Skip to content

Kraftfahrzeugkaskoversicherung – Nachweis Fahrzeugentwendung

OLG Dresden – Az.: 4 U 427/18 – Urteil vom 04.09.2018

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 28.02.2018, Az 3 O 206/16, unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 31.012,82 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 31.012,82 EUR seit dem 21.11.2014 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, weitere 749,34 EUR außergerichtliche Rechtsanwaltskosten an die Klägerin zu zahlen.

3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Mit Ausnahme der durch die Anrufung des unzuständigen Gerichts entstandenen Verfahrenskosten, die allein der Klägerin auferlegt werden, tragen von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz die Klägerin 9 % und die Beklagte 91 %.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. jeweils 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 34.046,43 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Versicherungsleistungen nach behaupteter Entwendung eines Fahrzeugs, das beschädigt wieder aufgefunden wurde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage nach Beiziehung der Strafakte des Jugendschöffengerichts Leipzig, Anhörung der Klägerin und Einvernahme eines Zeugen stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, zu deren Begründung sie rügt, das Landgericht sei dem von der Beklagten angebotenen Zeugenbeweis nicht hinreichend nachgekommen. Insbesondere habe es sich nicht mit den Aussagen der Zeuginnen H. und T. auseinandergesetzt, die unabhängig voneinander das Fahrzeug bereits am Morgen des angeblichen Tags der Entwendung am späteren Abstellort gesehen hätten. Zudem habe es pflichtwidrig den Zeugen K. nicht vernommen, der den Vorwurf der Entwendung des Fahrzeugs bestritten habe und wegen widersprüchlicher Zeugenaussagen freigesprochen worden sei. Zumindest sei die Entwendung aber grob fahrlässig herbeigeführt worden, da der Zeuge Ix., der als Repräsentant der Klägerin anzusehen sei, den Diebstahl grob fahrlässig ermöglicht habe, indem er die Fahrzeugschlüssel während des Partyaufenthaltes nicht bei sich geführt habe. Schließlich sei auch nach Ziffer A.2.10 AKB die geltend gemachte Mehrwertsteuer wegen der behaupteten Ersatzanschaffung nicht geschuldet.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 28.02.2018, Az 3 O 206/16, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens.

Die Akten der Staatsanwaltschaft Leipzig zum Az. 410 Js …/14 wurden beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.08.2018 ergänzend Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat nur in geringem Umfang Erfolg. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin Versicherungsschutz für die nach Entwendung und unbefugtem Gebrauch des versicherten Fahrzeugs entstandenen Schäden aus dem Versicherungsvertrag gegen die Beklagte zusteht.

1. Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz von der Höhe nach unstreitigen Reparaturkosten wegen der am 16.06.14 festgestellten Beschädigungen des versicherten Fahrzeugs ergibt sich aus dem zwischen den Parteien bestehenden Kasko-Versicherungsvertrag. Nach den Regelungen der dem Vertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (im folgenden: AKB 10.2010) unter A.2.2.2. und A.2.2.2. besteht Versicherungsschutz für Unfallschäden, die nach einer unbefugten Entwendung bei unbefugtem Gebrauch des Fahrzeugs verursacht werden.

a) Die für den Eintritt des Versicherungsfalles darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat bewiesen, dass die geltend gemachten Fahrzeugschäden nach Entwendung des auf dem A.-Gelände in L. abgestellten PKW Aston Martin in der Nacht zum 15.06.2014 entstanden sind.

Im Fall eines Fahrzeugdiebstahls bestehen Beweiserleichterungen für den Versicherungsnehmer. Er muss lediglich das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung des Fahrzeugs darlegen und ggf. beweisen, also lediglich ein Mindestmaß an Tatsachen darlegen und beweisen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf eine Wegnahme gegen den Willen des – grundsätzlich als redlich unterstellten – Versicherungsnehmers zulassen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 14. Juli 1993 – IV ZR 179/92 -, juris). Verlangt wird – zunächst jedenfalls – nicht der Vollbeweis der Fahrzeugentwendung, sondern nur der Nachweis des äußeren Bildes einer Fahrzeugentwendung. Im Allgemeinen reicht es hierfür aus, wenn der Versicherungsnehmer das Fahrzeug zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort abgestellt hat und es dort zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr vorfindet (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 22. Juni 2005 – 20 U 15/05 -, Rn. 33, juris). Wie sich aus den Angaben der Klägerin ergibt, die durch die Bekundungen des Zeugen Ix. in seiner Vernehmung vor dem Landgericht bestätigt werden, ist der Entwendungsnachweis geführt. Die Klägerin und der Zeuge haben übereinstimmend geschildert, dass sie zusammen am Abend des 14.06.14 die Party auf dem A.-Gelände besucht haben, den im Eigentum des Zeugen stehenden Aston Martin dort geparkt und die Jacke nebst dem darin befindlichen Fahrzeugschlüssel dem Zeugen Kx. zur Aufbewahrung übergeben haben. Der PkW sei in der Nacht nicht mehr benutzt worden, da sie aufgrund Alkoholgenusses mit einem Freund in die Stadt gefahren seien. Der Verlust des Fahrzeugs und des Originalschlüssels sei erst am Nachmittag des 15.06.14 aufgefallen. Im folgenden schilderte der Zeuge auch nachvollziehbar, wie es zum Wiederauffinden des PkW am 16.06.2014 gekommen sei.

b) Um zu einem angemessenen Ausgleich des Beweisrisikos zu gelangen und den Versicherer gegen den Missbrauch der dem Versicherungsnehmer gewährten Beweiserleichterungen zu schützen, billigt die Rechtsprechung aber auch dem Versicherer Beweiserleichterungen zu. Die mit dem hier – zunächst – gelungenen Beweis für das äußere Bild einer versicherten Entwendung für den Versicherungsnehmer verbundenen Beweiserleichterungen entfallen dann, wenn auf Grund konkreter Tatsachen, die entweder unstreitig oder vom Versicherer bewiesen sind, nach der Lebenserfahrung der Schluss gezogen werden kann, der Versicherungsnehmer habe den Diebstahl mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nur vorgetäuscht (std. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 21. Februar 1996 – IV ZR 300/94 – juris). Dabei reichen für den „Gegenbeweis“ des Versicherers nicht erst solche Tatsachen aus, die eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für die Vortäuschung des Versicherungsfalles begründen, sondern schon solche, die eine erhebliche Wahrscheinlichkeit hierfür nahelegen. Die erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung kann sich sowohl aus den Tatumständen allgemein als auch aus erheblichen Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des Anspruchsstellers und aus seinem Verhalten ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 1996, a.a.O.).

Die von der Berufung angeführten Ungereimtheiten der protokollierten Zeugenaussagen im beigezogenen Strafverfahren belegen weder für sich genommen noch in der Gesamtschau mit hinreichender Sicherheit, dass von einer erheblichen Wahrscheinlichkeit für die Vortäuschung der Entwendung auszugehen ist.

aa) Die Auffassung der Beklagten, die Beweiswürdigung des Landgerichts sei fehlerhaft, weil es zur Abklärung des Sachverhaltes nicht nur die Strafakte des Amtsgerichts Leipzig beiziehen, sondern auch die von der Beklagten benannten Zeugen K., T. und H. selbst hätte vernehmen müssen, trifft nicht zu. Denn das Landgericht hat in der mündlichen Verhandlung am 30.08.2017 auf die Möglichkeit einer Verwertung der Vernehmungsprotokolle aus dem Strafverfahren hingewiesen und eine Frist zur Mitteilung gesetzt, ob an der mündlichen Vernehmung der benannten Zeugen festgehalten wird. Da die Beklagte in Reaktion hierauf mit Schriftsatz vom 14.09.2017 wiederum nur auf die protokollierten Aussagen der Zeugen im Strafverfahren abgestellt hat ohne den Antrag auf Vernehmung zu wiederholen, hat sie stillschweigend auf die Vernehmung der Zeugen durch das Landgericht verzichtet. Ein grundsätzlich möglicher und zulässiger Verzicht auf die Vernehmung von Zeugen durch schlüssige Handlung kann auch darin gesehen werden, dass die Partei, die noch nicht vernommene Zeugen benannt hat, nach durchgeführter Beweisaufnahme ihren Beweisantrag nicht wiederholt (BGH, Urteil vom 9. Januar 1969 – III ZR 174/66 – juris; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 399 Rdn. 2). Diese Schlussfolgerung ist hier auch berechtigt, denn die Beklagte konnte dem Prozessverlauf und insbesondere dem Hinweis des Landgerichts ohne weiteres entnehmen, dass das Gericht mit der bisher durchgeführten Beweisaufnahme und der Beiziehung der Strafakte nebst den darin enthaltenen polizeilichen Vernehmungsprotokollen, Ermittlungsergebnissen und protokollierten Zeugenaussagen seine Aufklärungstätigkeit als erschöpft angesehen hat (vgl. BGH, Urteil vom 02. November 1993 – VI ZR 227/92 -, Rn. 6, juris, m.w.N.). Sie bleibt mit ihrem Antrag auf Vernehmung der Zeugen somit auch für die Berufungsinstanz ausgeschlossen. Die erneute Benennung eines Zeugen in der Berufungsinstanz nach erstinstanzlich erklärtem Verzicht auf dessen Vernehmung beruht auf einer Nachlässigkeit, so dass das Verteidigungsmittel nicht berücksichtigt werden kann, § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO (vgl. OLGR Saarbrücken 2003, 399, 400, juris). Für das Berufungsverfahren ist vielmehr allein auf die Vernehmungsprotokolle und Zeugenaussagen aus dem Strafverfahren abzustellen, die der Senat im Wege des Urkundsbeweises zur Entscheidung herangezogen hat.

bb) Ein gewichtiger Anhaltspunkt für das Vortäuschen einer Entwendung ergibt sich daraus, dass die unbeteiligten Zeuginnen T. und H. unabhängig voneinander und im Fall der Zeugin T. gegenüber der Polizei auch zeitnah ausgesagt haben, dass das vom Autotyp her auffällige und auffällig geparkte Fahrzeug am späteren Auffindeort in der K…straße in L. bereits am Morgen des 14.06.2014 und bis zum Montag dem 16.06.2014 dort gestanden haben soll (Bl. 14 und 198 d. Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Leipzig zum Az. 410 Js …/14, im folgenden EA). Außer dem Zeugen Ix. und dem Zeugen Kx. gibt es zudem keine weiteren Zeugen, die bestätigt haben, dass die Klägerin und der Zeuge, ihr Lebensgefährte, mit dem versicherten Fahrzeug zur Party gekommen sind, obwohl eine große Anzahl von Gästen auf der Party zugegen war. Die Angaben des Zeugen Kx. bei der Polizei zum Zeitpunkt der Entwendung stimmen überdies nicht mit seiner späteren Aussage im Strafverfahren überein. Der als Täter der Entwendung angeklagte K., der zum einen Partygast und am Tag nach der Party im Besitz des Originalschlüssels war, wurde von dem Tatvorwurf der Fahrzeugentwendung freigesprochen. Im Ermittlungsverfahren bleibt ungeklärt, wie er während der Veranstaltung in den Besitz des Schlüssels gelangt sein könnte, da er mit den Örtlichkeiten wohl nicht vertraut gewesen und offen geblieben ist, ob und wie er zu den Privaträumen des Zeugen Kx., in der sich die Jacke mit dem Schlüssel befunden haben soll, Zugang hatte. Ebenso bestehen ausweislich des Strafurteils Anhaltspunkte, an der Glaubwürdigkeit des Zeugen B. zu zweifeln, der das Fahrzeug angeblich auf dem Weg von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstelle gesehen haben will. Schließlich gibt es auch aufgrund von kleineren Widersprüchen und Unklarheiten in den Aussagen des Zeugen Ix. Zweifel an dem von der Klägerin geschilderten genauen Ablauf des Abends. So korrigierte der Zeuge im Verlauf des Ermittlungsverfahrens seine Aussage, man sei an dem Abend direkt nach Hause gefahren und gab später an, man sei mit dem Zeugen Ax. noch in eine weitere Gaststätte gefahren. Es konnte auch nicht sicher geklärt werden, auf welche Weise der Zeuge Ix. in seine Wohnung gelangt sein will, da er in seiner Diebstahlsanzeige angegeben hat, den Wohnungsschlüssel im Fahrzeug gelassen zu haben.

cc) Die Gesamtschau der protokollierten Zeugenaussagen und sonstigen Ermittlungsergebnissen ergibt gleichwohl, dass die Beklagte eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für das Vortäuschen einer Entwendung nicht zur Überzeugung des Senats bewiesen hat.

Die Zeugin H. wurde mehr als ein Jahr nach dem Schadenstag vernommen, so dass schon wegen des Zeitablaufs Zweifel an der Sicherheit ihres Erinnerungsvermögens bestehen. Die zeitnah vernommene Zeugin T. war sich zwar sicher, das Fahrzeug bereits am Samstag vor ihrem Wohnhaus stehen gesehen zu haben. Dem steht aber die Aussage des Zeugen J. entgegen, der schilderte, dass der Aston Martin am Samstagabend bis 23.30 Uhr nicht dort stand, sondern erst am Sonntagvormittag gegen 08.30 Uhr (Bl. 450 d.EA). Auch das Amtsgericht Leipzig hat es daher ausweislich der Gründe des Strafurteils für möglich gehalten, dass sich die Zeuginnen H. und T. hinsichtlich der Abstellzeit geirrt haben könnten.

Die plausiblen und konstanten Angaben der Klägerin im Rahmen des Ermittlungs- und Strafverfahrens sowie während ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht werden zudem in allen wesentlichen Punkten durch die erstinstanzliche Aussage des Zeugen Ix. sowie die protokollierten Aussagen der Zeugen Kx., Ax. (Bl. 434 d. EA) und B. (Bl. 416 d. EA) bestätigt. Für den von der Klägerin geschilderten Ablauf spricht überdies entscheidend, dass sich der sowohl der Klägerin als auch dem Zeugen Ix. unbekannte Angeklagte K. nach seiner eigenen Einlassung jedenfalls nach der Party im Besitz des Originalschlüssels zum Fahrzeug und des Handys der Klägerin befand und beides an den Zeugen Ix. im Rahmen eines durch weitere Zeugen bestätigten Treffens in einem Cafe herausgegeben hat. Weitere Anhaltspunkte, die für die behauptete Entwendung durch K. sprechen, ergeben sich aus den Aussagen der im Strafverfahren vernommenen Zeugen F., N., Z. und J.. Danach soll K. mit einem Mädchen auf der Party gewesen sein, ihr erklärt haben, er habe einen Schlüssel gefunden und sei mal kurz für eine Spritztour weg und dann auch tatsächlich zeitweise verschwunden gewesen sein. Schließlich bestätigte sich im Verlauf des Strafverfahrens auch, dass – entgegen der Annahme der von der Beklagten mit Ermittlungen beauftragten Detektei – der Zeuge Kx. über Facebook einen Fahndungsaufruf initiiert hatte, der letztlich zur Ermittlung des K. führte (vgl. Nachrichten, Bl. 215 d. EA). Die von K. versandten Nachrichten sprechen ebenfalls eher für die Annahme, dass er zumindest an dem Abhandenkommen des Fahrzeugs beteiligt war. Die bei der Klägerin noch bestehenden Widersprüche und Ungereimtheiten zum Ablauf des Abends betreffen auch nicht das Kerngeschehen, sondern nur untergeordnete Einzelheiten, die zudem durch Erinnerungslücken oder unbewußtes Außer-Acht-lassen bei den Aussagen erklärbar sind. So wurde die Fahrt in eine weitere Gaststätte am Abend des 15.6.2014 durch die Aussage des Zeugen Ax. bestätigt. Die Klägerin hat weiterhin angegeben, dass es zu der Wohnung des Zeugen Ix. mehrere Schlüssel gab, und der Zeuge einen davon möglicherweise auch bei sich getragen habe.

2. Die Berufung kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass der Anspruch der Klägerin wegen einer Obliegenheitsverletzung des Zeugen Ix. zu kürzen ist, der Eigentümer des Fahrzeugs und damit nach A.2.2.4. AKB 2010 als ihr Repräsentant anzusehen ist. Die Regelung in § 81 Abs. 2 VVG, A.2.17.1 AKB 2010 berechtigt den Versicherer bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles die Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Grob fahrlässig handelt, „wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gröblich, in hohem Grade außer Acht lässt, wer nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten musste“ (vgl. hierzu Prölss/Martin, VVG, 30. Auflage, § 28 VVG, Randnummer 121 m.w.N.), bspw. einfachste Überlegungen nicht angestellt und keine Maßnahmen ergriffen hat, die jedermann einleuchten müssten. Als grob fahrlässig ist ein den Eintritt des Versicherungsfalls förderndes Verhalten dann zu werten, wenn sich schon bei einfachen und naheliegenden Überlegungen die erhöhte Schadenwahrscheinlichkeit und die Notwendigkeit, ein anderes als das geübte Verhalten in Betracht zu ziehen, aufdrängt (OLG Hamm, Urteil vom 26. April 1991 – 20 U 284/90 -, juris). Zu den von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer – und ebenso von seinem Repräsentanten – zu erwartenden Sicherungsvorkehrungen gegen einen Diebstahl eines Fahrzeugs gehört es, die Fahrzeugschlüssel so aufzubewahren, dass sie vor dem unbefugten Zugriff beliebiger Dritter geschützt sind (OLG Hamm a.a.O.; OLG Oldenburg, Urteil vom 28. Februar 1996 – 2 U 304/95 -, Rn. 3, juris zur Annahme eines groben Sorgfaltsverstoßes wegen der Verwahrung eines Autoschlüssel in einer Jackentasche, die in einer Diskothek unbeaufsichtigt abgelegt wurde). Nach diesen Kriterien kann der Klägerin bzw. ihrem Repräsentanten kein grober Sorgfaltsverstoß angelastet werden. Zwar handelt es sich um ein überdurchschnittlich wertvolles Fahrzeug, so dass von gesteigerten Anforderungen an die Aufbewahrung der Fahrzeugschlüssel auszugehen ist. Diesen Anforderungen ist der Zeuge Ix. aber nachgekommen, da er die Jacke seiner Aussage zufolge mit dem in der Innentasche befindlichen Schlüssel dem Zeugen Kx. übergeben und dieser ihm zugesichert haben will, die Jacke mit dem Schlüssel in seine von den allgemein zugänglichen Veranstaltungsräumen der Party getrennte private Wohnung zu verbringen und diese zu verschließen. Die Aussage des Zeugen Ix. wird bestätigt durch die Angaben des Zeugen Kx. im Rahmen seiner Aussage vor dem Amtsgericht Leipzig. Danach habe er die Jacke mit dem Schlüssel tatsächlich in seine Privaträume verbracht und diese verschlossen. Der Schlüssel befand sich damit nicht einer Jacke, die wiederum in den Partyräumen unbeaufsichtigt abgelegt wurde, sondern wurde hinreichend gesichert in verschlossene Wohnräume gebracht und dort abgelegt wie aufgrund der Aussage des Zeugen Ix. mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststeht. Dies reicht als Sicherungsmaßnahme aus, zumal der Zeuge das Fahrzeug auch gesondert in einem durch ein Tor verschlossenen Innenhof abgestellt hat.

Dem Zeugen Ix. kann auch nicht als grober Sorgfaltsverstoß vorgehalten werden, er hätte damit rechnen müssen, dass eine Vielzahl von Gästen Zutritt zu den privaten Wohnräumen des Zeugen Kx. erhalten würden. Dies ist vor dem Hintergrund der Zusicherung des Zeugen Kx. für eine sichere Aufbewahrung zu sorgen, nicht gerechtfertigt.

3. Die Klägerin hat allerdings keinen Anspruch auf Zahlung der Mehrwertsteuer auf die fiktiven Reparaturkosten des Fahrzeugs. Nach A.2.10 AKB ersetzt der Versicherer Mehrwertsteuer nur, wenn und soweit diese für den Versicherungsnehmer bei der von ihm gewählten Schadenbeseitigung angefallen ist. Hier wurde das Fahrzeug wieder aufgefunden, so dass die Klägerin bzw. ihr Repräsentant zur In-Besitznahme verpflichtet war und den PkW auch wieder in Besitz genommen hat. Wegen der Beschädigungen hat die Klägerin die Reparaturkosten auf Gutachtenbasis abgerechnet. Daher ist nach A.2.10 AKB kein Raum für die Geltendmachung der Mehrwertsteuer bei Verkauf des unstreitig nicht als Totalschaden bewerteten Fahrzeugs. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Klausel, nach der der Versicherer Umsatzsteuer nur zu ersetzen hat, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist, mithin eine Erstattung der Mehrwertsteuer auf fiktiver Abrechnungsbasis in jedem Fall ausschließt, auch wirksam (BGH, Beschluss vom 4. November 2009 – IV ZR 35/09 – Rn. 9; BGH NJW 2006, 2545 – Rn. 20; OLG Celle, Beschluss vom 28. März 2008 – 8 W 19/08 -, Rn. 3, juris ). Eine inhaltlich unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB ist nicht gegeben, weil es kein gesetzliches Leitbild gibt, von dem die Klausel abweicht (KG Berlin, Beschluss vom 01. Juni 2010 – 6 U 25/10 -, Rn. 4, juris).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

 

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Versicherungsrecht

Egal ob Ihre Versicherung die Zahlung verweigert oder Sie Unterstützung bei der Schadensregulierung benötigen. Wir stehen Ihnen zur Seite.

 

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Versicherungsrecht

Urteile aus dem Versicherungsrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!