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Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung – Leistungsfreiheit wegen mehrfacher Obliegenheitsverletzung

AG Karlsruhe, Az.: 2 C 470/13

Urteil vom 18.02.2014

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 1.573,49 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3.1.2013 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Zwischen den Parteien bestand ein Vertrag über eine Kfz.-Haftpflichtversicherung für das Fahrzeug der Beklagten mit dem amtlichen Kennzeichen … . Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Erstattung von an einen Unfallgeschädigten erbrachten Leistungen im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs.

Am 14.11.2011 gegen 15.30 Uhr stieß die Beklagte auf dem Parkplatz der Helios-Klinik in Freiburg beim Versuch, rückwärts auszuparken, gegen den dort gut erkennbar geparkten Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen … . Die Beklagte war zu diesem Zeitpunkt alkoholisiert.

Die Beklagte stieg aus, besah sich den Schaden an dem unfallgegnerischen Fahrzeug und ließ eine Visitenkarte an der Windschutzscheibe zurück. Sie entfernte sich sodann vom Unfallort. Nach ca. 10 Minuten kehrte sie zurück, fuhr dabei ungebremst deutlich zu schnell gegen einen gut erkennbaren Kantstein. Sodann entfernte sie sich zu Fuß vom Unfallort. Sie geriet dabei mehrfach ins Stolpern und drohte auf gerader Fläche zu stürzen. Die Auswertung einer von der Polizei um 17.50 Uhr bei der Beklagten veranlassten Blutentnahme ergab einen Wert von 1,24 Promille. Eine weitere ca. 40 Minuten später entnommene Blutprobe wies eine Blutalkoholkonzentration von 1,14 Promille auf.

Gegenüber dem die Blutentnahme durchführenden Arzt gab die Beklagte an, sie habe nach dem Unfall zwei Weißweinschorle und ein viertel Weißwein getrunken. In ihrer Vernehmung am Folgetag durch die Polizei gab die Beklagte an, sie habe nach Verlassen der Unfallstelle zwei Fläschchen Jägermeister getrunken. In ihrer an die Klägerin übersandten Schadensmeldung vom 23.12.2013 verneinte die Beklagte die Frage, ob sie als Fahrzeugführerin zum Unfallzeitpunkt alkoholisiert war. Die Frage, ob gegen sie wegen einer Verkehrsunfallflucht ermittelt werde, versah sie mit einem Fragezeichen.

Die Beklagte glich den dem Unfallgeschädigten entstandenen Schaden mit einem Gesamtbetrag von Euro 1.573,49 aus. Diesen Betrag verlangt sie von der Beklagten im Wege des Rückgriffs.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe zum Unfallzeitpunkt eine Blutalkoholkonzentration von Euro 1,1 Promille aufgewiesen. Die zunächst zurückgelassene Visitenkarte habe die Beklagte bei ihrem zweiten Eintreffen an der Unfallstelle an sich genommen.

Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung: Leistungsfreiheit wegen Alkoholkonsums und Verkehrsunfallflucht
Symbolfoto: Yastremska/Bigstock

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte habe in mehrfacher Hinsicht gegen sie treffende Obliegenheiten verstoßen. So habe sie den Unfall im Zustand der Fahruntüchtigkeit verursacht. Sie habe eine Unfallflucht begangen und den Sachverhalt zum Grad ihrer Alkoholisierung verschleiert.

Die Klägerin beantragt, wie erkannt worden ist.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie habe zum Unfallzeitpunkt lediglich eine Blutalkoholkonzentration von 0,47 Promille aufgewiesen. Diese Alkoholisierung sei nicht unfallursächlich gewesen.

Sie ist der Auffassung, aufgrund des Umstandes, dass sie eine Visitenkarte zurückgelassen habe, habe sie den Tatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort nicht verwirklicht. Die von ihr gemachten widersprüchlichen Angaben zum Nachtrunk seien in einem gesundheitlichen Ausnahmezustand erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Beklagte schuldet der Klägerin die Erstattung der mit der Schadensregulierung gemachten Aufwendungen gem. § 116 Abs. 1 VVG in Verbindung mit § 398 BGB. Die Klägerin ist gegenüber der Beklagten leistungsfrei geworden, sodass die gewährten Schadensersatzleistungen im Innenverhältnis allein von der Beklagten zu tragen sind.

So befand sich die Beklagte zum Unfallzeitpunkt im Zustand der absoluten Fahruntüchtigkeit. Die ca. 2 Stunden nach dem Unfall bei ihr entnommene Blutprobe wies eine Blutalkoholkonzentration von 1,24 Promille auf. Zu ihrer Behauptung, zum Unfallzeitpunkt habe lediglich eine Blutalkoholkonzentration von 0,47 Promille vorgelegen, hat die Beklagte keine Tatsachen vorgetragen, woraus sich dies herleiten ließe. Nach der sie im Zivilprozess treffenden sekundären Darlegungslast wäre von ihr vorzutragen gewesen, wann sie welche alkoholischen Getränke in welcher Menge nach dem Unfall zu sich genommen hat. Solches hat sie nicht vorgetragen.

Das Gericht geht deshalb von der absoluten Fahruntüchtigkeit der Beklagten zum Zeitpunkt der Kollision aus, was im Übrigen im Einklang mit dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin steht, wonach die Beklagte ca. 10 Minuten nach dem Unfall zu Fuß die Unfallstelle mehrfach stolpernd in einer Weise verließ, dass die Gefahr eines Sturzes bestand.

Daneben hat die Beklagte sich eines unerlaubten Entfernens von der Unfallstelle schuldig gemacht. Sie hat die Unfallstelle vorsätzlich verlassen, ohne Feststellungen zu ihrer Person als Unfallbeteiligter und der Art ihrer Unfallbeteiligung zu ermöglichen. Sie hat auch nicht in anderer Weise dafür Sorge getragen, dass solche Feststellungen ermöglicht werden konnten. Mit dem Anbringen einer Visitenkarte ist dem Feststellungsinteresse des Unfallgegners nicht genüge getan. Aus einer zurückgelassenen Visitenkarte lassen sich weder Feststellungen zu den am Unfall beteiligen Personen, noch zur Art ihrer Unfallbeteiligung ziehen.

Letztendlich hat die Beklagte fortwährend gegen die sie gegenüber der Klägerin treffende Obliegenheit zur Sachverhaltsaufklärung beizutragen, verstoßen. Bereits mit dem Verlassen der Unfallstelle – in unstreitig alkoholisiertem Zustand – hat sie die erforderlichen Feststellungen zum Grad ihrer Alkoholisierung vereitelt. Zu einem Trinkverhalten nach dem Unfall hat sie nachfolgend unterschiedliche Angaben gemacht. Dass dies alles darauf abzielte, den Grad ihrer Alkoholisierung zu verschleiern, belegt in eindeutiger Weise, dass die Beklagte in ihrer an die Klägerin gerichtete Schadenmeldung die Frage nach einem Alkoholgenuss vor dem Unfall wahrheitswidrig verneinte. Die Beklagte hat mithin in mehrfacher Weise gegen sie treffende Obliegenheiten verstoßen, was die Leistungsfreiheit der Klägerin nach sich zieht.

Allein bereits die Trunkenheitsfahrt der Beklagten führt im Rahmen der gem. § 28 Abs. 2 S. 2 VVG anzustellenden Abwägung unter Berücksichtigung des Grades der Alkoholisierung und des damit verbundenen Gefährdungspotenzials sowie des von der Beklagten nicht ausgeräumten grob fahrlässigen Verhaltens zu einer Leistungsfreiheit der Klägerin zu 100 %. Dies gilt umso-mehr in der Gesamtbetrachtung mit der vorsätzlich begangenen Unfallflucht und dem Versuch der Beklagten, ihre Alkoholisierung zum Unfallzeitpunkt zu verschleiern.

Die Klägerin hat mithin Anspruch auf Erstattung der von ihr an den Unfallgegner erbrachten Leistungen in unstreitiger Höhe von Euro 1.573,49. Der Klage war mithin stattzugeben.

Die zugesprochenen Zinsen ergeben sich aus §§ 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 709 ZPO.

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