungszeitraums). Was Voraussetzung für die Versicherungsfähigkeit ist, ergibt sich auch für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne weiteres erkennbar aus den im unmittelbaren Anschluss abgedruckten Tarifbedingungen. Demnach ist dies – ausdrücklich normiert (s.o.) – in negativer Hinsicht, dass der Versicherte keine Rente wegen einer Berufsunfähigkeit bezieht oder beanspruchen kann. Gerade dies ist hier aber der Fall: Der Beklagte kann aus dem Berufsunfähigkeitsvertrag bei dem anderen Versicherer rückwirkend zum 01.04.2008 eine Berufsunfähigkeitsrente beanspruchen. Dass der Beklagte diese erst zu einem späteren Zeitpunkt – rückwirkend – ausgezahlt erhalten hat, erlangt schon nach dem eindeutigen Wortlaut der Regelung, die neben der alternativ formulierten Variante des Bezugs, d.h. der (tatsächlichen) Auszahlung, ein reines „beanspruchen können“ ausreichen lässt, keine Bedeutung.

Ist damit im streitgegenständlichen Versicherungsvertrag rückwirkend zum 01.04.2008 die Versicherungsfähigkeit entfallen, stehen dem Beklagten die – unstreitig rechnerisch richtig ermittelten – Krankentagegeldansprüche nicht zu. Er ist antragsgemäß zur Rückzahlung zu verurteilen.

3. Die Forderung der Klägerin ist nach §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB zu verzinsen. Der Beklagte hat sich durch seine mit Schreiben vom 13.06.2010 unstreitig erklärte endgültige Weigerung zur Rückzahlung in Verzug gesetzt.

III. Aufgrund des Verzugs des Beklagten ist er auch zum Ersatz der Kosten der hierdurch vorgerichtlich erforderlich gewordenen Inanspruchnahme des Klägervertreters zu verurteilen. Entgegen der Ansicht des Beklagten war die Klägerin nach Eintritt des Verzugs auch nicht gehalten, ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts umgehend den Rückforderungsanspruch gerichtlich geltend zu machen. Sie durfte ohne weiteres – letztlich auch im eigenen Kosteninteresse des Beklagten – davon ausgehen, dass dieser einer anwaltlichen Mahnung, anders als einer solchen durch Sachbearbeiter der Beklagten selbst, letztlich doch noch Folge leisten würde. Die sachlich-rechnerisch nicht angegriffene Forderung ist nach §§ 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 BGB zu verzinsen.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 Abs. 1 und 2 ZPO.

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