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Krankentagegeldversicherung – beherrschender Gesellschafter und Alleingeschäftsführer GmbH

OLG Bamberg – Az.: 1 U 85/07 – Entscheidungsdatum:   18.10.2007

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgericht Aschaffenburg vom 27. März 2007 – Az. 1 O 417/06 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien bestehende Krankentagegeldversicherungsvertrag, Vers.Nr. 1111111 – mit einem Krankentagegeld von 14,– Euro zum 01.10.2006 fortbesteht.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des gesamten Rechtsstreits tragen der Kläger 72 %, die Beklagte 28 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Bemessung von Krankentagegeld.

Der Kläger schloss im Jahr 1983 bei der Beklagten eine Krankentagegeldversicherung ab, wobei dem Vertragsverhältnis die „Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB)“ mit den Rahmenbedingungen „RB/KT 94“ und den Tarifbedingungen „TB/KT 99“ zugrunde liegen. Nach dem vorliegend streitgegenständlichen Tarif „TN 7“ besteht Versicherungsschutz für „freiberuflich oder selbständig Tätige mit regelmäßigen Einkünften aus selbständiger Arbeit“.

Seit 1990 ist der Kläger alleiniger Geschäftsführer und beherrschender Gesellschafter – Mitgesellschafterin ist seine Ehefrau W. S. – der „S. GmbH“, X..

Grundlage seiner Geschäftsführertätigkeit ist ein mit sich selbst geschlossener Anstellungsvertrag vom 02.01.1990, sein vertraglich vereinbartes Gehalt beträgt seit 01.04.2003 monatlich 3.000,– Euro.

Nachdem die GmbH seit 2003 nur noch Verluste erzielt hatte, setzte die Beklagte mit Schreiben vom 23.08.2006 unter Berufung auf § 4 Abs. 2 AVB das Krankentagegeld zum 01.10.2006 von vereinbarten 51,13 Euro auf den Mindestbetrag von nur noch 1,– Euro herab.

Der Kläger wendet sich hiergegen mit der Begründung, dass es sich bei seiner Tätigkeit als beherrschender Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH um eine selbständige Tätigkeit handele und sein hierbei als Geschäftsführer erzieltes Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit das Krankentagegeld von 51,13 Euro in jedem Fall übersteige.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, den unveränderten Fortbestand des Vertragsverhältnisses der Parteien, gerichtet auf abgesichertes Krankentagegeld gemäß Tarif TN B 7 in Höhe von 51,13 Euro täglich über den 01.10.2006 hinaus festzustellen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und zur Begründung ausgeführt, dass wegen des maßgeblichen Tarifs „TN 7“ nur Einkünfte des Klägers aus selbständiger oder freiberuflicher Tätigkeit herangezogen werden könnten. Solche erziele der Kläger jedoch nicht.

Das Landgericht Aschaffenburg hat die Klage mit Endurteil vom 27.03.2007 abgewiesen, wobei es sich zur Begründung die Argumentation der Beklagten zu eigen gemacht hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der Entscheidungsgründe erster Instanz wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 86 – 89 d.A.) Bezug genommen.

Gegen das seiner Prozessbevollmächtigten am 02.04.2007 zugestellte Urteil des Landgerichts Aschaffenburg hat der Kläger mit Anwaltsschriftsatz vom 02.05.2007, eingegangen am selben Tag, Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel mit weiterem Schriftsatz vom 23.05.2007, eingegangen am 01.06.2007, begründet.

Unter Bezugnahme auf seine erstinstanzlichen Ausführungen verfolgt der Kläger seine geltend gemachten Ansprüche weiter. Er vertritt die Auffassung, dass sein Einkommen als Geschäftsführer versicherungsrechtlich als Einnahme aus selbständiger Tätigkeit zu werten sei, da er als geschäftsführender Gesellschafter eine beherrschende, unternehmergleiche Stellung innehabe. Somit müsse sein Geschäftsführergehalt als alleinige Bemessungsgrundlage herangezogen werden, auf die Gewinnsituation der GmbH komme es dagegen nicht an. Im Übrigen habe sich die wirtschaftliche Lage der GmbH deutlich verbessert.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des am 27.03.2007 verkündeten Urteils des Landgerichts Aschaffenburg den unveränderten Fortbestand des Vertragsverhältnisses der Parteien, gerichtet auf abgesichertes Krankengeld gemäß Tarif TNB 7 in Höhe von 51,13 Euro täglich, über den 01.10.2006 hinaus festzustellen.

Die Beklagte beantragt kostenpflichtige Zurückweisung der Berufung.

Sie verteidigt unter Bezugnahme auf ihre erstinstanzlichen Ausführungen die angefochtene Entscheidung und hält zudem eine Aufspaltung zwischen selbst genehmigtem Geschäftsführergehalt einerseits  sowie Leistungsfähigkeit der GmbH andererseits für unzulässig.

Auch die vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegte „kurzfristige Erfolgsrechnung Dezember 2006“ sei keinesfalls aussagekräftig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf ihre fristgerecht eingegangenen Schriftsätze im Berufungsverfahren sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 13.09.2007 (Bl. 142 – 144 d.A.) Bezug genommen.

Der 1. Zivilsenat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 10.09.2007 (Bl. 137 d.A.) dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, § 526 Abs. 1 ZPO. Der Auflage, die Bilanzen der GmbH für die Jahre 2003 – 2005 bis spätestens 21.09.2007 vorzulegen, sind die Parteien nachgekommen. Wegen der näheren Einzelheiten wird hierauf (Bl. 147 – 160 d.A.) gleichfalls Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 27.03.2007 hat in der Sache nur zum Teil  Erfolg.

Das Erstgericht vertritt die Auffassung, dass ein den Mindestbetrag von 1,– Euro  übersteigender Versicherungsschutz zugunsten des Klägers schon deshalb nicht bestehe, da er als Geschäftsführer lediglich Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit erziele und somit die Voraussetzungen des dem Vertragsverhältnis zugrunde liegenden Tarifs „TN 7“, wonach Versicherungsschutz für freiberuflich oder selbständig Tätige mit regelmäßigen Einkünften aus selbständiger Tätigkeit gewährt werde, nicht vorlägen.

Diese Begründung hält berufungsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts ist der Kläger nämlich als Selbständiger zu behandeln. Dagegen spricht insbesondere nicht, dass er als Geschäftsführer formell „Angestellter“ der GmbH ist. Tatsächlich ist der Kläger beherrschender Gesellschafter und Alleingeschäftsführer, sodass er letztlich nur wegen der von ihm gewählten Rechtsform der GmbH in einem mit ihm selbst vereinbarten Anstellungsverhältnis steht. Diese von ihm gewählte Rechtsform der GmbH und der hierdurch zugleich  erforderliche, mit ihm selbst geschlossene Anstellungsvertrag überlagern somit in bloß formeller Weise seine faktisch selbständige Tätigkeit (vgl. hierzu auch OLG Hamm, VersR 1997, 862).

Wegen der sich aus der selbst gewählten Gesellschaftsform ergebenden Notwendigkeit, bei der Frage der Selbständigkeit nicht allein auf den aus formellen Gründen abgeschlossenen „Anstellungsvertrag“ abzustellen, verbietet sich andererseits aber auch bei der Prüfung des als Bemessungsgrundlage für das Krankentagegeld zugrunde zu legenden Einkommens eine gleichfalls formelle Betrachtungsweise. Das bedeutet, dass entgegen der Auffassung des Klägers sein mit ihm selbst vereinbartes Geschäftsführergehalt nur dann als Bemessungsgrundlage des Krankentagegeldes herangezogen werden kann, wenn dies mit der finanziellen und wirtschaftlichen Situation der GmbH auch tatsächlich vereinbar ist. Dies ergibt sich zwingend schon daraus, dass sich der Kläger ohne die gewählte Rechtsform der GmbH das betriebliche Ergebnis seiner dann auch formell selbständigen Tätigkeit ebenso zurechnen lassen müsste und Privatentnahmen nur in wirtschaftlich vertretbarem Umfang zu berücksichtigen wären. Anderenfalls hätte es ein Selbständiger in der Hand, auch wirtschaftlich unvertretbare, allein selbstbestimmte Einkünfte der Krankentagegeldberechnung zugrunde legen zu lassen.

Die Beurteilung dieser maßgeblichen wirtschaftlichen Situation der „S. GmbH“ kann wiederum nicht punktuell erfolgen, sondern muss in einer Gesamtschau der Entwicklung über einen längeren Zeitraum vorgenommen werden, wobei ein solcher von drei Jahren als angemessen erscheint.

Aus den vorgelegten Bilanzunterlagen der „S. GmbH“ für die Jahre 2003 – 2005 ergibt sich nach Überzeugung des Berufungsgerichts, dass für den Kläger aus seiner geschäftlichen Tätigkeit in diesem Zeitraum tatsächlich  nur ein geringes Einkommen zu erzielen war.

 

Die Stammeinlage (gezeichnetes Kapital) der GmbH betrug im gesamten Drei-Jahres-Zeitraum 50.000,– DM (25.564,60 Euro), wobei auf den Kläger 3/5, auf seine Ehefrau als Mitgesellschafterin 2/5 entfielen. Die Kapitalrücklage der GmbH betrug in 2003 und 2004 jeweils 60.000,– Euro, in 2005 schließlich 100.000,– Euro.

Dem gegenüber stand im Jahr 2003 bei einem Umsatzerlös von 160.810,91 Euro eine um den Jahresverlust in Höhe von 45.128,45 Euro eingetretene Erhöhung des Verlustvortrags  auf 109.058,49 Euro. Im Jahr 2004 wurde bei einem gestiegenen Umsatzerlös von 248.521,17 Euro zwar „nur“ ein Jahresverlust von 20.188,02 Euro erzielt, der Verlustvortrag stieg aber dadurch weiter auf insgesamt 129.246,51 Euro. Im Jahr 2005 stieg der Verlustvortrag bei einem wieder verringerten Umsatzerlös von 234.414,26 Euro um weitere 6.385,71 Euro auf dann insgesamt 135.632,22 Euro.

Selbst wenn man in den jeweiligen Gewinn- und Verlustrechnungen und Bilanzen das in den Jahren 2003 (34.851,– Euro) und 2004 (21.131,– Euro) vom Kläger vereinnahmte Geschäftsführergehalt unberücksichtigt ließe, so ergäbe sich für das Jahr 2003 immer noch ein Jahresverlust von 10.277,45 Euro, für 2004 lediglich ein minimaler Jahresgewinn von 942,98 Euro, sodass das in jenen beiden Jahren vereinnahmte „Gehalt“ angesichts der wirtschaftlichen Situation der GmbH im selben Zeitraum gänzlich unvertretbar war.

Etwas anders stellt sich die Situation allerdings für 2005 dar. Zwar kann bei der vorzunehmenden gesamtwirtschaftlichen Betrachtung einerseits nicht unberücksichtigt gelassen werden, dass der Verlustvortrag in 2005 auf 135.632,22 Euro weiter angewachsen ist, andererseits erhöhte sich in jenem Jahr die Kapitalrücklage der GmbH auf 100.000,– Euro. Zudem zwingt die bereits dargestellte Nichtberücksichtigung der in 2003 und 2004 tatsächlich vereinnahmten Geschäftsführergehälter auch zu einer fiktiven Berechnung der Gewinn- und Verlustsituation der GmbH für das Jahr 2005, um auf diese Weise eine den Kläger benachteiligende doppelte Berücksichtigung zu vermeiden. So würde der Verlustvortrag für 2003 – bei Nichtberücksichtigung des Geschäftsführergehalts – nur 74.207,49 Euro, für 2004 nur 73.264,51 Euro betragen, sodass der in 2005 erzielte Verlust der GmbH in Höhe von 6.385,71 Euro zu einem Verlustvortrag von insgesamt 79.650,22 Euro geführt hätte.

Zwar stellt sich auch bei dieser – zum Teil fiktiven – Berechnung die wirtschaftliche Situation der GmbH am Ende des Drei-Jahres-Zeitraums noch immer als negativ dar, die verbesserte Kapital- und Wirtschaftsentwicklung lässt allerdings nach Überzeugung des Berufungsgerichts für den gesamten Zeitraum jedenfalls das in 2005 tatsächlich vereinnahmte Geschäftsführergehalt von 15.171,– Euro zu, um wiederum als Einkommen der Jahre 2003 – 2005  zugrunde gelegt werden zu können. Anhand dieses berücksichtigungsfähigen Einkommens in Höhe von kalendertäglich 14,– Euro bemisst sich demnach das Krankentagegeld ab 01.10.2006. Allein in diesem Umfang war das Ersturteil auf die Berufung des Klägers hin abzuändern.

Die weitergehende Klage und Berufung des Klägers konnte dagegen keinen Erfolg haben. Insbesondere hatte das Berufungsgericht über die Frage, ob in der weiteren Zukunft der Krankentagegeldberechnung ein höheres Einkommen des Klägers zugrunde zu legen ist, nicht zu befinden. Vielmehr werden die Parteien dies anhand der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung der GmbH zu berücksichtigen haben. Nicht ausreichend ist hierfür jedenfalls die vom Kläger vorgelegte „kurzfristige Erfolgsrechnung Dezember 2006“.

In diesem weitergehenden Umfang war die Berufung des Klägers daher als unbegründet zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

IV.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen. Die Entscheidung ist getragen von den Besonderheiten im tatsächlichen Bereich. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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