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Kraftfahrtzeughaftpflichtversicherung – Zulassen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis durch den Versicherungsnehmer

LG Oldenburg, Az.: 13 S 506/14, Urteil vom 03.07.2015

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16.09.2014 verkündete Urteil des Amtsgerichts Oldenburg geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Kraftfahrtzeughaftpflichtversicherung - Zulassen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis durch den Versicherungsnehmer
Symbolfoto: Von Andrey_Popov /Shutterstock.com

Der Kläger ist Haftpflichtversicherer einer landwirtschaftlichen Zugmaschine der Beklagten. Am 19.11.2013 kam es zwischen der versicherten Zugmaschine und einem Omnibus zu einem Verkehrsunfall, für den der Kläger dem Geschädigten zu 100 % Ersatz in Höhe von 25.878,45 € leistete. Da der bei der Beklagten beschäftigte Fahrer der Zugmaschine namens J nicht im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis war, nimmt der Kläger die Beklagte auf Ersatz des Höchstbetrages von 5.000 € in Anspruch.

In den zugrunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB) ist unter D1.3 geregelt, dass der Fahrer des versicherten Fahrzeugs dieses nur mit der erforderlichen Fahrerlaubnis nutzen und nicht zulassen darf, dass das Fahrzeug von einem Fahrer benutzt wird, der nicht die erforderliche Fahrerlaubnis hat. Eine vorsätzliche Verletzung dieser Obliegenheit zieht nach D4 der AKB den Verlust des Versicherungsschutzes nach sich. Für den Fall der grob fahrlässigen Verletzung dieser Obliegenheit ist eine Quotelung nach der Schwere des Verschuldens vorgesehen. Nach D4.3 ist die Leistungsfreiheit des Versicherers auf 5.000 € beschränkt.

Der Kläger hat vorgetragen, es sei grob fahrlässig, dass die Beklagte sich vor Beginn des Beschäftigungsverhältnisses nicht einen Führerschein ihres Angestellten habe zeigen lassen. Er meint, dass bei einem derartigen Verhalten eine Kürzung auf Null infrage komme; der Betrag von 5.000 € mache im Verhältnis zum Gesamtschaden weniger als 20 % aus; eine derartige Quote sei auf jeden Fall gerechtfertigt.

Die Beklagte hat vorgetragen, sie habe allenfalls leicht fahrlässig gegen die Obliegenheit verstoßen. Sie habe Herrn J schon seit vielen Jahren gekannt, da er in einem vergleichbaren Betrieb gearbeitet habe und sie ihn dort Pkw und landwirtschaftliche Maschinen habe fahren sehen. Ihr sei bekannt gewesen, dass dort ein Hofauto vorgehalten werde, das Herr J auch für private Zwecke haben nutzen dürfen, und dass dieser zeitweise auch einen eigenen Pkw gehabt habe. Sie habe sicher gehen wollen, dass er auch landwirtschaftliche Zugmaschinen fahren dürfe, woraufhin er ihr auf ihre entsprechende Frage gesagt habe, dass er die alte Führerscheinklasse 3 habe. Gemeinsam hätten sie im Internet recherchiert, dass das Fahren sämtlicher Maschinen von der Führerscheinklasse gedeckt sei.

Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Zahlung verurteilt und hat zur Begründung ausgeführt, es sei, insbesondere wenn es um den Betrieb landwirtschaftlicher Zugmaschinen gehe, grob fahrlässig, dass die Beklagte sich den Führerschein nicht habe zeigen lassen. Die vorgetragenen Umstände reichten nicht aus, um diesen Vorwurf entfallen zu lassen. Eine leichte Fahrlässigkeit könne nur dann anzunehmen sein, wenn ein enges Vertrauensverhältnis vorliege, das sich aus dem Vortrag der Beklagten aber nicht ergebe.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klagabweisung weiter. Sie meint, das Amtsgericht hätte sie darauf hinweisen müssen, dass der Vortrag zu Art und Intensität des Bekanntschaftsverhältnisses nicht ausreiche, und trägt im Einzelnen vor, dass sie Herrn J seit 2007 mindestens wöchentlich bei der Arbeit gesehen habe, dabei mehrfach mit ihm ins Gespräch gekommen sei und erfahren habe, dass er seine Kinder jedes zweite Wochenende mit dem Fahrzeug abhole. Sie wisse auch, dass er das Hoffahrzeug des Betriebes K am Wochenende für private Zwecke habe nutzen dürfen. Zudem sei er ihr als zuverlässig beschrieben worden. Deshalb habe sie sich bei der Einstellung im Jahr 2010 darauf verlassen, dass eine Fahrerlaubnis vorhanden sei. Anlass zum Misstrauen habe nicht bestanden.

Im Übrigen vertiefen beide Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen. Von der weiteren Darstellung wird gemäß § 540 Abs.1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung gegen die Beklagte wegen einer Leistungsfreiheit in der Haftpflichtversicherung nicht zu. Der Kläger ist nicht leistungsfrei geworden.

Es ist unstreitig, dass die Beklagte gegen die Obliegenheit nach D.1.3. der AKB verstoßen hat, wonach sie das versicherte Fahrzeug nicht von einem Fahrer benutzen lassen darf, der nicht die erforderliche Fahrerlaubnis hat. Ihr fällt aber keine grobe Fahrlässigkeit zur Last, so dass die Rechtsfolge der Leistungsfreiheit, auch der teilweisen Leistungsfreiheit, nicht eintritt.

Es ist allerdings allgemeine Ansicht, dass der Halter eines Fahrzeugs, der sein Fahrzeug einem anderen überlässt, sich stets davon vergewissern muss, dass der Fahrer im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis ist, und dass das in der Regel durch Einblick in den Führerschein zu geschehen hat (BGH IVa ZR 90/87; OLG Köln r +s 1991,153). Ausnahmen von der Regel, dass der Führerschein vorzulegen ist, werden aber ebenfalls als zulässig angesehen, nämlich dann, wenn der Versicherungsnehmer sich auf andere Umstände verlässt, die vernünftigerweise den sicheren Schluss auf das Vorhandensein eines Führerscheins zulassen (BGH a.a.O.; OLG Köln, a.a.O.). Es müssen sichere Erkenntnisquellen vorliegen, aus denen heraus die Annahme folgt, dass der Fahrer einen Führerschein hat. Diese Grundsätze fanden bereits unter der Geltung des VVG a.F. Anwendung, als eine Quotelung nach dem Grad des Verschuldens noch nicht zulässig war. Sie sind auch heranzuziehen, wenn es darum geht, im Rahmen des § 28 VVG n.F. den Grad des Verschuldens bezüglich der objektiv vorliegenden Obliegenheitsverletzung festzulegen.

Das führt hier dazu, dass eine Leistungsfreiheit des Klägers nicht eintritt. Der Grad des Verschuldens liegt im Bereich der einfachen Fahrlässigkeit. Selbst wenn man ihn als noch grob fahrlässig qualifizieren wollte, läge das Verschulden derart im unteren Bereich der groben Fahrlässigkeit, dass es sich schon um den Grenzbereich zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit handeln würde mit der Folge, dass eine Quote nicht zu bilden ist.

Die Beklagte hatte Erkenntnisquellen, aus denen sie den sicheren Schluss ziehen durfte, dass der einzustellende Beschäftigte über eine gültige Fahrerlaubnis verfüge. Ihr war bekannt, dass er seit Jahren auf einem Hof, auf dem sie sich häufig befand und dessen Betreiber sie kannte, Pkws und landwirtschaftliche Zugmaschinen fuhr. Der Betreiber dieses Hofes, der Zeuge K, hat glaubhaft ausgesagt, dass er Herrn J, der mehrere Jahre bei ihm gearbeitet habe, alle Fahrzeuge anvertraut habe, sowohl seinen eigenen privaten Wagen, als auch Hoffahrzeuge wie einen Jeep und einen Trecker, und dass dieser damit beanstandungsfrei auf dem Hof und auf öffentlichen Straßen gefahren sei. Der Zeuge selbst wusste auch, so seine Aussage, dass sein Angestellter für andere Arbeitgeber aushilfsweise als Chauffeur gearbeitet und auch einen eigenen Wagen besessen habe. Er hat weiter ausgesagt, dass Herr J ein korrekter, ordentlicher und zuverlässiger Mitarbeiter gewesen sei.

Nach der Aussage des Zeugen steht ebenfalls fest, dass die Beklagte diese Umstände kannte. Sie habe, so der Zeuge, seinen Mitarbeiter mehrfach fahren sehen. Nachdem J bei ihm gekündigt und es angestanden habe, ob die Beklagte ihn für ihren Hofbetrieb einstelle, habe er ihr zusätzlich zu diesen Umständen berichtet, dass es sich um einen zuverlässigen und vollkommen korrekten Mitarbeiter handele.

Dass sich darüber hinaus zwischen J und der Beklagten ein verfestigtes Vertrauensverhältnis entwickelt hatte, ergibt sich aus der Aussage nicht. Der Zeuge hat zwar ausgesagt, dass die beiden sich auf dem Hof mehrfach unterhalten hätten und dass sein Mitarbeiter gern mit anderen gesprochen und dabei viel erzählt habe; dass sich dabei ein besonderes Vertrauensverhältnis entwickelt hätte, hat der Zeuge aber nicht bestätigt.

Darauf kommt es nach Auffassung der Kammer aber auch nicht an. Entscheidend ist, dass die Beklagte von einem ihr gut bekannten Kollegen die Empfehlung bekommen hatte, dass es sich um einen tadellosen, insbesondere korrekten und zuverlässigen Mitarbeiter handele, und dass sich diese Eigenschaft auf die Teilnahme am Straßenverkehr bezog. Es ist entscheidend weiter darauf abzustellen, dass die Beklagte Herrn J in dem Wissen um dessen Zuverlässigkeit selbst am Straßenverkehr hat teilnehmen sehen und dass ihr vom Zeugen K bestätigt worden war, dass dieser selbst seinem Mitarbeiter eigene Fahrzeuge zum Fahren überlassen hatte und dass auch diese Fahrten ordnungsgemäß abgewickelt worden waren. Die Tatsache, dass die Beklagte gemeinsam mit J im Internet recherchiert hat, ob die als vorhanden behauptete Führerscheinklasse 3 auch das Fahren mit den vorhandenen landwirtschaftlichen Maschinen umfasst, ist dabei ein weiterer Gesichtspunkt, der gegen eine grobe Fahrlässigkeit spricht. Zwar reicht es nicht aus, sich auf mündliche Beteuerungen desjenigen zu verlassen, dem man sein Fahrzeug überlässt. Anders ist das aber zu beurteilen, wenn die Beklagte aufgrund der oben genannten Umstände ohnehin ausreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Fahrerlaubnis hatte und wenn die betreffende Person dann noch gemeinsam mit ihr im Internet wegen des Umfangs der alten Führerscheinklasse recherchiert.

Diese Umstände rechtfertigen es, eine grobe Fahrlässigkeit zu verneinen. Auf den Grad der Bekanntschaft zwischen der Beklagten und J zum Zeitpunkt der Begründung des Arbeitsverhältnisses kommt es wegen dieser Umstände nicht mehr an. Auch der unentschuldigt nicht erschienene Zeuge J musste nicht mehr vernommen werden; die Beweisfragen sind durch den Zeugen K beantwortet.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Ziff.10, 711, 713,26 Nr.8 EGZPO.

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